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Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 6:123–126.

ARNOLD SUPPAN

Richard Georg Plaschka als Promotor der wissenschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Österreich und Ungarn

 

„Die Internationalität der Wissenschaft ist heute keine fakultative Frage mehr, sondern ein aus dem Selbstverständnis moderner Wissenschaft abgeleitetes Postulat; sie ist wissenschaftsimmanent.” Mit diesem bedenkenswerten Satz leitete Richard G. Plaschka seinen Tätigkeitsbericht über „30 Jahre Österreichisches Ost- und Südosteuropa-Institut” ein, den er im Sommer 1988 nach 30jähriger Führung des Instituts der internationalen Fachwelt vorlegte. Und Professor Plaschka verband die notwendige Internationalität der Wissenschaft auch mit der Notwendigkeit des Aufbaues eines Netzes wissenschaftlicher Beziehungen, für den internationalen Wettbewerb, für Bestätigung und Kritik über nationale Grenzen hinweg. Er vergaß freilich nicht an die Einbindung der Wissenschaft in ihre Zeit zu erinnern, mit ihren Krisensituationen und Krisenkonfrontationen, und an die Fähigkeit der Wissenschaft jenseits der internationalen Politik und Wirtschaft Verständigungsvoraussetzung und Kommunikationsebene zu bieten. Denn die Wissenschaft vermag über Grenzen hinweg Einstellungen, Haltungen und Gesinnungen zu ändern: etwa für den Abbau überzogener nationalistischer Identifikationen, den Abbau negativer Heterostereotypen, den Aufbau teil-europäischer und gesamteuropäischer Identifikationsprozesse, den Aufbau globalen Wissens und globaler Verständigung.

Als Richard Plaschka im Jänner 1958 vom damaligen Unterrichtsminister Heinrich Drimmel den Auftrag zum Aufbau des Österreichischen Ost- und Südosteuropa-Instituts erhielt, war Europa zweigeteilt, war Österreich neutraler Pufferstaat zwischen NATO und Warschauer Pakt, zwischen EWG und RGW, zwischen West und Ost, und das am Beginn einer neuen Phase des „Kalten Krieges”. Plaschka erhielt also den wissenschaftspolitischen Auftrag, sozusagen unter dem „Eisernen Vorhang” hindurch, sich um erste wissenschaftliche Kontakte zu den Nachbarn zu bemühen, zuvorderst zu Ungarn, zur Tschechoslowakei und zu Jugoslawien. Die ersten Schritte waren denkbar schwierig, konsolidierte sich doch in Ungarn gerade erst das Kádár-Regime, in der Tschechoslowakei das Regime Novotnýs, während Tito in Jugoslawien einen dritten Weg zwischen Ost und West suchte.

Dennoch veranstaltete das OSI bereits im September 1958 eine Tagung über „Die Sowjetunion und Asien”, ein unerschöpfliches Thema, das gerade heute wieder neue Aktualität erlangt hat. Hierbei kam auch schon die zweite Auftragsebene des Instituts zum Tragen – die wissenschaftliche Information der österreichischen Öffentlichkeit über Entwicklungen in den ostmittel-, ost- und südosteuropäischen Staaten, von Polen bis Bulgarien, von Albanien bis in die Sowjetunion. Das OSI versuchte diesen Aufgabenstellungen in mehrfacher Weise gerecht zu werden – in Forschungsprojekten, in Publikationen, in Dokumentationen und in Veranstaltungen, und Professor Plaschka war bei den meisten Unternehmungen mit nimmermüder Schaffenskraft als Forscher, Autor, Lehrer, Veranstalter und Organisator tätig.

Unter den Forschungsprojekten sei im Besonderen auf die beiden langfristigen hingewiesen, von denen eines bis heute existiert, in Kooperation mit dem Historischen Institut der Ungarischen Akademie der Wissenschaften: die Edition der Protokolle des österreichischen und österreichisch–ungarischen Ministerrates. Unter Vorsitz von Friedrich Engel-Jánosi, später von Gerald Stourzh und Helmut Rumpler sorgte Plaschka schon in den 1970er Jahren für die Übernahme des Projekts in das Institut und setzte im Parlament auch eine eigene Budgetzeile durch. Die gemeinsame österreichisch-ungarische Edition des wichtigsten Quellenbestandes zur Geschichte der Habsburgermonarchie zwischen 1848 und 1918 wuchs im Laufe der Jahre zu einem bilateralen Unternehmen heran, das auf höchste Anerkennung in der internationalen Fachwelt stieß und auch dem in den beiden letzten Jahren angesetzten Sparstift nicht zum Opfer fiel. Mittlerweile ist die große Mehrzahl der Bände gedruckt, in Wien zuletzt der Band über das Jahr 1848, der morgen in unserem Staatsarchiv vorgestellt wird. Als Historiker kann ich mir nur wünschen, dass wir unsere Zusammenarbeit auch im nächsten Jahrhundert mit einem ähnlich großen Projekt fortsetzen werden, vielleicht in Form eines gemeinsamen historischen Atlasses.

Intensive wissenschaftliche Zusammenarbeit konnte das OSI weiters um das Projekt „Atlas der Donauländer” organisieren, in diesem Fall zu Geographen aus den meisten Nachfolgestaaten der Donaumonarchie. In 48 Kartenblättern, die zwischen 1970 und 1988 gedruckt wurden und in Deutsch, Englisch, Französisch und Russisch beschrieben sind, wurden Topographie und Geologie, Klima und Hydrologie, Bevölkerungsentwicklung und Sprachverteilung, Erwerbsstruktur und Erziehungswesen, Land- und Forstwirtschaft, Bodenschätze und Energiewirtschaft, Industrie und Handel, Eisenbahnwesen und Fremdenverkehr dargestellt. Nach Abschluss dieses Großprojektes das in allen Kartenblättern auch Ungarn erfasst, haben wir mit der Wende 1989 das neue Projekt „Atlas Ost- und Südosteuropa” begonnen.

Professor Plaschka leitete schon zu Ende der 1950er Jahren eine rege Buchproduktion ein, die thematisch relativ häufig in den ungarischen Bereich führte: „Der Prozess Stephan Ludwig Roth”, „Das Nationalitätenproblem der Habsburgermonarchie”, „Probleme zentraler Wirtschaftsplanung”, „Die Auflösung des Habsburgerreiches”, „Die sozialistische Kollektivperson”, „Österreichs Recht außerhalb Österreichs”, „Innere Front 1918”, „Der Kleinstaat in der europäischen wirtschaftlichen Zusammenarbeit”, „Wegenetz europäischen Geistes”, „Ungarn und die Donaumonarchie”, „Joseph II. und die Komitate Ungarns”, „Nationalismus–Staatsgewalt–Widerstand”. Abgerundet wurde die Publikationstätigkeit durch viele Beiträge in den „Österreichischen Ostheften”, in denen namhafte ungarische Historiker, Nationalökonomen, Geographen und Kulturwissenschaftler wesentliche Forschungsergebnisse vorstellten. Apropos ungarische Nationalökonomen: Als Staatssekretär Béla Csikós-Nagy im Dezember 1967 bei einem Vortrag im OSI in Wien die Grundzüge der ungarischen Wirtschaftsreform ab 1968 vorstellte, schloss er sinngemäß mit den Worten: Sie werden ja die Richtigkeit meines Referates bald überprüfen können, wenn ich abgelöst werde, war es falsch. Das war Verbindung zwischen Wissenschaft und Praxis anno 1967, über den „Eisernen Vorhang“ weg. Und das waren auch Früchte der Arbeit Professor Plaschkas.

Schon in den 1960er Jahren war also das OSI eine internationale Stätte der Begegnung geworden, mit Vorträgen und Tagungen, Symposien und Kongressen. Bald kamen Dutzende, manchmal sogar Hunderte ausländische Wissenschaftler nach Wien – aus Ost und West. Höhepunkte waren zweifellos der Kongress über den „Herbst 1918” im Oktober 1968, der erstmals die Historikergeneration Plaschkas zusammenführte, die Kongresse über die „Wegenetze europäischen Geistes” 1978, 1983 und 1988, sowie der 2. Internationale Kongress für Hungarologie im September 1986. Häufiger waren freilich bilaterale Tagungen zwischen Österreich und Ungarn, so über 1914 im Jahre 1964, über den Kleinstaat 1973, über Archivfragen ebenfalls 1973, über Budapest und Wien 1977, über Maria Theresia und Joseph II. 1980, über Matthias Corvinus und die Renaissance 1982 und über Mitteleuropa 1986. Dass die weltpolitische Konfrontation mitunter sogar die wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen Ungarn und Österreich stören konnte, wurde uns immerhin noch im Jahre 1972 vermittelt, als der große Bruder in Moskau eine in Budapest vorgesehene Tagung über die Rolle der „ruling classes” verhinderte.

Doch die ungarischen Kollegen ließen sich nicht entmutigen, und im Juni 1975, zwei Monate vor der Charta von Helsinki, empfingen Direktor Zsigmond Pál Pach, die Vizedirektoren György Ránki und Iván T. Berend sowie die Abteilungsleiter Péter Hanák und Emil Niederhauser. Professor Plaschka ganz offiziell in der Úri utca, in seiner Begleitung Professor Haselsteiner, Hofrat Mack und mich, wie in den besten Zeiten des Dualismus. Die bilaterale Zusammenarbeit wurde besiegelt, Bücheraustausch und Stipendienkontingente festgelegt. So konnte Professor Plaschka im Herbst 1988 ein wohlbestelltes Haus übergeben, das nach der Wende 1989 viele Erweiterungsbauten zuließ, nicht zuletzt die Einrichtung einer OSI-Außenstelle in Budapest. Freilich sind in einem widersprüchlichen Europa zwischen Sparbudgets und Erweiterungsankündigungen nun weitere Strategien zu überlegen, wie man die funktionierende bilaterale Zusammenarbeit auch europaweit nutzbringend anwendet. Professor Plaschka argumentierte schon 1988 mit Worten des Laibacher Erzbischofs-Alois Šustar: „Wenn Europa überleben will, sind die Menschen auf diesem verhältnismäßig kleinen und dicht besiedelten Kontinent geradezu verurteilt, miteinander friedlich auszukommen, einander zu achten und verständnisvoll zu begegnen.”

Sehr geschätzter Herr Professor Plaschka, Du hast uns vorgelebt, wie man einander achtet und verständnisvoll begegnet, zum Wohle Österreichs und Ungarns!

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Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 6:101–112.

RICHARD G. PLASCHKA

Verrat und Auflehnung

Pflichtenkollisionen und Loyalitätskonflikte als Faktoren subjektiver Verantwortung

 

Verrat ist ein in der öffentlichen Meinung primär negativ besetzter Begriff – verbunden mit Unaufrichtigkeit, Hinterlistigkeit, Vertrauensbruch. Den ungarischen Kollegen hier gegenüber aber darf ich einleitend betonen: Das Gegenteil von Verrat hat jahrzehntelang, auch in politisch kritischen Zeiten, die Kollegialität, die Aufrichtigkeit, das Vertrauen, ja die Freundschaft zwischen ungarischen und österreichischen Historikern bestimmt.

Ich denke an erste zögernde Verbindungsaufnahmen, an erste Besuche – der damalige österreichische Unterrichtsminister Dr. Heinrich Drimmel unterstrich Ende der Fünfzigerjahre gegenüber dem Österreichischen Ost- und Südosteuropa-Institut, die wissenschaftliche Gesprächsfähigkeit über die Grenze im Osten solle nach Möglichkeit aufrechterhalten werden, auch wenn die politische aussetzt. Ich denke an die bei uns bald einsetzende Erkenntnis, dass hier in Budapest bei aller Berücksichtigung der damals scharf geprägten politischen und parteipolitischen Vorgaben doch immer im Fach die Sache und in der Beziehung der Mensch im Vordergrund standen. Und das Historische Institut der Ungarischen Akademie der Wissenschaften war und ist ein Hort dieser Verbindungsgestaltung. Dieses Entgegenkommen, von dem wir wussten, dass es bis an die Grenze des Möglichen ging, und ebenso, dass wir selbst es nicht überfordern durften, hat uns in Wien viel Mut zuerst für den Aufbau und bis heute für die Wahrung in der Zusammenarbeit gegeben, und es sei mir erlaubt, dafür herzlich zu danken. Zurück zum Thema: Verrat und Auflehnung – Lassen Sie es mich mit zwei Fallbeispielen, die Vergleichsstellung von zwei Vorgängen, mehr als 300 Jahre voneinander entfernt, einleiten: die Burg in Eger in Böhmen und die Csepel-Insel, 1634 und 1956.

 

Eger 1634 – Csepel-Insel 1956

1634: Wallenstein, auf der Flucht von Pilsen, war eben in die Festung Eger gekommen. Am 25. Februar ein Gastmahl auf der Egerer Burg. Kaisertreue Offiziere hatten die Wallenstein begleitenden vier Offiziere der engsten Umgebung zum Abendessen eingeladen. Die vier glaubten schon an ein Einschwenken ihrer Gastgeber zugunsten Wallensteins. Da stürzten, man war schon beim Konfekt, Bewaffnete in den Saal, Dragoner vom Butlerschen Regiment: „Wer ist gut kaiserisch?” – peitschte der Ruf. Und „Vivat Ferdinandus!” – tönte die Antwort der Kaisertreuen. Ein Gemetzel setzte ein. Und in derselben Nacht ermordete man in der Stadt im Pachelbelhaus auch den Generalissimus selbst.1

Csepel-Insel, Tököl. 3. November 1956, Zeit des ungarischen Aufstandes. Sowjetische Offiziere, Armeegeneral Malinin an der Spitze, hatten in ihr Hauptquartier zur Fortführung von Gesprächen eingeladen. Die ungarischen Offiziere der Armeeführung kamen, hofften auf ein Einschwenken der Gastgeber in der Frage des Abmarsches der sowjetischen Truppen aus Ungarn. Da flog die Tür auf, sowjetische KGB-Unteroffiziere mit Maschinenpistolen stürzten in den Raum – ein Ruf: „Moskva!” Generalleutnant Ivan Serov an ihrer Spitze: „Meine Herren, Sie sind Gefangene der Sowjetarmee!” Für Generalmajor Pál Maléter ging es bereits um den Kopf. Zwar kein Gemetzel wie in Eger. Viel glatter der Vorgang. Mit Zeitverzögerung. Maléter wurde wie Imre Nagy in einem Prozess zum Tode verurteilt und am 16. Juni 1958 gehenkt.2

In beiden Fällen Parallelen: Einladung auf Vertrauensbasis, Hoffnung auf Einschwenken in der Meinung der Gastgeber, schließlich Überfall und Todesfolge. In beiden Fällen war es für die Geladenen Vertrauensbruch, Bruch der Gastfreundschaft gewesen. Aber da war eine zweite Argumentationsebene. Die Einladenden replizierten: Die Geladenen waren es, die Verrat geübt hätten – Verrat an der geltenden Ordnung, am geltenden System, am Kaiser dort, an Moskau und dem Sozialismus da. Das Proskriptionspatent des Kaisers vom 18. Februar habe schließlich die hochverräterische Verschwörung und die Treulosigkeit Wallensteins und seiner Anhänger verdeutlicht. Und der Prozess gegen Nagy und Maléter und ihre Mittäter – so betonte später die neu etablierte sozialistische Staatsführung – habe mit dem Urteil vom 15. Juni deren verräterisches Handeln erkennen lassen und deren Exekution begründet.3

In beiden Fällen und auf beiden Ebenen: der Vorwurf des Verrats. Was ist Verrat in seiner historischen Kategorie?

Verrat ist Treubruch, das treulose Handeln gegenüber einer Person oder gegenüber einer Gruppe, der gegenüber man zur Treue verpflichtet wäre. Als Hochverrat wird der Verrat gegenüber dem Staat angesehen: Treubruch gegenüber dem Staat. Und Verrat wie Hochverrat und gar Landesverrat – der Verrat im Dienste einer fremden Macht – sind vom Begriffsinhalt und von der gängigen Begriffsauffassung her traditionell mit jenem genannten Negativakzent versehen.

Aber Verrat und Hochverrat und die Auflehnung als Schritt ihrer Realisierung haben in der Geschichte zugleich Prozessfunktion. Vielfach sind sie zugleich ein entscheidendes Element historischer Entwicklung. Sie zeichnen nicht selten die Schwelle radikalen politischen Wandels. Und ob der Rebell bedankt, erhoben und ausgezeichnet wird oder geschmäht und hingerichtet, ob auf ihn ein Orden oder der Galgen wartet, hängt oft vom Erfolg der Tat ab.

