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Begegnungen11_Kovacs

Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 11:231–243.

ATTILA KOVÁCS

„Die Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen in der amerikanischen und sowjetischen Deutschlandpolitik 1945–1949”

 

Grundfragen eines Forschungsprojektes

Bei der Vorstellung des Vorhabens halte ich für wichtig, auch auf manche Grundlagenprobleme, wie Vorgeschichte des Integrationsprozesses (Flucht und Vertreibung) oder Grundbegriffe wie „Integration”, „Vertriebene und Flüchtlinge” einzugehen. Danach möchte ich die zentralen Fragen ansprechen, die es in der anzufertigenden Analyse zu beantworten gilt. Dabei werden auch manche Thesen ausformuliert. Im Anhang des Beitrags wird die geplante Gliederung der Arbeit skizziert – dabei sollte allerdings beachtet werden, dass das ganze Vorhaben sich im Jahr 2000 noch in seiner Anfangsphase befand. Infolge des Erwerbs neuer Kenntnisse, konzeptuellen Wandels oder neuer Anregungen können/konnten bestimmte Bestandteile ergänzt, ersetzt oder sogar gänzlich weggelassen werden. Im Anhang wird außerdem das bereits bearbeitete Quellenmaterial aufgelistet.

 

Hintergrund, Vorgeschichte

Vertreibung der Deutschen

Der Gedanke der Vertreibung des Deutschtums aus dem Osten war noch in den ersten Kriegsjahren u.a. von dem tschechischen Exilpolitiker E. Benes aufgeworfen worden, gedacht als eine dauerhafte Lösung der Minderheitenkonflikte im nach dem Krieg neugeordneten Ostmitteleuropa (es kam im wesentlichen darauf an, die während der NS-Herrschaft als illoyale „fünfte Kolonne” empfundene Minderheit aus dem eigenen – neu zu formierenden – Lande auszuweisen). Bis zum Sommer 1945 tauchen verschiedene Standpunkte und Meinungen zum Aussiedlungsproblem bei den Besprechungen und in der Korrespondenz der englischen, amerikanischen, sowjetischen, polnischen und tschechischen Politiker und Diplomaten auf, es ist aber wegen des häufigen Positionswechsels nicht einfach zu rekonstruieren, wann frühestens eine prinzipielle Zustimmung der „Großen Drei”1 zu den Massenumsiedlungen vorlag. Ohne weiteres lässt sich aber feststellen, dass das Aussiedlungsproblem als ein organischer Bestandteil bei der Lösung der tschechischen und polnischen Frage galt.

Winston Churchill führte in seiner am 15. Dezember 1944 vor dem britischen Unterhaus gehaltenen Rede folgendes aus: „Die Umsiedlung von mehreren Millionen Menschen müsste vom Osten nach Westen oder Norden durchgeführt werden, ebenso die Umsiedlung der Deutschen – denn das wurde vorgeschlagen: völlige Umsiedlung der Deutschen – aus den Gebieten, die Polen im Westen und Norden gewinnt. Denn die Umsiedlung ist, soweit wir in der Lage sind, es zu überschauen, das befriedigendste und dauerhafteste Mittel. Es wird keine Mischung der Bevölkerung geben, wodurch endlose Unannehmlichkeiten entstehen [...] Reiner Tisch wird gemacht [...]. Mich beunruhigt die Aussicht des Bevölkerungsaustausches ebensowenig, wie die großen Umsiedlungen, die unter modernen Bedingungen viel leichter möglich sind als je zuvor”.2 Er müsste dabei sicherlich auch den mehr oder weniger erfolgreich durchgeführten Bevölkerungsaustausch im Sinne des Lausanne-Abkommens von 1923 zwischen der Türkei und Griechenland in Erinnerung gehabt haben, in dessen Rahmen insgesamt mehr als 2 Millionen Menschen zwangsweise umgesiedelt worden waren. Darauf berief sich auch Präsident Roosevelt bereits bei einer Unterredung mit dem britischen Außenminister Eden in Washington, worüber Harry Hopkins berichtet: „Der Präsident sagte, er glaube, wir sollen Vorkehrungen treffen, die Preußen in derselben Weise aus Westpreußen wegzubringen, wie die Griechen nach dem letzten Kriege aus der Türkei weggebracht worden seien; dies sei zwar ein hartes Verfahren, aber der einzige Weg, den Frieden zu erhalten; und den Preußen könne man unter keinen Umständen trauen.”3

„Zwangszuwanderer” kamen seit 1944 im Wesentlichen auf vier Wegen ins Gebiet der späteren alliierten Besatzungszonen:

1. Durch individuelle Flucht, v.a. aus Angst vor der Rache der Rotarmisten (seit Herbst-Winter 1944),

2. durch von den örtlichen deutschen Behörden bzw. von verschiedenen Einheiten der Wehrmacht und Waffen-SS durchgeführten Evakuierungen (seit Herbst-Winter 1944),

3. durch die sog. „wilden Vertreibungen” aus tschechischer und polnischer Verwaltung unterstellten Gebieten (im Frühjahr-Sommer 1945),

4. durch organisierte Aussiedlungen nach den Bestimmungen des Potsdamer Abkommens (ab August 1945).

Das Potsdamer Abkommen

Die deutschen Ostgebiete seien menschenleer, und „wo unsere Truppen4 hinkommen, da laufen die Deutschen weg”, hatte Stalin auf der zwischen dem 17. Juli und 2. August 1945 stattgefundenen Potsdamer Konferenz ausgeführt und damit die Konferenzteilnehmer beruhigt, sofern sie überhaupt beunruhigt waren. Jedenfalls erschienen die britische (insbesondere nach dem Ausscheiden Churchills) und vor allem die amerikanische Delegation in dieser Frage etwas unvorbereitet. Die schon erwähnten „wilden” Vertreibungen aus den unter tschechischer und polnischer Verwaltung stehenden Gebieten waren während der Unterredungen in Potsdam bereits im Gange. Das Aussiedlungsproblem wurde dennoch nur kurz diskutiert, eine endgültige Einstellung oder ein Verbot der bereits laufenden Aussiedlungsaktionen kam gar nicht in Frage. (Lediglich ein provisorischer Stop wurde vorgeschlagen und vorgesehen, nach der Schaffung von „humanen und geregelten” Transport- und Aufnahmeverhältnissen die Aussiedlungen weiterzuführen.)

Das als „Potsdamer Abkommen” bekannte Dokument ist eine Kurzfassung des „Protocol of Proceedings”, in dem die Beschlüsse, Vereinbarungen und Absichtserklärungen der Regierungschefs der drei Großmächte festgehalten sind, was allerdings nach Meinungen vieler Experten keinen völkerrechtlichen Vertrag darstellt. Auf der Potsdamer Konferenz wurde u.a. („bis zur endgültigen Festlegung”) die Oder-Neiße-Linie als polnische Westgrenze bestätigt, ferner eine „ordnungsmäßige Überführung” der deutschen Bevölkerung aus Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn nach Deutschland vereinbart.

Aus dem Text des Artikels XIII geht klar hervor:

Erstens: Das Hauptanliegen der Alliierten – die Aussiedlungen also auf möglichst humanem und geregeltem Wege durchzuführen,

Zweitens: Im Moment der Unterzeichnung des Protokolls lag auf keiner Seite ein klares Aussiedlungskonzept vor.

„Artikel XIII. Ordnungsmäßige Überführung deutscher Bevölkerungsteile.

Die Konferenz erzielte folgendes Abkommen über die Ausweisung Deutscher aus Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn:

Die drei Regierungen haben die Frage unter allen Gesichtspunkten beraten und erkennen an, dass die Überführung der deutschen Bevölkerung oder von Bestandteilen derselben, die in Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn zurückgeblieben sind, nach Deutschland durchgeführt werden muss. Sie stimmten darin überein, dass jede derartige Überführung, die stattfinden wird, in ordnungsgemäßer und humaner Weise erfolgen soll. Da der Zustrom einer großen Zahl Deutscher nach Deutschland die Lasten vergrößern würde, die bereits auf den Besatzungsbehörden ruhen, halten sie es für wünschenswert, dass der Alliierte Kontrollrat in Deutschland zunächst das Problem unter besonderer Berücksichtigung der Frage einer gerechten Verteilung dieser Deutschen auf die einzelnen Besatzungszonen prüfen soll. Sie beauftragten demgemäß ihre jeweiligen Vertreter beim Kontrollrat, ihren Regierungen sobald wie möglich über den Umfang zu berichten, in dem derartige Personen aus Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn nach Deutschland gekommen sind, und eine Schätzung über Zeitpunkt und Ausmaß vorzulegen, zu dem die weiteren Überführungen durchgeführt werden könnten, wobei die gegenwärtige Lage in Deutschland zu berücksichtigen ist. [...]”5

Verteilungsplan

Die Deutschen in den abgetretenen Ostgebieten wurden nach Potsdam auf dem Boden des Kollektivschuldprinzips – rechtlich allerdings nicht unangreifbar – bestraft: sie mussten Ostpreußen, Ostpommern, Schlesien, die östliche Mark Brandenburg, den sog. „Warthegau” (Westpolen) und das Sudetengebiet (gehörte seit dem Münchner Abkommen von 1938 dem Dritten Reich an) und Ungarn nunmehr „unter geregelten Umständen” räumen. Die geplante Umsiedlungsaktion der Alliierten lag – aufgrund einer offenbar falschen Schätzung – zahlenmäßig bei 3 bis 6 Millionen Menschen. Im Ausweisungsplan des Alliierten Kontrollrats vom November 1945 waren folgende Ausweisungsquoten vorgesehen:

 

   aus Polen (bis zur Oder-Neiße)      3,5 Millionen

   aus der Tschechoslowakei             2,5 Millionen

   aus Ungarn                                     0,5 Millionen

   aus Österreich                                0,15 Millionen

Nach dem Verteilungsplan sollten die Ausgewiesenen umgesiedelt werden:

   in die sowjetische Zone:   

   aus Polen                                        2,0 Millionen

   aus der Tschechoslowakei             0,75 Millionen

   in die britische Zone:

   aus Polen                                        1,5 Millionen

   in die amerikanische Zone:

   aus der Tschechoslowakei             1,75 Millionen

   aus Ungarn                                     0,5 Millionen

   in die französische Zone:

   aus Österreich6                               0,15 Millionen

 

Die ursprünglich in dem alliierten Verteilungsplan angegebenen „Soll”-Zahlen wurden von den „Ist”-Werten nach dem Abschluss der Umsiedlungsaktionen bei weitem übertroffen. Ende Oktober 1946 wurden in den vier Besatzungszonen über 9,6 Millionen Vertriebene registriert (der Unterschied zur geplanten Anzahl der auszusiedelnden Bevölkerung betrug bereits mehr als 3 Millionen Personen.) Nach dem Abschluss der Umsiedlungsaktionen befanden sich im Jahre 1949 mehr als 12 Millionen deutschstämmige Personen aus dem Osten und Südosten in den vier alliierten Besatzungszonen. In einem vom Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte veröffentlichten Bericht hieß es:

„Im Gebiet östlich der Oder-Neiße-Linie sind 9,5 Millionen heimatlos geworden (Zählung von 1939), ferner 3,3 Millionen aus dem Sudetenland, ferner dazu noch 850 000 aus sonstigem Ausland. Im Ganzen sind aus den Deutschen evakuierten Gebieten 7,8 Millionen in der westdeutschen und – nach einer Zählung von 1949 – 4,5 Millionen in der ostdeutschen Republik, zusammen 12,3 Millionen, aufgenommen worden.” 7

 

Die Problematik, die Begriffe „Vertriebener” und „Flüchtling” zu bestimmen

Man sollte am Anfang einer Integrationsgeschichte auch das Problem der Begrifflichkeit „Flüchtlinge und Vertriebene” kurz unter die Lupe nehmen, um die untersuchte Personengruppe klar eingrenzen zu können. Flüchtlinge, Vertriebene, Heimatvertriebene, Ausgesiedelte, Umsiedler, Evakuierte, Entwurzelte usw. – man stößt in den Quellen und in der Fachliteratur auf eine ganze Reihe von Bezeichnungen, die die verschiedensten politischen, rechtlichen oder soziologischen Konnotationen in sich bergen. K. Schloßberger stellt aus der Sicht eines Zeitgenossen in seiner Studie von 1950 fest, dass eine stereotype Wiederholung einer einzigen Bezeichnung unnötig sei, und in der zweiten Hälfte der vierziger Jahre eingebürgerte Begriffe wie z.B. „Flüchtlingsbetrieb” oder „Flüchtlingsfürsorge” nicht unbedingt zu beseitigen seien. Er unterscheidet im Wesentlichen die Hauptkategorien der Flüchtlinge (”Deutsche, die auf Anordnung [...] oder aus eigenem Ermessen wegen der Verluste ihrer Existenz oder ihres Besitzes, unter Einwirkung von Kriegsereignissen aus ihrer Heimat [...] flüchteten”) und Heimatvertriebenen, (Deutsche, die aus [den ...] früheren Ostprovinzen [...] des Deutschen Reiches [...] oder aus dem europäischen Osten, Nordosten, Südosten oder Westen gegen ihren Willen ausgewiesen und auf Anordnung höherer Stellen nach Deutschland einwanderten oder hierher zugewiesen wurden). Es wird vom Autor beanstandet, dass die verschiedenen Kategorien „fälschlicherweise” als Flüchtlinge zusammengefasst und angesprochen werden, während eine Sammelbezeichnung „Neubürger” treffender erscheine.8

In der SBZ-Amtssprache finden wir zumeist die Begriffe „Umsiedler” oder „Neubürger”, von den Amerikanern wurde eher der Teminus „Ausgesiedelte” bevorzugt. In vielen amtlichen Berichten der Flüchtlingsbehörden stehen Erläuterungen und Definitionen zu den einzelnen Gruppen von Neukömmlingen.

G. Reichling definiert den Begriff des Vertriebenen vor der Konstituierung der Bundesrepublik in den Ländern der drei westlichen Besatzungszonen wie folgt: „Personen, die durch Flucht oder Vertreibung ihren Wohnsitz in den deutschen Ostgebieten unter fremder Verwaltung oder im Ausland im Zusammenhang mit den Ereignissen des 2. Weltkriegs verloren haben.” Vier Jahre nach der Konstituierung der Bundesrepublik Deutschland wurde im Bundesvertriebenengesetz vom Mai 1953 (BVFG) eine in der Bundesrepublik als einheitlich geltende Definition des Terminus „Vertriebener” gegeben (§ 1 Abs.1 Satz1): „Vertriebener ist, wer als deutscher Staatsangehöriger oder deutscher Volkszugehöriger seinen Wohnsitz in den zur Zeit unter fremder Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten9 oder in Gebieten außerhalb der Grenzen des deutschen Reiches10 [...] hatte und diesen im Zusammenhang mit den Ereignissen des Zweiten Weltkrieges infolge Vertreibung, insbesondere durch Ausweisung oder Flucht, verloren hat”.11 (Reichling behauptet ferner, dass der Terminus Flüchtling „zwar in Überschriften und Buchtiteln sowie in der Bezeichnung von Forschungsvorhaben erscheint, aber als besondere Personengruppe weder in der Realität der Bevölkerung noch in der Statistik der Bundesrepublik existent” sei.12) Meines Erachtens können wir für die Neukömmlinge, die ihre in den ehemaligen deutschen Ostgebieten liegende Heimat noch während der Kriegszeit aus Angst vor der Vergeltung verließen oder aus der SBZ oder der späteren DDR nach Westdeutschland wechselten, keine bessere Bezeichnung als „Flüchtlinge” verwenden.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass wir es im Wesentlichen mit drei Begriffskategorien zu tun haben: mit rechtlich verankerten Definitionen (Vertriebene, Heimatvertriebene, SBZ-Flüchtlinge), mit politisch konnotierten Begriffen (Umsiedler, Ausgesiedelte, Neubürger usw.) und mit in der Forschung gebräuchlichen Termini (v.a. Flüchtlinge und Vertriebene).

 

Integration

Am Anfang der Untersuchung von Integrationspolitiken kann es nicht von Nachteil sein klarzustellen, was man unter „Integration” versteht und wer von wem integriert wird. Der Begriff „Integration” kommt ursprünglich aus der Mathematik und wurde später von anderen Wissenschaften angewendet, so von der Psychologie, der Staats- und Verfassungslehre, dem Völkerrecht und der Soziologie. Von der Letzteren aus wurde er in das Fachvokabular der Historiker aufgenommen.13

Volker Ackermann beschreibt den Grundbegriff „Integration” folgenderweise „Das lateinische Wort »integer« bedeutet »unversehrt, heil, ganz«: Als Integration bezeichnen Soziologen einen Vorgang, bei dem Teile eine Einheit bilden, die qualitativ etwas anderes ist als die Summe der vereinigten Teile. Wenn eine solche Einheit nicht erst gebildet werden muss, sondern bereits besteht, dann bedeutet »Integration«„ die Aufnahme neuer Teile in der Weise, dass sie sich danach von den alten Teilen nicht mehr unterscheiden als diese untereinander.”14 Es gilt nun zu entscheiden, ob die Zuwanderer (Vertriebenen, Flüchtlinge) und Einheimische die „Teile” sind, die gemeinsam eine „Einheit” bilden, oder ob nur die Zuwanderer die „Teile” sind, die in eine bereits bestehende „Einheit” aufzunehmen, zu integrieren sind. Der ganze Prozess sollte nicht als eine einseitige, mechanische „Einreihung” sondern vielmehr als ein dynamischer Vorgang betrachtet werden, wobei alle Bauelemente des späteren integreren Ganzen in Bewegung gesetzt werden. „Kennzeichnend könnte dafür der Titel der sozialhistorischen Untersuchung von Eugen Lemberg und Lothar Kreckert stehen: Die Entstehung eines neuen Volkes aus Binnendeutschen und Ostvertriebenen”.15 In der modernen Flüchtlingsforschung wird ein Integrationsmodell befürwortet, das „den Prozess der sozio-kulturellen An- und Einpassung einer in eine fremde Gesellschaft eintretenden Gruppe als »Wechselseitigkeitsbeziehung« charakterisiert. Integration wird als »Sozialprozess auf Gegenseitigkeit« begriffen.”16

„Als verlässlicher Maßstab für das Gelingen oder Nichtgelingen gilt die »klassische Trias« zur Integration sozial Außenstehender, nämlich Kommerzium, Kommensalität und Konnubium. Mit Hilfe dieser idealtypischen Konstruktion wird Integration interpretiert als »langsames und organisches Hineinwachsen der Vertriebenen in die [...] Gesellschaft«„, in dessen Verlauf auch die deutsche Aufnahmegesellschaft sich wandelte.17

Es sollten nun kurz zwei, im Gegensatz zum vorhin beschriebenen komplexen Integrationsmodell v.a. praktisch orientierte, etwas robuste Mehr-Phasen-Modelle zur Eingliederung vorgestellt werden, die von zwei Mitarbeitern aus dem 1949 gegründeten bundesdeutschen Flüchtlingsministerium stammen. Beide wurden rückblickend auf den – wohlgemerkt: bis dahin absolvierten – historischen Prozess der Eingliederung, Ende der 50er Jahre entworfen, und greifen teilweise solche Schlüsselfragen des Flüchtlingseingliederungsproblems auf, die ab spätestens 1946 sowohl die amerikanische als auch die sowjetische Militäradministration beschäftigt haben sollen. Das erste, das vom ehemaligen Leiter des Ministeriums (Theodor Oberländer) aufgeworfen wurde, ist ein Drei-Phasen-Modell:

1. Beschaffung von Arbeit und Wohnung,

2. Sicherung der herkömmlichen sozialen Lage,

3. Innere Eingliederung (wird betrachtet als keine staatliche Aufgabe sondern als ein auf Familien- oder Gemeindeebene zu lösendes Problem)

Bei seiner Beschreibung des abgestuften Prozesses unterschied der Staatssekretär des Ministeriums (Peter Paul Nahm) vier Etappen:

1. Versorgung und Unterbringung,

2. Beschaffung von Arbeit und Wohnraum,

3. Rechtliche Gleichstellung, berufliche Eingliederung, Vermögensbildung,

4. „die mitten in der Entfaltung stehende Bewahrung, Entwicklung und Investition der geistig kulturellen Güter aus dem deutschen Osten”18

Am Anfang eines mehrere Bereiche umfassenden integrationspolitischen Vergleiches scheint sinnvoll zu sein, eine kurze, stichwortartige Checkliste der eingliederungsrelevanten Grundkomponenten der beiden untersuchten Zonen anzufertigen.

