Begegnungen06_Farkas
Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 6:79–91.
MÁRTON FARKAS
Die Endtage der österreichisch–ungarischen Streitkräfte
Die an der Front und im Hinterland befindlichen Verbände der Streitkräfte hatten bei der im Jahre 1918 stattgefundenen geschichtlichen Schicksalswendung der Völker des Donaubeckens, namentlich bei dem Zerfall des seit Jahrhunderten bestehenden Reiches der Habsburger und bei dem Zustandekommen der Nachfolgerstaaten, eine hervorragende Rolle gespielt.
Diese geschichtliche Rollenübernahme der Streitkräfte war mit dem viereinhalb Jahre lang dauernden Weltkrieg zu ihrer Endentwicklung gelangt. Eine konkrete Form hat sie aber dem Erfolg der am 24. Oktober 1918 begonnenen großen Entente-Offensive folgend angenommen, die zwar den gesamten Stand der Streitkräfte berührt hatte, doch der Ausgang des Krieges und das Schicksal des Staates wurde primär durch die Haltung der Truppen der Südwestfront entschieden. Die Niederlage, und dann der Zusammensturz und die Auflösung der den Zweidrittelteil der Streitkräfte betragenden Südwestarmee hat auch die österreichisch–ungarischen Verbände der Südostfront (der Balkanfront) sowie ebenfalls die in Rumänien und in der Ukraine stationierten Besatzungskräfte, mit sich gerissen, und sie aktivierte in einem unerhörten Maße an der Seite der den Staat zerstörenden Revolutionen die sich im Hinterland befindenden Truppen dadurch, dass sie, mittels der Waffen der übergetretenen Soldatenmengen, den Sieg dieser Revolutionen sicherstellte.
Die bisher mitgeteilten Tatsachen begründen in gehöriger Weise, dass wir unsere Aufmerksamkeit in erster Reihe dem Militär der Südwestfront zuwenden, und uns mit der Geschichte des Militärs der Südostfront, der in Rumänien und in der Ukraine stationierten Besatzungskräfte, und auch der Soldatenmengen der im Hinterland stattgefundenen Revolutionen nur berührungsweise beschäftigen mögen.
Die Streitkräfte der Südwestfront verfügten über 57 und ein halb Infanteriedivisionen (über 440 Bataillone), über einen ungefähr 300 000 Mann darstellenden Gefechtsstand und über einen 1.5 Millionen Mann darstellenden Verpflegungsstand. An dem als für wichtigsten betrachteten Frontabschnitt befanden sich gegenüber den 42 Divisionen der Entente- (der italienischen) Streitkräfte, 37 und ein halb österreichisch–ungarische Divisionen in Stellung.
(Die sonstigen Verbände der Gesamtstreitkräfte kämpften an der Südostfront, /an der Donau–Save–Drina Linie/ etwa zwei und ein halb Divisionen; und auch die sog. Albanien–Kampfgruppe, mit unbedeutenden Divisionsbruchteilen, mit Landsturmverbänden, konnte zu ihnen gezählt werden. Die in der Ukraine und in Rumänien stationierten Besatzungskräfte betrugen 2–3 Divisionen, ein Großteil von ihnen wurde im Oktober an die Südostfront geleitet. Die sich im Hinterland befindenden Verbände waren hauptsächlich im Raume der Hauptstädte /Wien, Budapest, Prag, Krakau, Laibach, Agram, usw./ stationiert. Infolge der Schwänzen, der Fluchten, der Abkommandierungen, standen über die Personalstände keine verlässlichen Angaben zur Verfügung. Einer Schätzung gemäß verweilten allein in Budapest und in ihrer Umgebung etwa 60 000 Mann. Zur gleichen Zeit hielten sich in Südungarn, in Kroatien, in Galizien in Böhmen fast eine halbe Million, als grüne Kader bezeichnete Flüchtlinge verborgen.)
Das Oberkommando der Ententekräfte, mit General Diaz an seiner Spitze, beschäftigte sich schon seit der gescheiterten Offensive der Monarchie am Flusse Piave mit dem Gedanken eines letzten großen Angriffes, doch die blutigen Schlachten am Flusse Isonzo, und der im Oktober 1917 bei Caporetto stattgefundene Durchbruch der Zentralmächte, mahnten dieses Oberkommando zur Vorsicht. Die Durchführung der großen Offensive wurde nur für 1919 geplant.
Der Standpunkt von Diaz stand im Einklang mit den Vorstellungen der britisch–französisch–amerikanischen Kriegsleitung. Jedoch die eine strategische Bedeutung tragende Niederlage der deutschen Armee bei Amiens, am 8. August 1918, hat die Möglichkeit des italienischen Angriffes an der Südwestfront schon für 1918 wahrscheinlich gestaltet, desto mehr, weil die Entscheidung des im belgischen Spa residierenden deutschen Hauptquartiers über den Beginn der Friedenssondierungen (14. August), – die die Zustimmung des sich dort aufhaltenden Königs Karl IV. und des Generalstabschefs Arz fanden, – verriet die Hoffnungslosigkeit der militärischen Lage der Zentralmächte. Dies wurde übrigens auch durch die vom 14. September datierte „Botschaft” des österreichisch– ungarischen Außenministers Burian an die kriegsführenden Parteien, jedoch noch mehr durch den am 15. September stattgefundenen Durchbruch der Ententekräfte am Balkan bekräftigt. Das Eingestehen des Kriegsverlierens realisierte sich in der am 29. September getroffenen Entscheidung der deutschen Kriegsleitung, mit der sofortigen Bitte der Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen, die am 5. Oktober auf dem am Tische des amerikanischen Präsidenten Wilson lag. Dieser deutsche Schritt wurde sofort auch seitens der Monarchie und der Türkei befolgt.
Die skizzierten, eine große Bedeutung tragenden Ereignisse haben die Entscheidung der italienischen Kriegsleitung für eine ehebaldigste Offensive zur Reife gebracht, und im Laufe des indessen sich entfaltenden Notenkrieges (zwischen Wilson und den Deutschen) hat sich die Operationsplanung beschleunigt.
Es gehörte zu den zweifellosen Ursachen dieser Beschleunigung – unter anderen – die auffallende Bereitschaft der Monarchie zur Annahme aller Wilsonscher Bedingungen, die sie durch ihre Gesandtschaften vor sozusagen der ganzen Welt deklariert hatte, dann ihr diplomatischer Schritt bei dem Papst, zur Aufschiebung der geplanten italienischen Offensive, sowie das vom 16. Oktober datierte kaiserliche Manifest mit der Zielsetzung der Umgestaltung der Staatsorganisation der Monarchie (Bundesstaat).
Viele hatten den Eindruck, dass die Bereitwilligkeit der Monarchie seitens der Ententemächte respektiert werde, da doch das Armeeoberkommando nicht nur die Evakuierung der besetzten Gebiete angeboten hatte, sondern es hat auch die Waffenstillstandskommissionen aufgestellt, ja sogar die Bedingungen ausgearbeitet, (die der Meinung von Erzherzog Joseph zufolge derart arrogant gewesen waren, dass sie seitens der Italiener sofort abgelehnt würden werden). In Wirklichkeit haben jedoch die Ententemächte die Vernichtung der an der Südwestfront stehenden österreichisch–ungarischen Kräfte für wünschenswert erachtet, da sie nur auf diese Weise das Brechen der Kraft der Zentralmächte und, nach dem Sieg, die Verwirklichung der ihrerseits sich vorgestellten europäischen Regelung als sichergestellt sahen. Über dies alles bestand, zwecks der Befriedigung seines eigenen Appetits, für Italien ein Interesse erster Ordnung in der Liquidierung der noch immer eine bedeutende Größenordnung darstellenden österreichisch–ungarischen militärischen Kraft, da doch der an der Südwestfront errungene Sieg jene Gebiete in seine Hände fallen lassen konnte, die der italienische Irredentismus für sich beanspruchte, und andererseits konnten die militärischen Erfolge seine Positionen in Mitteleuropa, gegenüber den auf dem Balkan vorrückenden britisch–französisch–serbischen militärischen Kräften, stärken.
Als die österreichisch–ungarischen diplomatischen Initiativen endgültig scheiterten, hat die italienische Kriegsleitung ihre in einer großen materiellen und in lebendiger Kraft vorhandenen Überlegenheit befindlichen Streitkräfte für die Offensive in Bereitschaft gestellt, und am 24. Oktober 1918, am Jahrestag des bei Caporetto erfolgten Durchbruchs, hat sie diese Streitkräfte gegen die Truppen der Monarchie in Angriff gesetzt.
Die italienische Offensive hat die Kriegsleitung der Monarchie nicht unerwartet getroffen, doch da sie die Widerstandsfähigkeit der Truppen kannte, rechnete sie mit dem schnellen Eintreten der totalen militärischen Niederlage, mit der innerhalb einiger Tagen erfolgenden Kapitulation, mit der Auflösung der Armee, und, infolge dieses Ereignisses, mit dem sofortigen Zerfall des Reiches.
Die Angst des österreichisch–ungarischen Armeeoberkommandos (im weiteren: AOK) war begründet gewesen: in den der bei der Piave erlittenen Katastrophe folgenden Monaten ist die materielle und die lebendige Kraft der Truppen in einem verblüffenden Maße heruntergekommen, und im Kreise der Verbände ist die völlige Apathie, die Sinnlosigkeit des weiteren Kampfes, und die stets stärker werdende Anforderung des Untergangs der viele mit ihnen verwandte Nationalitäten umfassenden Monarchie Herr geworden. Die Meldungen der seitens des AOK in den Sommermonaten zu den Truppen gesandten Offizierskommissionen haben all dies bestätigt: der aus Menschen mit einem Durchschnittskörpergewicht von 50 kg bestehende, von Krankheiten dezimierte Präsenzstand, welcher unter den Einfluss der nach der Vernichtung der Monarchie strebenden nationalistischen und bolschewistischen Aufwiegler geraten war, zeigt kaum auch nur das geringste Zeichen der Widerstandsbereitschaft und der Widerstandsfähigkeit. Die im Monat Oktober herrschenden Zustände unterschieden sich von dieser Lage nur darin, dass im Kreise zahlreicher Verbände Hungerrevolten ausbrachen, eine Menge von Befehlsverweigerungen ans Tageslicht kam, und die Zahl der Fluchten und der Schwänzen war in unglaublichen Verhältnissen angewachsen.
Als der die italienische Offensive einleitende Artilleriefeuerschlag am 24. Oktober anfing, wurde über dem AOK eine derartige Kopflosigkeit Herr, dass „man die Sachen auf ihrem Wege laufen ließ, und sie sich freuten, wenn sie seitens der Armeekommandeure nicht belästigt wurden.” Am Nachmittag des 25. Oktobers wurde jedoch das AOK von der Zuversichtlichkeit überwältigt, weil die an den beiden Seiten des Bergmassivs Monte Grappa und auf dem Asiago Plateau stürmenden italienischen Kräfte von den österreichisch–ungarischen Truppen zurückgeschlagen wurden, und dadurch haben diese Truppen einen nicht zu unterschätzenden Abwehrsieg davongetragen.
Was war jedoch tatsächlich geschehen?
Die österreichisch–ungarische Verteidigung wurde an den beiden Seiten des Bergmassivs Monte Grapps und auf dem Asiago Plateau durch die Aushilfsschläge der italienischen Offensive getroffen, von jener Erwägung ausgehend, dass die österreichisch–ungarischen Operationsreserven vor den Hauptschlag durchführenden Kräften entzogen werden mögen. Diese Absicht ist in Erfüllung gegangen, weil auf Anweisung des AOK fünf österreichisch–ungarische Divisionen in das Gebiet des Aushilfsschlages umgeleitet wurden.
Die italienische Kriegsleitung hatte den Hauptschlag auf die Front der die österreichisch–ungarische Tiroler Front und die Isonzo Armee verbindenden 6. österreichisch–ungarischen Armee gelegt, um den Durchbruch hier vollführend, diese voneinander zu trennen, und dann, sich aus dem Erfolg des Durchbruchs ergebend, zuerst die Tiroler Front von dem Feltre-Belluno Becken ausgehend, bzw. durch das Sugans Tal, aufzurollen, dem folgend, mittels eines dem Südosten nach gerichteten Vorstoßes, die Piave–Isonzo Front der Monarchie niederzutreten, und – falls es noch überhaupt notwendig sei – die Bedingungen der gegen Wien gerichteten Endoperation zu erschaffen.
Am 25. und am 26. Oktober haben sich die Aushilfsschläge, im Feuer eines schwächer werdenden österreichisch–ungarischen Widerstandes, fortgesetzt, und dann, am 27. Oktober, haben die 12. die 8. und die 10. italienische Armee den Hauptschlag der Offensive begonnen. Die vernichtende Überlegenheit an Material und in lebender Kraft, brachte alsbald die einen strategischen Charakter tragende Entscheidung. (Die Größenordnung der Ententekräfte betrug: 51 italienische, 3 britische, 2 französische Divisionen und 1 tschechoslowakische Divisionen, sowie, im Raume des Hauptschlages, 4750 Stück Geschütze.)
In der ersten Phase des Hauptschlages haben die angreifenden Kräfte bei Pederobba, am Fuße des Berges Montello, und durch die Insel Papadopoli, den Fluß Piave überquert, und sie errichteten drei Brückenköpfe. In der zweiten Phase haben sie, von diesen Brückenköpfen ausbrechend, bei Valdobbiadene, bei Sergnaglia, und im Raume des Monticano Kanals, die österreichisch–ungarische Front durchbrochen. Die auf das Aufhalten der Durchbrüche zielenden Gegenangriffe sind, teils wegen des Zurückweichens der Truppen, teils wegen Befehlsverweigerung, gescheitert (34., 36., 43., 44. Infanteriedivision, 7. ungarische „Honvéd”-Division, 11. Kavalleriedivision).
Am 28. Oktober, um 22h hat das AOK die Truppen in die Stellungen des Jahres 1917 (in die vor dem Durchbruch von Caporetto besetzten Stellungen) zurückbeordert, weil – wie man sagte – „die zur Auflösung der Armee führende Niederlage zu vermeiden sei”. Die Armeekommandeure waren mit diesem Befehl nicht einverstanden, da der Rückzug eine völlige Auflösung hervorgerufen hätte, und die Truppen hätten sich, „Anarchismus und Bolschewismus anrichtend”, auf das Hinterland gestürzt. Sie schlugen vor: der Kampf soll sofort eingestellt werden, und, wenn es notwendig ist, soll der Waffenstillstand und der Beginn der Friedensverhandlungen, auch zum Preise einer völligen Kapitulation, erzwungen werden.