Der Verantwortung des Historikers bleibt es überlassen, die Verantwortungssubstanz der Tat zu werten. Auflehnung im Verrat und Hochverrat kann ein gesellschaftspolitisch positives Signal sein, muss es nicht sein.

 

Vier Fallbeispiele mit sozialer und nationaler Motivation

Ich wähle, um Ziel und Vision und damit das Verantwortungsbewusstsein in der Auflehnung zu verfolgen, einige Fallbeispiele aus dem Militärbereich. Aus diesem Bereich, weil die Armeen der allgemeinen Wehrpflicht in besonderer Weise im Volk abgestützt, weil sie in Struktur und Meinung sein Spiegel sind. Und weil die Auflehnung in Armeen zugleich die Schärfe der Konturen verdeutlicht: durch die Verfügung über Waffen, durch die pointierte Verfügung über Menschen aufgrund der Befehls- und Gehorsamsstruktur, durch den Nachdruck des Militärstrafgesetzes. Und ich wähle Fallbeispiele aus der Ebene der Mannschaft wie der Offiziere. Im geographischen Bereich wähle ich Ostmittel- und Osteuropa.

 

1. Der Fall „Knjaz Potemkin Tavričeskij”

Am 25. Juni 1905 fuhr das Panzerschiff „Potemkin”, begleitet von einem Torpedoboot, ab Sevastopol mit Kurs Nordwest in Richtung Tendra-Bucht. Wir kennen den Ablauf des Aufruhrs dort: Am 27. kam es auf dem Aufbaudeck zum Auflauf von Matrosen um die roten, rohen Fleischstücke, die voll Maden waren. Mittags Verweigern des Essens jenes Boršč aus diesem Fleisch. Antreten, Drohung der Offiziere, Revolte. Klein-Modell eines Revolutionsansatzes: Aufruhr im umschlossenen Schiff wie in einer Eprouvette, Ausgangspunkt: 15–20 Entschlossene, 100 Sympathisanten, 600 Mitläufer.

Klein-Modell mit großen Zielen: Übertragung des Klassenkampfes auf das Schiff, gegen die Offiziere als Repräsentanten des verhassten staatlichen Systems. Die Vision: die Revolte auf dem Panzerschiff als Beginn der Revolte auf der Flotte, als „Revolution in ganz Südrussland”. Die Anklage eines späteren Kriegsgerichts in Sevastopol: Verrat, Hochverrat, im Urteil Exekutionen.4

 

2. Die Fälle Rumburg und Kragujevac

1918: Zwei Modelle von Aufruhr in Österreich-Ungarn: in Rumburg am 21. Mai, beim Ersatzbataillon des Schützenregiments 7, in Kragujevac am 2. Juni, beim Ersatzbataillon des Infanterieregiments 71. Da und dort Aufruhr von Heimkehrern aus Russland, die wieder an die Front sollten, da vor allem Tschechen, dort Slowaken. Auch hier Kleinmodelle in Eprouvettenform: umschlossen in Kasernen; Ausgangspunkt: kleine Gruppen. Der gleiche Ansatz: Sturm auf die Waffenkammern, Mitreißen von Sympathisanten und Unentschlossenen, Ausbrüche in die Straßen der Städte. Auch hier der erste Schritt: Überwindung der Offiziere – übertragener Klassenkampf. Auch hier die großen Ziele: „Platzt das Hinterland, ist der Krieg zu Ende...” und: „...die Front wird zusammenbrechen als Folge der inneren Revolution”; und: Der Krieg sei sowieso nur da, „damit die Kapitalisten sich die Taschen vollmachen können”. Das Ende: Kriegsgerichte tagten als Standgerichte: erkannten auf Hochverrat und verhängten 10 Exekutionen für Rumburg, 44 Exekutionen für Kragujevac.5

 

3. Das „Freiwilligen-Korps der Serben, Kroaten und Slowenen” im Ersten Weltkrieg

Verrat und Auflehnung jenseits der Front. Es war Frontwechsel, den Kriegsgefangene vollzogen, um mit der Waffe in der Hand gegen ihre Armee, mit der sie in den Krieg gezogen waren, zu kämpfen. Die Südslawen hatten unter königlich-serbischer Dominanz in Russland ein Korps errichtet. Der Zustrom aus den Kriegsgefangenenlagern – Slowenen, Kroaten, Serben, auch Tschechen – war nicht immer freiwillig, oft unter Druck erfolgt. Ernest Turk sprach von den „Musswilligen”, den „Silovoljci” des Korps. Schon war die 1. Division des Korps 1916 in der Dobrudscha in schweren Kämpfen eingesetzt gewesen. Aber immerhin zählte das Korps Anfang 1917 43 000 Mann. Die geistig-politische Ausrichtung auf die nicht ganz klare Vorstellung eines Südslawenstaates aber blieb unzureichend. Die oft eingebrachten groß-serbischen Akzente – „der gesunde Tropfen serbischen Blutes” – wirkten. Im April und Mai 1917 kam es zu einer starken Dissidentenbewegung. 149 Offiziere und rund 13 000 Mannschaften haben das Korps verlassen – ein Großteil davon „Silovoljci”, jene, die nicht eben „freiwillig” gekommen waren.6

 

4. Der Fall Zborov/Zborów 1917

In Prag ist man dabei, in diesem Jahr das 80-jährige Gedenken an den Angriff bei Zborów zu begehen. Auch die Tschechen, viel weniger die Slowaken, stellten aus Kriegsgefangenen in Russland – neben solchen in Italien und Frankreich – Einheiten auf. 1917 war es eine Brigade. Die Tschechoslowaken im Verband des russischen XLIX. Korps der 11. Armee waren in Angriffsposition. Gemeinsam mit der 4. und 6. finnländischen Schützendivision. Und dieser Angriff war Teil eines größeren Offensivkonzepts, das in Richtung Lemberg vorgesehen war. Der erweiterte Einbruchsraum im Abschnitt Zloczów, wie er sich am 2. Juli mit 12,5 Kilometern in der Breite und 5 Kilometern in der Tiefe für das XLIX. Korps ergab, war bei aller Anerkennung des Angriffsschwungs der tschechoslowakischen Brigade operativ kein Großereignis. Und es war ein kurzatmiges Ereignis, denn die Gegenoffensive deutscher und österreichisch-ungarischer Divisionen ab 19. Juli – bereits ab 29. Juni als Antwort ins Auge gefasst – warf die russische Front über diese und andere Gewinne der Kerenskij-Offensive hinaus bis an den Pruth/Zbrucz zurück. Und dennoch war der Tag von Zborov/Zborów ein Fanal. Seine Bedeutung lag in der Abspaltungs- und Verratsperspektive und zwar im zweifachen Sinn: Legionäre, eben noch „Österreicher”, die als „Tschechoslowaken” von den „Alliierten” aus angriffen. Für Wien und Budapest: Verräter. Tomáš G. Masaryk hob in der Emigration den Vorgang propagandistisch hervor: als Anzeichen des beginnenden Zerbrechens der Donaumonarchie und als Zeichen, dass es „zwischen Österreich und der wahrlich hussitischen Nation keine Versöhnung geben” kann.7

 

Kurze Vergleichsanalyse zu den Vorgängen 1905, 1917, 1918

1. Die Basis der Auflehnung bilden in den Fällen der sozialistischen Zielsetzung Unteroffiziere und Mannschaften nahezu allein, sie erfasst im Übergang zur nationalen Zielsetzung auch Offiziere. In beiden Fällen waren Massenmotivation und Massenzumeldung bestimmend.

2. Die Realisierung der Auflehnung erfolgte im ersteren Fall über Konspiration in den Einheiten, im letzteren Fall über Zumeldung in den Kriegsgefangenenlagern, dies teilweise nicht ohne psychischen Druck, auch Ausspielen der Aussicht auf Besserstellung.

3. Der sozialistische Mannschaftsaufruhr zielte zunächst auf die Ebene der Offiziere – als Feindklasse –, die Aufstellung der Legionärseinheiten auf den multinationalen Staat.

4. Der sozialistische Aufruhr sah sich als Vertreter einer Schichte der Nation, war prinzipiell international, die Legionärsgruppe sah sich als Vertreter der Gesamtnation, erstrebte einen Nationalstaat.

5. Ahndung vor Gericht: Die Staaten setzten über Militärgerichte gegen Desertion, Verrat, Hoch- und Landesverrat die staatliche Rechtsordnung ein.

 

Ein Blick zu den Begriffen

Alle diese Verrats- und Auflehnungsvorgänge waren nach dem Militärstrafgesetz mit dem Tode bedroht. Und Todesurteile wurden gefällt und Exekutionen vollzogen. Aber die Aktionen waren nach den Vorstellungen ihrer Träger nicht nur mit dem Stigma „Verrat” bedroht, sondern sie sollten zugleich Signale und Ansätze gesellschaftspolitischen Wandels sein. Und dieser beabsichtigte Wandel bezog einen Wandel auch in den verpflichtenden Bezugsobjekten der Loyalitäten mit ein.

Das Bild des Verrats und des Verräters hatte sich aus der Sicht des „Verpflichteten” in Europa seit Jahrzehnten, seit der Französischen Revolution und den Napoleonkriegen, entscheidend zu wandeln begonnen. Der Hochverrat, einst der Verrat gegenüber dem Kaiser, König und Kurfürsten, Personen von besonders „hohem” Rang und damit auch ein Verhältnis von wesentlich persönlicher Bindung betreffend, geriet mit dem Übergang der Souveränität vom Herrscher auf das Volk, auf die den Staat repräsentierende Nation, in neue Bezugsebenen: Der individuell bezogene Verrat wurde zum Verrat an der Gruppe. Das Verbrechen an der Majestät, so resümierte Margret Boveri, wurde abgelöst durch das Verbrechen an der Gesellschaft. Aber selbst Staat und Staatsnation konnten und können als entscheidender Bezugsfaktor der Loyalität und damit in ihrer Hochverratsfähigkeit durch national- und sozialbedingte Abspaltungen und Abschichtungen in Frage gestellt werden. Die Folge: Inmitten von zunehmender Abforderung von differenzierten Loyalitäten und der sich daraus ergebenden Frage nach der ihnen zuzuordnenden Rangordnung, inmitten vor allem der damit eintretenden Konkurrenzierung der Loyalitäten untereinander gerieten Loyalität und als Korrelat Verrat oft zu einer sich wandelnden, unterschiedlich aufgefassten und bewerteten, wesentlich subjektiv gestellten Entscheidungsherausforderung.8

Verrat und Auflehnung als subjektive Entscheidung wurde unter diesen gegebenen Umständen stärker noch in der Offiziersebene deutlich. Und der Zugriff war meist direkt auf die Staatsspitze gerichtet.

 

Vier Zugriffsversuche auf die Staatsspitze

1. Sankt Petersburg 1825: Die Dekabristen

Das Erlebnis Mittel- und Westeuropas zur Zeit der Napoleonkriege war Ausgangspunkt. An der Basis: geheime Gruppen, konspirative Geheimgesellschaften, rund 200 Aktivisten insgesamt, eigenwillige Persönlichkeiten darunter wie Müravev oder Pestel. Die Auslösung: der neue Eid nach dem Tode Alexander I. auf Nikolaj, nicht auf Konstantin, den ältesten Bruder. Der Tatansatz: Die „stehende Rebellion” am 14. Dezember auf dem Senatsplatz. Am 13. Juli 1826 die Hinrichtung von fünf Rädelsführern auf den Galgen, die auf dem Kronwerk der Peter-Pauls-Festung aufgestellt wurden. Darüber hinaus Verbannungen und Tote beim Spießrutenlauf von Soldaten: einige zwölf Mal durch die Gasse von 1000 Mann. Die Basis der Urteile: Hochverrat gegenüber dem Zaren.9

2. Alexandria 1882: Aufstand der Fellachen-Offiziere

Das Umfeld: Das Erwachen des ägyptischen Identitätsgefühls um 1880. Die Aufstandsträger: Arabischstämmige Offiziere der Armee, die sich gegen die türkisch-tscherkessischen Offiziere als Privilegierte wie Franzosen und Briten als eingreifende und zugreifende Ausländer wandten. Im Vordergrund des Widerstands ab 1881: drei Oberste, die Kommandeure dreier in Kairo garnisonierenden Regimenter; ihr Spitzenrepräsentant: Ahmed ‘Arabi. Seine Losung: „Ägypten den Ägyptern!” Antreten der Briten: Invasion. Der Ablauf: Beschießung der Forts von Alexandria im Sommer 1882, Anlandung britischer Truppen. Besetzung Alexandrias und des Suezkanals. Die Zukunft nach der Niederlage: Die Macht in Ägypten lag beim britischen Generalkonsul.10

3. Ostpreußen 1944: Ein Attentat

Das Attentat in der „Wolfsschanze”, dem Führerhauptquartier, hatte ein junger Oberst, Chef des Stabes beim Befehlshaber des Ersatzheeres in Berlin, Claus Schenk Graf von Stauffenberg, ausgeführt. Sein Grundmotiv: Wer in führender Stabsstelle sei, der komme an einen Punkt, da keine anderen Rücksichten gelten würden, sondern nur eines: Er habe „für den Sinn des Ganzen zu stehen”. Stauffenberg hatte sich stufenweise zum Widerstand, dann aber mit letzter Konsequenz, entschlossen. Noch im Herbst 1941 ließ er Helmut James Graf Moltke, der wegen Widerstandsüberlegungen über einen Vetter bei ihm vorgefühlt hatte, wissen: „... zuerst müssen wir den Krieg gewinnen. Während des Krieges darf man so was nicht machen, vor allem nicht während eines Krieges gegen die Bolschewisten. Aber dann, wenn wir nachhause kommen, werden wir mit der braunen Pest aufräumen.” Stauffenbergs Hoffnung damals: Die Wehrmacht werde im Strom der Siege „das Gesetz des Handelns an sich reißen”. 1944 ging es nur noch um letzte Rettung und um das Prinzip. Das Attentat am 20. Juli 1944 misslang. Stauffenberg wurde mit drei weiteren Offizieren noch in der Nacht erschossen. Volksgerichtshofprozesse und Hinrichtungen folgten.11

4. Slowakei 1944: Aufstand der Heimatarmee

Die slowakische Heimatarmee in der Mittelslowakei – rund 14 000 Mann – setzte Ende August 1944 mit einem Aufstand ein. Am 29. August wurde das Codewort „Začnite s vyst’ahovaním” ausgegeben. An der Schlüsselstelle des Aufstandes in Banska Bystrica: ein Generalstabsoffizier, Chef des Stabes der Heimatarmee, Oberstleutnant Ján Golian. Das Netz: Offiziere in den Garnisonen bildeten konspirative Zellen. Der Plan: Zwei slowakische Felddivisionen, die in der Ostslowakei standen, sollten die Übergänge über die Karpaten für die Rote Armee öffnen, die Heimatarmee sollte die Mittelslowakei halten. Das Umfeld drängte: das Rückrollen der deutschen Ostfront; die Einbeziehung der Slowakei ins Operationsgebiet war zu erwarten; das Absacken der Staatsführung in Preßburg in der öffentlichen Meinung, das Absacken auch der seinerzeitigen Bündnispartnerschaft mit Deutschland war evident. Golian selbst war noch im Stab der slowakischen „Schnellen Division” an der Ostfront gestanden. Nun machte sich stellenweise auch Partisanentätigkeit mit sowjetischen Offizieren in Kleingruppen bemerkbar. Die Realisierung: Die slowakische Führung auf Generalsebene war unentschlossen. Die beiden Divisionen in der Ostslowakei wurden von rückwärtigen Verbänden der deutschen Heeresgruppe Nordukraine überrumpelt und zum Großteil interniert. Damit hatte der Aufstand den kühnen Akzent seiner strategischen Bedeutung verloren. Die Mittelslowakei, die Region der Heimatarmee wurde zum Aufstandsgebiet. Der am Beginn des Aufstandes in Preßburg agierende Deutsche Bevollmächtigte General Ritter von Hubicky war Österreicher. Der Aufstand in der Mittelslowakei, im Einvernehmen mit der tschechoslowakischen Exilregierung in London ausgelöst und geführt, dauerte immerhin zwei Monate. Rund 24 000 Mann Fronttruppen, insgesamt 36 000 Mann und 3000 Mann Partisanen – letztere sowjetisch geführt. Den Deutschen fiel zu dieser Zeit das Heranführen ausreichender Truppen nicht mehr leicht. Erst Ende Oktober brach der Aufstand zusammen.12

 

Kurze Vergleichsanalyse 1825, 1882, zweimal 1944

1. Zur Motivation und Verantwortung: Gegenüber der Erstverantwortung für den bestehenden Staat trat die Verantwortung für die Nation und für ein zeitentsprechendes Maß an Freiheit in den Vordergrund.

