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Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 1:106.
Without Prejudices
Being a small nation we should give the definition of a small nation first. When in the West, for example in small countries like Holland or Belgium, I have experienced more than once that these peoples do not seem to understand what I mean by a small nation. They agree that being a small or a big nation does not depend on territory, but otherwise they do not generally use the term themselves. It is more popular in Central and Eastern Europe, implying that we consider ourselves small and consequently inferior and, at the same time, we wish to compensate it by imagining ourselves bigger than we actually are. I think, we should not be obsessed by the idea of being small or big, but should rather adopt the attitude of e.g. the Danes and feel good as we are. The Danes never speak of being a small nation, but keep saying that they feel good and build their country for themselves. And the size of their country just suits them. They do not want to be either bigger or smaller.
My opinion is that we have two possibilities before us in this respect. First, we should observe ourselves with a sober scepticism and preserve the right of being sceptics. We should have doubts about ourselves, our views and, first of all, our prejudices or, one could even say, our national paranoia. Once we have overcome these feelings, we shall not feel the urge to be afraid of our neighbours and they, in turn, will not feel the need to be afraid of us anymore. The second possibility is to preserve the freedom of thought and not to be bound by this sense of smallness or greatness, for both are unfounded feelings. The twin concepts of the right to be sceptics and the freedom of thought are, to my mind, the preconditions of the right size of a nation. To preserve the freedom of thought involves namely the recognition of the freedom of thought of others as well. We should let other nations evaluate our size instead of evaluating it ourselves all the time. In this way we might be evaluated with an impartial goodwill we would like to be evaluated with. I truly believe that in this case we and the other nations of the region will be able to feel ourselves better, no matter how small or big we are.
Árpád Göncz
Introduction at the first Memorial Lecture in the Europa Institut Budapest, 1992.
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Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 1:103–105.
FERENC GLATZ
„In Memoriam József Eötvös”
– diesen Titel gaben wir der alljährlichen Memorial Lecture des Europa Institutes Budapest. Wir Wünschen hiermit an das Gedanken an jenen Politiker anzuknüpfen, der beteiligt war an der Gestaltung einer modernen, bürgerlichen ungarischen Nation. Der als Mitglied der bedeutendsten Generation der ungarischen Geschichte – der sogenannten Reform-Generation– dazu in der Lage war. eine Politik der Interesseneinheit zu schaffen. Und das zu einer Zeit – zwischen 1825 und 1870 – da die Schaffung des neuen Ungarn mit den tatsächlichen bzw. vermeintlichen Kränkungen der verschiedensten gesellschaftlichen Schichten einherging. Die Befreiung der Fronbauern, die Einführung des bürgerlichen Wahlrechtes, die Beseitigung von Vorrechten des Adels usw. erfolgten inmitten heftiger gesellschaftlicher Debatten und hitziger Konfrontationen.
József Eötvös war das Mitglied einer solchen Generation und gleichzeitig eine ihrer führenden Persönlichkeiten, die dazu in der Lage war, die Interessen der ungarischen Nation im Rahmen des zeitgenössischen Europa sowie anderer Nationen der Region zu überdenken:
Verletzung von materiellen und Prestige-Interessen, die radikale Umgestaltung der Produktionsstruktur, das Umdenken hinsichtlich staatlich-nationaler Interessen – und die Abstimmung all dessen auf die Politik der Interessenkonsolidierung. In den Dienst jener waren Politik und sich entfaltende moderne Politadministration zu stellen, um der Gesellschaft die vorantreibende Kraft europäischer Normative plausibel und annehmbar zu machen. Jene Normative, ohne die eine Nation nicht in den Reihen kultivierter moderner Nationen Europas bestehen bleiben kann.