 

Integration – eine Checkliste

Grundzüge der Integration in der SBZ

1. Anteil der etwa 4,5 Mill. Flüchtlinge an der Gesamtbevölkerung: ca. 25 %

2. Größte Aufnahmeländer: Mecklenburg-Vorpommern (Agrarland, mit verhältnismäßig günstigen Aufnahmebedingungen)

3. Politik: Übertragung der mit der Aufnahme der Flüchtlinge verbundenen Aufgaben an die ZVU, dabei gründliche Kontrolle der Besatzungsmacht, Verbot von Gründung politischer Gruppierungen der Flüchtlinge, Politik einer beschleunigten Assimilierung (wirtschaftlich wie politisch und gesellschaftlich). Bei der Lösung des Umsiedlerproblems: „Kräftedreieck” zwischen SMAD, SED und ZVU. Zentrale Abschaffung des Problems nach der Gründung der DDR (Abbau der zentralen Umsiedlerverwaltung). Ab 1952 existiert der Begriff „Umsiedler” offiziell nicht mehr.19

4. Von der Besatzungsmacht installierte deutsche Behörden:

Umsiedlerabteilung bei der Kommandanturdienstverwaltung der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland, Berlin-Karlshorst

Zentralverwaltung für deutsche Umsiedler

Umsiedlerämter bei den Landesregierungen

[Brandenburg (Potsdam): Amt für Umsiedler; Mecklenburg (Schwerin): Umsiedleramt; Provinz Sachsen (Halle): Umsiedleramt; Land Sachsen (Dresden): Umsiedleramt; Thüringen (Weimar): Umsiedleramt]

 

Grundzüge der Integration in der amerikanischen Besatzungszone

1. Anteil der Flüchtlinge an der Gesamtbevölkerung: etwa 20 %.

2. Größte Aufnahmeländer: Bayern (nach der Errichtung der Bizone: Schleswig-Holstein und Niedersachsen): Agrarland, mit verhältnismäßig günstigen Aufnahmebedingungen.

3. Politik: Die Lösung des Problems wird als Aufgabe der deutschen Sonderverwaltungen angesehen. Besondere Aufmerksamkeit wird ab 1946–47 den Problemen der Wohnraumbeschaffung, der rechtlichen und wirtschaftlichen Eingliederung geschenkt. [Ges. Nr. 18, „Wohnungsgesetz”, „Soforthilfegesetz”, „Flüchtlingsgesetze”]. Ein Import von „fünften Kolonnen” ist unerwünscht, daher: Bildung von politischen Parteien der Vertriebenen verboten. Nach 1949 Übertragung der weiteren Integrationsaufgaben an die Regierung der Bundesrepublik. 1949 wird das Bundesministerium für Flüchtlinge, Vertriebene und Kriegsgeschädigte gegründet.

4. Von der Besatzungsmacht installierte deutsche Behörden:

OMGUS POW & DP-Divisionen20 (bei der zentralen Behörde sowie bei den Militärverwaltungen der Länder),

Flüchtlingssonderverwaltungen in den Ländern [Bayern, Großhessen, Württemberg-Baden]

Flüchtlingsausschüsse auf Kreis- und Gemeindeebene

Integrationshemmnis: Fehlender Integrationswille

Eine der größten Integrationsschwierigkeiten stellte auf sämtlichen Aufnahmegebieten die häufig fehlende Akzeptanz und Aufnahmebereitschaft seitens der Einheimischen und die Rückkehrhoffnungen seitens der Vertriebenen dar. Dies sorgte in allen Aufnahmegebieten für Spannungen.

[„In den Städten und Dörfern findet man Alt- und Neubürger im Allgemeinen nur in der Kirche zusammen. Vor Beginn und nach Beendigung des Gottesdienstes stehen beide Gruppen wieder getrennt. Von einer Gemeinsamkeit kann keine Rede sein. Das gleiche Bild zeigt sich während des Alltags auf den Straßen und setzt sich bis in die Wohnhäuser fort, sodass man den Eindruck gewinnt, es seien Mauern zwischen Alt- und Neubürgern aufgerichtet.”21 – schreibt ein Zeitgenosse aus Westdeutschland 1950.]

Am Ende dieses Abschnittes sollte ein aussagekräftiges Zitat aus einer Expertise über die Flüchtlingseingliederung in der Ostzone stehen, die nicht nur auf die einschlägigen politischen Richtlinien, sondern auch auf das Verhältnis zur westlichen Lösungsalternative schließen lässt. (Der Bericht über das Flüchtlingsproblem wurde erstellt im April 1948 von dem Leiter der Abteilung Bevölkerungspolitik bei der Deutschen Verwaltung des Innern, [Gregor Chwalczyk], einem alten Mitarbeiter der ehemaligen Zentralverwaltung für Deutsche Umsiedler): „Die Übernahme und Verteilung der Umsiedler, die heute rd. 25 % der Zonenbevölkerung22 ausmachen, ist im Wesentlichen als abgeschlossen zu betrachten. Der Prozess ihrer Assimilierung mit der Altbevölkerung befindet sich jedoch erst im Anfangsstadium. [...]

Der Begriff „Umsiedler” muss in der öffentlichen Diskussion mehr und mehr zurücktreten und einer allgemeinen Bevölkerungspolitik Platz machen. 4 Millionen Umsiedler müssen das Gefühl erwerben, dass ihre Zukunft gesichert und ihre neuen Unterbringungsorte auch ihre neue Heimat geworden sind.

Nicht außer Acht gelassen werden darf die destruktive Einwirkung der aus Westdeutschland wirkenden Propaganda. Die Umsiedler werden immer geneigt sein, zumal dann, wenn ihre Wünsche und Hoffnungen nicht die genügende Beachtung erfahren, ihre Verhältnisse mit den Bedingungen der Umsiedler in Westdeutschland zu vergleichen, wobei der oft durch Tradition und reaktionäre Gesinnung bestimmten Geisteshaltung der Umsiedler entsprechend die Verhältnisse im Westen als günstiger betrachtet werden. Die sich dort zeigende Stabilisierung des Umsiedlerproblems als eines besonderen „Flüchtlingsproblems” mit besonderen Staatskommissaren und Flüchtlingsorganisationen birgt die Möglichkeit in sich, bei den Umsiedlern unserer Zone den Eindruck zu erwecken, als ob man ihren besonderen Sorgen und Nöten im Westen mehr Aufmerksamkeit zuwende als hier. Dieser Eindruck würde sich verstärken, wenn die Tätigkeit besonderer Umsiedlerbehörden eingestellt wird, ohne dass vorher erkennbar wurde, dass unsere Zone günstigere und erfolgversprechendere Methoden bei der Wiederansiedlung entwickelt hat. Die politischen Parteien haben auf die besondere Mentalität der Umsiedler unserer Zone bisher zu wenig Rücksicht genommen, so dass die im Westen durch bestimmte politische Kräfte genährte Rückkehr-Propaganda auch in unserer Zone Anhänger findet. Es gehört mit zur demokratischen Umerziehung des Volkes, ihm die Ursache der Umsiedlung und die verheerenden Folgen einer Rückkehr- und Revanchepolitik vor Augen zu führen. Durch die Einbeziehung der demokratischen Parteien in die Umsiedlerausschüsse muss erreicht werden, dass diese auch ihre politische Erziehungsarbeit bis in die letzten Einheiten ihrer Parteien durchführen. Unterstützt wird diese Tätigkeit durch eine ständige propagandistische Bearbeitung der Öffentlichkeit, auch durch die zentralen Stellen für Bevölkerungspolitik in Berlin und den Landeshauptstädten.”23

 

Fragestellungen, Thesen

Bei der Aufnahme, Unterbringung und der politischen, wirtschaftlichen, sozio-kulturellen Eingliederung der Flüchtlinge und Vertriebenen machen sich neben wesentlichen Unterschieden auch gemeinsame Züge in der Vertriebenenpolitik (oder Umsiedlerpolitik) der beiden Großmächte bemerkbar. Die anfangs nur als rein technisches Problem betrachtete Frage wurde zu einer gewaltigen und äußerst komplizierten Grundaufgabe, das mit den allgemein-strategischen deutschlandpolitischen Überlegungen (z.B. territoriale Zerstückelung oder Einheit, Wiederaufbau, Wirtschaftsplanung, Neugestaltung des öffentlichen politischen Lebens usw.) eng verbunden war.

Dem Flüchtlingsproblem wurde etwa bis Sommer 1945 eher nur eine sekundäre Bedeutung beigemessen, dessen technische Bewältigung den von den Militärregierungen eingesetzten deutschen Flüchtlings-Sonderverwaltungen aufgetragen wurde. Erst nach und nach wurde das tatsächliche Ausmaß des Problems erkannt. Transport, Versorgung, Unterbringung, vernünftige geographische und arbeitsmarktpolitische Verteilung waren Aufgaben, die bei den Militärregierungen auf immer größere Aufmerksamkeit stießen, was durch zahlreiche amtliche Dokumente der OMGUS- und SMAD-Behörden zu belegen ist.

Das Hauptaugenmerk meiner Arbeit richtet sich auf die folgenden Fragen und Zielsetzungen:

Erstens: Welcher Stellenwert kam der Eingliederung der aus dem Osten ausgesiedelten Deutschen in der amerikanischen und sowjetischen Deutschlandpolitik zu?

Zweitens: Inwieweit folgten die flüchtlingspolitischen Konzepte den deutschlandpolitischen Kursänderungen und Wandlungen – beispielsweise der sogenannten sowjetischen Zick-Zack-Politik?

Drittens: Die Flüchtlings- und Integrationspolitiken der USA und der UdSSR sollen auf vergleichender Basis, Bereich für Bereich und, wenn möglich, in ihren Wechselwirkungen und ihrem dynamischen Verhältnis untersucht werden.

 

Thesen

1) Im Sommer 1945, nach der interalliierten Vereinbarung über die Aussiedlung der Deutschen aus dem Osten, lagen weder auf amerikanischer noch auf sowjetischer Seite klare Konzepte zur Bewältigung des Vertriebenenproblems vor. Die Vertriebenenpolitik wurde auf beiden Seiten zu einer unangenehm-wichtigen Grundkomponente deutschlandpolitischer Planungen erst ab 1946–47, als das Ausmaß des Problems den bis dahin vorgesehenen integrationspolitischen Rahmen sprengte und weit über eine Frage rein administrativ-technischen Charakters hinauswuchs. Weder bei der Reorganisierung der Wirtschaft – Wiederaufbau, Arbeitsmarktpolitik, Agrarpolitik – noch des öffentlichen politischen Lebens blieb das Flüchtlingsintegrationsproblem ausgeklammert.

2) Im Gegensatz zur These einer schnellen, auf eine Generation geschrumpften Integration (die Flüchtlingsintegration würde im Westen mit dem Erreichen der Vollbeschäftigung Ende der 50er Jahre praktisch abgeschossen, oder, laut sowjetischer und DDR-Politik und Propaganda, die Flüchtlingsfrage in Ostdeutschland in den Fünfzigern existiere gar nicht mehr) kann aufgrund des aktuellen Kenntnisstandes festgestellt werden, dass der Gesamtprozess der Eingliederung in den 50er Jahren keineswegs beendet war, in manchen Bereichen (wie z.B. der gesellschaftlich-kulturellen Integration) ging es sogar erst um ihre Anfangsphase. Historisch rückblickend stellt die amerikanische und sowjetische Flüchtlingspolitik nach 1945 die erste Phase eines in manchen Bereichen noch durchaus langwierigen Prozesses dar. (Eng verbunden mit einer hinausgezögerten Integration im Westen war die Nicht-Anerkennung der Oder-Neiße-Linie und die teilweise sich daraus ergebende Rückkehr-Problematik; fraglich ist ferner, ob die zentral „gesteuerte” Tabuisierung des Vertriebenenproblems tatsächlich zu einer beschleunigten Vollendung des gesamten Integrationsprozesses im Osten beitrug.)

 

Anhang

Gliederung, Strukturelles

I. Vorgeschichte

Bevölkerungstransfer, international geregelte Aussiedlungen – die Lösung des Problems der potenziellen „illoyalen Minderheiten”: Interessenlagen, Konzepte, diplomatische Debatten

Deutschlandpolitische Konzepte

II. Die Aufnahme

Von der amerikanischen OMG und der SMA geschaffene zentrale und örtliche Verwaltungsstrukturen zur Bewältigung des Vertriebenenzustroms und zur globalen Lösung des Flüchtlingsproblems

 Zuständige OMGUS-Branchen, Flüchtlingskommissariate und

 Flüchtlingsausschüsse in der amerikanischen Zone

 Die zuständige SMAD-Abteilung und die ZVU in der SBZ

Transporte, Durchgangslager – Organisatorisches

Versorgung und Unterbringung

Regionale – zonale und interzonale – Verteilung

III. Die Eingliederung

Kooperation und Sonderwege: Vertriebenenpolitik in den westlichen Besatzungszonen und der SBZ. Taktische und strategische Überlegungen

Politische Eingliederung

 Entnazifizierungs- und Entmilitarisierungsmaßnahmen

 Freiheit und Frieden: Demokratisierung West – „Demokratisierung”

 Ost Verbände, Organisationen, politische Gruppierungen der    Vertriebenen

Wirtschaftliche Eingliederung

  Soforthilfe-Maßnahmen, Wohnraumbeschaffung, Lastenausgleich in Ost und West

  Berufliche Eingliederung (Umschichtungsprozess)

   Die Rolle einer schnellen Integration der Vertriebenen und

   Flüchtlinge bei der wirtschaftlichen Erholung West- und Ostdeutschlands

Soziale-kulturelle Eingliederung

 Theorien, Konzepte

 Konfessionelle Eingliederung

 Bildung und Kultur

 Medien

Liste der bis Sommer 2000 eingesehene Archivalien

Zentrum zur Bewahrung und Untersuchung zeithistorischer Dokumente (Moskau)

• SMAD-Berichte (v.a. Umsiedler-Abteilung, Propaganda-Abteilung), Dokumente zur Deutschlandpolitik und zum Flüchtlingsproblem

– Archiv des Russischen Außenministeriums (MID-Archiv, Moskau)

• SMAD-Dokumente zu deutschlandpolitischen Problemen und zur Flüchtlingspolitik

– Bundesarchiv (Koblenz)

• OMGUS, amtliche Dokumente (v.a. Prisoners of War & DP Division, Civil Affairs Division, Legal Division, Manpower Division, Regional Government Coordinating Office)

– Bundesarchiv (Berlin-Lichterfelde, Stiftung Parteien und Massenorganisationen,       Zwischenarchiv Dahlwitz-Hoppegarten)

• SMAD-Befehle

• Zentralverwaltung für deutsche Umsiedler

 

Anmerkungen

1

Gemeint sind hier die Staats- und Regierungschefs von Großbritannien, der Sowjetunion und der USA.

 2

Vgl.: Michael Imhof, Die Vertriebenenverbände in der Bundesrepublik Deutschland. Geschichte, Organisation und gesellschaftliche Bedeutung, Dissertation, Marburg 1975, S. 59f.

 3

Faust, Fritz, Das Potsdamer Abkommen und seine völkerrechtliche Bedeutung. Frankfurt a.M./Berlin 1959, S. 169.

 4

Gemeint ist die Rote Armee.

 5

Sündermann, Helmut, Potsdam 1945. Ein kritischer Bericht, Leoni am Starnberger See 1963, S. 422f.

 6

Die 0,15 Millionen aus Österreich Ausgewiesenen wurden schließlich in die amerikanische Zone geleitet. Frankreich war nach Potsdam nicht eingeladen worden und fühlte sich offensichtlich zur Aufnahme der Vertriebenen wenig verpflichtet.

 7

„Die deutschen Heimatvertriebenen”, Bonn 1951, S. 4.

 8

K. Schloßberger, Das Flüchtlingsproblem im Kreis Ludwigsburg/Württemberg, Dissertation, Frankfurt a.M. 1950, S. 2f.

 9

Ehemalige Reichsdeutsche: Vertreibung ohne Heimatverlust.

10

Ehemalige Volksdeutsche: Vertreibung mit Heimatverlust.

11

Gerhard Reichling, Flucht und Vertreibung der Deutschen. Statistische Grundlagen und terminologische Probleme, in: R. Schulze/D. v. d. Brelie-Lewien/Helga Grebing (Hgg.), Flüchtlinge und Vertriebene in der westdeutschen Nachkriegsgeschichte, Hildesheim 1987, S.50.

12

Gerhard Reichling, Flucht und Vertreibung der Deutschen, a. a. O., S.51.

13

Volker Ackermann, Integration – Begriff, Leitbilder, Probleme. In: Beer, Matthias (Hrsg.), Zur Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen im deutschen Südwesten nach 1945. Bestandsaufnahme und Perspektiven der Forschung. Sigmaringen 1994, S. 12.

14

a.a. O. S.

15

a.a.O. S. 19.

16

a.a.O. S.

17

a.a.O. S.

18

a.a.O. S. 18.

19

ZVU – Zentralverwaltung für Deutsche Umsiedler, SMAD – Sowjetische Militäradministration in Deutschland, SED – Sozialistische Einheitspartei Deutschlands

20

OMGUS – Office of Military Government of the United States, POW: prisoners of war – Kriegsgefangene, DP: displaced persons – verschleppte Personen

21

Zit.: K. Schloßberger, Das Flüchtlingsproblem ... , a. a. O., S. 32.

22

gemeint ist hier die SBZ – K. A.

23

aus: BArch, DO 2 Nr. 1, Bll. 116–123

Begegnungen11_Kosary

Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 11:29–44.