Das AOK beugte sich vor der Forderung der Kommandeure, und nachdem der vom 28. Oktober datierte Sonderfrieden-Antrag des Außenministers Andrássy an Präsident Wilson abgesandt wurde, verordnete es die Absendung der von Infanteriegeneral Weber geführten Waffenstillstandskommission zur italienischen Kriegsleitung. (28. Oktober, 15h 45’). Ein Mitglied der Waffenstillstandskommission, Hauptmann Ruggers, überschritt am 29. Oktober, um 9h 20’, bei San Marco, die Front, und trat mit den italienischen militärischen Behörden in Verbindung.
Ganz unabhängig davon ging die italienische Offensive mit unveränderter Kraft weiter. Die österreichisch–ungarische Front wurde zerrissen, in Stücke zerschlagen, und die Truppen flohen kopflos. Im entsetzlichen Chaos hat der Widerstand praktisch aufgehört, und in die Verfolgung der zurückströmenden österreichisch–ungarischen Truppen haben sich auch an der Offensive bisher nicht teilnehmende Truppen eingeschaltet.
Am 31. Oktober wurde auch die am Asiago Plateau befindliche 11. österreichisch–ungarische Armee zerschlagen. Ein Teil dieser Truppen verweigerte den Befehl (die Besänftigungsversuche des Erzherzog Josephs, des Armeegruppenkommandeurs, scheiterten bei der 38. Honvéd-Divison), sie waren nicht mehr geneigt weiterzukämpfen, ja sie haben sogar ihren Abtransport von der Front erzwungen. Die an ihre Stelle kommandierten „rein” österreichischen Regimenter (Innsbruck, Salzburg), die Enkel von Andreas Hofer, haben den Befehl ebenfalls verweigert. Das Zurückströmen der Überreste der 11. Armee drohte mit jener Gefahr, dass die italienischen Truppen noch vor der sich im Rückzug befindenden 10. österreichisch–ungarischen Armee Trient erreichen, und ihre Verbände gefangen nehmen werden. (Wie wir es sehen werden, hat die Gefangennahme im Falle der 16. Division der 10. Armee tatsächlich auch stattgefunden.)
Die italienische Kriegsleitung hetzte und trieb ihre Truppen, um die seitens des italienischen Irredentismus begehrten Gebiete in ihrer Gesamtheit erobern zu können. Am 3. November haben italienische Sturmeinheiten die Stadt Triest erobert, während ganz Südtirol, zusammen mit den diesseits und jenseits des Isonzo Flusses liegenden Gebieten, in ihre Hände fiel. Das inzwischen unterzeichnete Waffenstillstandsabkommen hat die Übergabe weiterer Gebiete vorgeschrieben. Es ist zu bemerken, dass die italienische Kriegsleitung Anfang November in jener Lage gewesen war, dass sie binnen kurzer Zeit sogar auch Wien hätte erobern können: es war einfach keine Kraft vorhanden, die dies verhindert hätte, da doch die die große Mehrheit der Streitkräfte ausmachende Südwestarmee, nachdem sie eine schreckliche Niederlage erlitten hatte, sich bis Mitte November auflöste, und inmitten anarchischer Zustände heimwärts strömte.
In einem kurzen Exkurs lohnt es sich, sich mit den Meutereien, mit den Befehlsverweigerungen einiger Truppen zu beschäftigen, die seitens der zwischen den beiden Weltkriegen entstandenen Geschichtsschreibung als einer der Hauptgründe des militärischen Zusammenbruches, zusammen mit den Revolutionen des Hinterlandes, angerechnet wurden. Die Legende des sog. „Dolchstoßes von hinten her” wurde hier von den Deutschen übernommen. Hauptsächlich in der österreichischen Geschichtsschreibung hatte sich die Beschuldigung des Verrats der „ungarischen” Truppen verbreitet, (38. Honvéd-Division, 27. gemeinsame Division), welcher Verrat auch die anderen Truppen erreichte, und den Winderstand untergrub. Jedoch auch jene Meinung wurde betont, dass die Meutereien bei den Reserven begonnen hatten, und diese Meutereien haben die tapfer kämpfenden Truppen sozusagen vom Rücken her angegriffen. Die Beschuldigung wurde auch noch damit gesteigert, dass während die Front heldenhaft standhielt, die im Hinterland befindlichen Soldatenmassen, die unter den Einfluss von nationalistischen und bolschewistischen Aufwieglern geraten waren, den für die Monarchie heldenhaft kämpfenden Truppen von hinten her den Gnadenstoß erteilt hätten.
Die Tatsache der Meutereien, Befehlsverweigerungen, Frontverlassungen, bestand: ihr Anstifter war in erster Linie der gegen den Krieg und gegen die Monarchie gerichtete Hass, die Sehnsucht nach Frieden gewesen – vor allem hatte jedoch die Aussichtslosigkeit des Kampfes gegen die Übermacht der Entente, der Erfolg der italienischen Offensive, das offene Geständnis der leitenden Kreise der Monarchie über das verlorene Krieg, das kaiserliche Manifest vom 16. Oktober (welches die Nationalitäten als den Zerfall der Monarchie deutete, für welchen Staat nicht mehr gekämpft werden musste), das im ungarischen Parlament stattgefundene Eingeständnis Tiszas, die Nachrichten über die im Hinterland verlaufenden Revolutionen, Streiks (Prag, Agram, Krakau, usw.), und die Forderung eines Teiles der ungarischen Truppen zur Heimbeförderung, damit sie ihr Heim gegen den zu erwartenden rumänischen Einbruch beschützen mögen – kurzum eine Menge von Ursachen zum Zusammensturz des Widerstandes der Truppen beigetragen, für den die Söhne keiner einzigen Nation, keines einzigen Volkes, verantwortlich gemacht werden können.
Die katastrophale Lage der Südwestfront, die Auflösung und heimwärts Strömung der Truppen, welcher Zustand Österreich mit einem Chaos und mit der bolschewistischen Anarchie „bedrohte”, drang zu dem sofortigen Abschluss des Waffenstillstandes, zu der schnellen Beendigung des Krieges. Das AOK hat die Rettung und in der Hand Haltung der großen Mehrheit der Streitkräfte davon erhofft. Die auf diese Weise gerettete Armee spielte in der Rechnung des AOK die Rolle des wichtigsten Mittels der Rettung der Monarchie, welches Mittel auch die Entente respektieren konnte, da doch die Sieger nicht wollten, dass mit Mitteleuropa „die Ideen Lenins, und nicht jene Wilsons” den Sieg erringen mögen. Je mehr das Chaos an der Front und im Hinterlande anwuchs, verstehe: je mehr sich die sich aufgelöste Armee näherte, und je schneller die Organisationen des Staates unter den Schlägen der im Hinterland stattgefundenen siegreichen Revolutionen zugrunde gingen, desto mehr war die Mission Webers dringend geworden. In den ersten Tagen des Monats November ist die Herausgabe des die sofortige Einstellung der Kämpfe verordnenden Befehls in den Vordergrund geraten, (was seitens der Kommandeure stets gefordert wurde), welcher jedoch die italienische Kriegsleitung in die Position des die Bedingungen diktierenden unbeschränkten Siegers gebracht hätte. Dies hat das AOK zum gegebenen Zeitpunkt noch nicht auf sich zu nehmen gewagt. Doch der Befehl des Kriegsministers Béla Linder-s, der von Mihály Károlyi geführten revolutionären ungarischen Volksregierung „über die Waffenstreckung der ungarischen Truppen”, kam sehr gelegen. Das AOK hat mittels der Weiterleitung dieses Befehls – nach einer entsprechenden Abplagung – den Grund zur Verordnung der sofortigen Einstellung des Kampfes gefunden, und für diesen Schritt hat es „vor der Geschichte” Béla Linder, und das revolutionäre Ungarn verantwortlich gemacht.
Indessen wartete Weber in dem neben Padua befindlichen italienischen Hauptquartier darauf, dass man sich mit der österreichisch–ungarischen Waffenstillstandskommission überhaupt in ein Gespräch einlassen möge. Der sich in der Pose des Siegers gefallende Generalleutnant Badoglio, der italienische Generalstabschef, teilte kurz mit, dass nur von der Akzeptierung (oder Ablehnung) der Bedingungen die Rede sein kann, Verhandlungen haben hier keinen Platz. Die derartig demütigende Lage der Waffenstillstandskommission löste bei dem AOK eine allgemeine Empörung aus, und der die Einstellung der Kämpfe verordnende Befehl wurde zurückgezogen. Da jedoch dieser Befehl inzwischen zu den Kommandeuren der Fronttruppen gelangt war, und auch der sich nach Padua bemühende Generalstabsoberst Schneller (mit der Anweisung des AOK bezüglich der Erleichterung der Bedingungen in seinen Händen) die in seinen Weg geratenden Truppen zum Aufhören mit dem Kampf ermunterte, hat Weber am 3. November die seitens des in Versailles befindlichen Kriegsrates der Verbündeten genehmigten, und die Interessen der italienischen Kriegsleitung weitgehend unterstützenden Waffenstillstandsbedingungen im Namen eines solchen Staates unterzeichnet, welcher auch auf dem Papier schon nicht mehr existierte.
Die Führer der Monarchie haben mit der Unterzeichnung die fürchterliche militärische Niederlage anerkannt, und sie stimmten der Einleitung der gegen Deutschland durch die Monarchie hindurch geschehenden Operationen zu, indem sie alle von der Entente erwünschten militärischen, Verkehrs- und anderen Bedingungen sicherstellten. Es gab zwei Punkte in dem Waffenstillstandsabkommen, die für die österreichisch–ungarische Kriegsleitung gewisse Hoffnungen erweckten. Einer dieser Punkte erklärte, dass die sich zwischen den kriegführenden Parteien ziehende Demarkationslinie, falls gewisse Strecken dieser Linie besonders nicht bestimmt werden, in der bisherigen Grenze des Reiches besteht. Das AOK bewertete dies als das Fortbestehen des Reiches der Habsburger. Es soll bemerkt werden, dass auch die diesen Waffenstillstand als auf sich verbindlich anerkennende Károlyi-Regierung auf Grund dieses Punktes gegen das Eindringen der Balkankräfte der Entente auf das Territorium Ungarns protestiert hatte. (Es gelang auch General Franchet D’Esperay, mittels des infolge der Anstrengungen der Mihály Károlyi-Regierung zustande gekommenen Belgrader Militärabkommens /am 11. November/ aufzuhalten).
Der andere Punkt des Abkommens von Padua gestattete die Aufrechterhaltung von 20 friedensmäßigen Divisionen. Das AOK sah darin das Mittel des auf dem Gebiet der Gesamtmonarchie aufrecht zu erhaltenden „Friedens und der Ruhe”, ja sogar auch das Pfand des Erfolges eventueller Restaurationsbestrebungen gegenüber den Nachfolgerstaaten.
Die Hoffnung erweckenden Punkte der Realität wurden jedoch seitens der Zeit überholt: das Waffenstillstandsabkommen von Padua ist nicht zum bestimmenden Faktor der dem Krieg folgenden geschichtlichen Entwicklung geworden; obwohl es die italienischen Eroberungsansprüche befriedigte, und den Krieg dem internationalen Recht gemäß abschloss, hat es das Fortbestehen der Monarchie, mit „der geretteten Armee”, nicht sichergestellt, da im Augenblick der Unterzeichnung, die mehrere Jahrhunderte alte, aus vielen Nationalitäten bestehende Monarchie von der Landkarte Europas schon verschwunden war.
Die Endtage des Unterganges der alten Armee wurden durch den Anschluss der Militärmengen des Hinterlandes an die ausgebrochenen Revolutionen bestimmt. Während an der Südwestfront die militärische Niederlage sich mit einer stets größer werdenden Kraft entfaltete, hat am 28. Oktober in Prag ein Volksaufstand die kaiserliche Administration weggefegt, sozusagen ohne Blutvergießen, weil das von General Kestranek geführte Militärkommando kapituliert hatte, und die siegreiche Revolution innerhalb einiger Tage die selbständige Tschechoslowakei schuf, nachdem die in Turócszentmárton (am 30. Oktober) erbrachte Resolution der Slowaken die Vereinigung der Slowakei und Böhmens aussprach.
Die Prager Revolution wurde von den südslawischen Revolutionen gefolgt. Der einleitende Akt der vom 29. Oktober bis Anfang Dezember sich hinziehenden Umwandlung bestand im Aufstand von Pola, infolge dessen der Oberbefehlshaber der Flotte, Konteradmiral Miklós Horthy, die Kriegsflotte – mit der Zustimmung von Karl IV. und des AOK – dem südslawischen Nationalrat übergab. Als die Übergabe der Flotte am 30. Oktober stattfand, war Kroatien schon ein unabhängiger Staat. Das Agramer Militärkommando hat am 29. Oktober in einem Befehl die Vereidigung der Truppen auf den Nationalrat verordnet. Die „Nationalversammlung” aber deklarierte feierlich die Unabhängigkeit Kroatiens, und die Lostrennung von Ungarn. Die Konsolidation wurde jedoch durch die einen bolschewistischen Charakter tragende bewaffnete Bewegung der eine Größenordnung von etwa hunderttausend Leuten zählenden grünen Kader gestört, gegen die die neue Staatsführung die Hilfe der serbischen Streitkräfte verlangte. Als Preis für die Hilfeleistung wurde am 24. November der Anschluss Kroatiens an das Königreich Serbien ausgesprochen.
Auch die anderen südslawischen Revolutionen wurden dadurch gekennzeichnet, dass die K. und K. Kräfte sich freiwillig den Nationalräten anschlossen, und ihre Kommandeure selber bei der Befestigung der neuen Macht vorangingen (z.B. der „aulische” Generaloberst Sarkotic in Sarajevo, oder das Militärkommando in Laibach). Bezüglich ihrer Taten beriefen sie sich auf den Befehl des Königs vom 30. Oktober, welcher ihren Eintritt in die neue „Nationale Armee”, im Interesse „des Friedens und der Ruhe” gestattete.
Die in Galizien und in der Bukowina stattgefundenen Revolutionen haben eine ähnliche Bahn beschrieben, mit jenem Unterschied, dass der Ausbruch der nationalen Gegensätze (polnisch–ukrainische, ukrainisch–rumänische) zu schweren bewaffneten Konflikten geführt hatte. Die Liquidierung dieser Konflikte geschah mit der Konsolidierung des unabhängigen Polens, bzw. mit der rumänischen Besetzung Bukowinas.