Die ungarische politische Führungsgarde der Epoche 1825–1870 hat diese große Tat vollbracht: inmitten hektischer gesellschaftlich-nationaler Gefechte – wir dürfen nicht vergessen, dass in diesen Zeitraum auch der Unabhängigkeitskampf von 1848/49 entfällt – war man in der Lage, jenes politisches Institutionssystem aufzubauen, das die zurückgebliebene ungarische Gesellschaft inmitten der Betrübnisse der bürgerlichen Modernisierung funktionstüchtig erhielt. In einer Periode, da individuell das Leben der Bürger des neuen konstitutionellen Staates neu zu durchdenken war. Einkünfte mussten umgruppiert werden, es war der Kampf gegen die Verarmung aufzunehmen und gleichzeitig musste man sich die neue bürgerliche Unternehmermentalität aneignen, sich an diese gewöhnen.
József Eötvös war führende Persönlichkeit dieses vier Jahrzehnte lang andauernden Kampfes sowohl als Schriftsteller, Politiker und auch Minister. Er war imstande, als geborener Baron in seinen Romanen die Leiden der Fronbauern zu schildern, in seinen politischen Artikeln als geborener ungarischer Aristokrat mit seinem ganzen Einfühlungsvermögen auf die Volksbewegungen der Nicht-Ungarn einzugehen und gleichzeitig als Minister folgerichtig für den Ausbau der Volksbildung zu kämpfen. Und als ungarischer Politiker hat er niemals den europäischen Horizont aus den Augen verloren. Wenn es europäische Gesichtspunkte erforderten, war er dazu in der Lage, sogar aus dem Gesichtswinkel der anderen Seite – wie z.B. die Habsburger-Dynastie – seine eigene Nation einzuschätzen. Nationale Demagogie und Popularitäthäscherei vermeidend sprach er mit harter Selbstkritik von Fehlern seiner Nation. Wenn das Interesse der Nation dies erforderte.
Könnte es für die jährlichen Memorial Lectures des Europa Institutes Budapest einen besseren Namensgeber als gerade József Eötvös geben? Diese Frage stellten wir unseren Kollegen, als anlässlich der Kuratoriumssitzung mein werter Freund und Kollege Erhard Busek den Gedanken aufwarf, hier im Budapester Europa Institut in jedem Jahr eine Memorial Lecture zu halten. Gewählt wurde der Name von József Eötvös in den 90er Jahren zu einem Zeitpunkt, da Ungarn einen der Reformzeit ähnlichen schweren Wandel durchzumachen hatte: Die Umgestaltung des Produktions- und Wirtschaftssystems, welche von Bürgern und Individuum ein Umdenken hinsichtlich ihrer Lebensstrategien erforderte. Eine Umgestaltung der politischen Kultur, im Laufe derer man sich der vom politischen Mehrparteiensystem geforderten Toleranz anzupassen hatte. Und nach einer 40-jährigen politisch-strategischen Isolierung musste man sich an das auf Europa bzw. die ganze Welt ausgerichtete offene Denken und Verhalten gewöhnen...
Ein Systemwechsel kann nicht einfach identisch sein mit der Einführung von Marktwirtschaft und politischem Mehrparteiensystem. In der Gesellschaft haben tiefgreifendere Veränderungen zu erfolgen, in unserer Persönlichkeit und in unserem Denken muss ein Wandel eintreten. Auch die Denkweise muss geändert werden, damit zur Jahrtausendwende ein funktionstüchtiges modernes Mitteleuropa und im Rahmen dessen ein funktionstüchtiges modernes Ungarn geschaffen wird– sagten wir 1989. Diese geänderte Denkweise betrifft Beziehungen von Individuum und Gemeinschaft, das Verhältnis zwischen Staat, Nation und konfessionellen Gemeinschaften, jenes zwischen Bürger und Institutionen sowie das Denken hinsichtlich uns selbst.
Betreffs der Notwendigkeit zitierten wir die Lehren von Széchenyi und Eötvös: wie sehr doch für den Ausbau eines neuen gesellschaftlich-politischen Systems eine Veränderung von Denkweise, Reflexen und Gewohnheiten der ungarischen Gesellschaft erforderlich ist.