DOMOKOS KOSÁRY

Wiederaufbau und Verbürgerlichung 1711–1867

Das Modell Europas

 

Bei Europa handelt es sich nicht einfach um einen geographischen Begriff. Dies ist nicht nur der Name jenes Kontinents, auf dem wir – von den launischen Umrissen der Randgebiete ausgehend uns zum Zentrum hin begebend – innerhalb des Bogens der Karpaten auch Ungarn vorfinden. Europa, das bedeutet im weiteren Sinne ebenso eine spezifische historische Kultur, welche sich hier als eine der auf dem Erdball im Laufe der Entwicklung der Menschheit entstandenen Kulturen entfaltete. Die unterschiedlichsten Elemente dieser Kultur sind trotz ihrer Vielseitigkeit und Vielfalt durch die gemeinsame homogene Entwicklung miteinander verknüpft. Und im Laufe der Geschichte hat auch das ungarische Volk, also Ungarn, eines dieser Elemente gebildet, war Bestandteil dieser Kultur und hatte seine Position und Rolle in dieser ausgedehnteren Heimat gefunden. Auch aus diesem Grunde kann man seine Vergangenheit nur in diesem größeren Rahmen und unter Berücksichtigung umfassender Zusammenhänge korrekt demonstrieren und interpretieren.

Wir haben uns also eine solche spezifische Landkarte oder eher ein Modell der Entwicklung vorzustellen, welches die Gestaltung dieser Kultur im Verlaufe der aufeinander folgenden Jahrhunderte veranschaulicht; jenen umfassenden Prozess mit seinen regionalen und lokalen Varianten, der sich aus der gemeinsamen Entwicklung der hier lebenden Völker, Gesellschaften und Nationen sowie den unterschiedlichsten Manifestationen der politischen, wirtschaftlichen, kulturellen Funktionen ergab. Überblicken wir doch all dies zunächst aus der Ferne, um das Ganze mit seinen Hauptzügen in Augenschein nehmen zu können. Dann nähern wir uns in gewissen Punkten an, um auf die uns besonders, speziell interessierenden Details – so die Gestaltung der Situation, der Verhältnisse und Rolle Ungarns – noch besser eingehen zu können.

 

1. Zonen, Wechselwirkungen

Die historische Struktur Europas setzt sich aus einem Ensemble so ungleicher Entwicklungszonen unterschiedlichen Niveaus zusammen, die in einer ständigen Wechselwirkung zueinander stehen, und zwar als Bestandteil ein und desselben kohärenten Großmodelles. Das an der Spitze der Entwicklung stehende Epizentrum, die Zentralzone, die „Hochebene”, war umgeben von Randzonen, Marginalzonen auf verhältnismäßig niedrigem Niveau, in verschiedenen Sektoren und Varianten. Im Verlaufe der Wechselwirkung fanden sich die Randzonen immer wieder neuem derartigen Problemen und Herausforderungen gegenüber gestellt, die sich größtenteils aufgrund der Entwicklung der Zentralzone ergaben. Doch auch auf Letztere, die Hochebene, blieben die Existenz und die Tätigkeit der langsamer vorankommenden Partner nicht ohne Wirkung. Es waren Antworten auf die Herausforderungen zu finden. Und man hatte sich den neuen Bedingungen und Möglichkeiten anzupassen. Der Dialog von Herausforderungen und Reaktionen hat das Modell in Schwung gehalten, und zwar in dem Sinne, dass es stufenweisen Veränderungen unterworfen war. Infolge dessen wurde manchmal der Schwerpunkt des Fortschritts verlegt oder das Epizentrum hat sich verschoben und es haben sich außerdem nicht nur Niveau und Rolle der Randzonen verändert, sondern ebenso Charakter und Auswirkung der Herausforderungen. All das jedoch änderte nichts am Wesen des Wirkungsmechanismus.

In groben Zügen ist dies jenes skizzenhafte Bild, das wir uns vom historischen Modell Europas und dessen Wirken machen können. Ebenso wie auf einer Karte großen Maßstabes sind auch hier nur einige wichtige Charakteristika der Realität aufgeführt, die – wenn wir sie näher betrachten – selbstverständlich wesentlich komplizierter erscheinen, und zwar schon deshalb, weil ein derartiges System der Gruppierung von Zonen unterschiedlichen Niveaus in geringerem Umfange in je einer Gegend, einem Lande oder Landesteil ebenso anzutreffen ist. Die Gemeinschaft von Epizentrum und den umliegenden Randzonen erscheint inmitten Europas miteinander, aufeinander aufbauend auf mehreren Ebenen und in verschiedensten Varianten als die Grundformel dieser Kultur.

Im 18. Jahrhundert befindet sich das Epizentrum der Entwicklung im Nordwesten Europas. Zu dieser Hochebene gehörte das in der bürgerlichen, kapitalistischen Entwicklung die führende Rolle spielende England (mit Süd-Schottland) sowie Holland. Dazu zählte außerdem das derzeit – bis zur Revolution – noch feudale Frankreich, ja in gewissem Maße sogar das unmittelbare deutsche und norditalienische Grenzgebiet. Die deutschen und italienischen Gebiete nämlich entfielen auf fortschrittlichere und verhältnismäßig zurückgebliebenere Zonen gleichermaßen, denn sie standen teilweise der Hochebene, teilweise den Randzonen nahe. Diese an sich nicht homogene, sondern abwechslungsreiche Hochebene nämlich wurde von umfangreichen Randzonen in einem riesigen Bogen verschiedenster Varianten umschlungen. In der nördlichen Zone treffen wir auf die Länder Skandinaviens, auf Schweden, Dänemark und das derzeit (bis 1814) letzterem zugehörige Norwegen. Im Süden bildeten die Länder der Iberischen Halbinsel, die einst strahlenden Weltmächte Spanien und Portugal sowie der Süden Italiens die mediterrane Randzone. Die östlich gelegenen Gegenden schließlich haben die Habsburgmonarchie, Preußen und das derzeit emporstrebende Russland miteinander geteilt. Dazwischen lag noch für einen gewissen Zeitraum Polen, bis man es dann 1772 teilweise und 1795 schließlich vollkommen aufteilte. Ungarn existierte – als Staat – wie Böhmen im Rahmen der Habsburgmonarchie. Diesen österreichisch-böhmisch-ungarisch-polnischen Streifen, welcher viele gemeinsame regionale Charakteristika aufweist, bezeichnen wir als den Osten Mitteleuropas, d.h. Ost-Mitteleuropa. Östlich davon erstreckte sich die eigentliche riesige östliche Zone.

Darüber hinaus können wir zu jener Zeit sogar – wieder nicht im geographischen sondern kulturellen Sinne – von einer vierten, westlichen Randzone Europas sprechen, denn die Neue Welt, ein Teil des amerikanischen Kontinents nämlich, war derzeit noch eng mit Europa verknüpft. Diese atlantische Randzone setzte sich aus zwei Hauptteilen zusammen: der zurückgebliebeneren südlichen Region – welche in Lateinamerika die Kolonie der Randzone Südeuropas, d.h. Spaniens und Portugals war –, und der ein wenig fortschrittlicheren nördlichen Region, welche wiederum die Kolonie der Länder der europäischen Hochebene war, genauer gesagt Englands und teilweise noch Frankreichs. Teile davon, die Vereinigten Staaten, haben bereits zum Ausgang des Jahrhunderts ihre Unabhängigkeit erkämpft.

 

2. Die Hebung des Niveaus im 18. Jahrhundert

Dieses Modell Europas im 18. Jahrhundert – mit der Hochebene und den ringsherum absinkenden Randzonen – haben vom vorangehenden Jahrhundert solche Veränderungen differenziert, welche sich aus der praktisch in jeder Hinsicht nachweisbaren allmählichen Hebung des Niveaus, dem Wachstum ergaben. Die verschiedensten wirtschaftlichen oder kulturellen Indexzahlen haben alle diesen Prozess angezeigt, wie sich im Folgenden herausstellt. Im Europa des 18. Jahrhunderts haben auf einem etwas größeren Gebiet bedeutend mehr Menschen gelebt, ein wenig abseits von der Bedrohung des Hungertodes, mit einer Lebenserwartung über dem Durchschnitt, im Besitze einer fortschrittlicheren Wirtschaft, besserer Kommunikationsmittel, neuer Ideen, höher entwickelter kultureller und politischer Institutionen. Dies war die Grundlage für die Weiterentwicklung im 19. Jahrhundert.

Gebietsmäßig wurden die Grenzen der europäischen Kultur gerade in den östlichen Breiten weiter ausgedehnt; in der Donauregion infolge der Rück- eroberung Ungarns zum Ende des 17., Anfang des 18. Jahrhunderts, womit die Macht der Osmanen aus solchen Gebieten verdrängt wurde, die somit erneut unmittelbar in den Blutkreislauf Europas eingeschaltet werden konnten. Dieser Prozess fand hier viel später damit sein Ende, dass auch die Balkanländer nacheinander von der Türkenherrschaft befreit wurden. Ähnliche Bedingungen der Entwicklung bildeten die Basis für die Ausweitung der Grenzen in der östlichen Zone Russlands in der Region um das Schwarze Meer – ebenfalls in Bezug auf die türkischen Mächte bzw. die der Krimtataren.

Der langsame, allmähliche aber doch spürbare Aufschwung, der Fortschritt im 18. Jahrhundert half den Grundstein dafür zu legen, dass zumindest in den höherentwickelten Zonen Europas erneute Bereiche aus dem feudalen System den Schritt in Richtung bürgerlicher Gesellschaft tun konnten. Im Vergleich zum vorangehenden, über einen langen Zeitraum hinweg niedrigen, kaum ansteigenden und von Rückschlägen belasteten Entwicklungsdiagramm war dieser Fortschritt besonders neuartig und spürbar. Der Fortschrittsgedanke begann auf diese Weise Kredit zu finden. So, als könnte schon jetzt, während dieses irdischen Seins, noch vor dem Jenseits in weiter Ferne von einiger Hoffnung die Rede sein. Beim kontinuierlichen Wandel in eine vorteilhaftere Richtung handelt es sich um eine solche neue Erfahrung, welche das Selbstbewusstsein zu steigern vermag und ausreicht, um eine weitere Hebung des Niveaus als wahrscheinlich oder gar mit Taten als förderlich erscheinen zu lassen. Die Menschen begannen daran zu glauben – wenn auch zunächst in engem Kreise und vielleicht allzu simpel –, dass sie mit ihren als Fatum erachteten Problemen nicht blind auf ihr Glück vertrauen müssen, sondern diese eventuell selbst irgendwie zu lösen vermögen.

Die Hebung des Niveaus hat nicht nur die höherentwickelte Zone sondern das gesamte Modell charakterisiert, d.h. in vielerlei Hinsicht selbst die trägeren Randzonen. Auch jene vermochten sich mehr oder weniger anzuschließen, obwohl die Differenzen zwischen ihnen und Hochebene nicht verschwanden.

 

3. Ostmitteleuropa als Randzone

Obiges gilt auch für die ostmitteleuropäische Region und innerhalb jener die Entwicklung Ungarns. Hier wurde der stufenweise Fortschritt u.a. dadurch unterstützt, dass sich in Bezug auf diese Zone der Charakter der Wechselwirkungen geändert hatte, welcher sich aus der Funktion des europäischen Modells ergab. Die Herausforderungen der höherentwickelten Regionen in den vorangehenden Jahrhunderten haben die Gesellschaften Ostmitteleuropas eher gehemmt und in Richtung des späten Feudalismus gedrängt – so als würden die Länder der Hochebene derzeit auf ihren Schultern stehend versuchen, immer höher hinauszugelangen. Jetzt aber, ab Beginn des 18. Jahrhunderts, hat die aus dem Epizentrum stammende Herausforderung sie – ganz im Gegenteil – eher zum Fortschritt, zum Aufholen angeregt. Und das umso mehr, da sich inzwischen die Beziehungen zwischen den verschiedensten Teilen Europas in wirtschaftlicher, politischer oder kultureller Hinsicht gleichermaßen noch enger gestalteten.

Aus all dem kann bereits Folgendes geschlussfolgert werden:

1. In Europa treffen wir auch im 18. Jahrhundert auf das gleichzeitige Auftreten von Asynchronerscheinungen, d.h. die auf einem abweichenden Grad der Entwicklung befindlichen Gesellschaften existieren nebeneinander und wirken aufeinander ein.

2. In den Randzonen treten die den Fortschritt bedeutenden neuen Phänomene einerseits mit gewisser zeitlicher Verschiebung auf, zum anderen werden den lokalen Voraussetzungen entsprechende spezifische Varianten geschaffen. Zunächst müssen nämlich gewisse, dafür erforderliche Bedingungen geschaffen werden, welche wiederum allein auf gegebenen Beispielsfällen und Möglichkeiten aufbauen können.

3. Wenn aber bereits ein Minimum an notwendigsten Bedingungen gegeben ist, vermögen die in Richtung Anschluss weisenden neueren Bestrebungen und vor allem neue Ideen in verhältnismäßig kurzer Zeit zu expandieren. Unterstützt wird der Prozess nämlich dadurch, dass die später Aufschließenden in vielerlei Hinsicht die in den höher entwickelten Zonen bereits gestalteten Muster und daraus gezogene Lehren berücksichtigen können. Und schließlich:

4. Ungarn – sowie die ostmitteleuropäische Zone allgemein – war nicht so sehr durch eine Art Rückständigkeit charakterisiert, als eher durch größere Entfernungen und Spannungen zwischen den hier auftretenden zeitgemäßen und modernen Bestrebungen einerseits sowie massiven, traditionellen Hemmkräften andererseits. Diese gleichzeitige Existenz moderner bzw. veralteter, überholter Symptome, der Kontrast und der Konflikt im Rahmen der eigenen Gesellschaft, verliehen der Entwicklung solcher Länder einen gewissen archaischen Charakter.

Selbstverständlich ist eine solche verallgemeinernde Skizze nur eine grobe, selbst dann, wenn sie auf genaueren und statistisch besseren Datenreihen aufbaut, als das im 18. Jahrhundert möglich war. Die Realität ist nämlich aus der Nähe gesehen immer komplizierter, detaillierter oder auch widersprüchlicher, so, wie es zum Beispiel bei Gebirgszügen und Landschaften der Fall ist, wenn man sie nicht aus der Ferne sondern an Ort und Stelle, unmittelbar in Augenschein nimmt. Am Wesen aber ändert das nichts.

Es ist erforderlich, all dies vorauszuschicken, weil auf diese Weise verständlich wird, welches Bedingungssystem, welcher umfassende Rahmen im Wesentlichen den Aktionsradius für historische Akteure gewährte. Hier geht es um jene Bühne, auf welcher die humanen Gemeinschaften, gesellschaftliche Kräfte und individuelle Talente agieren und ihre eigene Rolle spielen konnten. Einerseits nämlich bewegt sich die auf rein nationale Rahmen beschränkte Geschichte in einem zu engen Bereich – welche höchstens dann mal einen Blick auf weiter entfernt oder nahegelegene andere Länder wirft, wenn von unmittelbaren Beziehungen oder auch Konflikten die Rede ist. Auf diese Weise vermag sie in der Isolation selbst die Parameter in eigener Sache, die der nationalen Entwicklung nicht reell einzuschätzen, welche sich zum Beispiel aus der internationalen Politik oder bedeutenderen wirtschaftlichen Zusammenhängen ergeben. Andererseits wiederum dürfen wir – während wir von Modell, Struktur und Zonen auf verschiedensten Ebenen, über ihre Gemeinsamkeiten und Wechselwirkungen sprechen – auch nicht die Menschen an sich, ihre Taten und Qualitäten, die vielfältigen Schicksale oder die Rolle des Individuums vergessen, welche im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten den Lauf der Dinge auf diese oder jene Weise oftmals erheblich beeinflussen.

 

4. Europa und die weite Welt

Bevor wir jedoch näher auf die Details eingehen, gehen wir für einen Augenblick nochmals einen Schritt zurück, um mit größerem Abstand die Position und die Rolle Europas in der weiten Welt, das Verhältnis zu den sich auf anderen Kontinenten herausbildenden Kulturen – von Amerika bis Afrika und von Indien, Asien bis zum Fernen Osten – in Augenschein zu nehmen.

Die unterschiedlichsten Kulturen der Welt haben über lange Zeit hinweg voneinander getrennt oder nur mit den unmittelbaren Nachbarn in Verbindung tretend ihr eigenes Leben gefristet. Die Existenz anderer, abweichender Kulturen nahm Europa zum Teil aufgrund der – von Osten – kommenden traditionellen Beziehungen, hauptsächlich aber mittels der Kontakte durch eigene Expansion und „Streifzüge” sowie der damit einhergehenden Kolonisation in der anderen Richtung zur Kenntnis. So wurde man des Vorhandenseins anderer bewusst. Der Begriff „Entdeckung” selbst spiegelt ebenfalls die charakteristisch europazentrische Anschauungsweise wider, denn die betreffenden Völker haben auch zuvor schon ihr eigenes Leben gelebt, bevor die europäische Expansion sie erreichte und sie die Folgen jener zu spüren bekamen. Jene Expansion, die das historische Verhältnis Europas zur Welt und den weit entfernt existierenden Völkern determinierte und nun schon mehr als zwei Jahrhunderte anhielt sowie auch weiterhin andauerte. Die Folgen waren selbst dann noch zu spüren, wenn die von ihnen geschaffenen Kolonien sich nach einer gewissen Zeit – zum Teil aufgrund der internen internationalen Krisen Europas – selbständig machen konnten.

Selbstverständlich war die Expansion in irgendeiner Form – durch wirtschaftliche, konfessionelle oder politische, militärische Motive angeregt – ebenso für zahlreiche anderweitige Kulturen charakteristisch. Es genügt, an dieser Stelle auf den Islam, arabische Händler oder gar Eroberungsmächte asiatischer Nomaden zu verweisen. Der Fall Europa war also nicht wegen des Faktes der Expansion an sich, aufgrund dieser oder jener Beweggründe ein anderer als jener, sondern in erster Linie deshalb, weil es hier um eine weitreichendere, weitverzweigtere, hartnäckigere und stabilere als dort ging, und zwar dermaßen, dass der ursprüngliche Kontinent mit seiner verhältnismäßig geringen Größe dazu in keinem Verhältnis stand. Die Beziehungen zwischen anderen Kulturen kamen ebenfalls größtenteils durch europäische Vermittlung zustande. Dies hatte u.a. solche „neutrale” Nebenwirkungen, dass man nicht nur Mais, Tabak oder Kartoffeln aus der Neuen Welt mit sich brachte, sondern selbst – von anderswo – Wolle, Zuckerrohr und Reis dorthin einführte. Doch gab es außerdem so brutale, unmenschliche Aspekte wie die unbarmherzige Tätigkeit der Sklavenhändler, die Arbeitskräfte aus Afrika auf die Plantagen der Neuen Welt lieferten.

In Bezug auf Expansion und Streifzüge standen – verständlicherweise – die Länder Europas an der Atlantikküste an der Spitze. Die allerersten Eroberer, Spanien und Portugal nämlich – welche sich noch regelmäßig darauf beriefen, dass sie zur Verbreitung des katholischen Glaubens berufen seien, obwohl von Beginn an tatsächlich die Begierde nach dem Erlangen von Schätzen und Edelmetallen hinter diesem Slogan zu spüren war – stagnierten derzeit bereits. Ihre Vorherrschaft in Lateinamerika jedoch blieb bestehen, d.h. im mittleren und südlichen Teil der neuen Welt. Hier wurde nach der Zerstörung der mittelamerikanischen indianischen Zivilisation die Verdrängung und Unterwerfung der auf niedrigerem Niveau befindlichen Indianerstämme fortgesetzt und es kamen mehrere Varianten der Kolonialherrschaft zustande. Für einen gewissen Zeitraum blieben nämlich u.a. noch separate, konfessionell – von Jesuiten – geleitete politische Einheiten erhalten, in denen es auch einige ungarische Jesuiten gab.