Die im Hinterland vor sich gegangenen Revolutionen fanden mit der am 30. Oktober stattgefundenen Wiener, und der sich am 31. Oktober ereigneten Budapester Revolution ihren Abschluss.
Es gehörte zu der Vorgeschichte der Wiener Revolution, dass am 22. Oktober die österreichischen Abgeordneten des Reichsrates die Konstituierung der provisorischen Nationalversammlung deklarierten, und dann, am 24. Oktober, das Selbstbestimmungsrecht der Völker Österreichs anerkannten. Nach der Sonderfriedensnote Andrássys nahm die provisorische Nationalversammlung für die Deklarierung der Dethronisation der Habsburger Stellung, doch in der Frage der Staatsform (Republik oder Monarchie) konnte sie nicht zu einer Entscheidung kommen. Am 30. Oktober forderten Massenaufzüge die Proklamierung der Republik, im Laufe derer die kaisertreuen Truppen blutig mit den demonstrierenden Arbeitern und den revolutionären Soldaten zusammenstießen. Die sich mittlerweile gebildete sozialdemokratische Renner-Regierung, und der 22 Mitglieder zählende Staatsrat wollten anfangs Karl IV. zum Oberhaupt des österreichischen Staatenbundes erhalten, jedoch auf den Druck der sich Anfang November ereigneten neuen Kundgebungen, und dann auf den Druck der Ententemächte, wurde am 12. November die selbständige Österreichische Republik ausgerufen. Die kaisertreuen Verbände haben sich dem zufolge schnell an die Seite der neuen Macht gestellt, und nunmehr betrachteten sie die eheste Wegschaffung der von der Südwestfront heimwärts strömenden Frontverbände vom Gebiet Österreichs und Wiens als ihre höchste Aufgabe.
Von den die Monarchie stürzenden Revolutionen war es die ungarische bürgerlich-demokratische Revolution gewesen, die als letzte gesiegt hatte. An die Spitze der am 31. Oktober ausgebrochenen Budapester Massendemonstration wurde der am 25. Oktober gegründete, von Mihály Károlyi geführte Nationalrat getrieben (sozusagen ungewollt), und die Hauptstadt geriet, ohne Blutvergießen, mittels der Unterstützung des zum Stand gehörenden (Ordnungskräfte) und des ohne Stand anwesenden Militärs im Laufe einer einzigen Nacht in die Hände der revolutionären Massen: die einstigen Besitzer der Macht, die Wiener Knechte des herrschaftlichen Ungarns haben einfach nicht über eine solche Kraft verfügt, die sie der Revolution entgegenstellen hätten können. Die Repräsentanten der alten Ordnung – Mit Erzherzog Joseph, dem von dem König ernannten „Homo regius”, sowie mit General Lukachich, dem Befehlshaber der Ordnungskräfte, an ihrer Spitze – kapitulierten vor der Revolution, und blitzschnell leisteten sie der neuen Károlyi-Regierung den Eid auf das unabhängige, demokratische Ungarn.
Der Sieg der Revolution, der das Ergebnis des Kampfes von Arbeitern, kleinen Leuten und der sich in der Hauptstadt und in ihrer Umgebung befindenden, mehrere Zehntausende ausmachenden, revolutionär eingestellten Soldaten gewesen war, wurde von einem äußeren und einem inneren Angriff gleichermaßen gefährdet. Während man die innere Gefahr durch die eheste Abrüstung der verbündeten, doch eine radikale Umgestaltung fordernden Soldaten und durch das Ausbauen einer eigenen zuverlässigen bewaffneten Kraft zu liquidieren bestrebt war, erhoffte die Károlyi-Regierung die Abwehr der äußeren Gefahr, der Entente-Besetzung des Landes und der Abtrennung großer Gebiete mittels des Belgrader Militärabkommens. Die Konsolidierung des durch die Dethronisation und durch die Verwandlung des Königreiches zu einer Volksrepublik (16. November) zustande gekommenen unabhängigen Ungarns ging im Laufe der folgenden Wochen, Monate zusammen mit dem völligen Verschwinden der alten Armee vonstatten.
Wie dies schon erwähnt wurde, bestand eine dringliche Aufgabe der mit dem Sieg der Revolutionen an die Macht gelangten Staaten, im Abtransport des von den Fronten heimwärts strömenden Militärs an seinen Heimatort, und in seiner Abrüstung, bzw. in der Errichtung der bewaffneten Kraft des neuen Staates, aus den zuverlässigen Elementen dieses Militärs.
Das größte Problem bedeuteten die zurückströmenden Truppen der anderthalb Millionen Mann starken Südwestarmee. Das AOK selbst war bestrebt, das heimwärts Ziehen in irgendein kontrollierbares Strombett zu leiten: am 5. November bat es durch Weber die italienische Kriegsleitung, dass sie mittels der Überlassung von Nahrungsmitteln zur Besänftigung der „plündernden Horden” beitragen möge. Diese Bitte geschah einen Tag nach dem deswegen stattgefundenen Protest des AOK, dass die Italiener nach der Unterzeichnung des Waffenstillstandes 16 österreichisch–ungarische Divisionen – dem AOK zufolge rechtswidrig – in Gefangenschaft nahmen. Zur Zeit der Absendung des Hilferufes sprach schon niemand von der „rechtswidrigen Tat”, ja sogar eine gewisse Erleichterung war spürbar geworden. Im Weiteren hat das AOK den Armeebefehlsstellen freie Hand gegeben, die dann, von da an, den Italienern die Besetzung eines großen Teiles von Österreich anboten. Als Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen den beiden Kriegsleitungen, haben die Italiener auch noch die Beförderung nach Triest (mit Schiffen) und die Verköstigung der in Albanien kämpfenden Gruppe auf sich genommen.
Indessen strömten die zerfallenen (und nicht in Gefangenschaft geratenen) Verbände der 10. und der 11. Armee, nachdem sie Tirol geräumt hatten, auf der Strecke Innsbruck–Salzburg, im Fußmarsch oder mit der Eisenbahn, in Richtung Wien – und unterwegs plünderten sie die Ortschaften sowie die aufgefundenen vollen Militärdepots. Einige energische Offiziere, die ihre Truppen in ihrer Hand hielten, haben den Transport mit den österreichischen Eisenbahnen derart organisiert, dass diese ungeheure Menschenmenge innerhalb einer kurzen Zeit Österreich durchquerte.
Auch im Falle der Belluno-Gruppe, der 6. Armee und der Isonzo Armee war die Lage ähnlich gewesen. Ihre Verbände zogen durch das Gebiet von Slowenien, von Kärnten, und von der Steiermark. Ihr Marsch wurde vom Hunger, von den ausgebrochenen nationalen Gegensätzen entsprungenen bewaffneten Zusammenstößen, (in die sich auch die Bevölkerung einschaltete, z.B. in Wien), und von den Gewaltakten der italienischen Truppen begleitet. Das AOK, solange es noch existierte, wollte durchaus den die Abgabe der Waffen verordnenden Befehlen Geltung verschaffen und bat in dieser Hinsicht um die Hilfe der Nachfolgerstaaten. Dieser Bitte hat am schnellsten die Károlyi-Regierung Folge geleistet: auf Grund einer Vereinbarung mit Innenminister Tivadar Batthyány wurden die an der ungarischen Grenze aufgestellten Empfangskommissionen mit sozialdemokratischen Agitatoren verstärkt, die mit der Versprechung der Bodenverteilung die Wegnahme der Waffen förderten. Nach der Einstellung der Tätigkeit des AOK haben die österreichischen Wehrausschüsse und die Volkswehren der südslawischen Wehrausschüsse und die Volkswehren der südslawischen Nationalräte diese Aufgabe auf sich genommen. Zur Wegnahme der Waffen wurde das Tal der Etsch, das Tal der Drau, die Gegend von Graz und Laibach, bzw. die Linie Wien–Wienerneustadt–Marchegg– bzw. Pragerhof bestimmt.
Von den 57 und ein halb Divisionen zerfielen 41 und ein halb Divisionen und gelangten in ihre Heimat. (16 Divisionen gerieten in die Gefangenschaft der italienischen Streitkräfte.) Die an der Westfront kämpfenden etwa zwei Divisionen starke Kraft ist, nach dem mit den Deutschen in Compiègne abgeschlossenen Waffenstillstand, ebenfalls über Österreich heimgekehrt.
Das die Millionengröße betragende Militär der Südwestfront hat letzten Endes in der Periode der Konsolidation der neuen Staaten sein Vaterland, seine Heimat erreicht, nachdem es den Sieg der Revolutionen auf eine indirekte Weise gefördert hatte, und zugleich auch verhinderte, dass es als Werkzeug einer eventuellen Habsburger-dualistischen Restauration benutzt werde.
Das Militär der Südostfront ist, nach dem am 15. September stattgefundenen Durchbruch der Entente, in einer ständigen Kampfberührung mit dem Feinde, stufenweise zum Wege der Auflösung geraten. Der Großteil der unter dem Kommando von Feldmarschall Kövess stehenden Truppen bestand aus der 9. und der 30. Division. Am 9. Oktober zerfiel die 9. Division bei Vranja, ihre Reste konnten bei Leschkowatz zusammengesammelt werden. Die 30. Division war fast in ihrer Gesamtheit unverlässlich gewesen. Ende Oktober trafen an der Donau–Save–Drau Linie, aus der Ukraine her, die Spitzentransporte der 59. und der 15. Division ein, dann aus Tirol die 10. Kavalleriedivision, und aus Wien die 32. Infanteriedivision. (Letztere wurde verwahrt, um die Wiener Arbeiter im Zaume zu halten.) Am 31. Oktober verließ die 30. Division willkürlich die Front, und ihrem Beispiel folgten auch die anderen Soldaten. Die sich auflösenden Truppen begannen zu rauben, zu plündern, Kövess selbst floh nach Wien. Die Károlyi-Regierung erfuhr mit Bestürzung, dass die am Balkan befindlichen Ententetruppen den in Padua abgeschlossenen Waffenstillstand nicht anerkennen. Ihre Aufhaltung war eine Existenzfrage gewesen; das mit dem General Franchet D’Esperay abgeschlossene Belgrader Abkommen galt als ein Erfolg: ihren Vormarsch konnte die Károlyi-Regierung ohne eine Kriegshandlung, mit der Hilfe eines Abkommens aufhalten.
Die inzwischen durch Ungarn zurückströmenden, meist fremdsprachigen Truppen hat die Károlyi-Regierung, mit einer geschickten Organisationstätigkeit, sozusagen innerhalb von Tagen-Wochen vom Gebiet des Landes abtransportiert. Diese Leistung war nicht zu unterschätzen gewesen, da doch die sich aus Rumänien nach Deutschland im Rückzug befindende Mackensen Armeegruppe den Weg der durchziehenden Soldaten kreuzte. Ja, sogar die Mehrheit der sich aus der Ukraine nach Hause bemühenden Besatzungstruppen durchzog das revolutionäre Ungarn. Diese Verbände, die Truppen der sog. Ostarmee, haben den Befehl des AOK nicht durchgeführt, namentlich jenen Befehl, dass die Ukraine solange nicht evakuiert werden darf, bis Ententetruppen nicht dorthin gelangen. Die Mehrheit der Truppen der Ostarmee meuterte seit Ende Oktober, sie vertrieb ihre Offiziere, und in kleinere Verbände zerfallend schlug sie sich fast mit der bloßen Faust einen Weg durch die vom Bürgerkrieg betroffene Ukraine. Es gab Einheiten, die von ihren Offizieren nach Hause geleitet wurden, in anderen Fällen gelangte die Mannschaft, unter abenteuerlichen Umständen, oft von Deutschland her, in ihre Heimat. Ihr Schicksal bestand in der sofortigen Abrüstung, oder in einem neuen Militärdienst bei den Armeen der Nachfolgestaaten. Die Károlyi-Regierung war bestrebt gewesen, die mit den bolschewistischen Lehren sympathisierenden Heimkehrer schnell loszuwerden.
Bis Mitte November verblieben von der alten Armee, von den einst furchterregenden K. und K. Streitkräften, sozusagen nicht einmal Boten. Die im Laufe des Krieges eingezogene mehr als neun Millionen Wehrpflichtige einschließende Armee hatte sich aufgelöst, sie zerfiel. Zusammen mit ihr ging auch jener viele Nationalitäten umfassende Habsburger-Staat zugrunde, den diese Streitkräfte gegen jede nach dem Leben der Monarchie trachtende innere und äußere Kraft hätten beschützen sollen, mit der gleichzeitigen Verwirklichung der Eroberungsziele dieser mit dem Einsturz drohenden, an der Donau liegenden Großmacht. Diese Streitkräfte waren der Lösung dieser zweifachen Aufgabe nicht gewachsen, und durch ihren Untergang haben sie auch ihren Staat in das Grab gerissen.
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Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 6:93–97.
ISTVÁN DEÁK
Embourgeoisement of the Habsburg Army
At first sight, one is tempted to doubt the validity of the very topic of the conference, the embourgeoisement of the Habsburg army. Indeed, there are many good reasons for arguing that, although the proportion of non-noble gradually increased in the Austro-Hungarian officer corps in the last fifty years of its existence, this army was so deeply rooted in its feudal, noble tradition that bourgeois morality and lifestyle were never among its characteristics. Here are some of the reasons which seem to militate against the idea that the Habsburg officer corps as undergoing a process of embourgeoisement.
Until its demise in the fall of 1918, or at least until the death of Emperor- King Francis Joseph in November 1916, the comportment of officers in the Dual Monarchy was defined by a code of honor that prescribed that they behave in the manner of medieval knights in an industrializing society and a constitutional state. Officers were under the absolute obligation to defend the honor of their suzerain, their fatherland, their caste, their fellow officers, their wives, daughters, and other female relatives. Above all, however, the officers were expected to defend their own honor, if necessary with the sword and at a great personal risk to themselves. The alternative was public humiliation, the loss of honor, dismissal from the officer corps, and hence exclusion from the society of honorable gentlemen. Thus the loss of personal honor involved the loss of employment and the risk of never finding another employment in a respectable occupation.
The obligation to conduct oneself according to one’s status in society was rigorously enforced, with the connivance of the Emperor-King, the Ministry of War, and the courts of justice. Yet, dueling with a duel-worthy adversary as well as Ehrennotwehr, the latter indicating an officer’s right and duty to silence with the sword any person who insulted him in public, and who himself was clearly not a gentleman able to offer satisfaction in an honorable battle, were strictly prohibited by the laws of the state, the church, and the Austro-Hungarian army.