Wie wenig ist es doch üblich – sagten wir – im ungarischen alltäglichen und politischen Leben jene Haltung einzunehmen, die für individuelle Schwierigkeiten nicht unbedingt im anderen Bürger oder in politischen Institutionen, sondern in sich selbst nach der Fehlerquelle sucht. Es ist kaum Brauch, sich in der Welt und Umwelt als Ganzes einzuordnen und zur Kenntnis zu nehmen: die Lebensberechtigung des „Andersseins” ist den eigenen Bestrebungen zumindest gleichberechtigt. Es ist kaum Tradition, die Leistung des anderen zu würdigen. Sich nicht in erster Linie nur deshalb auf Debatten einzulassen, um bis aufs Messer Seine Wahrheit zu verteidigen, sondern um aus der Argumentation des anderen zu lernen und sich selbst auf diese Weise zu bereichern. Und in Diskussionen nehme ich zur Kenntnis: auch ich kann von der Wahrheit des anderen überzeugt werden. Es ist eine solche neue individuelle – nicht egoistische – Gesellschaft zu formen, in der Individuum und Gemeinschaft organisch miteinander verbunden sind, die gegenseitige Achtung des ICH und DU, des WIR und IHR das Verbindungsglied des alltäglichen Lebensbereiches ist. Und ein solches modernes bürgerliches Verhalten wird die Grundlage des reibungslosen Wirkens der neuen Institutionen sein.
*
Das Europa Institut Budapest wünscht eine solche Institution zu sein, die dem politischen und intellektuellen Publikum in jedem Bereich ein Forum bieten möchte. Unabhängig von der politischen Parteizugehörigkeit, oder mit anderen Worten: gemeinsam mit der politischen Zugehörigkeit der denkenden Intelligenz. Es ist weiterhin unser Ziel, jenen Debatten eine Heimstatt zu bieten, die zur Gestaltung der zivilen Denkweise und Verhaltensformen neuen Typs beitragen können. Dieser Gedanke leitete unsere ausländischen Freunde, wie Herrn Dr. Dr. Batliner, die Peter Kaiser-Stiftung, ebenso wie jene in Ungarn oder alle bei der Gründung des Europa Institutes Budapest Mitwirkenden, unter Ihnen Herrn Vizekanzler, Minister Erhard Busek; sowohl derzeit 1990 als auch heute noch.
Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich als Direktor des Europa Institutes Budapest möchte an dieser Stelle besonders Herrn Árpád Göncz, den Präsidenten der Republik Ungarn begrüßen, der – wie ich glaube – sowohl als Persönlichkeit als auch hinsichtlich politischer und Verhaltenskultur anerkannt Träger all jener Eigenschaften ist, die wir uns in Ungarn der 90er Jahre für das Verhalten im alltäglichen Leben so wünschen. Und er ehrte uns bereits 1992 anlässlich unserer ersten Memorial Lecture, gehalten vom Präsidenten der Ungarischen Akademie der Wissenschaften Domokos Kosáry, mit seiner Anwesenheit.
Und ich begrüße herzlichst unseren heutigen Referenten, Herrn Vizekanzler Minister Erhard Busek, der – wie in Ungarn bereits allgemein bekannt ist – im Interesse eines solchen Österreich politisiert, das offen der Welt gegenübersteht und sich akzentuiert mit den ost-mitteleuropäischen Nachbarn befasst, sowie hinsichtlich des Zusammenlebens hiesiger kleiner Völker die Gestaltung von Institutionen neuen Typs zu unterstützen wünscht.
Darüber hinaus, glaube ich, muss er hier in Ungarn nicht ausführlicher vorgestellt werden, mit Ausnahme jener Tatsache vielleicht, dass wir beide nahezu am selben Tag geboren wurden.
* Einleitende Worte zum ersten Vortrag der Memorial Lecture-Reihe im Europa Institut Budapest, 1992.