Das bei der Kolonisation bereits offen Zielsetzungen des Handels befolgende Holland hatte ebenfalls den Höhepunkt überschritten. Da man der Engländer wegen noch im vorangehenden Jahrhundert aus Nordamerika verdrängt wurde, hat man nun im fernen Osten die Position seiner Siedlungen gewahrt und gefestigt.

Unter den Atlantikländern Europas standen im 18. Jahrhundert vor allem England und Frankreich im gegenseitigen Wettbewerb um den Besitz der Kolonien. Sie standen außerdem hinsichtlich Neuentdeckungen an der Spitze, welche die Kenntnisse Europas bezüglich ferner Kontinente und der Inselwelt Ozeaniens um weitere Details bereicherten. Der Engländer James Cook hat während seiner bedeutenden drei Seefahrten zwischen 1768 und 1779 die Inseln des Atlantischen, des Stillen und Indischen Ozeans erforscht, der Franzose La Pérouse hingegen von 1786 bis 1788 vor allem die Küsten Chinas und Japans.

Die englisch-französische Rivalität im 18. Jahrhundert betraf hauptsächlich den Besitz in Nordamerika, sie spitzte sich ständig zu und hielt bis zum Ausbruch der französischen Revolution an. Infolge dieser Rivalität haben sich die europäischen Konflikte praktisch weltweit ausgebreitet sowie weitgehend auch auf das Schicksal der neuen Welt ausgewirkt. An der Ostküste Nordamerikas hat die Bevölkerung der 13 englischen Kolonien zwischen Meer und Appalachen-Gebirge bereits mehr als eineinhalb Millionen Menschen ausgemacht. Die Bewohner der nördlichen Kolonien – vor der Glaubensverfolgung fliehende englische Puritaner, dann holländische, schwedische und später die Nachfahren deutscher Einwanderer – haben sich vor allem der Farmerwirtschaft sowie dem freien Handel gewidmet, ebenso erfuhr jedoch die Manufakturindustrie einen Aufschwung – in erster Linie betreffs Schiffsbau, doch teilweise auch schon auf den Gebieten der Textil- und Eisenfabrikation. Die englischen Kolonien im Süden (Virginia, Carolina, Georgia) vertraten einen davon etwas abweichenden Typ: hier vermochten sich die Sklavenarbeit verrichten lassenden Besitzer großer Plantagen schnell zu bereichern. Fakt ist auf alle Fälle, dass sich die Franzosen der Expansion erstarkter englischer Kolonien gen Westen in den Weg stellten. Zunächst gründeten sie hoch oben in Kanada ihre eigenen Siedlungen und danach strebten sie vom Süden, von der Mündung des Mississippi, entlang des Flusses in Richtung Norden. So gelangte man in einem riesigen Bogen in den Rücken der englischen Kolonien und schuf praktisch eine geschlossene Grenzlinie zum Inneren des Kontinents. Die Franzosen nannten riesige Gebiete ihr Eigen, waren aber verhältnismäßig wenige – etwa Einhunderttausend. Sie erhielten jedoch größere Unterstützung vom Mutterland, welches sich mehr um ihre Sicherheit kümmerte. Auf diese Weise vermochten sie sich besser organisiert und mit Unterstützung der regulären französischen Truppen den steinzeitlich ausgerüsteten Kriegern der Indianerstämme und der englischen Miliz entgegenzustellen. Die beiden Kolonialmächte führten einen permanenten Krieg gegeneinander, verwickelt mit den einmal von dieser, einmal von jener Seite gewonnenen Kämpfen der Indianerstämme, welche sich schließlich – und letztendlich hoffnungslos – gegen beide Eroberer richteten. Im Verlaufe der Konflikte gelangte England in eine immer bessere Position, in erster Linie im Ergebnis des Siebenjährigen Krieges (1756–1763), als es gelang, den Franzosen Kanada zu entreißen. Auch der Verlust der nordamerikanischen Kolonien, das Erlangen deren Unabhängigkeit (1783) hat die Ausweitung des englischen Kolonialreiches nur zeitweise beeinflusst. Noch markanter aber gestaltete sich damit die Differenz des Entwicklungsgrades zwischen den beiden Teilen der neuen Welt, zwischen dem Norden bzw. Süden, d.h. Lateinamerika.

Die großen Schriftsteller und Denker der europäischen Aufklärung wandten sich im Verlaufe des 18. Jahrhunderts nicht nur offener und mit mehr Empathie den Völkern ferner Länder zu, sondern sie nutzten die Lehren aus ihren Erfahrungen auch für die Kritik an den eigenen heimischen Gesellschaften. Einerseits, indem man aufgrund der eintreffenden Nachrichten über auf fernen Kontinenten in niedrigerem Entwicklungsstadium befindliche Völker das Bild des „nüchternen Wilden” schuf, der mit unverdorbenem Geist und Instinkt gut das Wesen der Probleme der heimischen Gesellschaften und politischen Systeme erfasst. Andererseits, indem man – wie Raynal und Diderot – eine solche scharfe Kritik an den außerhalb Europas um die Unterwerfung und Ausbeutung der Welt konkurrierenden Mächten ausübte, welche über die unmittelbaren humanitären Zielsetzungen hinaus auch die heimischen Machenschaften dieser Kräfte in Frage stellten. Es gab u.a. derartige Mahnungen, dass Eroberungen in fernen Ländern auf das eigene Staatssystem Europas gefährliche Auswirkungen haben würden. All das hat selbstverständlich die an einer Expansion interessierten Kräfte nicht daran gehindert, ihre Aktionen fortzusetzen.

Diese europäischen Mächte haben auch auf die Feudalreiche Asiens einen ständig stärkeren Druck ausgeübt, nachdem sie jene praktisch vom Meer und vom Festland her gleichermaßen eingekreist hatten. Auf dem Festland hat das nach Osten und Südosten expandierende Russland seine asiatischen Nachbarn und primitive, fischende, jagende Völker unterworfen. Der Russe Bering und seine Gefährten haben als Entdecker bereits in der ersten Hälfte des Jahrhunderts die später nach ihm benannte Meerenge zwischen Asien und Amerika erkundet. Im Süden hingegen hat der russische Vormarsch die Grenzen der mohammedanischen Nachfolgestaaten des einstigen arabischen Reiches sowie des Machteinflusses Chinas erreicht. Die Entwicklung dieser Reiche übrigens hatte sich zuvor schon verlangsamt bzw. sie stagnierte, da jene nämlich nicht in der Lage waren, der traditionellen Struktur zu entsagen, zu deren Hauptcharakterzügen bäuerliche Armut und Kleinwirtschaften als Selbstversorger, weiterhin herrschaftlicher Pomp sowie ein stagnierender kleiner interner Markt zählten. Dazu gesellte sich oftmals der ständig neue Angriff von Nomaden der Steppengebiete bzw. der Vorstoß der Europäer in Handel und Wirtschaft. Das Osmanische Reich, welches unmittelbar die Grenzen Südosteuropas erreicht hatte und sogar im Donauraum als Eroberungsmacht auftrat, wurde zu Beginn des 18. Jahrhunderts bereits zurückgedrängt – und wenn es auch für die unmittelbaren Nachbarn eine Bedrohung darstellte, war jene doch nicht mit der vorangehenden zu vergleichen. Man verwaltete aber auch derzeit noch riesige Gebiete: neben dem Balkan und Kleinasien den Nahen Osten, Ägypten, Palästina, Syrien, den Irak bzw. in gelockertem Abhängigkeitsverhältnis die westlichen Küstenstreifen Arabiens und die nördlichen Afrikas. Das Organ aber wies bereits offensichtliche Anzeichen der Schwäche auf und beschränkte sich immer öfter auf die Verteidigung nach allen Seiten. Für einen gewissen Zeitraum hat der Iran unter der Safi-Dynastie die Anzeichen eines bestimmten Aufschwungs aufgewiesen – einerseits u.a. deshalb, weil wegen des von den Portugiesen vom Meer auf die Karawanenstraßen des Festlandes verdrängten arabischen Handels ein Teil der chinesischen und indischen Waren über den Iran in den Mittelmeerraum gelangte; zumindest vorübergehend, da die einen Aufschwung erlebende holländische, englische und französische Handelsschifffahrt für diese Verbindung schon bald eine zu große Konkurrenz darstellte. Übrigens haben 1722 die afghanischen Eroberer den Iran unterworfen, wenn auch nur für kurze Zeit, weil sie von den Turknomaden im Norden unter der Führung des späteren Schahs Nadir Khan bereits 1736 aus dem Lande vertrieben wurden. Ja sie hatten sogar Afghanistan in ihr sich bis zum Indus erstreckendes Reich einverleibt, welches wiederum bald schon zerfiel. Der Iran versank in eine feudale Anarchie, verarmte weiter und war später immer mehr Leidtragender der englisch-russischen Konkurrenz.

Das praktisch eine Welt für sich bildende Indien, welches von den Großmogulen – den Nachfahren der einstigen Erobererdynastien mohammedanischer Turkvölker – aus Delhi regiert wurde, hat den holländischen, englischen und französischen Händlern bereits im 17. Jahrhundert die Genehmigung der Gründung von Siedlungen an der Küste erteilt. Nachdem 1739 der zuvor schon erwähnte Schah Nadir vom Iran her Hindustan und Delhi überfiel bzw. beraubte, brach ein Aufstand gegen den in seiner Macht erschütterten Großmogul aus. Es gelang nur mit Hilfe der Afghanen, jenen niederzuschlagen, welche sich wiederum von diesem Zeitpunkt an als Schützer der indischen Mohammedaner betrachteten. Im Jahre 1761 vernichteten sie den sich gegen die Mohammedaner wendenden indischen Staat Maratha, welcher im Angesicht der schwindenden Macht der Großmoguln das neue politische Zentrum zu sein schien. Die eintretende feudale Anarchie hat den englischen und französischen Kolonialherren den Weg frei gemacht, für deren Rivalität sich gerade Indien zum zweitwichtigsten Schauplatz entwickelte. Mitte des 18. Jahrhunderts begann die französische Indische Gesellschaft unter Ausnutzung interner Fehden der lokalen indischen Herrscher ein wahres Kolonialreich auszubauen. Da das Mutterland – Paris – aber dies missbilligte, war damit der Weg frei für die Ost-Indische Gesellschaft Englands, deren Streitkräfte mit Robert Clive an der Spitze in Ausnutzung der Erschütterung der Macht der Großmoguln 1757 den Nabob, den Regenten der Provinz Bengalen besiegten. Darüber hinaus hat man vom Großmogul gegen eine Jahresrente die reiche Provinz Bihar erworben. Die Gesellschaft hat anschließend mit Steuern und anderen zwingenden Mitteln, mit einer wahren Raubwirtschaft, dieses Gebiet praktisch ausgeplündert, und zwar dermaßen, dass 1770 in Bengalen eine schwere Hungersnot ausbrach. Aufgrund der schwierigen Lage und der jene begleitenden finanziellen Hinterziehungen hat es die englische Regierung als besser erachtet, 1784 schließlich die Führung von Verwaltung und Militär in den indischen Kolonien auf den staatlichen Generalgouverneur zu übertragen, obwohl das Handelsmonopol der Gesellschaft noch bis 1813 bestehen blieb.

Das auf eine alte Zivilisation zurückblickende China, diese andere bedeutende spezifische Welt, hat auch eine gewisse Stabilität seiner Staatsorgane besser vor Eroberungen geschützt. Auch hier waren die mandschurischen Kaiser Nachfahren der nomadischen Eroberer, hatten sich aber bereits den lokalen Gesellschaften angepasst. Charakterisiert war das Reich durch eine ausgedehnte und umständliche Bürokratie, die von den Ideen des Konfuzius zum dogmatischen System erstarrte Ideologie, eine traditionell und umständlich funktionierende Wirtschaftsstruktur sowie den immer gravierenderen technischen Rückstand. Die sich über Jahrhunderte hinweg ansammelnden materiellen und geistigen Güter sowie sich herausbildenden Gepflogenheiten jedoch haben ebenfalls dazu beigetragen, dass die Macht Chinas auf bedeutenden Territorien garantiert erhalten blieb und man dem europäischen Vorstoß für lange Zeit Einhalt gebieten konnte.

Dasselbe galt für die isolierte Inselwelt Japans, wo neben dem Mikado in seiner schon zum Symbol gewordenen Rolle des einst herrschenden Würdenträgers die tatsächliche Macht von den Inhabern des bereits vererbbaren Postens eines Shogun ausgeübt wurde. Unter den asiatischen feudalen Staatsorganen war Japan das entwicklungsfähigste, denn hier gelang es am ehesten, mit der feudalen Anarchie fertig zu werden, weil sogar ein den Feudalherren gegenüber ein gewisses Gegengewicht darstellendes urbanes Bürgertum existierte. Aus eigener Kraft allein aber konnte sich der Kapitalismus auch hier nicht entfalten. Die Feudalstaaten Asiens kamen mit dem Kapitalismus zuerst über die fremden, europäischen Eroberungsmächte als einem Bestandteil jener in Kontakt.

Vom Feudalismus kann nämlich auch im Falle anderer Länder außerhalb Europas gesprochen werden, genauer gesagt von solchen, auf Privilegien basierenden gesellschaftlich-politischen Systemen, die mehr oder weniger dem Begriff Feudalismus zugeordnet werden können. Der Kapitalismus jedoch, d.h. das bürgerliche wirtschaftliche und gesellschaftliche System – so scheint es – war auf spontane Art und Weise aufgrund interner Voraussetzungen nur in Europa, und zwar in seinem Epizentrum, in der am weitesten entwickelten Region geboren, anderswo dann infolge des Druckes und der Herausforderung dieser bereits entfalteten Initiativen, also als Folge jener überall in der Welt. Theoretisch können wir selbstverständlich annehmen, dass die Transformation der Gesellschaft und damit verbundene Folgen eventuell nach einiger Zeit auch anderswo aufgetreten wären, wo die Chancen einer späteren spontanen Änderung gegeben waren. Diese Annahme jedoch kann nicht bestätigt werden bzw. würde auch nichts an historischen Erfahrungen und Tatsachen ändern.

Europa versah die weite Welt mit dem, was eben zur Verfügung stand. Mit einer höher entwickelten Kampftechnik hat man die lokalen Zivilisationen Lateinamerikas besiegt, später wurden andere Orte der Welt mittels wirtschaftlichen Vordringens, mit dem Handel und kapitalistischen Methoden unter Kontrolle gebracht. War Gewalt vonnöten, gesellten sich zu diesen Methoden natürlich Unterdrückung und Waffengebrauch, mit anderen Worten: nicht selten eine ganze Reihe schwerer Konflikte. Letztendlich aber erfolgte nach gewisser Zeit die Verbreitung der den Feudalismus überwindenden neuen Gesellschaftsordnung mit ihren politischen Ideen, Institutionen und technischen Errungenschaften. Dies wiederum trug unter anderem dazu bei, dass verschiedene andere Kulturen, die jener Aufgabe gewachsen waren, sich aus eigener Kraft, das Vordringen Europas abwehrend, weiterentwickelt haben. Europa hat also mittels seiner Expansion – wenn auch mit schwerwiegenden Eingriffen und zu einem hohen Preis – die verschiedensten Kulturen der ganzen Welt dabei unterstützt, sich mit ähnlichen Mitteln und Methoden der Zivilisation auszustatten. Nicht zu vergessen sind dabei jene Staaten in Nordamerika oder später zum Beispiel Australien, bei denen es sich ursprünglich eigentlich um die Übertragung von Anteilen und Niederlassungen der europäischen Kultur handelte.

 

5. Das europäische Staatssystem

Europa selbst war in politischer Hinsicht traditionell und auch spektakulär geteilt. Die Rivalität der unterschiedlichsten Mächte, die Kollision verschiedenster Interessen und nicht selten bewaffnete Konflikte in abwechslungsreichen Verbundsystemen charakterisierten den Kontinent, wobei lokale Fehden oftmals in größere Kriege mündeten. Trotzdem bildete sich ein solches zusammenhängendes europäisches Staatensystem – zumindest bereits ab dem 16. Jahrhundert –, innerhalb dessen derzeit bereits theoretisch Methoden und Mechanismen des Zusammenlebens der Mächte formuliert wurden. Die internationale juristische und politische Literatur hat immer entschiedener betont, dass die einander gegenüberstehenden Mächte Europas trotz aller Reibereien und Kollisionen Bestandteile ein und desselben größeren Ganzen waren. Dementsprechend formulierte Emmerich de Vattel in seiner Arbeit über des Völkerrecht (Le droit des Gens, 1758), dass das moderne Europa in Abweichung vom alten ein politisches System bilde, bei welchem es sich schon nicht mehr um die verwirrende Anhäufung isolierter Teile’ wie einst handele, sondern um einen solchen Mechanismus, der nach dem Gleichgewichtsprinzip der Macht in Gang gehalten wird. Andere wiederum – vom Anglo-Amerikaner William Penn Ende des 17. Jahrhunderts bis zum deutschen Philosophen Kant Ende des 18. Jahrhunderts – begannen schon nach Möglichkeiten und Voraussetzungen eines allgemein friedlichen Miteinanders ohne bewaffnete Konflikte zu forschen, vorläufig jedoch mittels utopischer Formulierung.

Bedeutende Stationen des bei weitem nicht reibungslos funktionierenden europäischen Staatssystems waren jene Friedensverträge, mit denen man im Anschluss an die von Zeit zu Zeit auflodernden ernsthafteren Kriegskonflikte versuchte, in Europa eine neue internationale Ordnung zu gestalten. Bei diesen Neuformierungen war man selbstverständlich nach Möglichkeit darum bemüht, das Gleichgewicht derart herzustellen, dass es den Interessen der derzeit als Sieger hervorgehenden Seite entsprach. So geschah es früher, im Jahre 1648 nach dem Dreißigjährigen Krieg, dann nach dem den Spanischen Erbfolgekrieg beendenden Utrechter (1713) bzw. Rastatter (1714) Frieden, im Anschluss an den österreichischen Erbfolgekrieg (1740–1748) und den Siebenjährigen Krieg (1756– 1763), zuletzt dann im Jahre 1815.