2. Zur Realisierung: an der Basis wirkten konspirative Gruppen von Offizieren.

3. Zu den Führungspersonen: Meist führten jüngere Oberste und Oberstleutnante, zweite, dritte Generation der Offiziere; Zugriffe auf die Truppen: bei Linienoffizieren wie in Ägypten am eindeutigsten positiv gelöst.

4. Bekämpfungsobjekt: autoritäre, totalitäre, kolonialherrschaftliche Regime.

5. Ahndung vor Gericht: Verrat und Auflehnung machten die mangelnde Fähigkeit der Gerichte, Loyalitätskonflikten zu folgen, den Zwang „staatliches” Recht zu sprechen, damit retardierend zu wirken, besonders deutlich. „Volksgerichte” wirkten als politische Spitzengerichte der Diktaturen.

 

Die Subjektivität der Täterverantwortung

Die Subjektivität der Verantwortung kommt besonders deutlich im Fall der eintretenden Pflichtenkollision und des Loyalitätskonflikts zur Geltung: Übergang bereits in Fragen, die Gewissen und Gewissensfreiheit berühren. Vier einschneidende Beispiele, die den Grad der Verantwortungssubstanz aufleuchten lassen: 1848/49 in Ungarn, 1944/45 in der Slowakei, bei jungen Offizieren 1944 in Deutschland und 1956 nochmals in Ungarn.

1. Ungarn 1848/49

Auf der Budener Burg stand ab 1852 lange Zeit ein Monument zur Erinnerung an General Heinrich Hentzi von Arthurm. Er hatte, wie es hieß, den „Opfertod für Kaiser und Vaterland” gefunden. Kaiserlicher Offizier, der den Eid auf die ungarische Regierung geleistet hatte, der die Festung Peterwardein in Loyalitätskonflikt dennoch den Kaiserlichen überlassen wollte, der dafür von ungarischer Seite mit Kriegsgericht und Gefängnis belangt wurde. Von den Kaiserlichen befreit, wurde er zum Kommandanten der Festung Ofen ernannt, verteidigte sie und fiel, als die Festung am 31. Mai 1849 erstürmt wurde. Die Loyalität zum Kaiser, die er über die Loyalität zu seiner rebellierenden Nation stellte, hatte er bis zum Tod gehalten. Anhaltender Konflikt um das Denkmal auf der Burg war die Folge.13

Der Gegenpol in der Motivation: Am 13. August 1849 Világos – die Ungarn steckten vor den Russen die Waffen, wurden an die Kaiserlichen ausgeliefert ... In Arad Prozess gegen 14 Generale: 14 Todesurteile, eine Begnadigung zu lebenslangem Kerker. Am 6. Oktober 13 Hinrichtungen: nicht nur Magyaren, auch fünf Deutsche, ein Kroate, ein Serbe. Am selben 6. Oktober wurde in Pest Graf Lajos Batthyány exekutiert.14

Motivationsfaktoren: legitime, sachliche, bewegende Gründe gab es für beide Einstellungspole.

Für das Lager der ungarischen Aufständischen: 1. die nationale Sogwirkung, für die Magyaren geltend, 2. der Zug zu einem dynamischen, modernen Staatswesen, dazu der befohlene Eid, 3. die sich aus der staatlichen ergebende auch materielle Bindung, 4. die in einer neu aufzubauenden Armee günstigen Karrierebahnen, 5, die für den Offizier traditionelle Wahl der Dienstzumeldung.

Für das Lager der Kaiserlichen konnte einnehmen: 1. die Sogwirkung einer mitteleuropäischen übernationalen Ordnungsmacht, 2. der Kaiser als traditionell höchster Repräsentant dieser Macht, 3. zugleich ein Herrscher, der sich auch als fortschrittlich erwiesen hatte – Konstitution, Bürgerrechte, Bauernbefreiung, 4. Abneigung gegen extreme Gruppen, gegen „Schreiberlinge” und „Mob”, 5. Eintreten für eine Macht, die ebenfalls im Krieg gute Karrierechancen bot und militärische Spitzenvertreter mit klingenden Namen aufwies: Radetzky, Jelačić, Windischgrätz – die Buchstabenfolge „WIR”, die sich nicht wenige Offiziere in die Säbelscheide eingravieren ließen.15 Und beim Prager Aufstand 1848 galten nicht zuletzt die ungarischen Einheiten für die militärische Führung als voll verlässlich.

 

2. Neutra 1944

Das erste Todesurteil des Volksgerichts in Preßburg 1945 hatte einem slowakischen Offizier gegolten – dem Garnisonskommandanten von Neutra, Major Ján Šmigovskÿ. Er hatte sich unter Berufung auf den Eid geweigert, am Aufstand teilzunehmen, und die Offiziere der Garnison waren an seiner Seite geblieben. Ein von der Aufstandszentrale eingesetzter Garnisonskommandant, ein ehemaliger Legionär, hatte sich nicht durchgesetzt. Nun – 1945 – wurde der Major erschossen – „za zradu na povstání” – für Verrat am Aufstand.16

Krisensituationen, äußerste Lagen, konnten auch die Verantwortung gerade junger Offiziere in besonderem Maße fordern...

 

3. Budapest 1956. „Zrínyi”-Akademie

Anfang Juli 1956. Gegensteuerung des Verteidigungsministeriums gegen Oppositionsströmungen im Offizierskorps. Offiziere in Uniform hatten an Veranstaltungen teilgenommen, die als oppositionell angesehen werden mussten, so vom Petőfi-Kreis. Der Verteidigungsminister selbst kam in die Akademie, der Generaloberst István Bata. Er griff gleich an: „Genossen! In der Akademie gibt es gefährliche parteifeindliche Tendenzen. Wir wissen auch, dass einzelne Offiziere ausländische imperialistische Sender abhören ...” Da meldeten sich aber die jungen Offiziere: Ein Pioniermajor: „Wir lernen über die Demokratie, wir sprechen von Recht, aber wir haben keine Gewissensfreiheit.” Ein Panzeroffizier: „Warum dürfen wir unsere Ansichten nicht frei äußern ...?” Einer der besten der Schüler: Man müsste die Wahrheit sagen. Es habe Konzentrationslager im Land gegeben. Was geschähe mit denen, die dafür verantwortlich seien? Der Verteidigungsminister geriet in Zorn. Er sprach von der Stimme des Feindes, die in der Akademie deutlich werde. Das änderte nichts an der Haltung der jungen Offiziere: Mut vor Königsthronen. Und die „Zrínyi”-Akadémia war ein Kern des Offizierskorps. Ihre Meinung war Stimmungssignal.17

 

Berlin 1944 – Die Attentatsfrage

Ein Fall in Berlin Ende Januar 1944: Ein junger Leutnant, Ewald von Kleist, der nach einer Verwundung auf Urlaub war und der nun vor die Frage der Bereitschaft eines Attentats auf Hitler gestellt wurde – anlässlich einer Uniformvorführung, mit einer Bombe unter Einsatz des Lebens. Stauffenberg hatte ihn angesprochen, die Lage geschildert, nicht gedrängt, nur gefragt, ob er in sich etwas spüre, das ihn diesen Weg gehen ließe. Kleist bat um kurze, (24stündige) Überlegungsfrist, wollte den Vater um Rat bitten. Die Antwort des Alten an den Jungen nahm ihn in volle Verantwortung: Man müsse solche Möglichkeit wahrnehmen – denn wer sich ihr versage, der werde sein Leben lang nicht darüber hinwegkommen. Und der Sohn sagte Stauffenberg zu. Dass es zum Attentat nicht kam, lag auf einer anderen Ebene.18

 

Die Verantwortung des Historikers

Ich komme zum Schluss: Der historische Stellenwert der angeführten Vorgänge lag nicht nur darin, dass sie gesellschaftspolitischen Wandel herbeiführten oder herbeizuführen trachteten. Er lag auch in den eingenommenen verantwortungsbewussten Haltungen, die als solche – ob der Vorgang in den Durchbruch oder ins Scheitern geführt hatte – paradigmatischen Rang gewannen. Und sie wurden zu einem Perspektivfaktor europäischer Identität.

Die Verantwortung des Historikers in solchen Bereichen von Einsatz zu beurteilen, ist nicht leicht. Er soll gerade anhand der dargelegten Vorgänge und Fragen Verständnis dafür wecken, dass wir alle in Wandlungsprozessen eingebunden – und in ihnen gefordert sind.

Aber nicht die oft gebrauchte apodiktische Belehrung, so meine ich, stärker das nachvollzogene Erlebnis und die selbstgewonnene Erkenntnis vermögen Haltungslinien kritisch aufzuzeigen und Maßstäbe der Bewertung tiefer anzulegen. Mehr noch: Diese Erkenntnis lässt Spielräume verantwortbaren Einstehens deutlich werden, die bis in die Gegenwart bestimmend sein sollten.

Die Verantwortung des Historikers reicht bis ins Politische: Geschichte ist ein Fach, das sich seinem Auftrag nach an eine Vielzahl von Menschen wendet. Sie sind als selbst urteilende und selbstverantwortliche Partner in den Dialog mit der Vergangenheit mit einzubeziehen. Der Historiker soll im Vergleich zum Politiker, der nicht frei davon ist, in der Vergangenheit vor allem seine eigene Bestätigung zu suchen, den breiteren und tieferen Blickwinkel öffnen. Damit kann Geschichte auch korrigierender Faktor gegenüber der Politik werden und gewinnt gesellschaftspolitische und geistige Relevanz.

Zwei Voraussetzungen, die in diesem Sinn dem Historiker verantwortliches Vorgehen vorzeichnen: 1. Vorgehen nach dem Gewissen. Keiner kann dem Historiker die Verantwortung für seine Aussagen abnehmen. Es ist letztlich das Gewissen, das er in die Waagschale wirft, nach einem Wort von Johann Gottfried Herder, fast als wäre es für ihn geschrieben: „Die Waage des Guten und Bösen, des Falschen und des Wahren ist in ihm, er kann forschen, er soll wählen!” 2. Geltendmachen des Ergebnisses jenes „Forschens”: Der Historiker ist – wir wissen, wie schwer das manchmal sein kann – zur Aussage des als wahr Erkannten verhalten. Er steht unter dem Anruf des Wortes: „Verkündige, ob gelegen oder ungelegen” – ein Prinzip, das wie dem Glauben aller Wissenschaft und nicht zuletzt der Geschichte Richtlinie ist.19

 

Anmerkungen

1

Polišenský, Josef, Kollmann, Josef: Valdštejn. Ani císař, ani král. Praha 1995. 207; Gordon-Relation. In: Srbik, Heinrich Ritter von: Wallensteins Ende. Salzburg 1952. 319 ff., 315, 326, weiters 180–187; Janáček, Josef: Valdštejn a jeho doba. Praha 1978. 121f.

2

Horváth, Miklós: Maléter Pál. Budapest 1995. 171–183, 357–360; Litván György, Bak, János (Hg.): Die Ungarische Revolution 1956. Wien 1994. 105f., 127ff., 153–156; freundliche Mitteilung der Gattin Pál Maléters, Judith Maléter, Budapest, 9. IV. 1997; Gosztony, Peter: Die politischen Säuberungen der ungarischen Armee 1945–1963. II: 1956–1963; die sowjetische Militärintervention in Ungarn 1956. Beide in: Österreichische militärische Zeitschrift. Wien 4. 1994. 386, 6. 1996. 660ff.

3

Srbik, Heinrich Ritter von: Wallensteins Ende. Salzburg 1952. 134–137; Janáček, Josef: Valdštejn a jeho doba. Praha 1978. 496; Mann, Golo: Wallenstein. Frankfurt/M. 1971. 1085; Pekař, Josef: Wallenstein 1630–1634. Berlin 1937. 659; Horváth, Miklós: Maléter Pál. Budapest 1995. 346–362; Litván, György, Bak, János (Hg.): Die Ungarische Revolution 1956. Wien 1994. 154ff.

4

Bogačev, P. M. (Rd.): Revoljucionnoe driženie v černomorskom flote v 1905–1907 gg. Vospominanija i pisma. Moskva 1956; Fel’dman, K.: Potemkinskoe vosstanie 14–25 Ijunja 1905g. Leningrad 1927; Kirill: Unter der Flagge der Revolution. Wien 1908; Plaschka, Richard G.: Matrosen, Offiziere, Rebellen. Wien/Köln/Graz 1984.

5

Pichlík, Karel: Vzpoury navrátílcù z ruského zajetí na jaâ 1918. Prha 1964; Stulli, Bernhard: Vojna pobuna u Kragujevcu. Zagreb 1960; Plaschka R. G./Haselsteiner, H./Suppan, A.: Innere Front I. Wien/München 1974.

6

Turk, E., Jeras, J., Paulin, R. (Red.); Dobrovoljci kladivarji Jugoslavije 1912–1918. Ljubljana 1936; Popović, N. (Red.): Jugoslovenski dobrovoljvi u Rusiji 1914–1918. Beograd 1977; Turk, E.: Dobrovoljci proti Avstro-Ogrski med Prvo svetovno Vojno 1914–1918. Ljubljana 1978.

7

Kersnovskij, A. A.: Istoria russkoj armii. 1915–1917 gg. Moskva 1994. IV. 280–299; Klecanda, Vladimír: Bitva u Zborova. Praha 1927; Šteidler, Frant. V.: Zborov. Praha 1922; Pichlík, Karel/Klípa, Bohumír/Zabloudílová, Jitka: Českoslovenští legionáři. Praha 1996.

8

Berglar P.: Was ist Verrat? In: Kaltenbrunner, G. K. (Hg.): Tragik der Abtrünnigen. München 1980. 14–47; Boveri, Margret: Der Verrat im 20. Jahrhundert. Hamburg 1956. I. 141f., II. 96–99.

9

Nečkina, M. V.: Dviženie Dekabristov. Moskva 1955. I, II; Mayour, Anatole G.: The First Russian Revolution 1825. Stanford 1963; Lemberg, Hans: Die nationale Gedankenwelt der Dekabristen. Köln/Gray 1963.

10

Marlowe, John: Anglo-Egyptian Relations 1800–1953. London 1954. 85–154; Richmond, J. C. B.: Egypt 1798–1952. London 1977. 97–131; Mommsen, Wolfgang: Imperialismus in Ägypten. München/Wien 1961. 60–86.

11

Müller, Christian: Oberst i. G. Stauffenberg. Düsseldorf o. J.; Hoffmann, Peter: Claus Schenk Graf von Stauffenberg und seine Brüder. Stuttgart 1992; Schmädeke, Jürgen/Steinbach, Peter (Hg.): Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus. München/Zürich 1985.; Jacobsen, Hans-Adolf (Hg.): Spiegelbild einer Verschwörung. Stuttgart 1984.

12

Jablonický, Jozef: Povstanie bez legend. Bratislava 1990; Prečan, Vilém (Red.): Slovenské národné povstanie. Dokumenty. 1965, 1970; Venohr, Wolfgang: Aufstand in der Tatra. Königstein/Ts. 1979.

13

Hanák, Péter: Die Parallelaktion von 1898. In: Österreichische Osthefte 3. 1985. 372ff.; Niederhauser, Emil: 1848 – Sturm im Habsburgerreich. Budapest/Wien 1990. 169f.

14

Niederhauser, Emil: 1848 – Sturm im Habsburgerreich. Budapest/Wien 1990. 180f. Deák, István: Die rechtmäßige Revolution. Wien/Köln/Graz 1989. 278f.

15

Deák, István: Die rechtmäßige Revolution. Wien/Köln/Graz 1989. 144ff., 277–280; Deák, István: Der k. (u.) k. Offizier. 1848–1918. Wien/Köln/Weimar 1991. 54f.

16

Jablonický, Jozef: Povstanie bez legend. Bratislava 1990. 272f.

17

Decsi, János nach Gosztony, Peter (Hg.): Der Ungarische Volksaufstand in Augenzeugenberichten. München 1981. 52–55; vgl. Király, Béla K./Jónás, Paul (Ed.): The Hungarian Revolution of 1956 in Retrospect. Boulder 1978. 57–62.