By forcing the officers regularly to violate the very laws that they, as soldiers, had sworn to uphold, the emperor-king, who was their supreme commander, turned the officers into felons. Yet he also raised them above the law, for in reality, few among the officers were punished for the crime of dueling or that of Ehrennotwehr. This made the officers both a part of society and separate from it. Like the medieval knights of lore, the officers were expected to be models of Christian moral purity, piety, modesty, and compassion, yet at the same time the official rules regarding officer’s conduct caused them to violate the tenets of Christianity. After all, they had to be prepared to kill – a mortal sin – for no other reason than that they had been insulted.
Consider, moreover, that the officers’ code of honor applied not only to career officers but also to those of the reserve, who by 1914 numbered about 14 000 individuals. These bank clerks, university students, high school teachers, lawyers, medical doctors, landowners, etc. were expected to obey the rules of knightly conduct not only when in uniform but at all times, or risk losing their commission and thus their place in respectable society. This meant that the officers of the reserve and all reserve officer candidates, the latter a larger group than that of the commissioned officers became morally and ideologically separate from all such civilians who were not reserve officers or reserve officer candidates. Therefore, rather than penetrating the officer corps, bourgeois mentality actually lost ground within the middle classes through the institution, in 1868, of a large body of reserve officers.
Besides the cult of knightly, noble ideals we find numerous other reasons why the army should not be seen as conductive to the spread of bourgeois customs and morality and an eventual take-over by the middle classes. There was, for instance, the career officers’ guaranteed right to enter the hereditary nobility after forty years (before 1900 after only thirty years) of satisfactory service. It is true that this meant receiving a patent of nobility generally only upon one’s retirement when one could no longer play a significant role in the politics of the army. But because career military service was to a large degree a hereditary family occupation, the sons of freshly ennobled officers entered active service no longer as commoners but as members of the hereditary nobility. Thus, the Habsburg system provided for an almost inexhaustible supply of noble officers. It is true that members of the old nobility knew how to distinguish socially between themselves and the upstart members of the new or service nobility but this, rather than alienating the sons of newly ennobled officers, or, the sons of a newly ennobled ministerial councilors and bankers, caused them generally to hasten their assimilation into the old nobility. Their goal was to adopt the purported ideals of the latter illustrious group.
Furthermore, the essentially non-bourgeois character of the officer corps was preserved by such things as the existence of several, admittedly very small, units of noble body guards near the person of the monarch, and the unwritten rule according to which the elegant cavalry regiments would complement their ranks largely from among the aristocracy. Finally, there was the Habsburg dynastic system’s prevailing ideology which, among other things, guaranteed automatic access to the imperial court to such officers only who were members of the highest aristocracy. The same system carefully distinguished, through such institutions as that of the imperial and royal chamberlains, between ordinary nobles and those who could prove an impeccable aristocratic background. Finally, there was, to mention just one more example, the custom of Francis Joseph to shake hands with only such officers who belonged to the highest aristocracy.
*
Having briefly argued against the thesis of embourgeoisement, I must admit that the officer corps which went to war in 1914 was quite different from the officer corps that had gone to war in, for instance, 1866.
The social composition of the corps changed significantly in those years. The Austrian historian Ulf Sereinigg, although unable to differentiate between the old and new service nobility, demonstrates that the proportion of noblemen as a whole among field-grade officers (major to colonel) declined between 1880 and 1910. More specifically, according to Sereinigg proportion of majors with a noble predicate decreased from 37,7 percent to 18,2 percent between 1880 and 1910; that of lieutenant colonels, from 38,7 percent to 26,8 percent; and that of colonels, from 46,7 percent to 27,0 percent.1
These figures become all the more significant if one considers that back in 1850 more than half of the field-grade officers were noblemen.
The military historian Nikolaus von Preradovich reports that, whereas 90 percent of the high-ranking generals in 1859 were noblemen, the proportion had decreased to 41 percent by 1908 and to 25 percent by 1918. This is a remarkable change even when taking into account that fact that, in the 1850s, the thirty-year rule had applied and in the 1900s, the forty-year rule. What is significant is that, by the end of World War I, three out of four commanding generals in the Austro-Hungarian army were commoners.2
It is also noteworthy that of the nine Austro-Hungarian field marshals active during World War I, aside from the three who were Habsburg arch- dukes, not a single one belonged to the old nobility.
Again, however, the above mentioned historians are unable to distinguish between the old nobility of the blood and the new or service nobility. My own calculations show that, in 1870, in a sample of 95 randomly selected noble lieutenants, 29 or 45,3 percent belonged to the old nobility (Altadel). Without any doubt, the proportion of the old nobility further declined by the eve of World War I. According to my admittedly non-scientific investigation of 75 families from the Habsburg aristocracy (Hochadel), in 1905 only 95 individuals from these families served as professional officers in the army and navy. Even from this modest number, far less than for instance in mid-nineteenth century, 66 served in the increasingly useless cavalry.3
Consider, finally, that the social composition of the military academicians also changed considerably over the years, so that in the year 1913, of the 113 newly commissioned lieutenants at the Military Academy in Wiener Neustadt only a single lieutenant had an aristocratic title. He was a baron, whose father was a two-star general and whose aristocratic title represented a mark of personal distinction. There were also two knights (Ritter) and 29 lower nobles, almost all from the new or service nobility.4
*
The ultimate question is, therefore, whether the doubtlessly increasing proportion of commoners in both the career and reserve officer corps contributed to the embourgeoisement of the officers. Proofs are difficult to furnish as the officers were forbidden to vote, or in general, to engage in politics. No doubt most were un-political, which does not mean that they harbored any affection for the middle-class parties and for parliamentary politics. All available evidence shows that, especially as a result of the experiences in 1848, the great majority of officers disliked the politicians and the parliaments that never voted enough money for their pay and other military expenditures. In general, officers perceived all liberals, democrats, and socialists as enemies. On the other hand, there was the astonishing facility with which the professional officer corps accepted the presence among them of reserve officers, often Jews, who came from the bourgeoisie. Whereas the Prussian officer corps categorically refused to accept Jews as fellow officers, in 1900 nearly one out of every five reserve officers in the Imperial and Royal Army was a Jew. There can be no doubt that had the career officers objected to such developments, they would have been able to prevent them through votes taken in their regimental officers’ assembly.
On balance, however, I see such developments as, for instance, the admission of Jews and other members of the middle classes in the officer corps not as signs of any embourgeoisement but rather as (1) a manifestation of the army high command’s pressing need for educated officers in a society where the noble class was no longer doing its duty to the emperor, and (2) as a manifestation of the officers’ pre-modern, feudal, pre-nationalist, and pre-Social Darwinist mentality. After all, the surest sign of embourgeoisement would have been the increasing tendency of career officers to discover their ethnic „roots”, and to embrace one or another xenophobic, nationalist movement. No doubt, many officers did precisely that, especially among the Germans and Hungarians (see, for instance, the behavior in the General Staff of the later right-wing Hungarian prime minister Gyula Gömbös), but there is also no doubt that for the majority of officers their loyalty to the emperor and thus to pre-modern and pre-bourgeois values remained foremost until the collapse of the entire edifice in 1918.
Note
1
Ulf Sereinigg, „Der altösterreichische Offizierskorps 1868–1914. Bildung, Avancement, Sozialstruktur, wirtschaftliche Verhältnisse”, unpublished doctoral dissertation, University of Vienna, 1983, p. 97.
2
Nikolaus von Preradovich, Die Führungsschichten in Österreich und Preußen 1804–1918, mit einem Ausblick zum Jahre 1945. („Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz”, Bd. 11; Wiesbaden 1955), p. 44.
3
István Deák, Beyond Nationalism: A Social and Political History of the Habsburg Officer Corps, 1848–1918 (New York: Oxford University Press, 1990), p. 164.
4
I have computed the statistical data on the Military Academy class of 1913 from the resumes contained in the 1909–1919 (unpublished) supplement to J. Svoboda, Die Theresianische Militär-Akademie zur Wiener-Neustadt und ihre Zöglinge von der Gründung der Anstalt bis auf unsere Tage, 3 vols. (Vienna, 1894–1897), with three supplementary manuscript volumes.
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Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 6:39–45.
PETER BROUCEK
Die Armee im Biedermeier
Im Frühjahr 1814 ging in Europa eine Epoche des militärischen Kampfes zu Lande und zu Wasser gegen die Heere der Französischen Revolution, des Konsuls Bonaparte und des Kaisers der Franzosen Napoleon I. zu Ende. Die vierzehnjährige Kriegsepoche hatte die kaiserliche Armee, die unentwegt auch nach schweren Rückschlägen immer wieder angetreten war und endlich an der Spitze einer Koalition auch gesiegt hatte, zu einem einheitlichen Ganzen zusammengefügt. Sie war zuversichtlich, stolz auf die österreichische Großmacht und ihrem Geiste nach fortschrittlich gesinnt. Der Staat und auch die Gesellschaft selbst waren zunächst als Folge der Kriegsjahre finanziell, materiell, ja auch geistig erschöpft und ruhebedürftig. Die Tendenzen zur Restauration schienen sich zur Reaktion zu wandeln, jedenfalls aber einer Stagnation entgegenzukommen. Sie standen einem bald aufflammenden Bedürfnis zur Emanzipation einzelner Nationen und Bevölkerungsschichten entgegen. Diesen Bedürfnissen wurde ab den dreißiger Jahren immer mehr Ausdruck gegeben, die Bewegung kulminierte 1848 und ging nach der Zeit des Neoabsolutismus in das Ringen um die richtige Verfassung über.
Es war lange ungewiss, ob das Kaisertum Österreich, das nach dem Niedergang des Heiligen Römischen Reiches eine eigene Staatsidentität aufzubauen beabsichtigte, diese innenpolitischen und nationalen Probleme bewältigen würde. Was die ihm am Wiener Kongress zugewiesene europäische Aufgabe betraf, so hatte ein früherer österreichischer Spitzendiplomat, Hans Reichmann, in einem Referat in Rom vor einiger Zeit seine Ansicht zu begründen versucht, dass es bei deren Übernahme seine Kräfte wesentlich überschätzt habe. Dieses Urteil müsste letzten Endes auch für das Heer gelten, das jene Großmachtstellung erkämpft hatte.
Das dynastische Staatswesen Kaisertum Österreich – im Aufbau einer eigenen Staatsidentität begriffen, war noch im Frühjahr 1814 ein Bündnis zur Erhaltung des europäischen Gleichgewichts eingegangen: Mit England wurden im Vertrag von Chaumont derartige Vereinbarungen getroffen, die noch vor der allgemeinen Neuordnung der Verhältnisse am Wiener Kongress Österreich als den kontinentalen Partner Englands installierte, als konsolidierte südosteuropäische Großmacht, als Vormacht in Italien, als größtes Mitglied des neu geschaffenen Deutschen Bundes. Dieses Bündnis sollte zur Macht Frankreichs als auch Russlands und seines Schützlings Preußen als Gegengewicht dienen. In diese Vereinbarung wurden Russland wie auch Preußen aufgenommen: das bourbonische Frankreich wurde im Zuge der nach dem Wiener Kongress einsetzenden Kongressdiplomatie zu dieser Vereinigung zugelassen, die Vereinigung so zur Quintupel-Allianz ausgebaut. Zur Erhaltung von Ruhe und Ordnung, zur gegenseitigen Hilfe bei der Auslöschung von Revolten und Revolutionen hatte der Zar im Frühjahr 1815 in Wien ein Bündnis der drei östlichen Großmächte vorgeschlagen, eine antirevolutionäre Liga, die er „Heilige Allianz” nannte. Als dritte Großmacht inmitten Europas musste Österreich nun versuchen, das Gleichgewichtsprinzip und das Ligaprinzip miteinander zu verschmelzen.
Die Abmachungen der „Heiligen Allianz”, praktisch ein Drei-Herrscher-Bündnis, wurden, als der Gegensatz in der orientalischen Frage abgeklungen war, erst 1833 in der Konferenz von Münchengrätz (Mnichovo Hradištë) in der Form von gegenseitigen bindenden Hilfsversprechen konkretisiert. 1840 lebte dann die 1814 geschlossene Quadrupelallianz in den Londoner Verträgen nochmals auf. Mit Preußen ergab sich eine durch ständige Rivalität gekennzeichnete, durch militärische Vereinbarungen festgelegte Zusammenarbeit in Form einer dualistischen Hegemonie im Deutschen Bund. Mit den italienischen Staaten bestanden Familienbande der Herrscherfamilien, sowie Hilfsversprechen Österreichs, basierend auf Schlagkraft der Truppen in Lombardo Venetien. die Vorstellungen Metternichs von einer Liga Italica nahmen ebenso wenig Gestalt nach 1815 und nach 1848 an wie durchaus erwogene konservative Föderalisierungspläne im Kaisertum Österreich, was insbesondere Ungarn betraf.
Und so intervenierte die Armee 1815 bis 1850 in Italien, in Polen, an der Schweizer Grenze und schließlich in Süd- und Norddeutschland. Sie führte Militärexpeditionen weit nach Bosnien hinein durch. Sie schlug die Revolutionen 1848 in Prag und Wien nieder, akzeptierte aber 1849 russische Hilfe bei der Überwältigung der ungarischen Armee. 1828/29 blieb sie jedoch passiv, als Russland im Krieg gegen das Osmanenreich Pruth und Donau überschritt und sie sollte 1830 bei einer eventuell vorgesehenen russisch-preußischen Intervention zumindest zunächst nicht mitwirken.
Die österreichische Außenpolitik konnte in den Jahren nach 1840 und nach 1848 das französische Streben zur Revision der Pariser Friedensverträge nicht hindern und wirkte an der Zerstörung der Heiligen Allianz durch den Einsatz der Armee in den Donaufürstentümern 1854/55 und den Aufmarsch in Galizien 1855 mit. Die politischen Erfolge der Einigung Italiens und Deutschlands waren erst nach militärischen Niederlagen der k. k. Armee möglich.
Es ist in den folgenden paar Minuten nur skizzenhaft möglich, auf das Innenleben dieser Armee einzugehen. Ich möchte auf das im Vorjahr erschienene Buch von Bertrand Buchmannn hinweisen sowie auf die verschiedenen Werke des Amerikaners Gunther Rothenberg und des Briten Alan Sked. Die Essays, Aufsätze und Editionen zur österreichischen Militärgeschichte von Johann Christoph Allmayer-Beck und Manfried Rauchensteiner sind ebenso heranzuziehen wie die Sammelwerke über Krieg und Gesellschaft im östlichen Mitteleuropa, herausgegeben von Béla Király.