Innerhalb des europäischen Staatssystems haben die Großmächte der höher entwickelten, nordwestlichen Region in der internationalen Politik die Hauptrolle gespielt. Die Rivalität jener aber hat sich auch auf die Randzonen ausgewirkt, die sich auf eigene Art und Weise in das Staatssystem Europas einpassten und eingliederten. Außer den Großmächten – die sich nacheinander in der Spitzenposition abwechselten – gibt es ebenso die europäischen Kleinstaaten. Deren Weiterbestehen oder aber Zustandekommen war vor allem jenem Umstand zu verdanken, dass die Großmächte im Verlaufe der Neuordnung Europas die Existenz gewisser kleiner Staaten für nötig erachteten. Einesteils deshalb, weil man sie zwischen einige größere Länder als Pufferstaat vorsah und hauptsächlich deshalb, weil dem eben unterlegenen Gegner auch auf diese Weise ein Hindernis für eventuell neuerwachende Expansionsambitionen in den Weg gestellt werden sollte. Auf diese Weise wurden solche Kleinstaaten zu bescheideneren, ergänzenden Elementen des europäischen Staatssystems. Den schweizerischen Kantonen und den Niederlanden zum Beispiel – die 1648 von der besiegten Habsburgmacht anerkannt werden mussten – kam jetzt, 1715, eine ähnliche Rolle in Bezug auf Frankreich zu. Diese Fälle galten in erster Linie für die unmittelbare Nachbarschaft führender und rivalisierender Großmächte, also die höher entwickelte Zone. Großmachtinteressen haben darüber hinaus das System der Kleinstaaten über einen langen Zeitraum hinweg in Italien und Deutschland aufrechterhalten. Der Westfälische Frieden hat 1648 die Zerstückelung des ohnmächtigen Deutsch-Römischen Reiches dermaßen gesteigert, dass den deutschen Kleinstaaten das Recht zustand, ohne die Zustimmung des Kaisers auch mit externen Mächten ein Bündnis zu schließen. Dies hat im Vergleich zum Habsburghaus den Interessen Frankreichs gedient. Den sich auf diese Weise auf die deutschen Staaten des Rheinlandes ausdehnenden Einfluss aber hat man bereits 1715 liquidiert. Die italienische und mitteleuropäische deutsche Aufsplitterung bestand so lange, bis in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Großmächte zum Ausgleich ihres gegenseitigen Einflusses es dann erleichterten, dass die Integrationskräfte des italienischen und deutschen Nationalismus zur Geltung kommen konnten. Als noch dauerhafter erwies sich dann jener Prozess, im Verlaufe dessen die einstigen mittelalterlichen Staaten Ostmitteleuropas – darunter auch Ungarn – nacheinander in den Rahmen größerer Reiche gelangten und aus jenem nur später ausbrechen konnten.

Unter den vier stärksten Rivalen setzte sich im 18. Jahrhundert England an die Spitze, in erster Linie als bedeutendste See- und Kolonialmacht. Auf dem Kontinent hingegen vermochte England seine Bedeutung nicht in dem Maße geltend zu machen, wie zuvor das sich auf umfangreiche Landstreitkräfte stützende Frankreich. Die Politik Englands war um die Geltendmachung des Prinzips des Gleichgewichtes der Macht bemüht. Mit anderen Worten: man versuchte immer den stärksten Staat, den möglichen Rivalen mit Hilfe anderer daran zu hindern, in Europa an Übergewicht zu gewinnen und eine vorherrschende Rolle zu spielen. Da die Macht Spaniens stark schwand und Holland seit Wilhelm III. von Oranien (1689–1702) sich anpassender Verbündeter Englands war, stellte praktisch Frankreich den Erzrivalen dar. Die französische Hegemonie in der internationalen Politik fand ein Ende, als man nach dem Spanischen Erbfolgekrieg fast zusammenbrach und mit dem Tode Ludwig XIV. (1715) endgültig die einst strahlende Epoche des Sonnenkönigs zum Abschluss kam. Geblieben ist hingegen noch für lange Zeit das kulturelle und sprachliche Prestige. Der Führer der Whig-Partei, der Herzog von Marlborough hat die Nachkommin Wilhelms, Königin Anna (1702–1714) dazu bewogen, sich im Bündnis mit Österreich am Spanischen Erbfolgekrieg zu beteiligen, und obwohl die Torys 1710 die Regierung stürzten, hat England den Krieg mit einem erfolgreichen Kompromiss beendet. Im Weiteren hat man das Augenmerk hauptsächlich auf den Seehandel und die Kolonien gelenkt. Unter der Herrschaft von George I. (1714–1727) bzw. George II. (1727–1760) bzw. während der langen Ministerpräsidentschaft von Robert Walpole (1721–1742) hat sich jenes neue politische System der konstitutionellen Monarchie herausgebildet, deren theoretische Grundlagen zuvor von John Locke formuliert wurden und die eine Basis im Bund von Großgrundbesitz und Kapitalbürgertum gefunden hatten. Das Recht der Gesetzgebung stand somit dem Parlament zu. Die Gesetze haben die Macht des Königs eingeschränkt, der seine Exekutivmacht über seine Minister ausübte, welche wiederum dem Parlament gegenüber Rechenschaft schuldig waren. Hieraus entwickelte sich jenes Grundmuster, welches später die zur bürgerlichen Struktur übergehenden Länder nacheinander nachzuahmen versuchten. Zu den Spezifika der englischen Entwicklung gehörte – im Wesentlichen der Diskrepanz von Eigentums- und Handelskapital entsprechend – die Wechselwirtschaft der Torys (Konservative) und der Whigs (Liberale). Vorläufig aber war diese bürgerliche Verfassungsmäßigkeit mit einem außerordentlich dürftigen Wahlsystem gepaart: von 7 Millionen Einwohnern verfügten nur 150.000 über das Wahlrecht.

In Frankreich blieb das alte System des Absolutismus bestehen, jedoch ohne die alte Autorität und mit ständig spürbareren finanziellen, moralischen sowie politischen Krisen. Dem Sonnenkönig folgte auf dem Thron sein Urenkel, Ludwig XV. (1715–1774), anstelle dessen während seiner Minderjährigkeit zunächst als Regent Herzog Philipp von Orleans die Angelegenheiten in die Hand nahm. Der neue König aber erwies sich auch später nicht als die geeignete Persönlichkeit, das Ansehen von Führung und politischem System wieder herzustellen. Der Prunk, die Verschwendung, seine Gleichgültigkeit, die Einmischung seiner Geliebten (Pompadour, Dubarry) in die Politik, die vielen willkürlichen Maßnahmen haben alle den Oppositionskräften und der unzufriedenen öffentlichen Meinung die Gelegenheit dazu geboten, die politische Führung und allgemein die Autorität zu untergraben. Der Königshof wurde immer mehr zum Gegenstand des öffentlichen Hasses. Die Gegner des absolutistischen Systems rekrutierten sich aus den Reihen des ständische Traditionen befolgenden Adels einerseits sowie jenen des erstarkten Bürgertums andererseits. Industrie und Handel hatten im Frankreich des 18. Jahrhunderts einen bedeutenden Aufschwung zu verzeichnen, doch hat es der sich bereichernde Bürger umso schwerer ertragen, dass man ihn mit feudalem Hochmut behandelte und aus der Machtausübung ausschloss.

Auf die Situation in der Habsburgmonarchie, d.h. in Österreich und damit auch Ungarn, wird an anderer Stelle eingegangen. Es soll jedoch auf die Nachbarn verwiesen werden. Das gilt vor allem für den frühesten und ältesten Gegner, das Osmanische Reich, welches zwar stark zurückgedrängt wurde, noch immer aber den Balkan, Serbien, die rumänischen Fürstentümer beherrschte und noch immer darum bestrebt war, verloren gegangene Gebiete zurückzuerobern. Bedeutende Veränderungen hingegen haben nicht allein für die östlichen Regionen sondern allgemein für die europäische Politik zwei neue Großmächte mit sich gebracht: das aufstrebende Preußen und Russland. Ersteres gestaltete sich infolge der ausdauernden Organisationstätigkeit über mehrere Generationen hinweg, zunächst seitens der Brandenburger Kurfürsten und ab 1701 dann der preußischen Könige, zum Rivalen Österreichs, was in erster Linie dem effektiveren Militär bzw. dem staatsbehördlichen Apparat zu verdanken war. Friedrich II. (der Große, 1740–1786) vermochte bereits der größeren, jedoch weniger schlagkräftigen Habsburgmonarchie gegenüber in zwei Kriegen seinen Eroberungsabsichten erfolgreich Geltung zu verschaffen. Der neue Fortschritt in Russland erhielt seinen Anstoß vom außerordentlich energischen Zaren Peter I. (der Große, 1689–1725) mit seinen Bemühungen um einen Zugang zum Meer, seinen Versuchen der Einführung westlicher technischer Methoden und der Festigung der herrschenden Zentralmacht der orthodoxen Kirche und dem Adel gegenüber. Im Verlaufe des langandauernden Nordischen Krieges (1700–1721) gelang es schließlich, die Macht des Erzrivalen Schweden zu brechen. Und obwohl er zunächst eine Niederlage vom Schwedenkönig Karl XII. einstecken musste (Narva, 1700), hat er doch den entscheidenden Sieg über ihn errungen, als der Gegner in Russland einfiel (Poltawa, 1709). Karl XII. floh in die Türkei, und kehrte später mit spärlicher Begleitung zu Pferde über Ungarn nach Hause zurück, wo er bald darauf beim Ansturm auf eine Burg fiel. Russland hat 1721 den Nordischen Krieg erfolgreich abgeschlossen, denn man errang Litauen, Estland sowie die Ostküste des Finnischen Meerbusens. Peter I. unternahm große Anstrengungen zur Förderung von Handel, Manufakturindustrie, Militär sowie zur effektiveren Gestaltung der öffentlichen Verwaltung und zwar auf jene Weise und in dem Maße, wie ihm das unter den gegebenen Schwierigkeiten und einfachen Verhältnissen möglich war. Mit eisernem Willen und das Gemeinwerk antreibend hat er die großartige Barockstadt St. Petersburg errichten lassen, die er ab 1714 zur Hauptstadt deklarierte. Ein paar Jahrzehnte später dann kam der Armee und Diplomatie Russlands im Siebenjährigen Krieg herausragende Bedeutung zu.

Im Zusammenhang mit beiden neuen Mächten, d.h. Preußen und Russland, muss darauf hingewiesen werden, dass deren Führungskräfte und Herrscher sich zwar Leitungspraktiken und -techniken des westlichen Absolutismus angeeignet hatten, doch wandten sie diese in solchen Gesellschaften an, denen es zum einen an spontaner Sachkenntnis zum Versehen der neuen Funktionen mangelte, vor allem aber an jenem weitverzweigten Netz des Gewohnheitsrechtes, welches im Westen doch in vielerlei Hinsicht die totale Macht der Herrscher einschränkte. Hieraus ergab sich für die beiden Staaten hinsichtlich des militärischen und politischen Systems in gewisser Hinsicht – wenn auch nicht gleichermaßen – der effektive, dabei aber verstärkt auf Befehlen basierende, autoritative, diktatorische Charakter.

 

Domokos Kosáry ist ein Gründungsmitglied des Wissenschaftlichen Beirates des Europa Institutes Budapest, er war von 1990–1996 Präsident der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, er ist der Doyen der ungarischen Historiker. Bei vorliegendem Material handelt es sich um das Schlusskapitel seines jetzt, im Jahre 2001 veröffentlichten Buches (Wiederaufbau und Verbürgerlichung 1711–1867). Das Buch erscheint übrigens als dritter Band der auch vom Europa Institut unterstützten Reihe „Ungarn in Europa”

Begegnungen11_Khavanova

Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 11:225–230.

OLGA KHAVANOVA

Social Justice Reduced to the Privileged Estate

Noble Academies in Eighteenth-Century Hungary

 

One of the cornerstones of the social policies of Enlightened Absolutism in the Habsburg Empire [or Habsburg Lands] was the demand for equal contribution by various social groups to the “common good.” The noble estates could no longer enjoy their feudal privileges without being “useful subjects”, that is without sharing the tax burden with the commoners and performing services in the state apparatus and/or the army. To be able to cope with ever growing complexity of duties, the nobility needed extensive training. The education of the nobility [on Catholic or religious bases] could hardly be described as a priority for Habsburg absolutism in the age of secularisation of education. Working out a new school system and curriculum, broadening the access to education to new social strata and various nationalities of the Habsburg Empire, the reconsideration of the whole concept of education for noblemen, its forms and social function became an important element of the social policies of Maria Theresa and Joseph II.

A key element of the educational policies of Enlightened Absolutism was the establishment of academies for the male offsprings of the nobility. Unlike colleges, gymnasia and boarding schools under the patronage of the Catholic Church, noble academies established in the Habsburg Empire in the mid-eighteenth century, were under direct control by the state. They provided extensive knowledge of laws, economics and foreign languages, and their graduates were intended to fill leading positions in the state apparatus, the army and the church hierarchy. This paper presents a general overview of the system of noble academies in Hungary, with special attention to institutions which Hungarian noblemen attended and the curricula they followed. It also discusses the imperial pattern of the reform of noble education in Hungary and the outcome of this half-a-century-long experiment.

The reform of the education of male noble offsprings was closely related to the underlying changes in the social policy of the Habsburg Empire. Habsburg absolutism aimed at the centralization of [the administrations] of the heterogeneous lands and provinces of the Monarchy, in order to replace the estates with an efficient and obedient bureaucracy. Wishing to deprive the nobility of feudal privileges, the government in turn, wanted to compensate them by giving them a chance to earn social status and prestige, due to competence and professionalism. The nobility on their part, rightly viewed education as an asset, as a precondition of a successful career, and noble academies which provided specific training for future civil servants quickly became extremely popular among aristocrats and lesser the nobility alike. Access to modern education turned into an instrument of social and cultural policy of the absolutist state.

By the mid-eighteenth century the Austrian authorities had decided to build on a system of educational institutions rigidly controlled by the state superseding already existing noble colleges run by the Jesuits and Piarists. Starting at the top, in 1746 they opened the Theresian Academy in Vienna which soon turned into the most elitist school of the Monarchy. It became the model to follow and the proving ground for new educational schemes later widely used all over the Monarchy. It was designed as a “melting pot” where young nobles from different lands of the Monarchy were to be taught to love their common Austrian homeland which in many respects existed only in the minds of their tutors. Hungarian historians traditionally paid tribute to the prominent role of this institution,1 which had broken the isolation of Hungary from the Hereditary Lands, broadened political and cultural horizons of the Hungarian ruling elite and brought up a brilliant cohort of politicians, military commanders and clergymen.

Since the 1750s a Piarist gymnasium in Josefstadt in Vienna had acquired an important role in the education of Hungarian nobles. Count Jacob Löwenburg, a privy and court councillor who had been serving in Upper Hungary, in his last will ordered the establishment of four scholarships (for two Hungarian and two Austrian nobles) at the Josefstadt gymnasium. Quite soon the gymnasium became famous under the name of Löwenburg College (Löwenburgisches Konvikt) and was placed under the special patronage of the Viennese court. The Court Treasury (Hofkammer) used to cover expenses on education for more than one Austrian noble each year.2 There were some other short-lived attempts to establish scholarships for Hungarians in Vienna (for instance, the Chaos (Kautz) Foundation with twelve scholarships for Hungarian nobles) but in the long run they did not play any significant role.3

The absolutist state exercised direct control over admission to the Theresianum through the selection of candidates and distribution of scholarships. The latter was a crucial element of educational policies towards the noble estate. Annual incomes of the bulk of the nobility was not high enough to cover the costs of the education of their, often numerous, offspring. Since 1749 ten scholarships had been annually paid by the Extraordinary Fund of the Court Treasury as a sign of royal benevolence to personae gratae at the Viennese court.4 By 1751 a set of academic foundations was created from the incomes of rich abbeys in Lower Austria and Hungary. They were to provide financial support for young men of both aristocratic and gentry stock, whose fathers had proved their loyalty to the House of Habsburg with years of devoted service in the army or state apparatus.5 It was implied that rich aristocratic families should educate their children at their own expense. Nevertheless, aristocrats had never lost an opportunity to apply for and get financial support from one of the foundations.

Hungarian nobles were eligible to apply for scholarships, officially reserved for the Hungarian nation, to the Btaszk foundation. It got its name from the abbey of Archangel Michael of Btaszk in Tolna County in Hungary. After the death of the Arch-Bishop of Vienna, Cardinal Sigismund Kollonitz, who had bequeathed all his possessions to “pious causes”, Maria Theresa ordered the incorporation of the abbey into the Theresian Academy and allocate 8,000 fl. of its annual income for ten scholarships to support five German and five Hungarian nobles. It was emphasised, that the foundation should be managed separately from the Hungarian Treasury Chamber.6 The Hungarian Chancellery was required to present lists of candidates and provide reasons for their admission, but the final decision was always made in Vienna, in a form of benign resolution. Moreover, the number of Hungarians sponsored from the Hungarian quota never was higher than five. The usual practice was to grant places reserved for Hungarians to sons of influential courtiers of non-Hungarian origin. For instance, in 1778 a place from the Hungarian quota was given to Leopoldo Lagusio, the son of the court physician of the grand duke of Tuscany.7 As a result the Btaszk foundation could neither meet the growing demands of the Hungarian nobility for modern education, nor satisfy the ruling elite, which was subordinated to and dependent on the Austrian authorities.

Initiatives undertaken by the Hungarian authorities in the 1760s testify to the fact that the political elite were concerned with the essential need to reform the system of noble education regarding this issue among its prior political tasks. In 1763 Chancellor Count Ferenc Esterházy in the little town of Szenc founded the first Economic College in Hungary. Designed to satisfy the growing demand of the state for economists, financiers, engineers, the College gave impoverished nobles a chance to provide for the future of their children by means of modern education.8 In 1767 an ordinary noble college in Vác on the initiative of Cardinal Christopher Migazzi was transformed into the Theresian Academy placed under the patronage of Maria Theresa, and modelled on the Viennese prototype.9

Both colleges were badly financed and hardly made ends meet. These remote places where students were to live in poorly furnished rooms and wear shabby clothes could, hardly attract the offsprings of aristocratic families. On the other hand, the lower layers of the nobility jumped at any chance to get away from poverty, uncertainty, lack of social prestige. Those who wanted to win the support of the state in the form of scholarships were to be trained in professions the state needed most: accounting, tax-collecting, cartography and so on. In both institutions the state exercised direct control over the distribution of scholarships, regarded scholarships as a reward for the fathers’ loyalty, devotion and zeal, and reserved quotas to educate sons of the Chamber officials (six in Szenc, four in Vác) at the expense of the state. In the Vác Theresianum there were up to four scholarships for young nobles from Croatia and up to six from Transylvania.

A new stage in the evolution of noble education began after the dissolution of the Society of Jesus (1773) and creation of the Commission on Education of the Vice-Royal Council (1774). The Commission, headed by Count Ferenc Balassa who had graduated from the Viennese Theresianum, dealt with a wide range of problems, including acquisition of the Jesuits’ property, realisation of the Ratio Educationis and, among others, admission to the noble academies. The most important project carried out in the late 1770s was the foundation of the Theresian Academy in Buda as an integral part of the University transferred in 1777 from Tyrnava (Nagyszombat) to the ancient capital of Hungary.

The political elite viewed the Buda Academy as the best school of the kingdom modelled on and playing the role of the Viennese Theresianum. The Academy was to admit twenty students of aristocratic stock, twenty nobles and ten sons of the Chamber officials.10 The Commission had foreseen to the smallest details of how the new institution was to function, up to the design of the uniform and the food rations for the students.11 The Commission on Education stated that “the noble youth at the Buda Theresian Academy should not get education less perfect or less corresponding to Her Most Sacred Majesty’s benign intentions, than at the Viennese Theresianum. Moreover, Her Most Sacred Majesty most kindly ordered to furnish the Theresian Academy in Buda with the best moderators and such individuals who had been serving at the Viennese Theresian Academy as vice-rectors or prefects with much glory and demonstrated their best qualities”.12 In 1779 the Hungarian and Transylvanian Chancelleries agreed to create six scholarships for young nobles from the Principality.13 In 1780 the Empress officially incorporated the abbey of Pécsvárad in Baranya County into the University and entrusted the Hungarian Chamber with the right of full control over financial matters.14 (Similar demands in regard to the Btaszk Foundation were omitted.)