18

Hoffman, Peter: Claus Schenk Graf von Stauffenberg und seine Brüder. Stuttgart 1992. 378f.

19

Vgl. Plaschka, Richard Georg, in Husitská teologická fakulta: Církev a společnost. Praha 1992. 7–11, 21–26.

 

Professor Dr. Richard Georg Plaschka wurde von Ungarischen Akademie der Wissenschaften die Auszeichnung Pro Scientia Hungarica zuerkannt. Aus diesem Anlass hat das Europa Institut Budapest am 8. April 1997 eine Gedenkfeier veranstaltet, auf der Mitglieder des Kuratoriums und Wissenschaftlichen Beirates sowie Mitarbeiter des Institutes ihn würdigten. (Hrsg.)

Begegnungen06_Nemeskurty

Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 6:33–37.

ISTVÁN NEMESKÜRTY

Die Königlich-Ungarische Adelige Leibgarde

Die kulturelle Bedeutung der ungarischen Leibgarde zur Zeit Maria Theresias

 

Im Jahre 1772 erschienen in Wien, in Leopold Kaliwoda’s Buchdruckerei vier Bücher nacheinander – vier Werke eines fünfundzwanzigjährigen ungarischen Leibgardisten, György Bessenyei, in ungarischer Sprache. Das erste Buch behandelt die Tragödie des László Hunyadi, und enthält auch einige Gedichte. Der zweite Band ist die Bearbeitung des Werkes des englischen Dichters Alexander Pope: Essay on Man. Der dritte Band bietet eine kurzweilige Beschreibung eines Festes des Fürsten Esterházy, und das vierte Buch schließlich befasst sich mit der Tragödie des Agis. Es ist erstaunlich, dass der aus Ostungarn stammende und aus bescheidenen Verhältnissen kommende Gardist genug Geld zur Herausgabe dieser Bücher zur Verfügung hatte. Und überhaupt – was führte einen Soldaten, einen jungen Leutnant dazu in Wien ungarische Gedichtbücher zu schreiben?

Bessenyeis Wirken ist in der ungarischen Literaturgeschichte wohlbekannt und oft bearbeitet. Jedes Schulkind weiß über die Bedeutung seiner Tätigkeit. Wenig wurde aber über die Zusammenhänge der Dichtertätigkeit der ungarischen Gardisten – es waren deren zahlreiche – und ihrer Dienstpflicht gesprochen. Diese Zusammenhänge sind wichtige Dokumente der Kulturpolitik Maria Theresias.1

Königin Maria Theresia erließ am 11. September 1760 eine Verordnung über die Aufstellung einer ungarischen adeligen Leibgarde. Praktisch war das eigentlich nicht nötig, weil es ja natürlich schon eine Art militärische Wachmannschaft gab. (Die anderen Garden, so die Arcièren-Leibgarde im Jahre 1763, die Trabentenleibgarde zu Fuß in 1767 – waren also später errichtet.) Der ungarischen Garde wurde als Wohnsitz das Trautson-Palais, nahe der Burg zugeteilt. Die Garde bestand aus 120 Gardisten, die alle vier Jahren gewechselt wurden. Die Gardisten führten den Rang eines Leutnants. Den Komitaten wurde gestattet, die Gardisten – je zwei Mann pro Komitat – frei und selbstständig auszuwählen. Das war ein äußerst geschickter Schachzug. Es erfüllte die Edelleute mit Stolz: die Königin berief eine ungarische Leibgarde zu ihrem persönlichen Schutze! Und dass die Vorsitzenden der Komitatsversammlung das Recht hatten, die Leibgarde aus eigenem Ermessen zusammenzustellen – das bedeutete große Verpflichtung. So also war es an ihnen, die besten jungen Männer nach Wien zu schicken. Es ging ja um den Schutz der Königin – eine Ehrensache! Ein Wetteifern unter den Komitaten begann um schließlich die im Fechten und Schießen bestens ausgebildeten, die stärksten und tapfersten Edelleute in Wien zu wissen.

In Wien gab es vorerst eine etwas ernüchternde Überraschung: die jungen Leute mussten aufs Neue die Schulbank drücken und lernen. Sie wurden in Weltliteratur, Geschichte und Geographie unterrichtet. Sie mussten Sprachen lernen: deutsch und französisch. Staatswissenschaft, sogar Recht und Verwaltung stand auf dem Lehrplan. Und nicht zuletzt Musik und Tanz. Militärwissenschaft in der Praxis und Theorie waren selbstverständlich. Das Pensum war groß, der Lehrplan straff.

Nach dem Unterricht folgte der eigentliche Dienst, und während des Dienstes richtete die Königin hin und wieder das Wort an sie, oder die Hofdamen begannen ein Gespräch mit ihnen. Man ging zu Konzerten, in die Oper oder besuchte Theatervorstellungen. Das Hofarchiv und -bibliothek durften sie frei besuchen, und Bücher, auch wertvolle ungarische Codices und Urdrucke konnte man ausleihen. Die Gardisten wurden auch auf Reisen geschickt. Bessenyei zum Beispiel wurde der Herzogin Maria Amalia, der 22-jährigen Tochter der Königin als Leibgardist-Reisebegleiter zugeordnet. Die Reise ging nach Parma, wo Maria Amalia die Gattin von Herzog Ferdinand von Parma wurde.

Auf diese Weise erreichte die Königin, dass sich eine Elite-Intelligenz aus Ungarn um sie scharte, die sie ausbilden ließ, und deren Treue und Hingebung sie sich sicher wusste.2

Der Vorschrift gemäß mussten die Gardisten vier Jahre dienen – nach Ablauf dieser Zeit durften sie den Dienst quittieren, oder um ihre Versetzung zum Heeresdienst bitten im Range eines Hauptmanns. Einige aber blieben bis zum Lebensende im Dienst der Garde – als Kommandeure oder höhere Offiziere. Wer den Dienst quittierte, erhielt wichtige Verwaltungsposten in Ungarn. Sie leiteten Komitate und staatliche Unternehmen, Schuldirektionsbezirke, usw. Ein ehemaliger Gardist war überzeugt königstreu und im damaligen Sinne der Aufklärung hochgebildet, mit vielseitigen Kenntnissen ausgestattet. So konnten sie das Erlernte weitergeben und für eine Erhöhung des allgemeinen Bildungsniveaus sorgen. Jene Gardisten, die zum Heeresdienst übertraten, wurden nach kurzem Feld- und Kriegsdienst dem Generalstab zugeteilt. Uns sind Namen jener Gardisten bekannt, die als persönlicher Kurier des Kaisers nach Madrid, Paris, London, Moskau oder Berlin reisten um mit den Herrschern der damaligen Welt wichtige und geheime Besprechungen zu führen. Nie brach einer die ihm auferlegte Schweigepflicht. Oft ritten sie tausende von Kilometern durch feindliches Gelände. Der Gardist Antal Farkas z.B. diente drei Jahre lang in 18 Staaten als Kurier; und als Melchior Bernáth mit einer wichtigen Nachricht 28 Tage lang durch die Pyrenäen und durch Frankreich und Oberitalien ritt, um sie Kaiser Leopold zu überreichen – da bewunderte der Herrscher seinen Gardisten.

Wie klug Maria Theresia ihr Projekt verwirklichte, ersehen wir aus der am Anfang erwähnten Tatsache, dass ihr Leibgardist Bessenyei innerhalb eines Jahres vier Bücher veröffentlichte. Wie konnte er das? Die Hofdamen der Königin, Theresia Freiin von Grass und Annemarie Beleznay spielten seine Manuskripte ihrer Herrin, der Königin zu. Maria Theresia erkannte das schriftstellerische Talent ihres Gardisten und unterstützte das Erscheinen der Bücher. So geschah es, dass die ungarische Literatur der Aufklärung ihre Wurzeln in Wien, ja sogar am Kaiserlichen Hofe hat.

Theresia Grass schrieb am 4. Dezember 1772 an den Bibliothekar der Königin: „Unser bester Georg Bessenyei hat seine Tragödie Ihro Majestät untertänigst zu Füssen gelegt, woruber Ihro Majestät ein sehr gnädiges Wohlgefallen zeiget. Allein da Ihro Majestät die ungarische Sprache nicht verstehet, so befahl sie mir, Euerwohl zu sagen, dass Höchstdieselben von Euerwohl verlanget, Ihr sollten zu wissen machen, wie sie solche finden, indem es Ihre Majestät freuet, dass sich diese jungen Adeligen Kinder auf solche vernünftige Sachen verlegen, welches zu wünschen, dass es mehrere täten; und wenn solche Tragödie von Euerwohl approbieret, so wird ihre Majestät sehr content darüber zu sein und wird solches meinem besten, gescheiten Bessenyei zu seinem Lob und ferneren Glücke bei Ihro Majestät sein. Dadurch wird dieser junge Mann noch mehr angeeifert in seinem so schönen Vornehmen fortzufahren ...”3

Nicht oft genug können wir betonen, dass dies keine deutschsprachige, sondern – auf ausdrücklichen Wunsch der Königin – eine Literatur in ungarischer Sprache war.

Bessenyei verfasste mehr als vierzig Bücher, darunter auch einige in deutscher Sprache. Ist das überhaupt dem deutschen oder österreichischen Leserpublikum bekannt?

Zur Zeit der Napoleonischen Kriege lebte Bessenyei zurückgezogen auf seinem Gut in Ungarn.

Bessenyeis Beispiel und die Gunst der Königin spornte auch andere Gardisten an. Im Jahre 1777 erschien ein gemeinsames Gedichtband der Gardisten unter dem Titel: „Freundeskreis”. Der Bruder von György, Sándor Bessenyei, auch Gardist, übersetzte „Das verlorene Paradies” von Milton in die ungarische Sprache. Bis heute werden die Gedichte von den Gardisten wie zum Beispiel Ábrahám Barcsay, Sándor Bárótzi und Sándor Kisfaludy hochgeschätzt. Kisfaludy Sándors Gedichte, Himfys Liebschaften erschien im Jahre 1801, und damit nimmt eine neue Zeitepoche der Dichtung ihren Anfang: die Romantik. Es ist fast symbolhaft, dass der Anfechter dieser Richtung, der jüngste Bruder von Sándor Kisfaludy, Károly, wenn auch kein Gardist, aber doch Oberleutnant der k.k. Armee war ... Bessenyei und seine Freunde blieben zeitlebens treuergebene Untertanen ihrer Königin. Sie nannten sie die Mutter Ungarns, Patronin des Vaterlandes. Die Gardisten blieben aber auch dem Geiste der Aufklärung treu; Bessenyei schrieb im Jahre 1801: „Wenn du das Wort Vaterland hörst, denke immer an Europa.”4

Es verbleibt nur noch die Antwort auf die Frage, warum Maria Theresia ihre Pläne auf militärischer Basis verwirklichte? Warum wandte sie sich, hinsichtlich ihrer ungarischen Kulturpolitik, an Soldaten, Gardisten und Husaren? Weshalb nicht an Zivilisten – Wäre eine Auswahl unter Zivilisten nicht einfacher gewesen?

Die Königin wusste nur zu gut, dass das Militär in Ungarn immer Verfechter der Kultur und Dichtung war. Es genügt Bálint Balassi oder den Feldherrn Miklós Zrínyi zu erwähnen. Zrínyi, ein General, ein siegreicher Feldherr, verfasste, wie er selber schrieb, zwischen zwei Schlachten Gedichte und ist bis heute einer der größten ungarischen Barockdichter.

Seine Büste ziert auch Parrieders Freilichtmuseum in Oberösterreich... Auch zu Maria Theresias Zeit gab es unter den tapferen Husarenoffizieren und Generälen des Siebenjährigen Krieges Dichter. Es ist keine Anekdote, sondern Tatsache, dass am 16. Oktober 1757 vier ungarische Generäle Berlin – die Festung Spandau – für kurze Zeit eroberten: András Hadik, der spätere Vorsitzende des Kriegsrates; Miklós Beleznay, dessen Gattin, die Hofdame der Königin, Bessenyei unterstützte; Lőrincz Orczy und Joseph Freiherr von Gvadányi, beide Dichter und Klassiker der ungarischen Literatur. Diese Soldaten waren eben durch ihre Kriegserfahrungen viel demokratischer gesinnt, als der Landadel in Ungarn. Gardisten, sogar Husarengeneräle korrespondierten mit literarisch veranlagten einfachen Frauen; sie verhalfen Wäscherinnen, Ammen, Schustergattinnen zur Veröffentlichung ihrer Gedichte, ohne sie persönlich je gekannt zu haben. General Freiherr von Gvadányi schrieb ein Lobgedicht an Julianna Fábián, die Frau eines Komaromer Schustermeisters, in welchem er so schwärmt: „Vorwärts nur, reite ins Gefecht der Dichter, du bist nicht minderwertiger als die Männer des Adels, denn wie altbekannt, der beste Weizen wächst in einfacher schwarzer Erde.” Diese vielleicht beispiellose literaturhistorische Erscheinung ist auch eine Folge der Kulturpolitik Maria Theresias.5

*

Diese Glanzzeit der ungarischen adeligen Leibgarde dauerte bis zum Ende der Napoleonischen Kriege. Dann kamen andere Zeiten. Im September 1848 trat die ungarische Leibgarde in die Honvéd-Armee über. Damit ging eine große Zeitepoche zu Ende.

Ein Film von Géza Bolváry: Maria Ilona, 1848 schilderte diese Schlussepisode der ungarischen Adeligen Leibgarde. Zu dem im Jahre 1939 gedrehten Film schrieb, Richard Billinger das Drehbuch die Hauptrolle spielte Paula Wessely. Paul Hubschmied war der Gardist, Willy Birgel ein Hofbeamter und der Kaiser Ferdinand natürlich Paul Hörbiger. Die ungarische Garde verwandelte sich in eine Legende auf der Leinwand.

Bessenyei deutsch:

Der Amerikaner 1774. Wien; Die Geschäfte der Einsamkeit 1777. Wien; Der Mann ohne Vorurteil 1781. Wien

 

Anmerkungen

1

Univ. Prof. Grete Klingenstein, Graz in: Brigitte Hamann: Die Habsburger, ein biographisches Lexikon, Wien, 1988.

“Es ist unbestritten, dass im Beraterkreis Maria Theresias das Gedankengut der europäischen Aufklärung verbreitet war und dass sie Selbst sich Anliegen öffnete und zu dem ihren machte, die man aufgeklärt nennen kann, – Ungarn samt Siebenbürgen wurde in den Verwaltungsapparat des in Umrissen sich abzeichnenden Gesamtstaates nicht eingegliedert.” 343.

2

J. Szekfű: Der Staat Ungarn, Stuttgart und Berlin, 1918.

“Maria Theresia verstand es, ihre Uniformierungspolitik unter Schonung der bestehenden ständischen Privilegien durchzusetzen und die, seit ihrem Regierungsantritt erworbenen Sympathien des Ungarntums bis zum Ende bewahren ... (143.) Die Rückständigkeit der ungarischen Kultur war den jungen Adeligen, die Maria Theresia als ihre ungarischen Gardisten nach Wien gezogen hatte, zum Bewusstsein gelangt.”

3

In: Csóka Lajos: Bessenyei és a bécsi udvar, Pannonhalma, 1936.

4

Bessenyei schrieb 24 fahre nach dem Tod Maria Theresias:

“Während ihrer Regierungszeit herrschte in Ungarn Ruhe und Wohlstand. Ihre äußeren und inneren Eigenschaften, ihre außergewöhnliche Schönheit, majestätisches Auftreten, persönliche Würde, ihr einfühlsames Herz, ausgeglichene Gedenkweise waren für uns Wohltaten. Sie förderte Gelehrte, Soldaten, menschliche Schwäche war für sie immer verständlich, sie bestrafte schweren Herzens, begnadigte mit Freude und nie ließ sie jemanden fallen, wenn auch noch so unangenehme falsche Intrigen im Gang waren.” (Tarimenes utazása, 1804–1830. eines Wertz habe ich dem ewigen...... M.T-s gewidmet.)

5

Gyula Szekfű in: Ungarische Geschichte: „Maria Theresia interessierte sich eingehend für die wirtschaftliche Lage der ungarischen Bevölkerung ... Die Großgrundbesitzer pressten die letzten Kräfte ihrer Leibeigenen aus. Als die Königin energisch eingriff, protestierten heftig auch die, ihr nahestehenden Magnaten dagegen...Das empörte Maria Theresia dermaßen, dass sie den Landtag im Jahre 1764 schließen ließ und einen Statthalter, Herzog Albert ernannte.”