Was es noch nicht gibt und wahrscheinlich infolge der ungünstigen Quellenanlage nie geben wird ist eine Erweiterung der bedeutenden Monographie István Deáks über das k. u. k. Offizierskorps, und zwar nach vorne chronologisch gesehen etwa bis zum Zeitraum ab 1780.
Bei einer Bevölkerungszahl des Kaisertums Österreich von etwa 33 Millionen Einwohnern hatte die k. k. Armee eine Truppenstärke von 400 000 Mann, von der aber meist nur etwa 270 000 Mann effektiv dienten, während alle anderen Soldaten aus den verschiedensten Gründen und für verschiedene Zeiten freigestellt wurden. Von diesen Mannschaften dienten zirka drei Viertel in den Linien-Infanterieregimentern, Grenadierbataillonen, National-Grenzinfanterie-Regimentern der Militärgrenze, dem Tiroler Jägerregiment, den 12 Jägerbataillonen, 6 Garnisonsbataillonen sowie in den 37 Kavallerieregimentern. Unter letzteren waren 12, also etwa ein Drittel, Husarenregimenter. Den bedeutenden Rest stellten Artillerie, Technische Truppen, Extrakorps, zum Beispiel Gendarmerie, Garden, Schulen und Versorgungsanstalten. Auf die 1814 entstandene Kriegsmarine weise ich nur hin. Die Rekrutierung erfolgte durch die 1776 bis 1781 eingeführte Konskription, die ursprünglich nicht für alle Länder galt, nämlich nicht für Ungarn, Galizien, Tirol und Lombardo-Venetien. Die Konskription war eine selektive Gestellung mit vielen Ausnahmen und oftmalige Rekrutenstellung von Amts wegen auch in allen jenen genannten Ländern, die das Privileg der freiwilligen Werbung eines Bestimmten Kontingents weiterhin hatten. 1802 wurde die lebenslängliche Dienstzeit abgeschafft und ein einheitliches Dienstreglement eingeführt. 1808 wurde das Institut der Landwehr in allen Ländern außerhalb Ungarns und Galiziens geschaffen. Im Kriegsjahr 1809 kamen die Landwehr und viele zusätzlich aufgestellte Freiwilligenverbände erfolgreich zum Einsatz, mit geringerem Erfolg auch die ungarische Insurrektion. In der Neuregelung wurden dann, da man in jeder Form ein Volksaufgebot ablehnte, beziehungsweise „nie” mehr für notwendig hielt, vier verschiedene Rekrutierungssysteme eingeführt: in den sogenannten „altkonskribierten Provinzen” (alle Länder mit Ausnahme von Ungarn, Tirol und dem lombardo-venezianischen Königreich) vierzehn Jahre „Capitulationsdauer”; in Tirol acht Jahre Dienstzeit und in Ungarn lebenslängliche Dienstzeit für jeden „Conskribierten”, das heißt freiwillig oder unfreiwillig geworbenen.
Adelige, Beamte, Geistliche und selbständige Wirtschaftsbesitzer waren vom Militärdienst befreit, die Stellvertretung war gegen Gelderlag gestattet. 1840 erst wurde durch den ungarischen Reichstag die lebenslange Dienstverpflichtung auf zehn Jahre und 1845 durch kaiserliches Patent in allen Königreichen und Ländern auf acht Jahre herabgesetzt. 1848 wurde der Adel grundsätzlich wehrpflichtig. Alles das gilt nicht für die Militärgrenze, wo der Soldat auch Kolonist und Landmann war und unbefristete Dienstzeit hatte.
Die Landwehrbataillone fristeten auf dem Papier und in einem Kader bei den Linienregimentern ihr Dasein, bis sie 1852 abgeschafft wurden. Vorkehrungen für einen Landsturm hatten sich nur in Tirol erhalten.
Gerade die Infanterieregimenter wurden aus innenpolitischen Gründen zu einem oftmaligen Garnisonswechsel veranlasst, wobei ein Marsch aus Galizien nach Italien etwa zwei bis drei Monate, ein solcher aus Transsilvanien nach Vorarlberg fast ebenso lange dauerte. Dieser Garnisonswechsel förderte sicher Land- und Leutekenntnis.
Andererseits aber wurde die Zusammenziehung der Regimenter zu Divisionen und Brigaden, das Zusammenwirken einzelner Waffengattungen, ja die Truppenkonzentration überhaupt in Manövern – aus Geldmangel und Trägheit – bis in die fünfziger Jahre kaum geübt. Für alle Soldaten galt die deutsche Kommandosprache.
Der ungarische Reichstag hatte mehrmals ein eigenes Heer – bei Anerkennung der gemeinsamen Landesverteidigung – verlangt. Über die Regelung von 1848 werden wir von berufener Seite hören. In jenem Jahr kam es unter den Soldaten italienischer Abstammung zu Massendesertionen von etwa 13 000 Mann, während von den Truppen der Militärgrenze die beiden Székler-Bataillone auf der Seite Ungarns kämpften, alle anderen bei den Kaiserlichen zum Einsatz kamen. Im Krieg 1859 wurden Desertationen eher befürchtet. Sie traten fast ebenso wenig ein wie die Formierung anti-habsburgischer Freikorps im Rücken der kämpfenden Truppe. Die Sorgen in jener Hinsicht beeinflussten aber die politischen Entscheidungen. Gegen Ende des Krieges 1866 stellte Preußen, vornehmlich aus Kriegsgefangenen, die Legion Klapka auf, aber weder sie noch in Bildung begriffene sozusagen patriotische Freischaren hinter den preußischen Linien kamen ins Feuer.
Der Kitt dieser Armee waren das Unteroffizierskorps, vor allem aber das etwa 9–10 000 Mann starke Offizierskorps. Die Aufnahme in dieses Korps, das erst unter Maria Theresia hoffähig geworden war, erfolgte in erster Linie aufgrund der Ernennung durch den Regimentsinhaber, der bis 1868 das Regiment in mancherlei Hinsicht als eine ihm zur lebenslänglichen Nutzung zustehende Domäne betrachtete. Sie erfolgte weiters durch Eintritt als Kadett auf eigene Kosten. Auch der von Erzherzog Carl 1805 verbotene Kauf von Offiziersstellen bestand unter der Hand weiter. Ebenfalls erst Erzherzog Carl legte fest, dass ein gewisser Prozentsatz der offenen Stellen vom Hofkriegsrat mit den aus der Militärakademie ausgemusterten Zöglingen zu besetzen sei. Bei den technischen Truppen und der Artillerie herrschten diesbezüglich andere Verhältnisse und, von der Technischen Militärakademie sowie anderen Spezialschulen ausgehend, ein weitaus höherer Bildungsstand: wenn sich die Offiziere der Hauptwaffengattungen dem Selbststudium – und nicht dem Pferdesport, dem Gesellschaftsleben und dem Glücksspiel in ihrer Freizeit hingaben.
Die Beförderungsverhältnisse waren ebenso denkbar schlecht wie die Bezahlung – durchaus im Unterschied zur einigermaßen ausreichenden Besoldung der Soldaten. Es gab unter den Offizieren keine Bevorzugung aus Gründen der Religion, der Nationalität oder des Standes, von der Aristokratie hie und da abgesehen.
Was die Herkunft der Offiziere innerhalb der Monarchie betrifft. So standen die Deutschösterreicher und Deutschböhmen an der Spitze, gefolgt von Ungarn, Tschechen, Südslawen und Italienern. Doch gab es einen nicht unbeträchtlichen Anteil an Offizieren ausländischer Herkunft. Nämlich solchen aus den deutschen Bundesstaaten, den italienischen Staaten, den Schweizer Kantonen, dann Franzosen, Wallonen, Engländer, Iren und Schotten. Sie alle erhielten gemäß dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch von 1811 die Staatsbürgerschaft bei Diensteintritt. Das Offizierskorps war und blieb unpolitisch, wenn man die absolute Treue und Hingabe zum Herrscher nicht als eine solche bezeichnen will.
Immer schlechter stand es ohne Zweifel mit der Kriegserfahrenheit und dann der Felddiensttauglichkeit von Offizieren und Mannschaften. Denn die rigorosen Sparmaßnahmen, die das Militärbudget von mehr als einem Drittel der Staatsausgaben im Jahre 1819 auf weniger als ein Vierteil 1847 sinken ließen, erlaubten – ausgenommen die Armee in Oberitalien – nur weniger Manöver oder auch nur Übungen im scharfen Schuss. Diese Misere wurde erst in den fünfziger Jahren einigermaßen abgestellt.
Die Verwaltung, weniger die Führung der Truppenkörper, wurde von 12 Generalkommanden und darüber vom Hofkriegsrat in Wien vorgenommen. Erzherzog Carl hatte vorgesehen, dass Exponenten eines speziell zu schulenden Generalquartiermeisterstabskorps in operativen und militärpolitischen Belangen einen designierten Armeeoberkommandanten beraten sollten. Doch einen solchen wollten Staatskanzler Fürst Metternich und seine Nachfolger keinesfalls um sich dulden – aus einem latenten Misstrauen heraus, dieser könnte in die Außen- oder gar in die Innenpolitik eingreifen. Der kaiserliche Generaladjutant, seit General Graf Clam-Martinitz zugleich Chef der Militärsektion des Staatsrates, war der nächste Berater von Kaiser und Außenminister. Nach 1848 waren es in gleicher Funktion die Chefs der kaiserlichen Militärkanzlei. Gewiss, 1848 nahmen drei herausragende kommandierende Generäle das Heft weitergehend in die Hand, die von Prag, Verona und Agram, um den Staat mit militärischen Mitteln zu konsolidieren. Aber in der Krise von 1859, als der erste Feldzug gegen eine Großmacht vor der Tür stand, hatte man dem vorgesehenen Oberkommandierenden genauso wenig Gelegenheit zum Einspruch oder zur Einarbeitung eines ihm zusagenden Stabes gegeben, wie dies dann 1855 bei der Nordarmee gegen Preußen der Fall sein würde. Der Generalquartiermeisterstab wurde in Friedenszeiten mehr für die Landesaufnahme und für militärgeographische Beschreibungen eingesetzt als zur Erstellung von operativen Konzepten oder Lagebeurteilungen.
Auf einem ganz anderen Gebiet waren der Hofkriegsrat beziehungsweise die Generalgeniedirektion durchaus aktiv, nämlich bei der Planung und beim Bau von Sperren im Gebirge, dem Festungsviereck in Oberitalien, den Küstenbefestigungen in Istrien, und beim Ausbau von Brückenköpfen an der Donau. Wie die Einführung des Perkussionsgewehres und des Raketengeschützes zeigte, waren die zuständigen Dienststellen waffentechnischen Neuerungen nicht so abgeneigt, wie man gemeinhin wegen des Zögerns bei der Einführung des Hinterladers annimmt.
Ab 1841 wurde die Bedeutung der Eisenbahn für militärische Transporte erkannt und beachtete, und dieses Mittel wurde 1850 beim Aufmarsch erstmals auch in größerem Maße herangezogen. Es erlangte 1866 dann bereits ausschlaggebende Bedeutung beim Vormarsch, beim Rückzug und beim Aufbau einer Donauverteidigung.
Gestatten Sie noch – nach der Feststellung jenes problematischen Mankos an Führungsgehilfen für einen Kriegsfall, eines Misstrauens, das der schottische Forscher Gordon Craig geradezu als den Ausfluss eines „Wallensteinkomplexes” der Dynastie hinstellt–, einige Hinweise auf die trotzdem vorhandene Gedankenarbeit innerhalb der Armee, auf diese zielen auf deren wohl bedeutendsten Exponenten in jenem Zeitraum, auf Generalissimus Erzherzog Carl Feldmarschall Graf Radetzky und Feldzeugmeister Freiherrn von Heß. Erzherzog Carl. stellte nach dem Ende des Kampfes gegen den Franzosenkaiser seine Kriegserfahrungen und Schlussfolgerungen in verschiedenen Werken heraus, in welchen er die Bedeutung rechtzeitiger Festlegung von Operationslinien, schneller Konzentration aller verfügbaren Truppen und den unbedingt zu erlangenden Zeitvorteil bei Operationsbeginn betonte. Ihm folgten Radetzky und Heß in manchen Teilen ihrer Schriften und Instruktionen. Während Heß als kühler Analytiker das österreichische Kaisertum, wie eine seiner wichtigsten Arbeiten lautete, gemäß „seiner Angriffs- und Vertheidigungskraft nach der Gestaltung des Terrains” beschrieb, hatte Radetzky die Möglichkeit sowohl als Feldherr wie vorher und nachher auch als pragmatisch denkender Verfasser von Memoranden beziehungsweise als Autor von Vorschriften für den Dienst im Felde zu wirken. Als er sich in Ödenburg/Sopron und in Olmütz/Olomouc über die Verteidigung und die Erhaltung der Großmachtstellung Österreichs äußerte, sah er den Staat vor allem von Russland bedroht. Er plädierte für die Erteilung einer Konstitution und noch 1828 für die Wiedererrichtung einer Landwehr, deren Angehörige als Besatzungen von Festungen zu verwenden wären, um eine angemessene Streitmacht an Linientruppen dahinter rechtzeitig konzentrieren zu können. Nach 1830 jedoch machte er sich über eine Intervention gegen die Revolution in Frankreich Gedanken, er erhielt die Gelegenheit, die Österreichische Armee in Oberitalien nach seinen Vorstellungen zu schulen und intensiv üben zu lassen sowie die Grundsätze für den Dienst im Felde niederzuschreiben; diese sollten 1845 für die ganze Armee zur verbindlichen Instruktion werden.
Tatsächlich sprang dann der revolutionäre Funke aus Frankreich im Frühjahr 1848 auf Österreich und Ungarn über, und Radetzky erhielt mit General Heß als seinem erbetenen Stabschef Gelegenheit, seine Grundsätze in zwei Feldzügen einer Bewährung zu unterziehen. Auch nach dieser Existenzkrise des Kaiserstaates setzte sich Radetzky in den fünfziger Jahren zugunsten der Kontrolle des Donautales vom wirtschaftlichen und militärischen Blickwinkel aus ein, wie dies in ähnlichen Gedankengängen auch István Széchenyi und Frantisek Palacký getan hatten. Er wies auf die Bedeutung der Gewinnung des Hinterlandes von Dalmatien hin. Dazu empfahl er noch an der Schwelle des Krimkrieges ein unbedingt anzustrebendes Einvernehmen mit Russland, auch um jeder Form des Panslawismus die Grundlage zu nehmen. Demgegenüber dem Erhalt der Stellung Österreichs in Italien wurde er zunehmend skeptisch, während er die Eskalierung der Rivalität gegenüber Preußen zum Krieg weder wünschte noch als bevorstehend annahm. Er sah sich an der Spitze einer Armee stehen, die einem patriarchalischen Kaisertum wie einer europäischen Ordnungsmacht diente.