By 1779 the Commission on Education could not cope with the flow of applications from those who longed to place their children in a noble academy. It was decided to transfer responsibility for selecting relevant application to directors of school districts. If earlier the Commission had mainly been concerned with the dignity of the applicant’s family, now preference was given to the academic progress of the child. The network of noble academies turned into a system with a strict hierarchy. Different institutions met different needs: impoverished nobles sought to send their children to any college at the expense of any foundation, the top bureaucracy longed for the most prestigious schools, – the Theresianum in Vienna or Buda. For example, the Vice-Royal Council sponsored the son of councillor József Aszalay, who was in charge of the Theresian Academy in Buda, and the empress approved the candidature by the exclusion of three other applicants.15 By contrast, the Commission refused a retired soldier of the Orthodox faith from Gömör county referring to the fact that “the Academy in Buda had been raised for distinguished candidates and sons of parents with merits, and the applicant did not fall under this category”.16

A system of education centred on rewarding the fathers satisfied less and less both the enlightened state and Hungarian society. Having turned noble colleges and academies into a scheme of social and financial support of the nobility, the authorities still faced the problem of training competent civil servants. It was asserted that the child should be placed at the centre of the school system, his talents and erudition, not his forefathers’ merits, should be the criteria of admission. Joseph II, who demonstrated little interest in the preservation of noble privilege and institutions, viewed noble academies as old-fashioned institutions which no longer satisfied either society, or the absolutist state.

In 1794 the emperor, having broken the continuity with the social philosophy and practice of the Theresian age, dissolved all noble academies in the Monarchy on the pretext that access to education should be based on “diligence and talents”, and not on the right of birth. Now young men of both noble and non-noble origin had received the right to choose any institution to attend, provided their academic progress (confirmed by an official evaluation and proved by the district school director), corresponded to the requirements of the respective school.17 Since the feudal system survived and some elements abolished by the Emperor were restored shortly after his death, some academies were reopened in the 1790’s and preserved their elite-status until 1849. Recent publications of the Austrian historian Gernot Stimmer on Austrian elites in 1848–1970 show that principles of admission to privileged educational institutions and a phenomenon described as Korporationnepotism survived many social changes and is being successfully practised in modern civil societies.18

Efforts made by the Hungarian political elite to reform the system of noble education, although first inspired by the Viennese pattern, were soon adjusted to Hungarian social and cultural realities. In historical perspective these efforts could be considered as an interrupted or unfinished attempt to realise the principle of social justice restricted to the noble estate and to make the nobility serve the “common good” in exchange for the preservation of their exclusive social status in the age when thousands of educated non-nobles wanted their share in the sphere of politics and culture.

 

Notes

 1

See: Ernő Fináczy, A magyarországi közoktatás története Mária Terézia korában. Vol I–II. (Budapest, 1899); Éva H. Balázs, “Freimauerer, Reformpolitiker, Girondisten”, in Éva H. Balázs, Ludwig Hammermayer et al. (eds.), Beförderer der Aufklärung in Mittel- und Osteuropa: Freimaurer, Gesellschaften, Clubs (Berlin, 1979); Kosáry D. Mûvelõdés a XVIII. századi Magyarországon. (Budapest, 1980).

 2

For names of the nobles whose education at the Löwenburg College was paid from the Court Treasury see: Hofkammerarchiv (hereafter HKA). Kammeralzahlamt Bücher (KZAB). No 261 (1774–1777). S. 143–148.

 3

On the Viennese Theresianum, Löwenburg College and Chaos Foundation see: Anton v. Geusau. Geschichte der Stiftungen, Erziehungs- und Unterrichtsanstalten in Wien, von den ältern Zeiten bis auf gegenwärtiger Jahr. Aus echten Urkunden und Nachrichten. (Wien, 1803).

 4

HKA. Österreichische Gedenkbücher. 1749. S. 578. Nr. 275.

 5

Magyar Országos Levéltár [Hungarian National Archives; hereafter MOL]. A57. Libri Regii. 42. köt. 1751–1752. p. 205–207.

 6

HKA. Hoffinanz. Registerbücher. 1751. Protocolle. Bd. 1227. S. 266.

 7

MOL. A39. 51/1778, 206/1778.

 8

MOL. A1. 260/1763.

 9

János Kisparti, A Váci Theresianum története. (Vác, 1914).

10

HKA. Ungarisches Camerale. Fasc. 41. 787. 90/1777. Fol. 1050.

11

MOL. A39. 2895/1777.

12

MOL. A39. Acta generalia. 5702/1779. pp. 45–47.

13

MOL. B2. 946/1779; C67. 1779. Universitas Budensis. Fasc. 30. 159 cs. No. 80.

14

MOL. A39. 1503/1780.

15

MOL. C67. 1779. Universitas Budensis. Fasc. 30. 159 cs. No. 15; A39. 2567/1779.

16

MOL. A39. 2891/1779.

17

MOL. A39. 4152/1784.

18

Gernot Stimmer, Eliten in Österreich, 1848–1970. (Wien, Köln, Graz, 1997).

Begegnungen11_Kanyo

Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 11:221–224.

TAMÁS KANYÓ

Oral-History-Projekt: Emigration und Identität

Methodische Aspekte zur Lebenswegbetrachtung 1956er Flüchtlinge in der Schweiz

 

Im Zuge der Niederschlagung der Revolution in Ungarn 1956 verließen um die 200’000 Menschen das Land. Die Schweiz nahm damals ungefähr 13’000 Flüchtlinge auf.

In zwei Abhandlungen versuchte ich der Frage nachzugehen, welche Spuren diese Ereignisse in den lebensgeschichtlichen Erinnerungen einzelner ausgewählter Zeitzeugen hinterlassen haben.

Die in ungarischer Sprache verfasste Arbeit „Emigration und Identität. Aspekte der Integration 1956er Ungarnflüchtlinge in der Schweiz“ richtete sich die Frage nach der Art und Weise der spezifischen Auseinandersetzung mit der neuen Lebenslage der Flüchtlinge: Wie haben sie die ihnen auferlegte Arbeit der Neuorientierung, der Neusozialisierung, der Integration aufgefasst und bewältigt1.

Der andere in deutscher Sprache erschienene Artikel „Die Schweiz und die ungarische Revolution von 1956“2 untersuchte die schweizerische Perspektive. Was haben die Ereignisse von 1956 ausgelöst, wie erfuhren Schweizer Personen die Begegnung mit den Flüchtlingen und welchen Stellenwert erhielten diese Ereignisse in lebensgeschichtlichen Bezügen.

Es ist möglich – um auf die „Ergebnisse“ der an zweiter Stelle erwähnten Arbeit zu kommen – kurz zu konstatieren, dass große Teile der Schweizerischen Bevölkerung durch die Revolution ungewöhnlich stark erschüttert wurden, dass sie sich in großem Maß solidarisierten. Es kam zu Spendenaktionen, Solidaritätskundgebungen. Von verschiedenen Gruppierungen wurden Demonstrationen organisiert. Wobei die Interpretation der Ereignisse eine Eigendynamik entfaltete, die in der innenpolitischen Auseinandersetzung – Abrechnung mit linken Parteien – eine wichtige Rolle spielte, aber direkt wenig mit der Revolution in Ungarn zu tun hatte. Als Erklärung für diese große Solidarität mögen neben einer humanen Tradition, die eigene Betroffenheit, dass man nicht in Frieden, sondern im Kalten Krieg lebte und die Lehre aus der damaligen Diskussion um den unmenschlichen Umgang mit jüdischen Flüchtlingen während des Zweiten Weltkriegs gelten. Sodann bliebe noch die Schilderung all jener Aktionen, welche z. B. die damals entstandenen Vereine durchführten, um politische Aufklärungsarbeit zu leisten, oder um Flüchtlingen bei der Integration zu helfen.

Mit der Zusammenfassung wurden allenfalls die möglichen Themen benannt, die eigentliche Substanz der Arbeit liegt in den vermittelten Stimmen der Zeitzeugen, die hier nicht aufgeführt werden.

Die Betrachtungsweise impliziert schon in der Fragestellung einen mikrohistorischen Ansatz, der hier wiederum auf Oral-History-Quellen basiert. Aus Erfahrungen aus der Fachliteratur und gelegentlich in Auseinandersetzungen im Rahmen einer Diskussion sollen hier ein paar kritische Punkte aufgezeigt werden, die das Spezifische an Oral-History-Texten, an den genannten Beispielen darstellen. Letztlich geht es hier um die Frage bei der Auseinandersetzung mit narrativen Konstruktionen, was dabei der Historiker als seine Aufgabe wahrnimmt.

Aus der häufig geäußerten Kritik an Oral-History-Texten – z.B. Erinnerungsaufzeichnungen seien unzuverlässig und zu subjektiv – und der Tatsache, dass viele Werke dieses Genres zunächst mit einer Apologie beginnen, lassen oft ein grundlegendes Missverständnis vermuten. Ein Grund dafür mag in der Unklarheit bestehen, welche Ziele und Ansprüche mit diesen Texten verbunden sind.

Bei den oben genannten Beispielen sind schon Fragestellungen auf dieses Genre Oral History angewiesen. Der Versuch Identität aufzuzeigen heißt, eine Geschichte von sich zu erzählen. In gewisser Hinsicht bergen wohl die meisten Oral-History-Texte, also lebensgeschichtliche Erzählungen daher das Thema Identität in sich; hier (Emigration und Identität) zeigt dieser Begriff im Titel die Richtung an, worauf die Gespräche letztlich peilten, da es beim Thema „Emigrantendasein“ eines der Schlüsselbegriffe darstellt. Was dabei herauskommt sind Einblicke in Lebenswelten und in eine Art Geschichtsbewusstsein verschiedener Individuen. Die Durchführung der Interviews erfordert größte Sorgfalt3 welche auch ethische Fragen aufwirft4. Als Zwischenresultat erhält man vom Tonband transkribierte Erzählungen, die einerseits einem Reduktionsprozess folgen, da die paralinguistischen Elemente (Lautstärke, Pause, Gestik usw.) unvermeidlich ausgeblendet werden, andererseits entsteht eine erste Struktur der Aussagen durch die Transkription.

Ein wesentliches Problem entsteht bei der „textgerechten“ Analyse der narrativen Konstruktionen, es handelt sich eben nicht um einen Text, an den man nun von außen herangehen kann. Die bis zu einem gewissen Grad geteilte Urheberschaft, d. h. die eigene Mitwirkung, ist so prägnant, dass eine Objektivierung eine große Herausforderung darstellt. Als eine Hilfe auch für die verständliche Darstellung mag die Auswahl „geschlossener Formen“ sein. In der Erzähltradition lassen sich verschiedene Texttypen aufzählen: „Eine Episode“ oder eine kleine „Geschichte/Anekdote“. Diese können aufgrund ihrer Tendenz zu einer Geschlossenheit, d.h. Strukturiertheit durch Setzung von Anfang und Ende, sowie einem Höhepunkt in einer Pointe als eine solche Einheit betrachtet werden, die es für den Analysierenden leichter ermöglicht jenen äußeren Standpunkt einzunehmen und Kommentare zuzufügen. Diese Wahl der geschlossenen Form ermöglicht – zum Preis einer gewissen Redundanz – überdies dem kreativen Lesenden einen gewissen autonomen Spielraum: Die „Quellen-Stimmen“ bleiben gewissermaßen hörbar.

In diesen Oral-History-Arbeiten besteht kein Anspruch auf allgemeine Repräsentativität, es ist das Exemplarische der Stimmen, das im Vordergrund steht. Indem mehrere Zeitzeugen zum selben Themenkreis interviewt werden, ermöglicht dem interpretierenden oral historian eine Differenzierung des Gesamtbildes, in der so entstehenden Polyphonie werden Relationen und Positionen unter den gesammelten Daten der Befragten erst überhaupt sichtbar.

Zu den speziellen Aufgaben des oral historian gehört durch seine Involviertheit im Text, die eigene Standortbestimmung u.a. als Voraussetzung einer Quellenkritik. Hervorzuheben wäre da die Mittlerfunktion gleich in mehrfacher Hinsicht. Zum einen müssen die mikrohistorischen Annäherungen auch in einen größeren historischen Kontext gesetzt werden, um größere Klarheit zu erhalten, wobei diese Kontextualisierung meist in der Tradition der „historischen Zunft“ geschieht. Gleichzeitig bewegt sich der oral historian im offenen Grenzland zu anderen Disziplinen. Je nach Thema wird z. B. eine sozialpsychologische oder sprachwissenschaftliche Annäherung erforderlich.

Was sind die Kriterien für die „Konstruktion“ der Narrativa. Zum einen sind es sicherlich die sinnstiftenden Momente. Als Beispiel seien hier drei Positionen erwähnt, die sich beim Vergleich der gesammelten Daten ergeben haben, als es darum ging, zu sehen wie große Entscheidungen im Verlaufe des Lebens (Emigration, Wahl des Destinationsortes, Ausbildungs- und Berufswahl usw.) getroffen wurden. Alle drei Zeitzeugen hatten nach der Emigration beruflich eine relativ große Karriere gemacht. Bei einem dominierte durch die Erzählung hindurch ein Moment der Aktivität, er hat sich selber um seine Schulbildung bemüht (im Flüchtlingslager hätte er noch wochenlang Ping Pong spielen können, ohne, dass die Erwachsenen ihn davon abgehalten hätten) und auch bei den weiteren Schritten wird diese autonome Unternehmungslust betont. Dieser Position steht der passive Antipode entgegen. Bei jenem wird unterstrichen, dass er z. B. in die Schweiz kam, weil Bekannte ihn dazu bewegt haben, seine Anstellungen erhielt er, weil er gerufen oder darum gebeten wurde. Die dritte Position vertritt eine religiöse, in eine kalvinistische Richtung deutende Argumentation, es ist der Allmächtige, der den Zeitzeugen zwingt jene Schritte zu tun, er muss emigrieren, da er frisch nach einer Bauchoperation die zu erwartenden Schläge der Polizei – er stand auf der schwarzen Liste als Anführer eines Revolutionskomitees – kaum überlebt haben würde.

Es gehört nicht zum Ziel an sich des Kommentars Typen oder Kategorien zu bilden. Zu unterstreichen ist die Möglichkeit bei der Betrachtung von narrativen Konstruktionen durch die anthropologische Größe, Geschichten „greifbar“ darzustellen.

Bei der Annäherung zu den sinnstiftenden Momenten in der lebensgeschichtlichen Erzählung ist ebenfalls die Frage nach der Erinnerungskultur des Informanden von Bedeutung. Wie verdeckt waren die Geschichten, wie sehr wurden sie öffentlich oder privat thematisiert5.

Abschließend soll auf die spezielle Rolle oder Chance von Oral History in den ehemaligen sozialistischen Ländern hingewiesen werden. Lange dominierte ein offizielles „Staatsnarrativ“. Zum Resultat gehören verschüttete Geschichten. Die Möglichkeit, dass Unbenanntes, ins Private Geschobene von der Geschichtsschreibung nun thematisiert wird, kann auch als therapeutisches Moment begriffen werden. Einerseits für die Betroffenen, weil das den Prozess ihrer persönlichen Verarbeitung fördern mag und andererseits kann durch die Thematisierung verschwiegener Kapitel der jüngeren Geschichte auch eine Sensibilisierung in breiteren Kreisen bewirkt werden. Lutz Niethammer, ein Doyen der Oral History fasste sein Anliegen programmatisch im Satz: „Eine demokratische Zukunft bedarf einer Vergangenheit, in der nicht nur die Oberen hörbar sind.“6

 

Anmerkungen

1

Ein Teil der Überarbeitung der ungarischen Fassung wurde vom Europa Institut Budapest in Form eines Stipendiums unterstützt, die Edition ist für den Herbst 2001 geplant.

2

Bios. Zeitschrift für Biographieforschung und Oral History, Heft 2/2000, S. 208–224

3

Vgl. Fuchs, Werner: Biographische Forschung. Eine Einführung in Praxis und Methoden. Opladen, 1984; Rosenthal, Gabriele: Erlebte und erzählte Lebensgeschichte, Gestalt und Struktur biographischer Selbstbeschreibungen. Frankfurt a.M., 1995; Schütze, Fritz: Das narrative Interview. Hagen, 1986; Plato, Alexander von: Zeitzeugen und die historische Zunft, Erinnerung, kommunikative Tradierung und kollektives Gedächtnis in der qualitativen Geschichtswissenschaft – ein Problemaufriss. In: Bios. Zeitschrift für Biographieforschung und Oral History, Heft 1/2000, S. 5–29.

4

Vgl. Leh, Almut: Forschungsethische Probleme in der Zeitzeugenforschung. a. O. S. 64–76

5

Vgl. Jureit, Ulrike: Konstruktion und Sinn: methodische Überlegungen zu biographischen Sinnkonstruktionen. Oldenburg, 1998

6

Niethammer, Lutz (Hg.): Lebenserfahrung und kollektives Gedächtnis. Die Praxis von „Oral History“. Frankfurt a. M., 1980, S. 7

Begegnungen11_Held

Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 11:93–109.

JOSEPH HELD

Science – A View from Below

The Satires of Francois Rabelais

 

I apologize for reminding the audience that the 16th and 17th centuries have been the age of the Great Scientific Revolution.1 These centuries were illuminated, among others, by Copernicus, Kepler, Galileo, Francis Bacon, Descartes and Isaac Newton. At the same time, these centuries were the age of the great religious upheavals, of the struggle between Rome and the Protestant reformers, and the following terrible religious wars. We must not forget that this age also witnessed the “work” of the Inquisition, of the persecution of “witches” and heretics, claiming the lives of more than half a million innocent men women and even children. In addition, it was also the time of the Ottoman Turkish expansionism, of which Hungarians are all too well aware.

While doing my research, I wanted to understand the reasons for Francois Rabelais, the subject of this presentation, to reject centuries-old social and ethical norms (as this is alleged today by many scholars), opinions which the author skilfully included in his works.

My study is, at the same time, a classic example of the historian’s work in a negative sense. The fact was that I could not prove the hypothesis which I established. The hypothesis tried to confirm the supposition that, at the time when the Great Scientific Revolution shook the system of control by the Roman Catholic Church over thinking, and the new atmosphere became dominant among thinkers, Rabelais’ works reflected this process for the simple people of his times. With this, the great writer supposedly became a contributor to the ideas of the French Revolution. However, I could not prove my hypothesis.

Rabelais’ satires deal with the adventures of the “heroes” of Gargantua and Pantagruel. Contemporaries reported that the first issue of the book was sold out in record time. However, a comment attributed to Rabelais, according to which more copies of his book were sold in two months, than of the Bible in nine years, was never made. The remark referred to was a folk chronicle which was, indeed a phenomenally successful book. It is likely that Rabelais was encouraged by the success of a folktale2 and he wanted to benefit from its success.3

The first issue of ”Pantagruel” was followed by a number of illegal editions. It was published in Paris without the permission of the author and the original publisher. However, contemporaries were hard put to recognize the book’s uniqueness. For this reason, the less educated publishers copied Rabelais’ works and, in the process, freely added or excluded certain parts from the book. (Only in the course of the 19th century was the work cleansed of these distortions.) However, the theologians of the Sorbonne had called the attention of the censors to the work as early as 1533. In the same year, Pierre de Wingle, the son-in-law of the printer, Claude Norry, attempted to fit the satires of Rabelais in the stream of thought of the radical religious reformers. Later editions simply left off the pseudonym of the author, Alcofrybas.4

But let us not jump ahead of the story.