Dieser Herzog Albert war der Ehemann der erklärten Lieblingstochter Maria Teresias, Maria Christine. Sie „zeichnete sich durch Liebenswürdigkeit, Intelligenz und beträchtliche künstlerische Begabung aus ... Sie heiratete in Preßburg Herzog Albert-Kasimir von Sachsen-Teschen. Diese Ehe war die einzige reine Liebesheirat, die Maria Theresia einem ihrer Kinder erlaubte ... Maria Theresia machte Albert – den späteren Begründer der berühmten Albertina! – 1765 zum Statthalter Ungarns... Preßburg wurde unter dem Statthalterpaar ein blühendes kulturelles Zentrum. Schnell erwarb sich Marie Christine die Sympathie des nationalen Adels und der Bevölkerung... Nach dem Tode Maria Theresias hat sie der eifersüchtige Kaiser Joseph, ihr Bruder nach dem Niederlande Versetzt.” (Brigitte Haumann in: Die Habsburger, op.zit. 312.)

So ist es verständlich, warum die Königin aus dem rückständigen Magnatentum eben jene jungen Adelige zur Garde rief, die sie später vorbehaltlos unterstützen bereit waren, ohne ihre Vaterlandsliebe aufgeben zu müssen.

Maria Theresia schrieb an Albert und Marlo–Christine:

„Ich hatte die ungarische Nation immer lieb gehabt – und das ist die gemeinsame Grundlage unseres Glücks und Schicksals.”

Dass Albert und Christine, unter der Führung der Königin, Ungarn tatsächlich aufblühen ließen, stellte der Botschafter Venedigs, Paolo Reiner schon im Jahre 1769 fest:

„Ungarns Kultur wuchs unglaublich rasch in den letzten Jahren; aus einfachen Dörfern wurden blühende Städte, unbekannte Industriezweigen blühten auf, die Einnahme des Königreiches wuchs aufs Zehnfache.” – Da half schon die zweite Generation der Gardisten – die in 1760 aufgenommenen schieden in 1764 aus und von nun an kamen in jedem Jahr quittierte Gardisten zur Staatsverwaltung!

Begegnungen06_Muller

Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 6:129–139.

ILDIKÓ MÜLLER

Der Diskurs über Frauenstudium in Ungarn um die Jahrhundertwende

 

Die Öffnung der Universitäten für Frauen war ein sehr bedeutender Schritt im Kampf für die Gleichberechtigung der Frau, sie hatte entscheidende wirtschaftliche und gesellschaftliche Folgen. Sie stand in engem Zusammenhang mit der Problematik der Frauenerwerbstätigkeit. Der Studienabschluss ermöglichte es nämlich auch Frauen, akademische Berufe, d.h. Berufe mit Macht und hohem sozialen Prestige zu ergreifen.

Das Studium wurde Frauen in Ungarn im Vergleich zu anderen europäischen Ländern erst ziemlich spät ermöglicht. Erst 1895 wurden die Philosophische und die Medizinische Fakultät für Frauen eröffnet, bis Dezember 1918 durften Frauen nur an diesen zwei Fakultäten studieren. Im Dezember 1918 wurden Frauen zum Studium aller Fächer zugelassen, diese Anordnung war aber nur einige Monate in Kraft, danach wurden die Studienmöglichkeiten für Frauen eingeschränkt. Erst 1946 wurden Frauen wieder zum Studium aller Fächer zugelassen.

Ab dem letzten Drittel des vorigen Jahrhunderts führte man einen regen Diskurs über höhere Frauenbildung in Ungarn. Zahlreiche Zeitungsartikel, Bücher erschienen zu diesem Thema, das Bildungsministerium, das Parlament und die Fakultäten befassten sich mehrmals mit diesem Problem.

Die Diskussionen hielten auch nach 1895 an, Frauen wurden ja nur in beschränktem Maße zum Studium zugelassen: sie durften nur an zwei Fakultäten studieren. Dazu kam, dass Frauen nicht automatisch zum Studium zugelassen wurden, wenn sie über ein Abiturzeugnis verfügten – wie das bei Männern der Fall war –, sondern die Genehmigung des Kultusministers einholen mussten. Das bedeutete eine eindeutige Diskriminierung.

Anfang des 20. Jahrhunderts wurden die Möglichkeiten des Frauenstudiums weiter eingeschränkt. Die wichtigste Einschränkung erfolgte im Jahre 1905, als man die Zulassung der Frauen zum Studium vom Prädikat des Abiturzeugnisses abhängig machte: nur Frauen mit einem sehr guten Abiturzeugnis durften sich als ordentliche Studentinnen immatrikulieren, die anderen wurden nur als Gasthörerinnen zugelassen. Diejenigen Frauen, die in der Reifeprüfung in mehr als drei Fächern die Note 3 erhielten, durften sich überhaupt nicht einschreiben. Zur gleichen Zeit verlangte man von männlichen Studienbewerbern nur das Vorhandensein des Abiturzeugnisses, sein Prädikat spielte gar keine Rolle.

Im Weiteren untersuche ich die Argumente, die für bzw. gegen Frauenstudium angeführt wurden, um die Frage zu beantworten, warum strebten Frauen das Studium an und warum war der Widerstand dem Frauenstudium gegenüber so hartnäckig. Die Texte, die ich bearbeite, entstanden zwischen 1867 und 1918. Es sind Zeitungsartikel, Bücher über Frauenbildung und Frauenemanzipation, ministeriale Erlasse und Sitzungsprotokolle der Fakultäten der Universität Budapest.

*

Zuerst beschäftige ich mich mit den Argumenten, die für das Frauenstudium angeführt wurden. Die Befürworter der Hochschulbildung von Frauen stellten den sozialen Aspekt der Frage in den Mittelpunkt. Das Frauenstudium, zusammen mit Frauenbildung und Frauenerwerbstätigkeit wurde als soziale Notwendigkeit dargestellt.

Worum handelte es sich? Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts stieg die Zahl der auf Erwerbstätigkeit angewiesenen mittelständischen Frauen stark an. Es waren vor allem unverheiratete, verwitwete und geschiedene Frauen, die ihren Lebensunterhalt selbst verdienen mussten. Es kam aber auch vor, dass verheiratete Frauen einen Beruf ausüben mussten, weil ihre Ehemänner nicht genug verdienten, die Familie zu ernähren.

Die Zeitgenossen erklärten dieses Phänomen mit zwei Faktoren. Einerseits mit der Inflation, mit der die Verdienste nicht Schritt halten konnten. So wurde es Männern aus dem Mittelstand immer schwerer, ihre Familie zu versorgen bzw. überhaupt eine Familie zu gründen. Man klagte ständig darüber, dass die Zahl der Eheschließungen abnahm und das Heiratsalter stieg. Andererseits machte man den Frauenüberschuss für das Problem verantwortlich. Da es viel mehr Frauen als Männer im heiratsfähigen Alter gebe, könnten nicht alle Frauen einen Ehemann finden – schrieb man.

Meiner Meinung nach kann man dieses Problem nur mit diesen zwei Faktoren nicht erklären, obwohl es tatsächlich einen Frauenüberschuss in der untersuchten Periode gab und es auch eine Tatsache ist, dass der Anteil der unverheirateten Frauen Ende des vorigen Jahrhunderts anstieg. Auch ein anderer Faktor – auf den bereits einige Zeitgenossen hinwiesen – spielte eine wichtige Rolle. Mit der Explosion der Verbrauchsgüterindustrie und des Kleinhandels verringerte sich die im Haushalt zu leistende Arbeit. Man brauchte die Arbeitskraft der unverheirateten Schwestern, Töchter, Kusinen nicht mehr. Sie waren nur eine Last für die mittelständischen Familien, die sowieso mit finanziellen Schwierigkeiten kämpften.

Man musste also eine Lösung für die Versorgung der unverheirateten, verwitweten oder geschiedenen mittelständischen Frauen finden. Die gesuchte Lösung war die Öffnung von standesgemäßen Berufen und als Voraussetzung für die Ausübung dieser Berufe die Ermöglichung des Studiums auch für Frauen.

Die Notwendigkeit der Öffnung von standesgemäßen Berufen für mittelständische Frauen war das wichtigste Argument für die Zulassung der Frauen zum Studium. Die Bedeutung dieses Arguments zeigt auch die Tatsache, dass selbst die Gegner des Frauenstudiums größtenteils zugaben, dieses Problem existiere tatsächlich. Sie vertraten aber die Meinung, dass man nicht unbedingt die Universitäten öffnen müsse, um dieses Problem zu lösen, es gebe ja genug Berufe wo man keinen Universitätsabschluss brauche (z.B. Grundschullehrerin, Postangestellte, Kindergärtnerin, Telefonistin usw.).

Die Frauen strebten den Zugang zu akademischen Berufen nicht nur aus finanziellen Gründen an. Sie fanden ihren bisherigen Lebensbereich zu eng und suchten nach neuen Tätigkeiten, die sinnvoll und für die Gesellschaft nützlich waren. Diese Bestrebungen sind nur teilweise darauf zurückzuführen, dass sich die Haushaltsarbeit verringerte. Sie sind auch damit zu erklären, dass das Bildungsniveau der Frauen anstieg, sie hatten höhere geistige Ansprüche als früher.

Ein weiteres wichtiges Argument für das Frauenstudium war, dass die gebildeten Frauen für die Gesellschaft nützlich sein könnten: sie könnten das kulturelle Niveau und das allgemeine Wohl der Gesellschaft erhöhen. Dazu könnten Frauen – nach der Meinung der Zeitgenossen – vor allem als Lehrerinnen und Ärztinnen beitragen. Lehrerinnen wollte man in den Mädchenschulen einsetzen, da die weibliche Bildung einen besonderen Charakter haben sollte. Ärztinnen hielt man bei der Behandlung von Frauen und Kindern für unentbehrlich. Erziehung und Krankenpflege waren traditionelle weibliche Tätigkeitsbereiche, sie verletzten also die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung nicht. Es wurde zwar selten damit argumentiert, dass Frauen die Wissenschaft voranbringen könnten, tauchte auch dieses Argument auf. Man erwartete einen speziellen, weiblichen Beitrag von den Wissenschaftlerinnen. Diese Erwartung basierte auf der Auffassung, dass der männliche und der weibliche Geist vollkommen unterschiedlich seien.

Sehr viele Befürworter des Frauenstudiums beriefen sich auf die positiven Erfahrungen, die man im Ausland gemacht hatte. In den USA und in den meisten europäischen Ländern durften nämlich Frauen schon vor 1895 studieren. Das Beispiel der „zivilisierten” Länder beeinflusste die öffentliche Meinung auch in Ungarn. Die Zulassung der Frauen zum Studium bzw. die Frauenemanzipation überhaupt wurde oft als Bestandteil der „Zivilisierung” (Modernisierung) dargestellt. In diesem Zusammenhang erschien auch das Argument, die Bildung sei ein grundlegendes Recht des Menschen, es sei ungerecht, die Frauen davon auszuschließen.

*

Diese waren die Argumente, die für das Frauenstudium angeführt wurden. Womit argumentierten die Gegner?

Ihre Argumente basierten größtenteils auf der bürgerlichen Auffassung von Geschlechtscharakteren und Geschlechterrollen, deshalb gehe ich darauf näher ein.

Das Novum der bürgerlichen Geschlechterdefinitionen war, dass die Geschlechtscharaktere aus der Natur abgeleitet wurden, und dass man versucht hat, sie wissenschaftlich zu fundieren. Diese wissenschaftliche Fundierung war hauptsächlich die Leistung der Anthropologie. Die Anthropologen gingen davon aus, dass der Körper die Seele, das Physische das Moralische bestimme. Dementsprechend leiteten sie die Eigenschaften und sozialen Funktionen der Geschlechter aus dem Körper ab.1

Die Logik ihrer Argumentation war folgende: Sie verglichen den weiblichen und den männlichen Körper und stellten angeborene organische Unterschiede fest, die sie auf den Naturzweck der Fortpflanzung zurückführten. Für den Körper des Mannes sei nach ihrer Auffassung Stärke und vorherrschende Irritabilität typisch. Im männlichen Körper sei alles auf Wirkung nach außen und auf Ausübung und Erhaltung der Gattung berechnet. Diesem männlichen Körper wurde der weibliche Körper gegenübergestellt. Der weibliche Organismus sei schwach, da herrsche die Sensibilität vor, im weiblichen Körper sei alles auf die Aufnahme äußerer Einflüsse und auf die Erhaltung der Gattung berechnet – behauptete man.

Aus den körperlichen Differenzen wurden einerseits die psychischen Eigenschaften, andererseits die sozialen Funktionen der Geschlechter abgeleitet. Die Stärke und Irritabilität des männlichen Körpers bedingt die wichtigsten Eigenschaften des Mannes, und zwar Aktivität und Rationalität, während die Schwäche und Sensibilität des weiblichen Körpers zur Passivität und Vorherrschaft des Gefühls führt. Beim Mann beherrscht die Vernunft das Gefühl, er handelt nach Überzeugungen. Dagegen herrscht beim Weib das Gefühl vor, sie handelt nach Gefühlen, ihr Wille ist schwach. Der Mann ist das schaffende Prinzip in der Gesellschaft. Er erzeugt Ideen, er ist der Träger der Kultur. Die Frau ist das bewahrende, erhaltende Prinzip in der Gesellschaft. Sie empfängt die Ideen, sie ist ein Naturwesen. Dem Mann wird Kraft, Tat, Geist, Schaffen, Vernunft, Festigkeit, Wille, Selbständigkeit zugeordnet. Der Frau Schwäche, Selbstlosigkeit, Gefühl, Abhängigkeit, Empfangen, leidendes Ertragen, Mitleid. Man könnte die psychischen Eigenschaften der Geschlechter lange aufzählen. Der Mann ist z.B. mutig, kühn, heftig, trotzig, rau, verschlossen. Die Frau ist furchtsam, nachgiebig, sanft, zärtlich, gutmütig, geschwätzig, wandelbar, inkonsequent.

Den körperlichen Unterschieden entsprechend wurden die Lebensbereiche von Mann und Frau festgelegt. Sie sind voneinander strikt getrennt: Der Lebensbereich des Mannes ist die Öffentlichkeit, der Lebensbereich der Frau ist das Heim, die Familie. Diese Aufteilung entspricht der Trennung von Produktionsstätte und Wohnstätte, also der Trennung von Erwerbssphäre und Familiensphäre im Bürgertum. Der Mann ist der Ernährer und Beschützer der Familie, der das Heim jeden Tag verlässt und in die große Welt hinaustritt. Nur er ist ein autonomes Individuum, nur er partizipiert an der Öffentlichkeit. Die Frau ist Mutter, Gattin, Hausfrau, die die Kinder erzieht, ihrem müden Ehemann ein Refugium schafft und durch ihre Schönheit und Eleganz den Berufserfolg des Mannes repräsentiert. Diese sozialen Funktionen erscheinen als die natürliche Bestimmung der Geschlechter. Die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung der bürgerlichen Gesellschaft wird durch Wesensmerkmale von Mann und Frau legitimiert.

Laut dieser Auffassung ergänzen die weiblichen und männlichen Eigenschaften und Tätigkeitsbereiche einander, sie bilden zusammen ein Ganzes. Diese Ordnung der Geschlechter sei naturgegeben – behauptete man im 19. Jahrhundert –, sie entspreche der Ordnung der Natur. Jeder Verstoß gegen sie wurde als Verstoß gegen die Naturgesetze betrachtet.

Man findet den hier vorgestellten Gedankengang vor allem in den Texten, die in den 1870–80er Jahren entstanden. Auch später – während der ganzen untersuchten Epoche – berief man sich oft auf den unterschiedlichen Charakter und die natürliche Bestimmung von Mann und Frau, man hielt es aber für unnötig, den ganzen Gedankengang zu wiederholen. Die Behauptung, daß die Geschlechtereigenschaften und -rollen naturgegeben sind, wurde nicht mehr bewiesen, man betrachtete sie als eine längst bestätigte und allgemein bekannte Tatsache.

Der Lebensbereich der Frau ist laut bürgerlicher Geschlechterphilosophie die Familie. Wenn die Frau studiert, verlässt sie den ihr von der Natur zugeordneten Bereich und tritt in die Öffentlichkeit hinaus, wo sie sich nur mit männlichen Eigenschaften durchsetzen könnte. Die wissenschaftliche Tätigkeit widerspricht dem Charakter und der natürlichen Bestimmung der Frau – behaupteten die Gegner des Frauenstudiums.