Man kann gerade im Hinblick auf sein Zeitalter, das sich fast über siebzig Jahre erstreckte, die Worte Albert Sorels, des französischen Historikers der Revolution, wiederholen: „On a dit, que l’Autriche était toujours en retard, d’une idée et d’une armée, mais elle avait toujours une idée et toujours une armée: c’etait encore une de ses traditions est, c’est celle-là même qui lui a permis de soutenir les autres.” (d. h.: Man hat gesagt, dass Österreich immer im Rückstand mit einer Idee und mit einer Armee sei, aber es hatte immer eine Idee und immer eine Armee: auch das war eine seiner Traditionen und eben diese ist es, die es ihr gestattete, andere Traditionen zu erhalten.)
Begegnungen06_Bona
Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 6:47–55.
GÁBOR BONA
Die ungarische Honvéd-Armee im Jahre 1848/1849
Im Frühling 1848 brachen in ganz Europa Revolutionen und bewaffnete Aufstände aus.
Die revolutionäre Welle erreichte und überhäufte die aus vielen Nationalitäten bestehende Habsburger Monarchie, wo bürgerliche, bürgerlich-demokratische, nationale und sozialistische Losungen in deutscher, ungarischer Sprache, in den slawischen Sprachen, italienisch und rumänisch nebeneinander existierten.
Die Staatsmacht der Habsburger wurde in ihren Fundamenten erschüttert.
Der den absolutistisch-bürokratischen Staat verkörpernde Kanzler Metternich war gezwungen, zu gehen, die bunte Kavalkade, das Durcheinander hörte aber damit nicht auf. In den italienischen Provinzen war bereits ein bewaffneter Kampf zwischen den offen für die Einheit Italiens, für die Lostrennung von der Monarchie kämpfenden Aufständischen und den kaiserlichen Truppen im Gange.
Das Wiener Volk wurde zwar vorübergehend durch das Versprechen der Einführung der Verfassung beruhigt, in der Kaiserstadt erschien jedoch sofort die Deputation des ungarischen Landtages, welche die Gutheißung der die bürgerliche Umgestaltung sichernden Gesetzesvorlagen forderte.
Durch die allgemeine Situation war der Hof gezwungen, nachzugeben. Im April 1848 erhob Ferdinand V. – als ungarischer König – die bürgerliche Verfassung zur Gesetzeskraft und ernannte gleichzeitig die erste verantwortliche ungarische Regierung, welche die inneren Angelegenheiten des Landes vollkommen selbständig zu erledigen befugt war.
Die führende Kraft der ungarischen Revolution betrachtete die Revolution damit als beendet. Der liberale Adel ist zu seinem Ziel gelangt: die Habsburgermonarchie hat sich durch die April-Gesetze de facto zu einem Bipol-Reich umgewandelt.
Mehr noch, die Lostrennung Ungarns von der Monarchie wünschte derzeit, im Frühling 1848, die überwiegende Mehrheit noch nicht.
Auch Ungarns Bevölkerung bestand aber aus vielen Nationalitäten. Die Mehrheit der Einwohner, die nicht der ungarischen Nationalität angehörte, war mit den Veränderungen nicht zufrieden.
Die Serben, später auch die Rumänen und die Slowaken, stellten an die das Amt antretende ungarische Regierung nationale Forderungen. Sie wollten als politische Nation anerkannt werden und eine ebensolche oder ähnliche Stellung erreichen, welche sich die Ungarn der Monarchie gegenüber erkämpft hatten.
Aufgrund des historischen Rechts – „seit tausend Jahren existiert in Ungarn nur ein staatsbildendes Volk, das ungarische” – lehnte die ungarische Regierung diese Forderung ab.
Anfang Sommer 1848 manifestierten sich in Ungarn die Gegensätze in Form eines Bürgerkrieges. Zuerst griffen die Serben und die serbischen Grenzsoldaten der Militärgrenze zu den Waffen, um ein selbständiges, unmittelbar unter der Herrschaft des Kaisers stehendes Territorium, die Woiwodschaft, zu schaffen.
Um den Aufstand niederzuschlagen, beorderte die ungarische Regierung Militär. Das war durch den Umstand möglich, dass im Sinne der Aprilgesetze über den in Ungarn stationierenden Teil der kaiserlich-königlichen Armee der ungarische Kriegsminister disponierte.
Um die Linientruppen zu verstärken, traf die Regierung zwei wichtige Maßnahmen. Einerseits verordnete sie die Mobilisierung eines Teiles der Nationalgarde, die seit April nach dem Beispiel der Französischen Revolution organisiert war. Andererseits begann sie ein aus zehntausend Männern bestehendes Defensiv-Heer aufzustellen.
Diese, zwischen Ende Mai und Mitte Juli organisierten Bataillone bildeten die Basis der späteren Honvéd-Armee.
In Verbindung mit der Organisierung dieser Bataillone sind verhältnismäßig viele archivarische Dokumente erhalten geblieben. Aufgrund dieser ist es möglich, auch die Fragen zur Zusammensetzung dieser Truppenkörper zu beantworten.
Die Mannschaft bestand zu etwa 75 % aus Bauern – in erster Linie aus jenen Schichten, die mit dem modernen Wort Agrar-Proletariat gekennzeichnet werden könnten. Weitere 10–15 % bildeten die städtischen Besitzlosen. Schließlich betrug ähnlich 10–15 % das Verhältnis der Adeligen und der bürgerlichen Honoratioren. Was die nationale Zusammensetzung betrifft, so bestand die Mannschaft dieser Bataillone zu fast 90 % aus Ungarn. Die übrigen 10 % entstammten der deutschen und der slowakischen Minderheit. (Diese ersten Truppen wurden aus Freiwilligen und in Innerungarn, in von Ungarn bewohnten Gebieten rekrutiert.)
Die Offiziersstelle erreichten bei diesen Bataillonen ausschließlich ehemalige oder im Aktiv-Dienst stehende k. k. Offiziere beziehungsweise Kadetten und Unteroffiziere.
Sie waren fast alle in Ungarn gebürtig, mehr als 20 % von ihnen gehörten aber nicht der ungarischen Nationalität an. Fraglich ist, inwieweit der oben erwähnte Abriss allgemeingültig ist, wenn wir die ganze spätere Honvéd-Armee betrachten. Um auf die Frage eine richtige Antwort zu geben, müssen wir die Entwicklungsgeschichte der Armee kurz überblicken.
Bis zum Herbst 1848 wurde das kleine, aus 10 Bataillonen bestehende Honvéd-Heer kaum durch neue Teile ergänzt. Die Regierung stellte bloß eine Batterie auf, und in Siebenbürgen begann die Werbung vier neuer Bataillone.
Die Massenerrichtung der Honvéd-Truppenkörper begann erst im Oktober. Die Organisierung war bis Mitte Dezember verhältnismäßig ungestört. Es gab Kämpfe nach der Niederlage von Jellačić im September, nur am Rande des Landes, in Südungarn gegen die Serben, dann ab November in Siebenbürgen gegen die Rumänen. Das bedeutete, dass die Organisation im größten Teil Ungarns unter friedlichen Umständen verlief.
Jedes Komitat, jede Stadt musste eine bestimmte Zahl von Rekruten bereitstellen, und zwar je 127 Einwohner 2.
Nach der Bevölkerungszahl des Landes bedeutete dies theoretisch etwa 50 Tausend Rekruten. Das wirkliche Resultat der Rekrutierung belief sich aber auf 60 Tausend.
In Verbindung mit der Herbst-Musterung sind leider nur wenige Dokumente erhalten geblieben. Aufgrund dieser sowie der damaligen Presse, ferner späterer Erinnerungen können wir feststellen, dass die numerisch guten Resultate Ungleichmäßigkeiten decken.
Die absolute Mehrheit der neuen Soldaten entstammte der Bauerschaft. Logisch, machte doch diese Klasse mehr als 80 % der Bevölkerung des Landes aus. Die Lastenverteilung innerhalb der Bauernklasse jedoch war gar nicht gleichmäßig.
Die Verwaltungen befreiten sich bei den Rekrutierungen in erster Linie von den gesellschaftlich gefährlichen Elementen. Im Vergleich zu ihrer Verhältniszahl wurden so viel mehr Besitzlose als Besitzende für diensttauglich befunden, und das bezieht sich nicht nur auf die Dörfer, sondern auch auf die Städte.
Die Massenmobilisierung wurde durch gesellschaftliche und nationalistische Schlagwörter unterstützt. „Man muss verhindern, dass der Wiener Hof die altertümliche Leibeigenschaft und das absolutistisch-bürokratische Regierungssystem wiederherstelle” – verlautete einerseits. „Wir müssen unser Vaterland beschützen, das Vaterland, welches die Slawen und die Rumänen untereinander aufteilen wollen!” Das ist der Augenblick, da die nationalistische Idee in die ungarische Gemeingesinnung tief eingedrungen ist.
Die Wahrheit dieser Losungen erfasste am ehesten die junge ungarische Intelligenz – die Generation der Juristen, Studenten, junger Advokaten, Ingenieure, Beamten, Theologen usw.
Diese gesellschaftlichen Schichten, die gemäß dem Geist des Zeitalters die Bücher über die Französische Revolution lasen, haben vor 1848 die Liberalen aktiv unterstützt. Sie waren es, die am 15. März die Revolution in Pest-Buda ausführten. Und sie waren die ersten, die sich schon im Mai unter die Honvéd-Fahne stellten. Ab Oktober meldeten sich dann Tausende aus diesen Gesellschaftsschichten freiwillig zum Dienst in der Honvéd-Armee.
Ihr Schicksal war so abwechslungsreich. wie die damalige ungarische Geschichte. Ein bedeutender Teil von Ihnen wurde während des Freiheitskampfes zum Offizier, stufenweise zum Leutnant, Oberleutnant eventuell zum Hauptmann befördert. Nach dem Krieg traf sie die Rache: mehrere Jahre Zwangsdienst als Gemeiner Soldat in der k. k. Armee. Es erwartete sie nach dem Abschied das große Nichts, die allgemeine Unterdrückung, Arbeitslosigkeit, in besserem Falle ein geringes Amt mit niedrigem Lohn. Dann kam 1867, der Ausgleich. Nun war diese Generation an einem Scheidepunkt angelangt, wo sich ihr Weg verzweigte. Die Mehrheit nahm den Ausgleich an, obwohl sie im Jahre 1849 noch die Unabhängigkeitserklärung von Kossuth begeistert hatte. Doch der Misserfolg des Freiheitskampfes sowie ihr eigenes Schicksal überzeugte sie davon, dass dieser Kompromiss im Interesse des Landes liegt. Durch die Annahme des Ausgleiches öffneten sich auch ihnen neue Perspektiven. Nach 1867 spielten diese einstigen Honvéd-Offiziere im Bereich der Politik, des Gesellschaftslebens usw. eine wichtige Rolle.
Die im Laufe des Oktobers beginnende Rekrutierung wurde permanent bis zum Ende des Freiheitskampfes fortgesetzt. Die Honvéd-Armee erreichte Mitte Juli ihre größte Zahl, was 170 Tausend Soldaten bedeutete. Damit hat sich auch die nationale Zusammensetzung der Armee wesentlich verändert. In dieser Hinsicht haben wir leider nur fragmentarische Angaben. Aufgrund der letzteren zeigt die Zusammensetzung der Honvéd-Armee nachfolgendes Bild:
Slowaken: etwa 30 Tausend 15 %, Rumänen: etwa 30 Tausend 15 %, Deutsche: etwa 20 Tausend 10 %, Ruthenen: etwa 5 Tausend, 2,5 %, Polen: etwa 4 Tausend 2 %, Italiener: etwa 1,6 Tausend 0,8 % – als die wichtigsten. (Während des Freiheitskampfes dienten etwa 200 Tausend Soldaten zusammen, aber nie gleichzeitig in der Honvéd-Armee. Diese Zahl bildet also die Basis des obigen Vergleiches.)
Diese geschätzten, aber der Wirklichkeit sicherlich nahestehenden Daten werfen wieder neue Fragen auf. So zum Beispiel: was ist die Ursache dessen, dass die Slowaken in Hinsicht auf ihre Bevölkerungszahl mehr Soldaten für den ungarischen Freiheitskampf gaben, als die Ungarn? Weil die mit der Rekrutierung beauftragten ungarischen Komitatsbeamten ihre Aufgabe mit Gewalt ausführten? Solche Fälle sind auch bekannt. Wie aber erklären wir dann den Fakt, dass das Komitat Árva, ein fast ausschließlich von Slowaken bewohntes Gebiet, im Jänner 1849 seine Rekruten nach Debrezin schickte, wo doch, wenn es das Komitat nicht tut, die große Entfernung und die Annäherung der kaiserlichen Truppen genügend Ausflüchte sichern.
Ähnliche gegensätzliche Momente kann man im Falle aller anderer in Ungarn lebender Völkergruppen beobachten, einschließlich der Ungarn.
Jetzt kehren wir zum Oktober 1848 zurück. Da muss man einen Moment unbedingt hervorheben. Im Laufe des November haben sich 23 Bataillone, 9 Husarenregimenter und 2 Grenzinfanterie-Regimente der k. k. Armee den Honvéds angeschlossen.
Darunter auch etwa 1500 Berufsoffiziere, die die Honvéd-Armee organisiert und später geleitet haben.
Dieser Massenanschluss jedenfalls ist interessant und bedarf einer Erklärung.
Diese Frage kann in Kenntnis der Situation, der inneren Verhältnisse der österreichischen Armee beantwortet werden. Hier muss in erster Linie die innere soziale Spannung erwähnt werden, die für die Armee nach den napoleonischen Kriegen bis 1848/49 so charakteristisch war.