I would like to begin with a few biographical notes about the author. This is necessary, if a little boring, since it will provide a historical context for Rabelais’ activities.

The birthday of Rabelais is uncertain. His biographers cannot agree on a definite date. They mention 1483, 1490 and 1494.5 It is likely that he was born in the village of La Davinier, in the district of Chinon de Vienne. The events of the first book all take place in the surrounding area of the village, under distorted names, of course, and they reflect the struggle of the father of the author with his neighbours over water-use.

The father of Rabelais was a landowner and, at the same time, a well-known attorney. According to the witness of the family crest, the family was of noble origin.6 In all probability, young Francois received his elementary education in the nearby Dominican monastery, in St Pierre de Seuilly. It is also possible that his father taught him his letters at Chinon, where his law practice was located. Francois learned the Latin language well and his father must have instructed him in the knowledge of the law. It is also possible that, as he grew, he studied at the University of Angers. Around 1510, young Francois entered the Franciscan cloister at La Baumette, where he continued his studies.7

It may be surprising that a young man, such as Rabelais, eager to become acquainted with classical learning, would chose a Franciscan cloister for his home. Such opinions are, however, based on the fallacious notion that the Franciscans were more obscurus than other religious orders. Such false views were spread by Erasmus, and some other humanists shared his views. Rabelais soon became friendly with a young monk, a Pierre Amy, who was also addicted to the study of classical civilization.

In 1520, Rabelais probably transferred to the Franciscan cloister of Puy St Martin, located in Fontenay-le-Comte. First, he studied Theology,8 but he was also showing a marked interest in learning the Greek language and culture. This was a difficult task; in contemporary France there were few scholars who knew Greek and there were hardly any textbooks available to teach the language. Brother Amy and Guillome Budé, a famous contemporary humanist, encouraged Rabelais and probably helped him to find the appropriate books. At this time, a group of lawyers formed an association whose meetings were often devoted to discussions about classical culture, and Rabelais participated in these meetings. His friends encouraged him and he translated the histories of Herodotus to Latin.

Rabelais was interested in all sorts of theories; however, he also acquired a good dose of sober folk wisdom. Nevertheless, he had all sorts of wild ideas and when he formulated these, he connected them to three major themes. These were birth, love-making and death. He perceived these themes in terms of the simplest physical phenomena. This free-thinking monk had no problem with the two conflicting sides of his nature, that of a humanist scientist and a simple man of the people. Rather, these sides complemented each other. The description of the perceived nature of men and women in his books is also full of contradictions; yet, he never attempted to reconcile these and never apologized for them.

We should learn something about the customs, prejudices and culture of the age of Rabelais if we wanted to understand his writing; these characteristics were, of course, very different from the culture of modern Europe. Unfortunately, we can only touch upon these traits in an essay as this, because of the limitations of space. We must also remember that the humanists of the Renaissance were not anti-religious or anti-Christian. Such characteristics will describe only the devotees of the Enlightenment of the 18th century. Rabelais was a true humanist and for him, the norms and rules of Christianity were determining factors of life.

To return to our subject, the study of the Greek language soon resulted in trouble for Rabelais. The Franciscans interpreted Scripture literally and when Rabelais wanted to read it in its original Greek, they were scared of the possible consequences. The Dominican monk-professors of the University of Paris simply forbade the study of the Greek language. They discovered dangerous patterns in the commentaries on the Greek version of Luke’s Gospel, which Erasmus undertook in one of his essays. They rejected Erasmus’ explanations of this Gospel entirely, because they ”discovered” Lutheranism in them. The abbot of the Franciscan cloister where Rabelais stayed, simply ordered the confiscation of the young monk’s books. The monks were not afraid so much of the knowledge of the Greek language, as if such knowledge would have brought pagan trends into Western culture. After all, the thoughts of Socrates, Plato but especially of Aristotle, have long been absorbed into the doctrines of the Christian churches. But a Greek revival threatened a culture based on the Latin language which, in turn, was part of the intellectual monopoly of Rome. Since the culture of Latin scholasticism was rejected by the humanists, in turn, the monk-professors of the Sorbonne simply forbade the teaching of the Greek language.

In response, Rabelais and his friend Amy decided to transfer to the somewhat more liberal Benedictine order. Before making a final decision, however, they used Vergil’s Aeneid for prognostication. As Amy opened the book at random, he found the following: Heu! Fuge crudeles terras! Fuge littus avarum. (They had successfully and safely escaped from the trap set by the goblins.) Amy found refuge at the nearby Benedictine abbey of St Mesmin. But Rabelais received dispensation from Pope Clement VII and, as a consequence, entered the Benedictine abbey at Maillezais.

The abbot of this cloister, Geoffroy D’Estissac, was also the bishop of Maillessais and he spent little time at his cloister. He entrusted his nephew’s education to Rabelais. He took both of them with him in his travels. They moved around in the region of Poitou and Rabelais became acquainted with the area’s scholars.9 Rabelais also began to dabble with literature. He listed the fauna and flora of the surrounding countryside in his later works and it is obvious that he talked a great deal with the simple folks of the area. Their patterns of speech, including their curses, often appear in Rabelais’ satires.10 Poitou and its environment was famous for its theaters at that time. The actors often included clerics together with laymen, although this was frowned on by the authorities.11 Rabelais became infatuated with theater there and this is often reflected in his works. He also began to collect lewd stories while at Poitou.

In 1528 Rabelais traveled to Paris. The city was in the throes of a struggle between the Dominican monk-professors of the Sorbonne and the humanists of the Renaissance as well with the Protestants. Rabelais decided that he no longer wanted to be a monk. Consequently, he quit the Benedictine order and had himself ordained a lay priest. Two years later, we find him studying at the medical faculty of the University of Montpellier, where he received his baccalaureate degree in three months’ time! This seems to prove that he was quite familiar with the medical knowledge of his age.12 What was even more interesting, was the fact that he gave several lectures after earning his degree, and that many students attended his presentations. Much of this was in line with humanist thinking, according to which medical science originated with the classics and that knowledge of the Greek language opened the doors to the wisdom of the ancients. Rabelais considered that it was his task to clear the works of the Greek doctors of the trash afflicted on them by ”Arabs,” especially the interpretations of Avicenna. He and other humanists considered the human body “reflecting the microcosm,” namely, the magnificent harmony of the universe. Rabelais was to reflect on these ideas in the monologues of Panurge, the friend and companion of Pantagruel, in the third book, chapter 4, of the giant’s adventures.

Rabelais’ degree did not entitle him to use the designation of doctor, but this mattered little at that time. He was able to read the works of Galen and other Greek physicians in their original Greek which provided him an advantage over most of his contemporaries. In 1532, he was in Lyons, where he practiced his medical knowledge at the best hospital of the city, the Hotel Dieu. He probably moved to Lyons for financial reasons, because there were many booksellers and publishers there, catering to the students’ need for books.13

A description of the famous hospital, the Hotel Dieu, shows comparatively terrible conditions for the modern eye. There were 150–220 patients at any one time that had to be examined every day by the single physician. The patients were lying in six rows of beds, the men on one side, the women on the other. Each bed accommodated two or three patients. The visiting physician was accompanied by a barber-surgeon, who took notes of the prescribed medication. If Rabelais went to Lyons for financial reasons, he had to find extra jobs, because his salary as a doctor was rather low. In the meantime, he corresponded with the leading humanists of his time, including Erasmus. He called the Dutch humanist his “spiritual father” in one of his letters.14

The extra income Rabelais needed had to be earned through literary activities. Rabelais first issued the book, entitled The history of Pantagruel, which was, in fact, the second volume of the mythical giants Gargantua and his son, Pantagruel, and the first volume had not yet been published. The book contains a mixture of lewd stories and a satirical description of the faculty of the University of Paris as well as serious discussions of humanism. The book was published in French and it recalled the name of a favourite dwarf of folklore, Penthagruel. It was not one of those knightly stories that were still in vogue.

The second volume (really the first) was entitled The Terrible life of the Great Gargantua, Father of Pantagruel. It began with the birth of the baby giant, Gargantua, to the wife of Grandgousier, Badabec.15 As the little giant grew, his father sent him to study at various universities, ending up at the University of Paris. He introduced himself to the people of the city in a curious way. They gathered around him and left him no peace. He was thus forced to seek refuge in the tower of Notre Dame cathedral. Below him, the crowds grew ever larger. Finally, Gargantua declared:

I believe that these men are asking for some sort of payment from me. They are right, and I will give them something to repay the kindly reception. But in a sporting spirit (par ris). So, he smiled and opened his pants and he pissed down at them with such force that 260,418 people had drowned, not counting women and children. There were some who escaped the flood and took refuge on the hill above the university, coughing, cursing, spitting, catching their breath, some in a sporting spirit, others in anger. “Carymary! Carymara!” They cursed, “we were wetted down in a sporting spirit.(Par ris.)” This is why this city is called Paris ever since. Before that, as attested to by the fourth book of Strabo, it was called Leucetia, which means a ”white place” in Greek.16

Gargantua met various people in his travels. However, his father soon called him home, because war had broken out between him and a neighboring king, Picrochole. This part of the book shows that Rabelais was not opposed to war if it was fought for a ”just cause,” especially in the defence of some sort of right. Gargantua concluded the war victoriously and his wife soon gave birth to a son, called Pantagruel. When he grew up, he, too, was sent to Paris to study. Pantagruel was joined in Paris by a shady character, called Panurge, who had escaped from Turkish captivity in an almost miraculous way.17

The coming of Panurge shows one of the most important characteristics of Rabelais’ writing, namely, that he could turn any situation into comedy. Panurge first appears as a man without restraints, but Pantagruel forgives him everything because Panurge can make his friend laugh. In the world of Panurge, nothing reflects real life. The essence of his world is that the weak smart man will always successfully swindle the strong but stupid.18

In Paris, Rabelais describes a dispute taking place between Baisecul (Kiss my Ass) and Humvesne (Swallower of Farts). The dispute is ranging around such obscure points that make no sense whatsoever. Consequently, the disputants appeal to Pantagruel to be the judge. He solves the dispute successfully. In this section, a well-known Italian lawyer, Accursius, who became known for his comments on Roman law, is parodized by Rabelais. The famous saying is used here by our author, according to which “two deaf men attended a court and their dispute was settled by an even deafer judge.”19

Not long after this, an English scholar arrives in Paris with the definite purpose of having a disputation with Pantagruel. However, the discussion will take place by the use of hand-signals, and for this reason the partner was to be Panurge, not Pantagruel. Rabelais wanted to show that even when the flood of meaningless words is eliminated, misunderstandings will still occur. He shows that even hand signals must be explained because otherwise they will lead to confusion.

The method of using hand signals in a discussion was taken by Rabelais from Accursius. The latter very seriously stated that the Greeks, who were the inventors of all knowledge, used hand signals in trying to learn if the Romans were ready for the absorption of Greek laws. According to his story, the Greeks sent a scholar of laws to Rome with the task of ascertaining if the Romans were mature enough for the acceptance of Greek laws. But since neither the Greek nor the Romans understood each other’s language, the discussion took place through hand signals. But the cunning Romans set up a madman to face the Greek, thinking that, if the Greek won, they can say that he disputed with a fool; on the other hand, if the fool triumphed, then they could laugh at the Greek’s arrogance and his failure.

Accordingly, when the disputants faced each other, the Greek raised a finger, signalling that there is but one God. The fool believed that the Greek wanted to gouge his eye out, so he raised two fingers, and his thumb naturally emerged from his fist, signalling that he will push out both of the Greek’s eye. The Greek considered this sign as proof of a deep religious thinking, the sign of the Holy Trinity. Thus he opened his hand, signalling that everything is open for God. The fool believed that the Greek wanted to strike him, and raised his fist to retaliate. The Greek interpreted this as proof that God holds everything in his hand. He, therefore, came to the conclusion that the Romans are a smart, understanding people and reported back at home that the transfer of the knowledge of the laws should be accomplished.20

The dispute with the English scholar, Thaumaste, is the more interesting, because it happened in spite of the Church’s teaching forbidding the search of signs. But in fact, the disputation meant as a mockery of the theologians of the Sorbonne. This was the method of Rabelais; he ridiculed matters important for some of his contemporaries, and showed that when scoundrels become involved in serious issues, they will make others laugh even if previously they took matters more seriously.

In the last part of the book, Gargantua calls his son home, because the Dipsodes (the thirsty ones) attacked his country and he needs his help. Pantagruel is successful in fighting the war and, with the help of an earthly monk, Frater Jean, he is victorious.

Modern publishers usually issue Rabelais’ five books in one volume. However, they usually make the mistake of following a chronological order instead of the order of the books’ original appearance. For the modern reader the solution of word-plays provide the flow of the story. But who had the knowledge of the Greek, Dutch or Danish languages in sixteenth century France? With the exception of a few people living in university towns, not very many understood them. Outside the circle of those who came into contact with foreign mercenaries, or made their living as merchants, not many people spoke these languages. These contemporaries of the author probably had a good laugh at the strange word-plays he presented.

In French folklore, the name Penthagruel meant a small devil whose task was to spread salt in the mouths of sleeping drunks, causing hangovers. The use of the name Pantagruel was a joke, similar to that which undergraduates use for an especially small classmate, calling him “giant.” Rabelais’ work thus reflects contemporary student life, in which great spurts of drunken orgies are followed by the tension of cramming for exams. This was the world of Villon in which the policemen of the city became the butts of jokes, the authorities were constantly ridiculed and simple amusements made life colorful. This was the world of ”Gaudeamus igitur,” which had little to do with the spirit of carnival, so colorfully described by Michail Bahtyin.21

The humorous adventures of Pantagruel, and the enjoyment provided by reading about them, would be difficult to overestimate. But Rabelais himself smoothed over some of the rougher spots in the book in the 1534 edition, especially parts that criticized the Dominican theologian-professors of the Sorbonne. In spite of this, Rabelais found himself in the crossfire of the monks by the end of the 1530’s, which shows up in later editions as well. In the Victorian age the more ticklish parts of the books were further “sanitized,” which resulted in the elimination of some of Rabelais’ cutting humour. The anti-feminist hue of the later books was not surprising. After all, men placed women on a high pedestal in that age, “killed” dragons for them and saluted them almost as Goddesses. The anti-feminist parts of Rabelais’ books owe something to the breaking of taboos, although in our present age we would find it difficult to define these taboos. Let us show a characteristic episode; in Rabelais’ words;

At the time of the creation of the world, or a little thereafter, the women agreed that they would flail the men because they wanted to rule over women. They sealed this agreement with an oath on the blood of St Bridget. But oh, the useless womanly determination! Oh, the fragility of women’s nature! They started the flailing of a man or as Catullus stated, his pealing, on that part of his body which gives them the most pleasure... All this has happened six thousand years ago but they never completed the job beyond the tip. Out of pure malice, therefore, the Jews themselves flail it at the circumcision, and they rather be called circumcised unbelievers, than people flailed by the women as other peoples do...

The mores of our age would, perhaps, suggest to some people that, we should consider Rabelais as a populist writer. However, there is no trace in Rabelais’ writings that he would have wanted to be considered as such. In fact, Rabelais’ humour reaches philosophical levels in ”Gargantua” and the following books. The giants are merely comical in Pantagruel. However, in the third book, Panurge is facing a dilemma because he is unable to predict the behaviour of his yet unknown future wife.

Instead of standing for a particular ideology, Rabelais is the apostle of a harmonic, balanced life and of lighthearted laughter. He writes in the same spirit as the medieval monks, who copied the Goliard verses in the same manuscript which contained religious hymns. This is one of the reasons that prevent our consideration of Rabelais as a critique of the existing social order. His humor is aimed at the absurdities of life. He ridicules the bishop who wants to torture his enemies in order to prepare them for their ordeal in hell.

There is some truth in the charge that his writing was indecent. Let us quote a part of his book which incensed the theologians;

People asked, why is that friars have such long tools, and the (said) Panurge solved the problem very neatly by saying; what makes donkeys’ ears so long is because their dams do not put bonnets on their heads, as De Alliaco says in his Suppositions.’ By parallel reasoning, what makes the tools of the poor blessed fathers so long is that they do not wear bottomed breaches, and their poor member stretches freely, without let or hindrance, and so it goes waggling down to their knees, like a woman’s string of beads. But the reason why they have it correspondingly stout is because as it waggles, the humors of the body descend into the said member. For according to the lawmen, agitation and continuous motion are the cause of attraction...22

 

Or to quote another passage;

...A short time after this, the good Pantagruel fell ill and was so afflicted in his stomach that he could neither eat nor drink. Also, since misfortune never comes singly, he was taken with a hot piss which pained him more than you might imagine. But his doctors came to his aid and most successfully. For with plenty of lenitive and diuretic drugs, they made him piss his complaint away. But his piss was so hot that it has not grown cold since that day, and you will find some of it in different places, in France, according to where it flowed. These are called hot baths...23

 

By the time of this writing, Rabelais was more or less immune to criticism by the Dominican professors and the Inquisition. Jean du Bellay, the archbishop of Paris, took him under his protection and took him to Rome as his physician. Rabelais stayed in the Eternal City for two months and had a chance to view the city’s antiquities.

In the meantime, he published a new edition of ”Pantagruel.” He showed his tremendous imagination and his writing reached Ciceronian pathos that was typical of contemporary humanist writings. He promoted every small settlement into a city in the book and he parodized the writings of historians with which he was forced to become acquainted in his childhood.24 He describes and condemns the scholastic culture of his time in a letter written by Gargantua to his son. At the same time, he describes the foundation of humanistic culture.25 He describes the disputes of the Dominican professors as revolving around petty, meaningless points. He mentions the extension of court cases without time limit, and speaks about the nonsensical language students use among themselves. When he returned to Lyons, he published Gargantu’s history. His murderous description of the Dominican faculty of the Sorbonne, whom he accused of obscurantism, and being the enemies of humanist culture, cut to the bone. He wrote:

...And first of all, in the Rue de Feurre he contended against all the professors, students in arts and orators, and turned them all upside-down. Then in the Sorbonne he argued against the theologians for the space of six weeks, from four in the morning to six at night, except for a two-hour interval to take his refreshment and repast. And here were present the lords of the court, the masters of requests, presidents, councillors, treasury-men, secretaries, advocates and others, together with the sheriffs of that city, the physicians and canon-lawyers... But notwithstanding their ergos (sic!) and sophistries he made fools of them all, and conclusively proved to them that they were just calves in petticoats.26

In all this, Rabelais was similar to other contemporary satirists. As I mentioned above, he toned down his criticism of the professors of the Sorbonne in the second edition of his work. At the same time, he made fun of the priests, especially the monks, because they accused him of atheism. (As it was noted by Lucien Fabvre, in the 16th century some people were always accused of atheism and Rabelais was no exception. He returned the favour and called his opponents atheists.) However, it must be stressed that the satires of Rabelais remained within the confines of the explanation of the Holy Script,27 and generally reflected the opinions of Erasmus. He found the classic quotations he used in Erasmus’ writings; Rabelais provided the humour for his quotes. This is his comment; (Frater Jean, the friend of Pantagruel speaks;

Servant, give me a drink; How gracious is God to have given us such a drink! I swear to God, that if I lived at the time of Jesus, I would have done everything I could against the Jews to prevent his capture in the garden of the Olives! In addition, the devil take me if I did not kick the behind of those lordly apostles who ran away like cowards, after eating the marvellous dinner, and left their lord in the lurch. I hate those who run away when there is need for a knife...