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Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 1:9–16.
FERENC GLATZ
Europa der freien Bürger
Staat, Nation, Bürger
Wessen Europa wollen wir eigentlich aufbauen? Ein Europa der Bürger, ein Europa der Nationen oder ein Europa der Staaten? Das war eine der ersten Fragen, die wir im mitteleuropäischen Raum im Jahr 1989 zur Zeit des beschleunigten Abbaus des sowjetischen Systems aufgeworfen haben.
Wie wird dann dieses gewisse „vereinigte Europa” aussehen? Und warum entstehen in den westeuropäischen Gesellschaften Bedenken den traditionellen (im Wesentlichen aus dem 19. Jahrhundert stammenden) territorial-administrativen Einrichtungen gegenüber?
Globale Herausforderung
Das Interesse der Produktion
Es ist heute schon ein Gemeinplatz, die globale Herausforderung zu erwähnen, doch kann es in diesem Teil Europas, d. h. in Mittel- und Osteuropa, nicht schaden, Tatsachen in Erinnerung zu rufen, die im Westen längst zu den Selbstverständlichkeiten gehören: Die Lösung der unseren Erdball gefährdenden ökologischen Probleme ist nicht möglich mit Gesellschaften, deren Menschheitsbild von den partikularen Interessen durch Staatsgrenzen abgesicherter Gebiete und der Vertretung einseitiger, eigener nationaler Interessen bestimmt wird. Aber genauso unvorstellbar ist die internationale Kontrolle der modernen Massenvernichtungswaffen, wenn die gegenwärtige Gliederung beibehalten wird. Es ist eine Trivialität, auch wenn wir es nicht zur Kenntnis nehmen: Die im 17.–19. Jahrhundert entstandene und heute noch bestehende staatliche Gliederung Europas ist zur Zeit das größte Hindernis für die Beseitigung dieser globalen Gefahren. (All dies erhält nun einen neuen Akzent, da das sowjetische System zusammengebrochen ist und die militärisch-politische Teilung der Welt nicht mehr existiert, die wir als alleiniges Hindernis einer Überwindung der globalen Gefahren bezeichnet haben.)
Die Wirtschaft äußert seit Anfang des Jahrhunderts ihre Unzufriedenheit mit der staatlich–territorialen Gliederung Europas. Der Aufschwung Europas war seinerzeit den vielen kleinen territorial-organisatorischen Einheiten, der abgewogenen Differenziertheit der gesellschaftlichen Lebensumstände zu verdanken. Jetzt, zur Zeit der industriellen Revolution, wurden diese zahlreichen, Schutzzölle erhebenden, schwer miteinander zu verbindenden kleinen gebietsorganisatorischen Einheiten (Staaten) zu Hindernissen der Entwicklung. Die Idee der Vereinigten Staaten von Europa wurde zu Beginn des Jahrhunderts nicht zuletzt von der zur Serienproduktion übergehenden Industrie angeregt, die die Vorteile der „Großräumigkeit” für die Produktion, Arbeitsteilung und den freien Arbeitsmarkt erkannt hatte. (Damals war die Vermeidbarkeit von Kriegen nur zum Teil das Ziel.) Der Vorstoß der Vereinigten Staaten von Amerika und später des Fernen Ostens in der Automatisierung, deren Höhepunkt zweifelsohne die computergesteuerte Serienproduktion ist, hat jedem klar vor Augen geführt, dass eine von Staatsgrenzen zerrissene Raumeinteilung die Entwicklung von Wirtschaft und Produktion behindert.