Zwischen 1812 und 1848 nahm Österreich an keinem ernsthaften europäischen Krieg teil. Während der längeren Friedensperioden erfolgen die Beförderungen im Allgemeinen seltener und der Lebensstandard der Armee bleibt auf einem minimalen Niveau. Das war in Österreich ebenso der Fall, wo diese Situation auch Folge finanzieller Umstände – Verschuldung während der napoleonischen Kriege – war. In dieser Periode – 1820-er, 1830-er, 1840-er Jahre – nahm das Interesse für die Offizierslaufbahn sprunghaft zu. In der ganzen Monarchie erschienen neue, junge Generationen, die ihren Platz nicht fanden. Das waren die Kinder des infolge der Industrialisierung zustande gekommenen und immer kräftiger werdenden Bürgertums, die gebildeten Honoratioren. Andererseits meldete sich die aus mehreren Tausenden Mitgliedern bestehende junge Generation des Klein- und des deklassierten Mitteladels, in erster Linie in Ungarn, wo der Anteil des Adels an der Gesamtbevölkerung, ähnlich wie in Polen, den europäischen Durchschnitt weit überstieg. Für diese Schichten der Mittelklasse – zumindest für ihre Mehrheit – konnten die traditionellen feudalen Verhältnisse keine ihrer Abstammung und Ausbildung entsprechende Existenz sichern. Die Aufnahmefähigkeit der staatlichen – fiskalischen und administrativen – Berufe und die der Privatbeamten war ebenso beschränkt wie die jener zwei Laufbahnen: Priester und Offizier. Die sich im Laufe der bürgerlichen Entwicklung eröffnenden neuen Möglichkeiten – Advokat, Ingenieur, Lehrer, freischaffende Intelligenz – waren vorläufig noch begrenzt, sie wurden erst 1848/49, nach dem Sieg der bürgerlichen Revolution, erweitert. Die Fabrikindustrie, die Eisenbahnen, Banken, die großen Bauarbeiten und die Einführung des allgemeinen Volksunterrichts boten für Beamte, Produktionslenker, Pädagogen gewisse Möglichkeiten. Das ergab sich aber erst später, die gegenwärtige Studie behandelt die österreichische Armee der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Regimenter füllten sich mit Kadetten, die auf den Offiziersrang und das mit ihm verbundene bescheidene Gehalt Jahre, manchmal Jahrzehnte lang, oft vergeblich warteten. Und für jeden neuen Dienstgrad mussten sie lange Jahre hindurch tadellos dienen. Ihr ganzes Leben war von strengen – manchmal finanziell sogar unerfüllbaren Vorschriften umgrenzt. Es genügt hier, die zwei wichtigsten unter den sich auf die Verheiratung beziehenden zu erwähnen. Die erste war die Vorschrift, laut der in einem Regiment nur ein Drittel des Offizierskorps verheiratet sein durfte, die zweite betraf die viele Tragödien verursachende Kaution.
Am Vorabend der Revolution von 1848 herrschte im Offizierskorps der k. k. Armee – wie bereits erwähnt in erster Linie unter den jüngeren Offizieren – von der nationalen Zugehörigkeit unabhängig eine Spannung, der Anspruch dessen war fühlbar, dass die Verhältnisse innerhalb der Armee reformiert werden müssen.
Trotz dieser Spannung war aber die ausschlaggebende Mehrheit des aus vielen Nationalitäten bestehenden Offizierskorps auch weiterhin ergebener Anhänger der Habsburger Herrscherfamilie. Anders konnte das auch nicht sein, da diese Offiziere meistens selbst Söhne von k. k. Offizieren waren und so eine dynastietreue Mentalität mit sich brachten. An den Militärschulen, wo ihnen über den Beruf hinaus in erster Linie die Geschichte der Habsburger Herrscherfamilie und Treue beigebracht worden war, erwarben sie eine ähnliche Mentalität. Die Person des Herrschers, des Kaisers, war auch vor denjenigen sakrosankt, die wegen der sozialen Probleme unzufrieden waren. Wegen dieser Probleme wurde nicht der Kaiser, sondern die Regierung beschuldigt. Und obwohl die zwei grundlegenden Gedanken der Epoche, die bürgerliche und nationale Ideologie, selbst die Armee nicht verschonten, konnten sie sich im Offizierskorps vor 1848 kaum Bahn brechen.
In den 1830-er, 40-er Jahren wurden innerhalb der Armee einige kleinere revolutionäre – polnische, panslawistische und italienische – Organisationen enthüllt, an ihnen waren aber bloß einige Dutzende junge Offiziere beteiligt.
Aufgrund des Gesagten kann also festgestellt werden, dass die Existenzbedingungen eine ausschlaggebende Rolle dabei spielten, dass im Mai 1848 mehrere Hunderte aktive k. k. Offiziere um Versetzung in die sich gestaltende ungarische Armee baten. Eigentlich gestaltete sich mit Einwilligung des Herrschers unter der Oberhoheit der ungarischen Regierung eine neue Armee, in welche sie – eine höhere Rangstufe bekleidend und mit einem viel höheren Gehalt – mit Erlaubnis des Wiener Kriegsministeriums hinübertreten konnten. Das Beispiel war übrigens nicht alleinstehend, da sich gerade zu dieser Zeit in Wien und überall in Österreich freiwillige Schützenbataillone gestalteten, deren Offiziere früher ebenfalls in der k. k. Armee gedient hatten. Die in die Honvéd-Truppen übertretenden Offiziere dachten wahrscheinlich, der Unterschied würde bloß in der Person des Feindes bestehen: während die früheren sich auf dem italienischen Kriegsschauplatz auszeichnen und avancieren können, werden sie den auch vom Hof als Aufruhr qualifizierten serbischen Aufstand niederschlagen.
Nach einigen Monaten gestaltete sich die politische Situation völlig anders. Der italienische Aufstand wurde von Radetzky, die Prager Revolution von Windisch-Grätz unterdrückt. Den Sieg der Konterrevolution wollte der Wiener Hof dazu verwenden, die im April erworbenen Rechte Ungarns zu schmälern. Selbst für den Hof war klar, dass die Abschaffung des feudalen Systems bereits endgültig war. Die verhältnismäßig umfassenden bürgerlichen Freiheitsrechte und die weitgehende Unabhängigkeit Ungarns wollte er jedoch begrenzen. Um das restlos, nach der eigenen Konzeption verwirklichen zu können, entschloss sich der Hof zu einem militärischen Schritt. Von der die tatsächliche Macht ausübenden Kamarilla – von der aus den Erzherzogen des Herrscherhauses, aus den leitenden Generälen und Beamten bestehenden Junta – wurde Jellačić, der Banus von Kroatien, beauftragt, mit den zur Verfügung stehenden Truppen nach Ungarn einzudringen und die Herrschaft der „revolutionären Partei” abzuschaffen.
Mitte September überschritt Jellačić an der Spitze von ungefähr 40 000 Soldaten des in Kroatien stationierten Teiles der k. k. Armee die ungarische Grenze. Die ungarische Regierung schickte gegen ihn kaiserlich-königliche Truppen, 2 Honvéd-Bataillone und Nationalgardeeinheiten. So kam die eigenartige Situation zustande, dass kaiserlich-königliche Truppen gegen kaiserlich-königliche Truppen, die Offiziere derselben Monarchie gegeneinander kämpften. Am 29. September erfolgte die Schlacht bei Pákozd, die mit der Niederlage von Jellačić endete.
Die im ungarischen Lager befindlichen Offiziere standen zu dieser Zeit bereits seit fast einem halbem Jahr unter der Oberhoheit des ungarischen Kriegsministers, leisteten auf die ungarische Verfassung ihren Eid und erfüllten ihre Pflicht nach bestem Wissen: sie kämpften gegen die serbischen Aufständischen und gegen Jellačić. Sie wurden verwundet, erwarben Auszeichnungen, nach langen Jahren konnten sie schließlich auf der Dienstleiter avancieren. sie glaubten, dass sie die Rechte des Herrschers und Ungarns verteidigen werden. Meistens waren sie apolitische Soldaten und ahnten nicht, dass das Wiener Kriegsministerium Jellačić und die serbischen Aufständischen im geheimen seit Monaten mit Geld und Ausrüstung unterstützte. Um eindeutig zu formulieren – der einfache, naive ehrliche Soldat konnte sich nicht vorstellen, dass ein solches niederträchtiges Spiel in der Politik möglich war. Während eines halben Jahres bis Oktober gestaltete sich ein Waffenbruderverhältnis zwischen ihnen und den Offizieren der unterschiedlichen ungarischen Nationalgardisten-, Honved- und Freiwilligentruppen, da größtenteils auch diese ehemalige k. k. Offiziere waren. Gleichzeitig verachteten und hassten sie den Feind, besonders die serbischen Freiwilligen, die auch die Zivilbevölkerung brutal behandelten. Und nach alldem entriss ihnen eine kaiserliche Proklamation die Fahne mit dem Doppeladler, es stellte sich heraus, dass der Feind für die Rechte des Herrschers kämpfte, und sie der Fahne folgend in das Lager des Feindes von gestern und des gegenwärtigen Verbündeten hinübertreten müssen, was mit der Ehre schwer vereinbar war. Hätten die Ereignisse in Ungarn eine ernsthafte Wendung nach links gemacht, hätten die Offiziere diesen Befehl klaglos befolgt. Auf dem ungarischen Landtag war aber nicht von Dethronisation, von Republik, von Lostrennung von der Monarchie die Rede. Selbst Kossuth beschuldigte wegen des Konfliktes nicht den Herrscher, sondern die Kamarilla.
Für den Entschluss der bei der Honvéd-Armee bleibenden Offiziere konnte auch das Verhalten der Führer eine Rolle gespielt haben. Selbst der ungarische Kriegsminister, Generalmajor Lázár Mészáros, blieb nach der Wendung im Oktober auch weiterhin im Dienst, so auch zwei von den vier Kommandanten des Generalkommandos von Ungarn und zahlreiche Divisions-, Brigade- und Truppenkommandanten.
Die in der Politik weniger Bewanderten wurden auch durch andere Umstände irregeführt, wie zum Beispiel dadurch, dass Mitte Oktober der Herrscher an den „Lieben ungarischen Kriegsminister” noch Reskripte ergehen ließ, ihn damit als legal anerkennend. Die ungarische Presse veröffentlichte selbstverständlich gleich den Brief des Herrschers, da ja wenn Mészáros „legal” ist, es die gesamte ungarische Regierung ebenfalls ist. Aus diesen und ähnlichen Zeichen konnten sie den Schluss ziehen, ein friedliches Übereinkommen sei immer noch möglich. Dann hat es aber keinen Sinn, die durch die in der ungarischen Honvéd-Armee eingenommene Position gewährte Sicherheit aufzugeben.
Die Organisierung der Honvéd-Armee eröffnete für sie neue Perspektiven.
Die ungarische Honvéd-Armee war also auf regulärer Grundlage organisiert und wurde von ehemaligen kaiserlich-königlichen Offizieren geleitet. Das Problem der Fachkenntnisse, das sich bei der Organisierung jeder neuen revolutionären Armee meldet, löste sich 1848 in Ungarn günstig. Allgemein bekannte These ist auch, dass jede für neue gesellschaftliche oder nationale Ziele kämpfende Armee damit rechnen muss, dass die Offiziere der ehemaligen Armee – deren Fachkenntnisse für sie unentbehrlich sind – ihre Auffassungen, Ansichten nur stufenweise verändern werden. Um konkret zu formulieren: die ungarische Revolution wurde von den Schichten des ungarischen liberalen Mitteladels geleitet. Ihr Ziel, die bürgerliche Umgestaltung mit dem möglichst geringsten finanziellen und Machtverlust des Adels und innere Unabhängigkeit Ungarns innerhalb der Monarchie, erreichten sie im Wesentlichen mit den Aprilgesetzen. Die Mehrheit war damit zufrieden, beharrte aber steif darauf. Den mit dem Angriff von Jellačić im September, dann von Windisch-Grätz im Dezember begonnenen Kampf betrachteten sie nicht als Revolution oder Freiheitskampf, sondern als Notwehrkampf für die bereits vorhandenen Errungenschaften. Sie nahmen den Fehdehandschuh auf und wollten siegen, nicht aber, um sich nach dem Sieg von der Monarchie loszutrennen, sondern um den Hof dazu zu veranlassen, die Aprilgesetze endgültig und unwiderruflich anzuerkennen. Mit dieser Auffassung konnten sich die ehemaligen k. k. Offiziere leicht identifizieren.
Die Probleme zeigten sich, als es so schien, dass der revolutionäre linke Flügel die Oberhand gewinnen wird. Nach dem Angriff von Windisch-Grätz vermehrten sich in der Presse und auf den Volksversammlungen die Losungen, die weitere soziale Reformen, die Dethronisation der Habsburger, eine Republik und die völlige Lostrennung von der Monarchie forderten. Für die aufgrund ihrer Erziehung und ihres Vorlebens dynastiegetreuen ehemaligen k. k. Offiziere waren diese Losungen abschreckend. Die Angst vor einer eventuellen Wendung nach links und die anfängliche militärische Erfolgslosigkeit bewirkten schließlich, dass Ende Dezember 1848, Anfang Januar 1849 ein Drittel der ehemaligen kaiserlichen Offiziere der Honvéd-Armee, ungefähr 500 Mann, die Armee verließ. Um die weiteren Schritte, die eine unvermeidliche Auflösung der Armee herbeigeführt hätten, zu vermeiden, war General Görgey, Oberbefehlshaber der ungarischen Hauptarmee, schließlich gezwungen, einen Tagesbefehl zu erlassen. Um seine Offiziere zu beruhigen, erörterte er in diesem Befehl die Berechtigung des ungarischen Notwehrkampfes, andererseits stellte er sich steif jeder darüber hinausgehenden „unreifen republikanischen” Bestrebung entgegen.
Vorwiegend dem war es zu verdanken, dass die 1000 ehemaligen k. k. Berufsoffiziere, die in der Honvéd-Armee dienten, dem Freiheitskampf bereits bis zum Ende treu blieben.
Es ist kein terminologisches Durcheinander, wenn hier statt Notwehrkampf Freiheitskampf erwähnt wird. Die oktroyierte Olmützer Verfassung vom März 1849 bedeutete im Vergleich zu der Situation vor 1848 einen Rücktritt, diese Verfassung wollte Ungarn auf das Niveau der Provinz der einheitlichen und unteilbaren Gesamtmonarchie senken, diese Verfassung beantwortete der ungarische Landtag mit der Dethronisation der Habsburger und der Proklamation der Unabhängigkeit des Landes. Der aus Notwehr geführte Kampf wurde also zum Unabhängigkeitskampf. Nicht nur die Revolution verlor dadurch die bisher betonte „Legalität”, auch der aus der k. k. Armee stammende Teil des Offizierskorps die Rechtsgrundlage. Der auf den Herrscher und die ungarische Verfassung geleistete Eid war endgültig zweigetrennt, war einander gegenübergestellt. Die innere Logik der Ereignisse, die „Zeiten der seelischen Wandlung” veränderten die Auffassung dieser Offiziere, als ob einige Jahrzehnte vergangen wären. Die Mehrzahl konnte sich aber mit der Dethronisation nicht abfinden. In der extrem zugespitzten Situation gab es für sie keine andere Möglichkeit, als den Kampf fortzusetzen.