Frauenstudium ist also ein Verstoß gegen die Gesetze der Natur und kann verhängnisvolle Folgen haben. Die geistige Tätigkeit belästigt in dem Maße den schwachen Körper und die empfindliche Psyche der Frau, dass sie ihrer natürlichen Aufgabe als Mutter nicht gerecht werden kann. Die Frauen müssen für die intellektuelle Entwicklung ihre Geschlechtigkeit einbüßen, Weiblichkeit und Wissenschaft schließen sich gegenseitig aus. Géza Mihalkovics, Rektor der Universität in Budapest erklärte das folgenderweise: Der Beruf, den man ausübt, verändert auf die Dauer den menschlichen Organismus – meinte er. Wenn Frauen Männerarbeiten – wie z.B. wissenschaftliche Tätigkeit – verrichten, nehmen sie männliche Eigenschaften an und verlieren ihren weiblichen Charakter.2

Das Frauenstudium stellt also eine enorme Gefahr dar – argumentierte man –, es gefährdet die Familie, die der Kern der Gesellschaft ist, es gefährdet sogar das Fortbestehen der Menschheit. Es ist aber selbst für die Frau gefährlich, es führt bei ihr zu körperlichen und physischen Schäden.

Ein weiteres wichtiges Argument der Gegner des Frauenstudiums war, dass Frauen zur wissenschaftlichen Tätigkeit nicht oder weniger fähig seien als Männer. Einerseits wegen ihrer körperlichen Schwäche, andererseits wegen ihrer nicht ausreichenden geistigen Fähigkeiten. Die Verfasser der in den 1870–80er Jahren entstandenen Texte führten die geistige Unterlegenheit der Frau darauf zurück, dass das große Gehirn bei Frauen wesentlich kleiner ist als bei Männern. Später argumentierte man nicht mehr damit,3 aber man betonte auch weiter, dass Frauen und Männer anders denken, und Frauen über die zur wissenschaftlichen Tätigkeit nötigen Fähigkeiten weniger verfügen als Männer. Frauen sind nämlich – nach der Meinung der Gegner – viel zu subjektiv. Ihr Denken ist konkret, sie sind zur Abstraktion weniger fähig als Männer. Ihr Geist ist weniger originell, weniger schöpferisch, ihre geistige Tätigkeit ist mehr nachahmend und empfangend. Um diese Behauptungen zu beweisen, wies man darauf hin, dass es in der Geschichte keine genialen Künstlerinnen und Wissenschaftlerinnen gab.

Nachdem die Universitäten für Frauen eröffnet worden waren, berief man sich auch auf die eigenen Erfahrungen mit Studentinnen. Die Professoren der Universität in Budapest argumentierten für die Einschränkung des Frauenstudiums damit, dass die Frauen wegen ihrer psychischen Eigenschaften zur wissenschaftlichen Tätigkeit nicht fähig seien. Sie beschrieben die Leistungen der Studentinnen den gängigen Vorstellungen vom weiblichen Charakter entsprechend. Eine Kommission der Philosophischen Fakultät, die sich 1917 mit der Frage des Frauenstudiums beschäftigte, beschrieb z.B. die Studentinnen folgenderweise: Sie seien subjektiv, sie würden von ihren Gefühlen geleitet, sie seien nicht fähig, sich in einem Thema zu vertiefen. Laut Erfahrungen der Kommissionsmitglieder seien Studentinnen unselbständig. Sie lernten den Lehrstoff mechanisch, ohne ihn richtig zu verstehen. Sie erkannten die inneren Zusammenhänge nur schwer. Sie sammelten zwar fleißig und gewissenhaft Daten, gelangten aber nur selten zur Synthese. Einen weiteren wichtigen Fehler der Studentinnen sah die Kommission darin, dass sie zur Abstraktion nicht fähig seien.4

Diejenigen Professoren, die die Erweiterung des Frauenstudiums unterstützten, bewerteten die Leistung der weiblichen Studierenden ganz anders. Sie vertraten die Meinung, die hervorragenden Leistungen der Studentinnen sind ein Beweis dafür, dass es richtig war, das Studium auch für Frauen zu ermöglichen. Die Statistiken bestätigen auf jeden Fall ihre Meinung: die Prüfungsergebnisse der Studentinnen waren viel besser als die der Studenten.

Die Gegner des Frauenstudiums machten sich auch um die Moral der Studentinnen Sorgen. Es würde zu einer Katastrophe führen, wenn Männer und Frauen zusammen studierten – meinten sie. Es könnten ja unerwünschte Beziehungen zwischen Studenten und Studentinnen entstehen, davon gar nicht zu sprechen, dass die Studentinnen die Aufmerksamkeit der Studenten von den wissenschaftlichen Fächern wohl ablenkten. Besonders beim Medizinstudium sah man die weiblichen Sitten in Gefahr. Das Studium der Medizin gefährde die natürliche Sittlichkeit der Frau, verletze also „die edelsten Seiten der weiblichen Natur” – behauptete man. Auch gegen Apothekerinnen wurde dieses Argument gerne angeführt. Es ist interessant, dass sich auch die Befürworter der Öffnung des ärztlichen Berufes für Frauen auf die weibliche Schamhaftigkeit beriefen. Sie argumentierten damit, dass sich viele Frauen aus Scham nicht an männliche Ärzte wenden, man müsste deswegen Ärztinnen einsetzen.

Diese waren die Argumente, die auf der bürgerlichen Auffassung von Geschlechtscharakteren basierten. Die Befürworter des Frauenstudiums wiesen natürlich die Argumente der Gegner zurück. Dabei argumentierten auch sie oft im Sinne der bürgerlichen Geschlechterphilosophie. Sie betonten z.B., dass die gebildeten Frauen ihre natürlichen Aufgaben nicht vernachlässigen, im Gegenteil, sie können ihre Pflichten als Mutter, Ehefrau und Hausfrau besser erfüllen als die ungebildeten Frauen. Man könnte auch die ärztliche Ausbildung von Frauen als Beispiel erwähnen. Dafür wurde einerseits damit argumentiert, dass sie der natürlichen Bestimmung und den natürlichen Eigenschaften der Frau entspreche. Andererseits berief man sich darauf, dass eine Ärztin die Frauen und Kinder besser verstehen und behandeln könne, und diese mehr Vertrauen zu ihr hätten.

Man argumentierte nicht nur mit dem unterschiedlichen Charakter und der unterschiedlichen natürlichen Bestimmung von Mann und Frau gegen das Frauenstudium. Eines der wichtigsten Argumente der Gegner war, dass die Akademikerinnen die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt erhöhten, so könnten noch weniger Männer eine sichere Arbeit finden und eine Familie gründen. Diese Befürchtung wurde vor allem ab Anfang des 20. Jahrhunderts laut, als der akademische Arbeitsmarkt in Ungarn überfüllt wurde. Die Angst vor der wachsenden Konkurrenz war höchstwahrscheinlich einer der wichtigsten Gründe des Widerstandes, der dem Frauenstudium gegenüber geleistet wurde. Darauf weist auch die Tatsache hin, dass die Vertreter der einzelnen akademischen Berufe vor allem ihre eigene Profession vor Frauen schützen wollten. Die Ärzteschaft ist ein gutes Beispiel dafür. Nachdem die Medizinische Fakultät für Frauen eröffnet worden war, sahen die Ärzte keinen Grund mehr, die anderen Fakultäten vor Frauen geschlossen zu halten. Sie betonten sogar, der ärztliche Beruf sei der für Frauen am wenigsten geeignete akademische Beruf. Wenn man also die Frauen zu dieser Profession zulasse, sollte man auch die anderen akademischen Berufe für sie zugänglich machen. Man kann leicht das wahre Motiv hinter dieser Argumentation erkennen. Einige Ärzte sprachen klar aus, worum es in Wirklichkeit ging. Gyula Donáth, Professor der Universität in Budapest erklärte z.B., es sei ungerecht, dass die Ärzteschaft die ganze weibliche Konkurrenz am Halse habe. Man solle Frauen den Zugang auch zu anderen akademischen Berufen sichern, damit die Konkurrenz gerechter verteilt werde.5

Die Angst vor der wachsenden Konkurrenz war der Grund auch dafür, dass man im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts die Zulassung der Frauen zum Studium erschwerte. In den Fakultätssitzungen wurde die Einschränkung des Frauenstudiums mit der Überfüllung der Universität und der akademischen Berufe begründet. Es gab Professoren, die die Zulassung aller Studienbewerber einschränken wollten, unabhängig vom Geschlecht, das wurde aber nicht verwirklicht. Es war viel einfacher, die Frauen von der Universität fernzuhalten, sie durften ja sowieso nur mit spezieller Genehmigung studieren. Man berief sich gerne auf den ministeriellen Erlass, durch den die Philosophische und die Medizinische Fakultät geöffnet wurden. In diesem Erlass wurde nämlich als Ziel der Anordnung angegeben, besonders begabten Frauen das Studium zu ermöglichen. Die Professoren argumentierten auch mit den schlechten Leistungen der Studentinnen für die Einschränkung des Frauenstudiums, wie wir das schon gesehen haben. Darüber hinaus schilderten sie mit großer Empathie, was für schädliche Folgen das Studium auf den schwachen Körper und die empfindliche Psyche der studierenden Frauen habe.6

Zu der Angst vor der Konkurrenz kam noch die Befürchtung, das soziale Prestige der akademischen Berufe würde sinken, wenn auch Frauen diese Berufe ergriffen. Besonders klar wird das, wenn man die Reaktionen der Apothekerschaft betrachtet. Die Hälfte der Apotheker, die sich über die Zulassung der Frauen zum Apothekerberuf äußerten, machte sich Sorgen darum, dass Frauen das gesellschaftliche Ansehen der Apothekerschaft stark beeinträchtigten.7 Da spielte wahrscheinlich auch die Tatsache eine Rolle, dass sich dieser Beruf erst zu dieser Zeit als akademischer Beruf etablierte.

Meiner Meinung nach hatte der Widerstand dem Frauenstudium gegenüber noch einen wichtigen Grund. Der Universitätsabschluss ermöglichte es auch Frauen, Berufe mit Macht und hohem sozialen Prestige zu ergreifen. Diese Berufe waren bisher Männern vorbehalten, es ist kein Wunder, dass sie diese Positionen Frauen nicht überlassen wollten. Es ist bezeichnend, dass selbst diejenigen, die die Frauenerwerbstätigkeit für nötig hielten, Frauen lieber in niedrigeren, Männern unterstellten Positionen gesehen hätten, z.B. nicht als Ärztinnen, sondern als Krankenschwestern.

Besonders eindeutig ist das im Falle des Jurastudiums. Selbst die Zeitgenossen wiesen daruf hin, dass die Öffnung der Berufe der Rechtspflege eine Machtfrage sei.8 Bis 1946 durften Frauen in Ungarn nicht Jura studieren, und auch in anderen Ländern war der Widerstand auf diesem Gebiet am hartnäckigsten. Es ist damit zu erklären, dass Juristen besonders große Macht hatten, sie waren ja an der Aufstellung von Rechtsnormen und an deren Durchsetzung beteiligt. In Ungarn genossen Juristen ein besonders hohes gesellschaftliches Ansehen, die höheren Beamtenstellen waren ihnen vorbehalten.

Die Sorge um die Machtpositionen von Männern und um ihre Positionen auf dem Arbeitsmarkt war ein sehr wichtiger Grund dafür, dass man versuchte, das Frauenstudium zu hindern. Das ist aber nicht einfach auf männlichen Egoismus und auf männliche Machtgier zurückzuführen. Man muss berücksichtigen, dass die Öffentlichkeit nach der Auffassung dieser Zeit der Lebensbereich des Mannes war, die Versorgung der Familie war seine Aufgabe. Diese Arbeitsteilung wurde aus der Natur abgeleitet und wissenschaftlich bewiesen, so war sie heilig und unantastbar. Der Auftritt der Frauen hat diese Ordnung in Frage gestellt. Die vorher vorgestellte Auffassung über Geschlechtscharaktere und geschlechtsspezifische Arbeitsteilung war in der Gesellschaft tief verwurzelt. Auch Frauen waren von ihrer Richtigkeit überzeugt. Ein Zeichen dafür ist, dass es unter den Gegnern des Frauenstudiums auch Frauen gab, und auch sie beriefen sich auf die natürliche Bestimmung und auf den Charakter der Frau. Selbst diejenigen, die die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung verändern wollten, argumentierten oft im Rahmen der bürgerlichen Geschlechterphilosophie.

*

Wie kann man also die am Anfang gestellte Frage beantworten: warum forderten die Frauen das Recht auf Studium, und warum hat man ihnen Widerstand geleistet? Auf Grund der bearbeiteten Texte kann man folgende Antwort geben: Die Frauen strebten die Öffnung der Universitäten an, weil sie standesgemäße Berufe ergreifen und die dazu nötige Ausbildung erwerben wollten. Sie wollten aus dem ihnen zugeordneten Bereich in die Öffentlichkeit hinaustreten. Sie taten das einerseits aus finanziellen Gründen. Andererseits, weil sie den Wunsch hatten, ernste, für die Gesellschaft nützliche geistige Arbeit zu leisten. Im Hintergrund dieser Bestrebungen stand der Prozess der Modernisierung, d.h. die fortschreitende Emanzipation und der Anstieg des Bildungsniveaus der Bevölkerung. Der Widerstand, der dem Frauenstudium gegenüber geleistet wurde, hatte meiner Meinung nach folgende Gründe. Erstens: Die Frauen erhöhten die Konkurrenz auf dem bereits überfüllten akademischen Arbeitsmarkt. Zweitens: Der Studienabschluss ermöglichte es Frauen, Berufe mit Macht und hohem sozialen Prestige zu ergreifen, die bisher Männern vorbehalten waren. Drittens: Frauenstudium verletzte das Frauenbild, die auf der Polarität der Geschlechtereigenschaften basierende geschlechtsspezifische Arbeitsteilung.

 

Anmerkungen

1

Honegger, Claudia: Die Ordnung der Geschlechter. Die Wissenschaften vom Menschen und das Weib 1750–1850. Campus Verlag, Frankfurt–New York 1991

2

Mihalkovics Géza székfoglaló beszéde (Antrittsrede). In: Acta Reg. Scient. Universitatis Hung. Budapestiensis anni MDCCCXCVIII–XCIX, Fasc.I.

3

Vertreter des Gegenlagers erwähnten auch später dieses Argument und bezeichneten es als eine überholte Ansicht

4

ELTE Levéltára (ELTE-Archiv) 8.b.28.:351/1917–18. sz.

5

Donáth Gyula beszéde. In: Főiskolai tanárok beszédei és írásos nyilatkozatai a Budapesti Tudományegyetem hallgatóinak nagygyűlésén. A gyűlés jegyzőkönyvének melléklete. Én. S. 12–13. (Die Rede von Gyula Donáth auf der Versammlung der Studenten der Universität Budapest)

6

ELTE Levéltára (ELTE-Archiv), 8.b.7.: 1026/1911–12. sz., 8.b.10.: 152/1912–13. sz., 8.b.28.: 351/1917–18. sz., 8.b.31.: 638/1918–19. sz.; SOTE Levéltára (SOTE-Archiv) 1.a.29. : Sitzung vom 15. 01. 1904

7

Gyógyszerészi Hetilap (Wochenzeitschrift für Pharmazie), 33. Jg. 1894. Nr. 43., 34. Jg. 1895. Nr. 7, 12, 14, 25, 26, 29, 30, 49

8

Apáthy István és Szászy-Schwarz Gusztáv beszéde. In: Főiskolai tanárok beszédei és írásos nyilatkozatai a Budapesti Tudományegyetem nagygyűlésén. én. S. 7, S. 21 (Die Rede von Apáthy István und Szászy-Schwarz Gusztáv auf der Versammlung der Studenten der Universität Budapest)

Begegnungen06_Malfer

Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 6:57–66.

STEFAN MALFÈR

Die Reform der Wehrpflicht als konservative Sozialutopie in einer Broschüre aus dem Jahre 1856

 

Im Jahre 1856 erschien in Raab/Győr ein schmales Büchlein in deutscher Sprache mit dem etwas verwirrenden Titel „Die Wehrpflicht als Staatskraft und Last des Individuums und seiner Familie”. Der Autor blieb anonym und zeichnete nur als „k. k. Stabsofficier in Ruhestand”1. Die Versuche, den Autor ausfindig zu machen, blieben ohne Ergebnis2. Weder enthalten die Exemplare, die in den Wiener Bibliotheken vorhanden sind, einen Hinweis, noch hinterließ die Broschüre in den Akten des Kriegsarchivs irgendeine Spur, auch eine Rezension konnte ich nicht finden.