 

Then he continues his monologue;

I do not study. In my monastery the monks never study because they are afraid of catching goitre. Our abbot, God rest his soul, used to say that a learned monk is a frightful creature...

 

Then later he added;

Gargantua could not fall asleep, he just kept turning around in his bed. Then the monk told him; I cannot sleep well unless I am listening to a sermon or praying. Let us begin, therefore, with the seven penitentiary psalms and you will see how quickly you will fall asleep...

Rabelais warned his readers in his second book not to seek hidden messages in his writings between the lines. He explained that his sole purpose was to amuse his readers, and that he wrote his books in the course of great drinking bouts, and that he simply summarized popular chronicles. He intended to prevent and reject the accusations of heresy and free thinking. However, he also wanted to make sure that his criticism was taken seriously. He said;

If you say to me; ”It does not seem very wise of you to have written down all this gay and empty balderdash for us,” I would reply that you don’t show yourselves much wiser by taking pleasure in the reading of it...28

When he describes the disputation between Thaumastes and Panurge, (the former was standing in for Sir Thomas Moore, but we do not know why), or when he explains the method of rendering judgement by judge Bridoye by the casting of a dice, Rabelais’ satire rises to the highest levels. In fact, he does not condemn the judge, but ridicules a judicial system that makes his activities possible. This part attests to the fact that Rabelais was a serious scholar who, although making fun of scholastic learning, was also attracted to it.

During his stay at Poitiers, Rabelais listened to a lot of discussions about the applications of laws, about court cases and their significance. As we noted earlier, he acquired the knowledge of laws from his father and this he made good use of while writings his satires. Unfortunately, the modern reader will find it difficult to understand his jokes about lawyers unless he possesses an appropriate dictionary.

Rabelais does not create individual characters. For this reason, he does not find it hard to destroy his actors. Only Frater Jean may be recognized by his manner of speech, by his refusal to drink wine openly and by his reference to his breviary which also hides his wine bottle. In other words, our author describes an age, not individual destinies, at the point of the meeting of two historical periods, when individualism had become the dominant force replacing medieval collectivism. He did not exempt kings from his satire;

(Pantagruel went to war against the king of the Anarchs. During the battle, Panurge captured the king and took him to Pantagruel.) He said to his friend; ”do you know this clod?” ”No, indeed,” answered Pantagruel.” ”It’s his peerless Highness, the King. I want to make an honest man of him. But these accursed kings are absolute dolts. They know nothing and they’re good for nothing except to harm their poor subjects, and troubling the whole world with wars, for their wicked and detestable pleasure...29

I want to call the reader’s attention once again to the fact that Rabelais had never been a “populist writer,” at least if we wanted to apply such a measure to his writing. The uneducated people of his time, whether they lived in a shack or in a village house or even in a town or city, could not really understand the depth of his works.

In any case, culture does not spread in a linear way, but it wanders up and down the social scale. It is certain that there was cultural exchange between the lower and upper levels of society in France at that time, if in no other way than through nannies. Better-off families usually had a lower-class nanny for their children who told tales to the kids when going to bed. They undoubtedly spoke about Tom Thumb or Puss-in-the-boots, and even about the adventures of Gargantua and Pantagruel.30 The simplest pamphlets often suddenly turned into ”kitchen Latin;” Rabelais was undoubtedly a figure of the interrelationship between high culture and folk culture.

However, a thorough understanding of Rabelais’ works required the knowledge of contemporary humanist culture, and it helped if one knew Latin and even the Greek language. Whatever is considered popular culture in Rabelais’ works is but the reflection of the culture of later ages back into his time.

Rabelais often related to knowledge possessed only by a very narrow intellectual stratum, although the members of this group were neither nobles nor simple people. This is one reason for the mistake of Bahtyin when he “discovered” the spirit of the carnival in Rabelais’ works. The efforts of later ages to saddle Rabelais with the title of “popular writer,” were politically motivated. This is similar to the search for ”radical predecessors” in our age and the inclusion of their writings in the political right- or left literature, ”proving” their affinity with the appropriate causes. Rabelais’ writings had nothing in common with the atmosphere of the carnival, during which the people could mock the Bible, the officials, or the bishops without incurring penalties. Rabelais remained within limits set by official Christendom and he did not deplore the institution of the priesthood, but corrupt priests; he did not reject scholarship, but made fun of the charlatans masquerading as scholars.

The publication of his third and fourth books had its consequences. For a time, he had to disappear from official sights. Once again, Bishop Du Bellay, who became cardinal in the interim, came to his rescue. He took Rabelais to Rome again, where he arranged a papal dispensation for his physician for leaving the Benedictine order. At the same time, he arranged for him a letter that permitted entrance to any Benedictine monastery, and he could continue his medical practice. After their return to France, Du Bellay arranged an appointment as a canon for him. However, the canons disliked Rabelais and thus he returned first to Lyons and then to Montpellier, where he received his medical doctorate.

In 1537, Rabelais spent time at the royal court and thus he had to make peace with the theologians of the Sorbonne. After the war of King Francis I that ended with the conquest of Piedmont, Guillome, Signeure de Langey, who was another Du Bellay, called Rabelais to join him at Turin. The author continued his medical practice while staying in Italy and had written a history of the war. Unfortunately, the manuscript of this work has been lost.

In 1541, Rabelais returned to France with his master and he found out in Lyons that his publisher was issuing his books without the improvements that the author had suggested. But he was simply powerless to do anything about it.

The third satire came out in 1546. This work discussed the nature of women, at least as seen by a former monk. It appears that Rabelais was isolated from women’s company. Rumours maintain that he had an illegitimate son who died at the age of two, yet, none of the rumours know anything about the boy’s mother.30

In the third book there is little mention of heroic acts and giants. The book revolves around the marriage plans of Panurge, Pantagruel’s friend, and the ways a prospective husband can ensure that his future wife, whom he did not yet know, will not cheat on him. Rabelais repeats the centuries-old dispute in this book over the superiority of men or women and, of course, he ends up on the side of men. The structure of this book is the best of them all, and it leads to the next volume in which the main theme is the adventure of Pantagruel and his friends in the course of their pilgrimage to the Oracle of the Bottle. They wanted to consult with the Oracle concerning Panurge’s future marriage. Pantagruel appears in this book as a scholarly philosopher, embodying the ideal humanist. They travel by ship which, of course, meets all sorts of adventures. Pantagruel defends the ship against attack by a giant whale, and they visit various islands whose occupants have strange beliefs. However, the Sorbonne, while maintaining the ban on his previous books, also banned this one because, according to the theologians, it contained a lot of heresy and dirty talk.32 This was done despite the fact that before publication, Rabelais received royal dispensation for the printing of the book.

In 1546, Rabelais appeared in Metz, the imperial city, where he received some sort of office appointment. The French language was dominant in this free city. However, there were no humanists present. Rabelais stayed here for two years. But his salary was inadequate and he turned to whom else? Du Bellay for help. Once again, the two travelled to Rome.33 Traveling through Lyons, Rabelais turned over eleven chapters of his next book to a printer, Pierre de Tours, because he was badly in need of money. Arriving in Rome, he had plenty of time to discourse with the local humanists.

Besides his regular salary as a physician, Rabelais owned the services of two villages. While in Rome, he worked on his fourth volume. However, his critics would not leave him alone. One of these, using the pseudonym of Prutherbus, sharply attacked the writer.34 John Calvin also condemned the books of the French satirist. In response, Rabelais included both of them in the next book among the “parasites living off the church.”35 None of this empty chatter caused any problems for Rabelais, because, in addition to Du Bellay, the new French king, Henry II, who followed his father on the French throne, was an enemy of the pope. This fact provided encouragement for Rabelais and, in the fourth book, under the guise of traveling to “Papimania,” he made fun of the papal decretals and the corrupt popes as well. This is what he said;

As they arrived at Papimania,( an island), the inhabitants yelled at them in unison; ”have you seen Him?” ”Whom do you mean?” asked Frater Jean. ”Him, who it is.” was the answer. (Jean answered) ”According to our theological doctrine you are talking about God. Because these were the words God used in introducing himself to Moses. Of course, we have never seen Him. He is invisible for human eyes.” Carpalin, (their guide) explained that the questioner meant the pope. Pantagruel answered; I have seen three of them. And had not received any good from either one.” ”What!” responded the island’s inhabitants, ”according to our scriptures there is never more than one at a time.” ”What I mean is that I saw three one after another.” At this, the people went down on their knees and wanted to kiss Pantagruel’s feet. But Pantagruel did not let them do it and reminded them that they could not do more even for the pope. ”Oh yes,” answered the island’s inhabitants, ”we could certainly do more for Him. First of all, we would kiss his bare behind, and after that his balls. Because this pope has balls! Our law books say that he is the pope, therefore, he must have large balls. And if there were no more balls in the world, there would not be popes either.”36

When they disembarked from their ship, they saw a giant statue which represented the pope. When Panurge declared that the statue does not look like the pope, the islanders explained that it does not matter. They also asserted that the pope is entitled to wear a helmet as the statue does, and lead wars, because he is obliged to do so by his own laws and punish heretics.37

This book was already showing the decline of Rabelais writing ability. Not long after the publication of this book, the pope and King Henry II resolved their differences. Not surprisingly, his last book was also banned. If we scrutinized Rabelais’ books closely, we would find them to have been written for the amusement of an educated humanist. He probably did not consider the books so important that later ages would pay attention to them. However, after the huge success of the first book, he changed his tune and the story of Gargantua came closer to propaganda. The third book contains a great deal of wisdom – including some political and religious propaganda, which increased the significance of the volume. The fourth book, which was issued in 1550, and which was followed in 1552 by a revised edition, contains the deepest philosophical comedy ever written, and had no peer until Molière appeared on the French literary horizont.

We do not know what happened to Rabelais after the publication of this book. According to some rumours, he was incarcerated.38 We know that he renounced the income derived from his two villages. Then in April 1553 he died.

Nine years after his death, (in 1562) his fifth book was published. It was entitled the Ringing Island, but the edition known to posterity came out only in 1564. The experts are still arguing about Rabelais’ contribution to this volume, and the parts added by others.39 This book ridicules canon laws more sharply than the previous books.40

Rabelais’ last book had also been very successful. It is possible that it was put together by someone after the beginning of the great religious wars, which Rabelais did not survive to see. However, there is no observable difference between the style of the last book and the previous ones, and the writer’s imagination does not show signs of deterioration.41

In sum, I had to admit on the basis of the evidence that Rabelais did not want to be a social reformer. Rather, he followed the example set by Erasmus. In later ages, reformers and revolutionaries attempted to discover in him the writer who, as one of their forerunners, wrote criticisms of the contemporary political and social order. If this were true, and according to some literary critics it is not, then Rabelais became a serious critique against his wishes. It is undoubtedly true that his books were read with great delight just as the books of Cervantes and Grimmelshausen, not by the intellectual elites of his times, but by the literate readers of villages and towns who laughed at the adventures of Gargantua, Pantagruel and their companions.

It is also true that the major actors of his books, Frater Jean, Panurge and others, became strictures in world literature, just as other famous imaginary people, like Shakespeare’s Falstaff. Rabelais did not ridicule the institution of the priesthood or of the papacy, but the corrupt priests and popes; like Erasmus, he did not want to abolish these institutions, but wanted to show the corruption and frailty of its members. He could, therefore, never become a follower of Martin Luther or Jean Calvin. In spite of all harassment, he remained within the confines of the Roman Catholic Church.

 

Notes

 1

This presentation was delivered at the Hungarian Academy of Sciences on October 31, 2000.

 2

See below.

 3

The complete title of the first book is The Terrible Actions of the famous Pantagruel, son of the Great Gargantua, king of the Dipsodes, which were put into writing by Master Alcofrybas Nasier (This was the pseudonym used by Rabelais).

 4

See Robert Darnton, The Forbidden Best-Sellers of Pre-revolutionary France (New York, 1996), 203.

 5

Among the documents of the church of St Paul of Paris, dated 1759, there is one according to which ”Francois Rabelais died at the age of 70, on April 9, 1553, and he was buried at the church’s burial ground.” Accordingly, the birth year of our writer would be 1483. However, in a letter written by Rabelais, dated 1521, he calls himself an ”adulescent” which would have been rather strange in the case of a 38 year-old man. Therefore, the assertion, according to which he was born in 1494 or 1495, is much more realistic.

 6

The collected works of Rabelais were published by Abel Lafranc, Ouvres de Francois Rabelais. Édition critique publiée per Abel Lafranc , Jacques Boulenger, et al., (Paris, 1916). Additional data were provided by Société des Études Rabelaisienne, beginning in 1903, and which changed its title in 1913 to Revue du Seizieme siécle.

 7

The list of Latin terms published in the 14th chapter of ”Gargantua” were, in all probability, derived from La Baumette, and students were required to memorize them. The memorizations were a centuries-old method of teaching Latin, as this author can attest to it several centuries later.

 8

It is likely that he became acquainted with the works of Duns Scotus as well as the Sentences of Peter Abelard, as well as the essays on Logic, presented by Pierre Tataret, the Rektor of the University of Paris, because all these works were required readings for Franciscan monks.

 9

Poitiers were often called Poictiers in Rabelais’ time. This city was, together with Paris and Lyons, one of the great urban communities of France. Its university rivalled that of Paris. Although its theological faculty was mediocre, as well as its medical school, its law faculty was well-regarded.

10

His rendition of this speech included M’arme (par mon ame) (on my soul!); merdé (I say it on God’s mother!) Pé le quaudé! ( Isten testére!), etc. See Andre Sainéan, La langua de Rabelais II; 337.

11

See Jean Plattard, The Life of Francois Rabelais (New York-London, 1968), 40.

12

Rabelais signed the registry of the University of Montpellier attesting to his oath made on the rules of the medical faculty. This oath is cited in full by Plattard, 92.

13

While practicing medicine, he also translated the four books of Hippocrates into Latin; these were The Aphorisms, Praesagia, the Ratio victus in morbis acutis and the Natura Humana. In addition, he corrected the works of Leonicenus, and Cop, and Brantius’ translation of Galen., the Ars Medicinalis-t. At the same time, he translated into Latin the work of Manardi, The Medical Letters. All this contributed to his fame as a physician.

14

Patrem te dixi, matrem etiam dicerem, si per indulgentiam mihi id tuam liceret, he wrote. Idézi Plattard. i. m., 132, Note 1.

15

This book was published after Rabelais returned from Rome, which will be discussed below.

16

Francois Rabelais, Histories of Gargantua and Pantagruel Transl. By J. M. Cohen. (New York, 1985); later quoted as Penguine edition).

17

Panurge is a strange character who goes through several metamorphoses in the course of the story. At first, he appears as a swindler then, in the war against the Dipsodes, he turns into a hero, while in the last book he becomes a coward. While staying in Paris, he provides a contrast to Pantagruel, a figure of Villonian dimensions, who cheats everybody except his giant friend. For his character, see Chapter XVI in the Penguine Edition.

18

Panourgos means, in the Greek language, a swindler, a fraud, a man who is capable of all kinds of tricks. Those who understood Greek at the time, immediately understood Rabelais intentions.

19

Rabelais obtained the idea from Erasmus’ Adages, III. Vol. 4, 83.; Surdaster cum surdastro litigabat; iudex autem erat utroque surdior.

20

A description of this episode is given by M. A. Screech in Rabelais (Ithaca, NY,1979), 89. Also see Plattard, 130.

21

See Michail Bahtyin, Rabelais and his World. Translated by Helene Isvolskiy (New York, 1984.)

22

Penguine edition, 224–225.

23

Penguine edition, 275.

24

The library of Sorbonne, called the Victorian Library, allegedly contained books in Rabelais’ interpretation, such as ”Biga salutis,” (the greeting of the river bass), and ”Malogranatum vitiorum,” (the sin of the pomegranate.)

25

The letter of Gargantua addressed to his son explains the necessary knowledge for a humanist. (Penguine edition, 8th chapter.) In this part it seems that Rabelais forgot his humour for a time and the chapter is a serious philosophical tract.

26

Penguine edition, 202.

27

We must not search for Rabelais’ opinions about the Christian religion in his condemnation of Popes Alexander VI, or Julius II, nor in the tone of his writings when he discusses the explanations of Holy Writ, and not even in the parodies he used in discussing papal edicts; but in the prayer of Pantagruel before his battle with King Anarchus. In this prayer he promises God that, if he were victorious, he will do everything to spread the Gospels. See Plattard about contrasting opinions, i.m., 135, Note 1.

28

Penguine edition, 277.

29

Penguine edition, 271.

30

For this see the interesting book by Robert Darnton, The Great Cat Massacre and other Episodes in French Cultural History (New York, 1984).

31

A close friend of Rabelais, Jean de Boysonné, spoke of the alleged son of Rabelais in a Latin-language poem, and he mentions that the boy died at the age of two. See Screech, 72.

32

It seems, however, that the reason for the ban of the book was only partly the dirty talk it contained. The law said that every book that contained any reference to religion, had to be presented before publication to the theologians of the Sorbonne for approval; this was not done by Rabelais. See Plattard, i.m., 119.

33

According to the records, his yearly salary was 120 livres, or 200 gold franc. See Gaston Zeller, „Le séjour de Rabelais á Metz,” Revue XVIe siécle, (Paris, 1927,) fasc.1. It seems, however, that Du Bellay was really ill and needed the administration of a physician.

34

The title of the critical book was Theotimus sive de tollendis et expungendis malis libri iis (Paris, 1549).

35

Pengine edition, vol.4, chapter XXXII.

36

Penguine edition, 550.

37

Penguine edition, 556–557.

38

The only remark about his alleged incarceration was made by Denis Lambin in 1552 in Lyons. After inquiring about this in Paris, he wrote to Henry Estienne in Paris that he was unable to find out anything about the fate of Rabelais. See Plattard, 266.

39

See Plattard, 282–283.

40

Rabelais attacks the papal ”Decreta,” the collection of canon laws, which were first compiled by a monk from Bologna, Gratian. In 1234, Pope Gregory IX ordered Raymond Pennaforti, his chaplain, to compile the orders of the previous five popes in five books, and these were then called the ”Decretals.” The books were then sent to the Universities of Bologna and Paris, after which the compilations became canon laws. In 1278, a sixth book was added to the collection which became canon law in 1313. In the 15th century, two new compilations, Extravagantes by Pope John XII and Extravagantes communes were added, making them parts of canon laws.

41

The success of Rabelais’ works was shown by the fact that immediately after his death, a general edition was issued. This collection appeared in 1553, probably without his previous approval. Three years later, another edition was published without the name of the publisher. In 1559, a third compilation appeared also without the name of the publisher and the location of his print shop.

 

Joseph Held is a well-known author of several books on European and Hungarian history; he is a retired Professor Emeritus of Rutgers University (New Jersey, USA). He was Visiting Professor at the Europa Institute Budapest in September-October 2000. He gave several lectures and did consultations while in Budapest. The lecture presented in this issue was delivered at the Hungarian Academy of Sciences on October 31.