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Es ist eine klassische Feststellung, dass im Frühling 1849 auf dem ungarischen Kriegsschauplatz „das alte Österreich von dem jungen Österreich niedergeschlagen wurde”. Teils ist diese These wahr, teils nicht. Wahr ist sie insofern, dass die kaiserlichen Truppen von älteren, 60–70 Jahre alten, die ungarischen dagegen von jüngeren, 20–30, eventuell 40 Jahre alten Generälen, ehemaligen kaiserlich-königlichen Offizieren geleitet wurden. Es ist aber auch wahr, dass sich die letzteren in ihrer Auffassung, ihren politischen Ansichten von den Prinzipien der Offiziere der kaiserlichen Armee bereits entfernten. Sie wurden keine Revolutionäre – von einigen Ausnahmen abgesehen. Der Umstand aber, dass sie sich auf die Seite einer für revolutionäre Ziele kämpfenden Armee stellten, hatte gewisse Folgen.
Begegnungen06_Balla
Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 6:75–78.
TIBOR BALLA
Die Organisation der Honvéd-Artillerie in den Jahren 1912–1914
Die Geschichte dieser Waffengattung erforschte ich nur bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Ihre Tätigkeit während des Krieges erfordert noch weitere vertiefte Forschungen.
Wir müssen kurz die Vorgeschichte der Aufstellung dieser Artillerie zusammenfassen.
Im Jahre 1867 entstand als Ergebnis des Ausgleiches die Österreichisch- Ungarische Monarchie. Im Rahmen der Reformierung des Heerwesens der Donaumonarchie wurde ein Jahr später die königlich ungarische Landwehr aufgestellt. Die Honvéd verfügte nur über zwei Waffengattungen – Infanterie und Kavallerie. Deshalb blieb im ungarischen Abgeordnetenhaus noch jahrzehntelang ständig auf der Tagesordnung jener Wunsch nach der Aufstellung der Artillerie erhalten. Da die Honvéd-Artillerie bis 1912/13 nicht bestand, war die Kriegsleitung bestrebt, diesen Mangel so zu beheben, dass die Artillerietruppen des gemeinsamen Heeres – in welche selbstverständlich auch ungarische heimatberechtigte Militärpflichtige assentiert wurden – im Frieden beziehungsweise auch im Falle der Mobilisierung bei einem Kriegskonflikt den Honvéd- Einheiten zugeteilt wurden.
Das Bestehen der im Rahmen der Königlich-Ungarischen Landwehr im Jahre 1872 aufgestellten /Mitrailleuse/ Abteilungen, die prinzipiell die Artillerie ersetzten und ihre Abschaffung nach drei Jahren änderte an der bestehenden Lage nichts.
Man kann in den Schriftstücken von 1912 viele sogenannte Aufstellungspläne in deutscher und in ungarischer Sprache auffinden. Charakteristisch für jene ist, dass diese mit der aktiven Mitwirkung des kaiserlichen und königlichen Heeres rechnen.
Auch die Kriegsereignisse auf dem Balkan zwangen die Kriegsführung der Donaumonarchie zum baldigen, beschleunigten Beginn der Aufstellung.
Kaiser Franz Josef genehmigte am 30. November 1912 das Dokument Allgemeine Anordnungen betreffs Aufstellung der königlich ungarischen Honvéd-Artillerie. Auf Grund der darin festgelegten Prinzipien geschah die Aufstellung der Einheiten der Artillerie. Das ging folgendermaßen vor sich: die aus Ungarn ergänzten Regimenter (die 10–21. und die 34–39. Feldkanonen- sowie die 4–7. und die 12–13. Feldhaubitzregimenter) der k. u. k. Artillerie – Brigadekommandanten des 4., 5., 6., 7., 12., 13. Armeekorps – stellten im Januar 1913 die Stäbe der Formationen, die Batterien und andere Teile der Truppenkörper wurden aber erst im Februar aufgestellt. Im Allgemeinen 23 gemeinsame Artillerieregimenter organisierte eine Honvéd-Einheit. Zum Beispiel das 1. Budapester Honvéd-Feldkanonenregiment stellten die 10., 11., 12. Kanonenregimenter des Budapester 4. Armeekorps – dessen Gebiet mit dem 1. Honvéd-Distrikt gleich war – auf. Nach jahrzehntelangem Pläneschmieden konnte endlich am 1. März 1913 die königlich ungarische Honvéd-Artillerie zustande kommen.
Es wurden 1913 2 Feldkanonenregimenter (das 1. und das 8.) mit je 5 Batterien sowie 8 selbständige Feldkanonendivisionen mit je 2 Batterien organisiert, das bedeutete insgesamt 26 Batterien.
Das Honvéd-Feldkanonenregiment bestand im Frieden aus dem Regimentsstab, aus zwei Divisionsstäben, aus bei den Divisionen befindlichen zwei Wirtschaftsämtern, aus den Batterien, aus dem Munitionsparkkader, aus dem Ersatzkader und aus der zu dessen Matrikelstand gehörenden Materialverwaltungskommission.
Die selbständige Kanonendivision gliederte sich in den Divisionsstab, in zwei Batterien sowie in den vereinigten Munitionspark- und Ersatzkader.
Die Wirtschaftsämter sorgten für die Materialversorgung und versahen finanzielle Obliegenheiten. Die Materialverwaltungskommissionen versahen die Evidenzführung und den Ersatz des Artillerie- sowie Trainmaterials.
Diese Organisation unterschied sich in einem eventuellen Krieg von den vorangehenden darin, dass die Einheit ein Munitionsparkkommando – das bedeutete 4 Infanterie- und 4 Kanonenmunitionskolonnen – sowie eine Ersatzabteilung und eine Ersatzbatterie aufstellen musste. Die Ersatzformationen blieben zurück und waren befugt, den Verlust zu ersetzen, die nötigen neuen Truppenkörper zustande zu bringen.
Kaum standen die Einheiten der Honvéd-Artillerie auf, war ihre weitere Vermehrung, Erweiterung bereits auf der Tagesordnung. Der Herrscher genehmigte am 25. August 1913 den Plan, am 1. April 1914 neue Honvéd-Artillerietruppen aufzustellen. Die Durchführung der Umorganisierung geschah folgenderweise: im November/Dezember 1913 konstituierten die Stäbe die neuen Feldkanonenregimenter Nummer 2–7. und die 1. Reitende Artilleriedivision. Im Rahmen der Honvéd-Artillerie wurde das 7. Feldkanonenregiment von den 1. und 2. Feldkanonendivisionen, das 4. Kanonenregiment von den 3. und 4. Kanonendivisionen, das 5. Kanonenregiment von den 5. und 6. Divisionen, das 6. Kanonenregiment von den 7. und 8. Divisionen, mittels der aus den einzelnen Kanonendivisionen abziehenden Batterien und Aufrüstung der 2. beziehungsweise 3. Kanonenregimenter aufgestellt. Die reitende Kanonendivision wurde von den k. u. k. 6. und 7. reitenden Artilleriedivisionen (Standort Miskolc und Kisszentmiklós) zustande gebracht.
Zwei von den Regimentern verfügten nur über 3 Batterien, ein Regiment über 5, die anderen über 4 Batterien mit je 6 Geschützen. Die reitende Kanonendivision hatte bloß 3 Batterien mit je 4 Geschützen.
Die reitende Artilleriedivision bestand aus einem selbständigen Divisionsstab, aus dem Wirtschaftsamt der Division, aus den Batterien sowie aus dem Munitionspark- und Ersatzkader.
Die organisatorische Gliederung der Honvéd-Artillerietruppen war gleich mit den Artillerieformationen der k. u. k. Armee. Die Kriegsleitung führte bei der Honvéd die 8 cm Feldkanone Muster 5 ein. Es war natürlich ein Rohrrücklaufgeschütz.
Die Honvéd-Artillerieformationen waren taktisch den im Friedens Ordre de Batallie vorgesetzten Honvéd-Distrikt- bzw. Infanterie- oder Kavalleriedivision-Kommandanturen, hinsichtlich der Ökonomie-Verwaltung, der Ergänzung, der Unterbringung und der Mobilisierung dem Distriktkommando, hinsichtlich der Ausbildung und der Artilleriematerial-Verwaltung dem Honvéd-Artillerieinspektor unterstellt. Die Distrikt- und die Divisionskommandanten konnten die Ausbildung und die militärische Verwaltung der zugeteilten Artillerietruppen inspizieren.
Direkter Vorgesetzter der Honvéd-Artillerie war der im Oktober 1912 ernannte k. u. k. Generalmajor Ernst Kárász, Honvéd-Artillerieinspektor, der bis 1917 diesen Posten einnahm. Im Stand des Inspektorats waren 1913 zwei Offiziere u (ten. Der Inspektor war dienstlich dem Honvéd-Oberbefehlshaber (zwischen 1905–12 Vilmos Klobucar General der Kavallerie, von 1913 Franz Rohr, General der Kavallerie) beziehungsweise durch ihn dem Landesverteidigungsminister (Baron Samuel Hazai) unterstellt. Er musste den Personalstand, die Ausrüstung, die Ausbildung der Honvéd-Artillerie inspizieren, außerdem hatte er Inspizierungsrecht über die Truppenkörper, Equitationen, über das Honvéd-Zentralwaffendepot, über die Artillerieklasse der Ludovika Akademie. Während der jedes Jahr gehaltenen Inspizierungen überzeugte er sich von der fortlaufenden theoretischen und praktischen Ausbildung der Offiziere und der Mannschaft sowie von der Kriegsverwendbarkeit der Pferde und der Artilleriematerialen der Truppenkörper. Über die Unvollkommenheiten und die Ergebnisse der Inspizierungen musste er seinem Vorgesetzten eine Meldung schreiben. Er sollte sogar an jeder Übung der Artillerie teilnehmen, auch die Begutachtung des Personalstandes abwickeln.
Der Friedensstand einer Honvéd-Feldkanonenbatterie im Jahre 1913/14 betrug 104, der Honvéd reitenden Kanonenbatterie 111 Soldaten. In Russland zählte eine Batterie 184 bzw. 180, in Frankreich 113 beziehungsweise 178, in Deutschland 128 und 141 Menschen.
Die Honvéd-Kanonenbatterie verfügte zur gleichen Zeit über 48 Pferde und 6 Geschütze, die reitende Kanonenbatterie über 106 Pferde und 4 Geschütze, eine deutsche Batterie über 75 Pferde und 6 Geschütze, die russische Batterie über 49 Pferde und 8 Geschütze.
Zum Kriegsstand einer Honvéd-Feldkanonenbatterie gehörten 1914 6 Offiziere, 1 Fähnrich, 167 Soldaten, 137 Pferde, 6 Geschütze, 13 Fuhrwerke, zu einer reitenden Batterie 5 Offiziere, 1 Fähnrich, 170 Menschen, 178 Pferde, 4 Geschütze und 11 Fuhrwerke.
Ende Juli 1914 konnte die Führung der Honvéd-Artillerie in 34 Batterien 198 Geschütze aufstellen. Die kaiserlich königliche Landwehr hatte insgesamt 32 Batterien. Gemäß meiner Forschungen verfügte die Österreich-Ungarische Monarchie zu Beginn des Weltkrieges gemeinsam mit der Honvéd-Artillerie über 441 Feld- und Gebirgsbatterien sowie 23 ganze und ein halbes Bataillon Festungsartillerie. Das bedeutete insgesamt 2840 Geschütze.
Im Sommer 1914 hatte jede Division des Heeres der Donaumonarchie ein Regiment mit einer Artilleriebrigade inbegriffen, die aus drei (2 Kanonen- und 1 Haubitz-) Divisionen bestand, jeweils mit 8 Batterien mit je 6 Geschützen, das bedeutete 48 Geschütze. Die dem Armeekorps direkt unterstellte Artillerie bildete eine 15 cm Schwerhaubitzdivision in zwei Batterien mit je 8 Geschützen, so hatte das Korps 104 Geschütze. Davon waren 60 Stücke leichte 76 mm Feldkanonen.
In Deutschland gehörten einer Artilleriebrigade 2 Regimenter mit 4 Divisionen an, diese bestanden aus 12 Batterien mit je 6 Geschützen, so hatte die Infanteriedivision 72, das Armeekorps 160 Geschütze. Das Korps verfügte über 52 Haubitzen mit mittelgroßem und großem Kaliber.
In Frankreich bestand das der Infanteriedivision unterstellte Artillerieregiment aus 3 Divisionen, gebildet von 9 Batterien mit je 4 Geschützen, das heißt 36 Leichtkanonen, sowie Artilleriekraft in der direkten Unterordnung des Armeekorps mit 48 Mittel- und Schwergeschützen. Es standen dem Kommandanten somit insgesamt 120 Artilleriewerkzeuge zur Verfügung.
In Russland hatte die Artilleriebrigade der Infanteriedivision ein Regiment mit 2 Divisionen, diese hatten 6 Batterien mit je 8 Geschützen. Die Zahl der Geschütze lag ebenso hoch wie bei den Divisionen der Monarchie. Das russische Armeekorps verfügte über 112 Geschütze, davon waren nur 16 Schwerhaubitzen, weil die Divisionen nur mit leichten Geschützen bewaffnet waren.
Da im August 1914 die Zahl der Soldaten und die Anzahl der Geschütze bei der Honvéd-Artillerie gleicherweise gering waren, reichte auch ihre Feuerkraft nicht aus. Die Kriegsleitung der Österreichisch-Ungarischen Monarchie war gezwungen, den Honvéd-Infanteriedivisionen 29 k. u. k. Feldkanonenbatterien zuzuteilen. Jeden Infanteriedivisionen gehörten mit deren Nummerierung abgestimmte Feldartillerie – Brigadekommanden an. Jede Brigade bestand aus einem königlich ungarischen Kanonenregiment und 12 gemeinsamen Kanonendivisionen, also aus 69 Batterien.
Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges unterbrach die friedliche Entwicklung der Honvéd-Artillerie und öffnete zugleich ein neues Kapitel im Leben dieser Waffengattung.