Der Umstand, dass die Broschüre in Győr gedruckt wurde, und einige Textstellen lassen den Schluss zu, dass der Autor ein Ungar war. Die Sprache ist ein wenig umständlich, altmodisch, die Satzstellung etwas ungewöhnlich, so als ob der Schreiber aus einer anderen Sprache übersetzen würde. Man hat den Eindruck, dass er ein sehr gebildeter, gleichzeitig durch und durch ein Mann der Praxis war, der sich lange Zeit Gedanken gemacht hat und diese nun niederschreibt, ohne die Gewandtheit des Schriftstellers oder Journalisten zu besitzen. Aber er weiß genau, was er will, er ist überzeugt von der Richtigkeit seiner Gedanken. All das zusammen ergibt für den heutigen Leser einen eigenartigen Reiz.

Es geht um die Reform der Wehrpflicht. Das Thema war damals sehr aktuell. Schon seit 1848 hatte es Reformschritte gegeben, wie die Aufhebung der Befreiung des Adels vom Militärdienst, die Einberufung nach dem Los, d. h. die Auswahl der Rekruten aus allen Tauglichen und nicht Befreiten durch Auslosung, und die Einführung der fixen Befreiungstaxe anstelle der freien Vereinbarung für die Stellvertretung. In Ungarn und Siebenbürgen war die freie Werbung abgeschafft worden. Die langfristige Tendenz ging in Richtung Objektivierung, das bedeutete mehr Gerechtigkeit, in Richtung Wehrdienstverkürzung und Verbreiterung der Kriterien für die Rekrutenauswahl.

Das Kriegsministerium bemühte sich um weitere Reformen. Im Dezember 1855 hieß es in einem Schreiben an das Innenministerium:

„Die Notwendigkeit eines allgemeinen Rekrutierungsgesetzes ist unverkennbar. Das Bedürfnis darnach stellt sich umso dringender dar, als gegenwärtig in den verschiedenen Kronländern fünf in wesentlichen Teilen voneinander abweichende Rekrutierungsvorschriften in Kraft bestehen.”3

Aus diesem Anlauf ging drei Jahre später das Heeresergänzungsgesetz von 1858 hervor, das aber noch nicht der große Wurf war. Der gelang bekanntlich erst unter dem Druck und Eindruck von Königgrätz. Die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht und des Einjährig-Freiwilligenjahres im Jahre 1868 brachte die große Erneuerung im Einberufungswesen.4 Unser Autor griff also ein offenes Problem auf.

Wie lautete seine Analyse des Wehrsystems der Monarchie? Es war seiner Ansicht nach ungerecht, die Lasten waren höchst ungleich verteilt, trotz aller Verbesserungen im Einzelnen. Diejenigen, die das Los traf, mussten Jahre ihres Lebens dem Staat geben, hatten Nachteile für ihre Gesundheit, ihr Leben, ihre Ausbildungs- und Verdienstchancen, sie konnten unter Umständen ihre armen Eltern nicht unterstützen usw. Die Untauglichen und die nicht Ausgelosten aber hatten gar nichts zu leisten. Mit diesem Urteil stand der Autor nicht alleine da. Der Zweck der Broschüre war es nun, einen Lösungsvorschlag zu unterbreiten. Dieser Vorschlag hatte zwei Seiten, eine militärische und eine außermilitärische.

Der springende Punkt in militärischer Hinsicht war der Versuch, die allgemeine Wehrpflicht mit einem Berufsheer zu verbinden. Unser Offizier war entschieden der Meinung, dass der freiwillige Soldat der bessere Soldat sei.

„Der Geworbene betrachtet seinen Lebenslauf in dem Gewerbe des Soldaten fixiert; ... Er hat sonach seltener Sehnsucht nach seinen früheren Verhältnissen, als der zwangsweise Dienende; und aus diesen Ursachen dient jener in der Regel auch länger, und bei Aussicht auf Versorgung nicht selten bis zur Invalidität, – ein Vorzug allerdings, weil der alte Soldat in so vielen Hinsichten dem jungen vorzuziehen ist; zumeist aber, weil der alte Soldat in Strapazen ausdauernder, und Erkrankungen weniger unterworfen zu sein pflegt.”5

Es war also alles daran zu setzen, um möglichst viele Freiwillige zu bekommen. Ebenso war er aus Gerechtigkeitsgründen der Meinung, dass die Last, die ein Staat zur Aufrechterhaltung seiner Wehrkraft trug, auf alle verteilt werden sollte. Nun galt in der Theorie bereits die allgemeine Wehrpflicht. Sie war aber in der Praxis außer Kraft gesetzt durch die zahlreichen Befreiungen, durch die notwendige zahlenmäßige Beschränkung des Truppenkontingents und durch das Auswahlsystem des Losens.

„Was wir hauptsächlich auf dem Korn haben, ist dass der vom Los Getroffene acht oder zehn Jahre im Militärdienst zubringen muss, und der vom Los nicht Getroffene, sowie der Untaugliche titulo opere militaris nicht etwas leistet, das zur Kompensation für die unter die Waffen Gestellten, oder zum allgemeinen Besten verwendet werden könnte. Es erweiset sich nämlich, dass ... etwa ein Fünftel der Individuen der pflichtigen Altersklassen die in der Frage stehende Last tragen, und vier Fünftel derselben dieser Last rein ledig bleiben, ohne irgend eine Leistung, welche diese Ungleichheit milderte.”6

Er suchte und fand einen Ausweg. Jeder hatte entweder persönlich zu dienen oder, wenn er nicht konnte oder nicht wollte, eine Ersatzleistung zu erbringen. Diese Ersatzleistung konnte aus praktischen Gründen nicht militärischer Natur sein. An diesem Punkt brachte er außermilitärische Ziele ins Spiel. Vier Dinge hatte jeder Nichtdienende bzw. seine Familie zu tun: „Diese Leistungen sollen bestehen aus einem Geldbetrag, einem persönlichen Dienst, und zwei besondern Lasten.”7 Der Geldbetrag war sozial gestaffelt. Das Maß für die Berechnung war der Grundbesitz, nach dem Prinzip „onus inhaeret fundo”, das der Autor so übersetzte: „Die Last der Landesverteidigung ruht auf dem Grundbesitz.”8 Die anderen Berufe waren auf dieses Maß bezogen, so sollte z.B. ein weniger einträgliches Handwerk einem Besitz von 20–50 Jochen gleich gehalten werden, ein besseres einem Besitz von mehr als 50 Jochen. Die aus der Größe des Besitzes errechnete Geldsumme war übrigens von den mittleren und größeren Grundbesitzern auch dann zu zahlen, wenn sie keinen Sohn hatten oder gar kinderlos waren, da eben der Grundbesitz als solcher zur Verteidigung beizutragen hatte. Die Geldbeträge sollten in einen Rekrutierungsfonds fließen. Daraus sollte die Regierung die armen Proletariersöhne für den von ihnen zu leistenden Wehrdienst belohnen und überhaupt Freiwillige bezahlen.

Die Geldleistung allein erschien unserem Offizier noch kein adäquater Ersatz für die persönliche Dienstleistung zu sein, daher verlangte er, dass jeder, der nicht in der Armee diente, einen persönlichen Dienst in einem zivilen Bereich für die Allgemeinheit zu leisten habe.

„Der persönliche Dienst ... wäre in einem Zivilamt oder Lehramt durch zehn Jahre zu leisten ... Hierher gehören Ämter, Verwendungen, Sicherheitsdienst, pressante Gemeindearbeiten, Vormundschaften, Beisitzer bei Gerichten, Schullehreramt, aktive Mitglieder eines Landkulturvereines usw. Es wären diese Dienste zum größten Teil leichterer Art ...

Es werden durch die Schuldigkeit der persönlichen Dienstleistung, wie wir sie soeben andeuteten, ... eine Menge Individuen der Regierung zur Disposition gestellt, die für ihre Dienste dem Staate keinen Sold kosten, und aus ihrer Mitte ist eine Zahl als Beamte oder Schreiber verwendbar.”9

Aber auch damit war es noch nicht genug. Vielmehr waren noch „zwei besondere Lasten” zu erfüllen. Die erste bestand darin, dass die Familie 1 % des Besitztums an Ackerland – das ganze Modell baut, wie gesagt, auf dem Grundbesitz auf – zehn Jahre lang nach den Anordnungen der Regierung zu bebauen, wobei der Ertrag nicht abgeliefert werden musste, sondern der Familie blieb. Unser Offizier erwartete sich von dieser Maßnahme die Hebung der Landwirtschaft durch die Einführung neuer Kulturarten, und er vertraute darauf, dass die Leute ein neues Produkt nach einiger Zeit akzeptieren würden. Die konkreten Anregungen für diese Zwangsbeglückung sollten die Ackerbau- und Landwirtschaftsgesellschaften geben.

„Der Anbau von Krapp, Waid, Safran und anderer Spezies, die das Land hervorzubringen vermag, und sie gegenwärtig noch vom Ausland bezieht; die Vervielfältigung des Repsbaus, der Futterkräuter, Zuckerrüben, Futterrüben, Tabak, Hanf, Seidenwurmzucht, kann in diese Rubrike fallen. Man klagt häufig über Renitenz der Landleute gegen neue Methoden der Bodenkultur; durch diese Einrichtung wäre die Möglichkeit gewonnen, vielerlei anzubefehlen. – In sehr vielen Fällen ist es notwendig, die Leute zu zwingen, sich in etwas für sie Neues einzulassen, wo sie dann Sinn und Geschmack dafür bekommen ... Besonders nützlich, ja notwendig wird die Verbreitung der Seidenkultur ... Die Leute werden sich auf diese Weise an den Geruch der Seidenwürmer gewöhnen, und es wird dann nicht so leicht vorkommen, dass bei der Seidenzucht beschäftigte Taglöhner in großer Zahl, zur großen Verlegenheit des Züchters die Arbeit plötzlich verlassen, vorschützend, dass solche Arbeit nicht für einen Ungar sei.”10

Die zweite der besonderen Lasten betraf den Wald. Die Familie hatte für die Befreiung eines Sohnes vom Militärdienst jährlich einen Baum oder mehrere Bäume zu pflanzen, je nach der Größe des Grundbesitzes, und zwar zehn Jahre lang. Dadurch würden das Klima und die Fruchtbarkeit des Bodens günstig beeinflusst. Man spricht heute viel vom natürlichen Gleichgewicht, von Ökologie. Hören wir, was unser Offizier vor mehr als 130 Jahren schrieb.

„Wir haben uns sagen lassen, dass in Böhmen seit der Zeit, als die Fischteiche zum größten Teil beseitigt waren, die Fruchtbarkeit dieser Gegenden abgenommen habe. Ähnliches haben wir im diesem Komitate, das früher zu den fruchtbarsten zählte, die Sárrét (Kotwiese; beiläufig gesagt, bedeckte sie mehrere Quadratmeilen) durch größere Abzugskanäle in Wiesen und Ackerland verwandelt wurde, die Regen in diesem Komitate seltener geworden sind, und nun die Fruchtbarkeit merklich abgenommen hat. Man ist daran, die übertheißischen Sumpfstrecken auszutrocknen, und den Theiß-Überschwemmungen abzuhelfen. Wenn dieses erzielt sein wird, müssen die Feuchtigkeitsverhältnisse jener Gegenden nachteilig sich gestalten und so auf die Fruchtbarkeit wirken ... Hier können nur Baumpflanzungen im Großen helfen. Diese werden nach der von uns beabsichtigten Einrichtung dem Staate nichts kosten; und wenn deren Pflanzung bald begonnen wird, so wird ihre Zahl mit der eintretenden Entwässerung Schritt halten können.”11

Eine zusätzliche Begründung, die er anführte, war sehr menschenfreundlich. Die Bevölkerung Ungarns sei baumscheu, meinte er, und durch solche Baumpflanzungen werde es dazu kommen, dass „die Schnitter ihr Mahl im Schatten mit Erquickung genießen können; und nicht 16 Stunden im Sonnenschein, wo das lau gewordene Wasser sie nicht zu laben vermag, schmachten sollen.”12

Ich habe nun in den Grundzügen das Modell der Wehrpflichtleistung aufgezeigt. Auf nähere Details gehe ich nicht ein. Stattdessen möchte ich die Kriterien und die Werte aufzeigen, nach denen das ganze Modell und die Details eingerichtet sind.

In militärischer Hinsicht geht es ihm selbstverständlich um die Erhaltung der Schlagkraft der Armee. Sie braucht eine ausreichende Anzahl von guten, motivierten Soldaten. Die Umstände in Europa verlangen dies: „Die Steigerung der Zahl der Soldaten in den meisten Staaten erlaubt einzelnen Staaten nicht, hierin zurück zu bleiben.”13 Und der freiwillige, länger dienende Soldat ist der bessere Soldat als der Rekrut. So viel zum Militärischen, das eigentlich recht im Hintergrund bleibt.

 

Die politischen Kriterien sind

1. Gerechtigkeit. Es stört ihn, dass einige etwas leisten müssen, andere gar nichts, und er weiß, dass dies auch zu Klagen und zu Unmut in der Bevölkerung führt.

2. Soziale Ausgewogenheit. Außer bei der persönlichen Ersatzdienstleistung sind stets die Einkommensverhältnisse berücksichtigt. Die finanzielle Ersatzleistung des Mittellosen bleibt gering. Der einzige Sohn einer Familie ohne Grundbesitz und Vermögen ist von der Ersatzgeldleistung ganz befreit. Verhältnismäßig am stärksten werden die kleinen und mittleren Bauernwirtschaften bis 100 Joch herangezogen, die freilich die zahlreichste Gruppe darstellten. Sie hätten für einen Sohn 50–700 fl. Ersatzgeld zahlen müssen. Bei einem Großgrundbesitzer mit 100 000 Joch hätte der Geldbetrag 20 000 fl. ausgemacht. In einem historisch-juristischen Exkurs rechtfertigte er diese hohe Geldleistung als Konversion der Banderialschuldigkeit14, d. h. der Magnat muss nicht mehr, wie in früheren Zeiten, ein Banner, eine kleine Truppe stellen, dafür aber ordentlich bezahlen.

Die soziale Ausgewogenheit finden wir auch bei den Handwerkern und bei den Stadtbürgern.

3. Das dritte Kriterium ist die Stärkung des ländlichen Grundbesitzes und seiner Familie. Die Familien der Grundeigentümer sind für ihn die Basis des Staates, sie gewährleisten Beständigkeit, Ruhe und Ordnung. Es sollte auch möglichst viele Wirtschaften mit gebundenen Gründen geben, d. h. solche, die nicht durch Erbteilung oder Verkauf zerstört werden können. Mindestens zwei Drittel des Gebietes eines Dorfes sollte im Eigentum von dort residierenden Personen sein, und nicht von Stadtbewohnern gekauft werden können.

4. In den Städten sind in ähnlicher Weise das Handwerk und die Familie des Handwerkers zu schützen, z. B. soll der einzige Sohn eines Handwerkers, wenn er denselben Beruf ergreift, nur die Hälfte des Befreiungsbetrages zahlen.

Wir sehen in diesen beiden Kriterien ganz klar ein feudal-konservatives Gedankengut, das in scharfem Gegensatz zu den liberalen Zeitströmungen steht15.

5. Ein weiteres Anliegen des Autors ist die sozialerzieherische Sorge für das Proletariat. Der Sohn des Taglöhners und Proletariers muss, wenn er untauglich oder als einziger Sohn vom Militärdienst befreit ist, einen kleinen Teil seines Verdienstes sparen als obligatorische Altersvorsorge. Wenn er arbeitslos, ist, soll ihn die Regierung zu öffentlichen Arbeiten heranziehen. Auch die Handwerksgesellen sollen, wenn sie nicht dienen, obligatorisch sparen, und zwar unter der Aufsicht eines Meisters, vereint in einer Burse.

„Der Börsenvater hat Veranlassung, wie gesagt, seine Leute zu versammeln; er gewinnt Autorität, Einfluss ist geschaffen, und Gelegenheit bereitet, um guten Samen zu säen. Der Kreuzer-Einzahler wird durch dieses Einzahlen an eine höhere Ordnung und die Regierung erinnert; er leistet, und sieht, dass alle um ihn her leisten. ... Er tritt somit aus der Sphäre des Tiers.”16

Ich fasse zusammen. Die Werthaltungen und Kriterien, nach denen er sein Modell aufbaut, sind Gerechtigkeit und eine sozialkonservative und feudale, patrimoniale Gesellschaftsordnung.

Das alles ruht auf zwei ethischen Grundhaltungen, die er so ausdrückt. Die eine nennt er Pietät, d. h. „fromme Liebe mit ihren Konsequenzen von Entsagung und Aufopferung für ihren Gegenstand”. Dazu gehören der Vater oder die Eltern und die Familie, der Herr, der Landesfürst oder das Vaterland, welches „ohnehin alles Übrige, was wir lieben, in sich faßt”17. Das Gegenteil nennt er Spiel und bezeichnet damit jedes Tun und Streben, bei dem der Gegenstand gleichgültig oder sogar verwerflich ist, wo also nicht fromme Liebe gefordert ist, sondern Beliebigkeit herrscht. Dazu rechnet er z. B. jede Geschäftsspekulation oder auch den Zwischenhandel. Um zum Wehrdienst zurückzukommen: Wer nicht aus freier Berufswahl oder aus Patriotismus Soldat wird, sondern dazu gezwungen ist, der hat keine Pietät, heute würden wir sagen Motivation oder Akzeptanz.

Die zweite Grundhaltung ist Handeln nach festen Grundsätzen. Das Gegenteil davon ist, wie er es nennt, die Expedienz, also Ausflucht, Aushilfsmittel, billiger Ausweg. Er beklagt es, dass die Politik viel zu oft die Grundsätze vergisst und sich mit Expedienzen aushilft. Aber damit könne man nichts Dauerhaftes erreichen. Leider sei auch das System der Wehrpflicht voller Expedienzen und daher eben ungerecht.

Ich möchte nun versuchen, die Gedanken dieser Flugschrift einzuordnen. Wenn wir die gesamte Broschüre überblicken, dann können wir ziemlich deutlich utopische und nicht-utopische Elemente unterscheiden.

Zuerst die realistischen, nicht-utopischen. Da ist einmal der Versuch, die allgemeine Wehrpflicht oder besser die gerechte Wehrlastverteilung durchzuführen. Wir wissen, dass unser Autor da seiner Zeit voraus, aber nicht viel voraus war. Nur zehn Jahre später wurde die allgemeine Wehrpflicht als persönlich zu leistender Wehrdienst provisorisch und 1868 definitiv und auf gesetzlichem Wege eingeführt.

Auch das Bemühen um freiwillige Soldaten war nicht neu. Die Stellvertretung im Frieden war schon 1827 eingeführt worden, um freiwillig länger dienende, also bessere Soldaten zu bekommen. Die Einführung einer Wehrsteuer für Nichtdienende war auch von anderer Seite vorgeschlagen worden. 1853 hatte z.B. Oberst Anton Bils einen solchen Vorschlag unterbreitet, dem sogar FZM. Hess seine Anerkennung ausgesprochen hatte, es war aber nichts daraus geworden18. Das Wehrgesetz von 1868 enthielt die Einführung der Wehrtaxe, also eine nach dem Vermögen berechnete Geldleistung jener, die den Wehrdienst nicht persönlich leisten konnten. Die Wehrtaxe wurde dann erst 1880 realisiert, und sie war viel niedriger als die in unserer Broschüre vorgeschlagene19.

Ebenso wenig sind die Bemühungen um Hebung der Landwirtschaft und Einführung neuer Produkte und die Existenz und Tätigkeit der Landwirtschaftsgesellschaften utopisch. All das hat es ja gegeben20.

Was den Wald anbelangt, so gab es zwei gegenläufige Prozesse. Einerseits wurden die Wälder immer mehr in Anspruch genommen durch den steigenden Bedarf an Brennholz und an Holzkohle für die wachsende Bevölkerung, die zunehmende Industrie und die Eisenbahnen, und die Forstleute klagten immer wieder über den schlechten Zustand der Wälder. Andererseits entwickelte sich als Antwort darauf die Forstwissenschaft und Forstgesetzgebung, um den Ertrag der Wälder zu erhalten oder zu vermehren. Auch hier konfrontierte die Broschüre den Leser mit einem brennenden Problem der damaligen Zeit. Der Vorschlag unseres Autors zu großzügiger künstlicher Aufforstung Ungarns geht aber doch sehr weit und ist seiner Zeit voraus. Erst ein Vierteljahrhundert später verpflichtete das ungarische Forstgesetzt von 1879 die Waldbesitzer zu natürlicher oder künstlicher Aufforstung. Diese gesetzliche Bestimmung war aber noch lange keine Garantie für die landesweite Durchführung21.

Schließlich befand sich unser Offizier auch hinsichtlich der sozialen Impulse in guter Gesellschaft. In allen politischen Lagern gab es Vertreter, die die Probleme des Pauperismus, der Landflucht und des Industrieproletariats gesehen haben. Zentral war dies im Denken der frühen Sozialisten und Kommunisten. Aber auch bei den Katholiken gab es sozial Denkende, wie Bernhard Bolzéano, Wilhelm Gärtner oder Anton Füster, um einige Beispiele aus Österreich zu nennen22. Allerdings hat die Kirche erst spät mit der Enzyklika Rerum Novarum deutliche Konsequenzen gezogen, und Wolfgang Häusler hat sicher recht damit, daß die romantische Utopie einer feudal-zünftischen Ständeordnung keine ernstzunehmende Antwort auf die brennenden Probleme der entstehenden Industriegesellschaft war23. Schließlich gab es auch im liberalen Lager den Versuch, die soziale Frage zu beantworten24.

Diesen Elementen stehen einige utopische gegenüber. Da ist einmal der Zivildienst. Nun gibt es heute in mehreren Ländern die Möglichkeit, anstelle des Militärdienstes einen Zivildienst abzuleisten. Dennoch möchte ich die Einrichtung, die in unserer Broschüre vorgeschlagen wird – und ich betone, es kommt mehrmals das Wort „Zivildienst” vor – doch als utopisches Element werten. Mir ist jedenfalls keine andere Stimme aus jener Zeit bekannt, die diesen Gedanken ausgesprochen hat.

Utopisch sind ferner die Zwangslandwirtschaft zu nennen, und ebenso die zwangsweisen Baumpflanzungen.

Utopisch sind auch gewisse Details der Maßnahmen im sozialen Bereich, die man als Sozialromantik bezeichnen könnte.

Utopisch ist aber vor allem die Zusammenführung und Mischung der verschiedenen Bereiche. Staatliche Maßnahmen waren und sind überwiegend eindimensional, d. h. man erkennt ein Problem und sucht eine Lösung dafür. Man ist sich wohl mehr oder weniger bewusst, dass jedes Problem mehrere Ursachen und jede Maßnahme mehrfache Folgen hat, aber man will kaum anhand eines Problems zehn andere lösen. Die Utopie aber kennt das „Allheilmittel”, das es in Wirklichkeit nicht gibt. Die Utopie ist der Versuch, mittels eines Grundgedankens oder Prinzips ein ideales Staatswesen auszudenken25. So ist auch der Versuch unseres Offiziers utopisch zu nennen, wenn er ausgehend von der Pietät nicht nur das System der Wehrpflicht, sondern auch die Gesellschaftsstruktur und die sozialen Probleme bis hin zur Landwirtschaft und zum Klima sanieren will.

Ich möchte also diese Broschüre zusammenfassend als eine konservative Sozialutopie bezeichnen. Konservativ, weil die Werte vergangenheitsbezogen und bewahrend sind, sozial, weil das Bemühen um Gerechtigkeit und um Berücksichtigung der armen Bevölkerungsklassen sehr stark ist, eine Utopie schließlich, weil sich der Entwurf aus inneren und äußeren Gründen doch sehr weit von dem entfernte, was machbar gewesen wäre.

Lohnt es sich, eine solche offensichtlich unbeachtete und auch undurchführbare Utopie näher zu betrachten? Dazu drei Überlegungen, mit denen ich schließe.

1. Utopie entzündet sich immer an den Problemen ihrer Gegenwart, das sind eine bestimmte Zeit und ein bestimmter Raum. Wir gewinnen also aus der utopischen Schrift Erkenntnisse über diese Zeit und diesen Raum, wenn wir nicht die Lösungen, sondern die Probleme, die angesprochen werden, herauslesen.

2. Jede utopische Schrift bietet Lösungen an, die, so unzeitgemäß sie auch sein mögen, doch gedacht, ausgesprochen, aufgeschrieben wurden, d. h. wir gewinnen auch Erkenntnisse über die im geistigen Kosmos der Zeit denkmöglichen Antworten.

3. Schließlich wirft jede Utopie einen Lichtstrahl in die Zukunft. Unsere Gegenwart entstand ja nicht nur aus den materiellen und sozialen Zwängen, auch wenn diese die Richtung vorgeben, auch nicht allein aus den dunklen Kräften der Vergangenheit, die wie schwere Gewichte die Entwicklung hemmen, sondern auch aus den Träumen, Sehnsüchten und Hoffnungen der Vergangenheit.

In diesem Sinn möchte ich die Beschäftigung mit der Flugschrift, die bei aller Begrenztheit doch einige bemerkenswerte Äußerungen enthält, rechtfertigen, ja sie zur Lektüre empfehlen.

 

Bemerkungen

1

Die Wehrpflicht als Staatskraft und Last des Individuums und seiner Familie. Von einem k.k. Stabsofficier in Ruhestand. Raab, 1856. Gedruckt bei Victor Sauerwein, 35 Seiten.

2

Nachdem das Referat gehalten war, konnte durch die Mithilfe von ungarischen und österreichischen Kollegen die Anonymität doch gelüftet werden. Ich lasse aber den Text des Referates unverändert. Zunächst verdanke ich Herrn Dániel Szabó vom Institut für Geschichte der Ungarischen Akademie der Wissenschaften die Mitteilung, dass die István Széchényi Nationalbibliothek und die Ervin Szabó Stadtbibliothek in Budapest unsere Broschüre zwar nicht in der deutschen, aber in einer ungarischen Ausgabe enthalten, u. zw. unter dem Titel „Honvédelmi kötelesség mint állami erő és családi s egyéni teher. Írta egy nyugalmazott törzstiszt. Magyarra fordította Domján”. Das Exemplar in der Stadtbibliothek trägt den handschriftlichen Vermerk „Von dem pensionierten Major Pöschl”. Es ist mit mehreren anderen Broschüren zusammengebunden, von denen noch eine laut handschriftlichem Vermerk von Pöschl ist (Plaudereien eines pensionierten Hauptmannes über Magnatenerziehung und vaterländische Politik. Raab 1866. Druck von Victor Sauerwein). Der Bibliothekskatalog trägt bei dieser zweiten Broschüre den Vermerk „von C. Pöschl”. Laut den Militärschematismen dieser Jahre kann es sich nur um den Major Karl Pöschl handeln.

Aus dem Pensionierungsakt im Kriegsarchiv in Wien (KM., Präs. 7960/1850), den Herr Karl Rossa ausfindig gemacht hat, geht folgendes hervor. Karl Pöschl, geboren 1798 in Raab, katholisch, ledig, diente seit 1815 in der kaiserlichen Armee, u. zw. im 48., 2. und 41. Infanterieregiment. 1845 erkrankte er an Arthritis, ließ sich 1847 pensionieren, nach Besserung des Gesundheitszustandes 1849 reaktivieren und diente jeweils kurze Zeit als Platzhauptmann in Raab, als Platzmajor in Arad (Ernennung zum Major 18. 9. 1849), Kanzleidirektor beim Militärdistriktkommando in Pest und schließlich als Platzmajor in Ofen. Auf eigenes Ansuchen wurde er wegen schwerer chronischer Arthritis für realinvalid erklärt und am 19. 12. 1850 pensioniert. Dem Akt liegen mehrere ärztliche Gutachten bei. Pöschl nahm seinen Wohnsitz in Raab. In der Individualbeschreibung heißt es, er „hat in Philosophie absolviert und besitzt vornehmlich Kenntnisse in der Geographie, Geschichte und Mathematik”. Er sprach Deutsch, Italienisch und Ungarisch gut, etwas Englisch, Französisch und Rumänisch und „widmet seine Muße der Lektüre”.

Karl Pöschls Karriere war mit dem Ausscheiden aus dem Militärdienst noch nicht zu Ende. Wie aus den Geschäftsbüchern des Komitatsarchivs Győr hervorgeht, war Karl Pöschl 1851 Stuhlrichter im Dienst dieses Komitats. Er diente also in einer zweiten, zivilen Karriere in seinem Heimatkomitat. Einen Hinweis, der zu diesem überraschenden Ergebnis führte, verdanke ich wieder Herrn Szabó, die Bestätigung Herr Lajos Gecsényi, ungarischer Archivdelegierter am Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien, und seinen Kollegen am Komitatsarchiv in Győr. Das Todesjahr konnte nicht eruiert werden. Allen sei an dieser Stelle herzlich gedankt.

3

Kriegsarchiv Wien, MKSM. 1856/206.

4

Zur Geschichte der Wehrpflicht siehe Antonio Schmidt-Brentano, Die Armee in Österreich. Militär, Staat und Gesellschaft 1848–1867 (= Wehrwissenschaftliche Forschungen, Abteilung Militärgeschichtliche Studien 20, Boppard am Rhein 1975) 65–97; Walter Wagner, Die k.(u.)k. Armee. Gliederung und Aufgabenstellung. In: Adam Wandruszka – Peter Urbanitsch (Hg.), Die Habsburgermonarchie 1848–1918, 5: Die bewaffnete Macht (Wien 1987) 240ff. und 485–494.

5

Wehrpflicht 6.

6

Ebd. 13.

7

Ebd. 21.

8

Ebd. 18.

9

Ebd. 22.

10

Ebd. 24.

11

Ebd. 25.f.

12

Ebd. 26.

13

Ebd. 35.

14

Ebd. 28.

15

Ebd. 30.

16

Ebd. 33.

17

Ebd. 7f.

18

Nachlass Bils, Kriegsarchiv Wien, B 1790.4; dazu Schmidt-Brentano, Die Armee in Österreich 75f.

19

Wagner, Armee 491; ausführlich Otto Stöger, Militärtaxe. In: Ernst Mischler–Josef Ulbrich (Hg.), Österreichisches Staatswörterbuch. Handbuch des gesamten österreichischen öffentlichen Rechtes (Wien 21907) 3, 597–604.

20

Dazu für Österreich Ernst Bruckmüller, Landwirtschaftliche Organisationen und gesellschaftliche Modernisierung. Vereine, Genossenschaften und politische Mobilisierung der Landwirtschaft Österreichs vom Vormärz bis 1914 (= Geschichte und Sozialkunde 1, Salzburg 1977).

21

Vgl. das Kapitel „Waldbau” in Albert Bedő, Die wirtschaftliche und commercielle Beschreibung der Wälder des ungarischen Staates (Budapest 21896) 1, XX–XXIX; István N. Kiss, Waldnutzung und -verwaltung in Ungarn (11.–20. Jahrhundert). In: Etudes historique hongroises 1990, 3: Environment and Society in Hungary, hg. v. Ferenc Glatz (Budapest 1990) 123–143. Für Österreich siehe Franz Hafner, Steiermarks Wald in Geschichte und Gegenwart. Eine forstliche Monographie (Wien 1979).

22

Dazu Wolfgang Häusler, Von der Massenarmut zur Arbeiterbewegung. Demokratie und soziale Frage in der Wiener Revolution von 1848 (Wien–München 1979) 331–347.

23

Ebd. 346.

24

Wilhelm Wadl, Liberalismus und soziale Frage in Österreich. Deutschliberale Reaktionen und Einflüsse auf die frühe österreichische Arbeiterbewegung (1867–1879) (= Studien zur Geschichte der österreichisch-ungarischen Monarchie 23, Wien 1987). Allgemein zu diesem Thema siehe Kurt Ebert, Die Anfänge der modernen Sozialpolitik in Österreich. Die Taaffesche Sozialgesetzgebung für die Arbeiter im Rahmen der Gewerbeordnungsreform (1979–1885) (= Studien zur Geschichte der österreichisch-ungarischen Monarchie 15, Wien 1975).

25

Zum utopischen Staat u.a. Klaus J. Heinisch (Hg.), Der utopische Staat, Reinbek bei Hamburg 1960.