Regionalismus
Aus einem ganz anderen Motiv wird die gegenwärtige staatlich-territoriale Organisation auf wirtschaftlichem Gebiet vom „Regionalismus” im Frage gestellt, der kleinere, von Staatsgrenzen jedoch unabhängige, diese überschreitende Gebietseinheiten schaffen will. Die technische Entwicklung und die Internationalisierung der Beziehungen in Produktion und Handel lassen wirtschaftlich-regionale Abhängigkeiten ganz anderen Typs entstehen, als welche die jahrhundertealten Staatsgrenzen zulassen. Die benachbarten, durch Grenzen getrennten Gebietsteile zweier oder dreier Staaten sind organischer aufeinander angewiesen als der Osten oder Westen ein und desselben Staates. (Es ist egal, welchen mitteleuropäischen Staat wir als Beispiel erwähnen, es kann auch Ungarn sein: Südungarn und das ehemalige Jugoslawien, ebenso Nordungarn und die neue Slowakei, aber auch Ostungarn und westliche Gebiete der Ukraine und südliche Gebiete Polens könnten in wirtschaftlicher Hinsicht eine organischere Einheit bilden als die gegenwärtigen Staaten Ungarn, die Ukraine oder Kroatien es jeder für sich sind.) Ende des 20. Jahrhunderts erweist sich das Staatsgebiet als wirtschaftliche und Produktionseinheit nicht nur einfach als eng, sondern insgesamt als überholt und „künstlich”.
Im öffentlichen Denken: Individualisierung
Es gilt weniger als Gemeinplatz, wenn wir darauf aufmerksam machen, dass sich im öffentlichen Denken der Gesellschaft Ideen und Ideale bemerkbar machen, die den traditionellen gebietsorganisatorischen Prinzipien der europäischen Staaten radikal gegenüberstehen. Eine neuartige Individualisierung des Bewusstseins trat vor allem im Denken der nach dem Krieg aufgewachsenen und heute bereits in den Institutionen tätigen Generationen in Erscheinung.
Es ist bekannt, was für ein explosionsartiger Fortschritt in der allgemeinen kulturellen Entwicklung der europäischen Gesellschaften in den letzten 50 Jahren eingesetzt hat. Das ist zunächst im Unterrichtswesen, dann im System der Massenmedien nachzuweisen. All das steigerte den Anspruch des Individuums auf kulturell-geistige Selbständigkeit. Nach der Boulevardpresse unterstützten auch Rundfunk und Fernsehen, d. h. die Entwicklung der Medien, die Individualisierung breiter Schichten. Die bekannten Symptome seien hier nur skizzenhaft formuliert: Obwohl diese neuen Mittel nur Schemata, Slogans und Stereotype vermitteln und damit das Weltbild vereinfachen, machen sie dem Individuum gerade mit der Vermittlung dieser Verhaltensformen glaubhaft, dass man seine Selbstverwirklichung vollständiger denn je fördere. Zum Teil stimmt das auch. Es mag sein, dass das Niveau des Alltagsdenkens sinkt – wie es von vielen angesichts der einfältigen Slogans behauptet wird –, doch ist es auch unzweifelhaft, dass diese von der Gesellschaft auf immer individuellere Weise „genutzt” werden. Das Individuum selektiert immer bewusster, es sucht sich seinen Platz in der Gemeinschaft. Es wird immer selbständiger in seinem Streben nach Identifizierung mit gleichdenkenden Personen.
Auch die häufig erwähnte ethnische Renaissance ist ein Prozess mit zwei Gesichtern. Dies bedeutet nicht einfach die Suche nach dem kollektiven Ideal, nach der ethnischen Zusammengehörigkeit, sondern auch, dass das Individuum sich von der alles überwältigenden staatlichen, staatsbürgerlichen Einstufung distanziert und andere Grundlagen der Gemeinschaftszugehörigkeit, wie z.B. die ethnischen, religiösen oder weltanschaulichen, dem Anspruch auf das staatsbürgerliche Identitätsbewusstsein vorzieht. Die dem Zwang entgegengesetzte individuelle Wahl, eine Suche nach sich der individuellen Auffassung besser anpassenden Identitätsbindungen ist ebenfalls ein Merkmal der Entstehung eines neuen Individualismus. In den Vereinigten Staaten bedeutet die ethnische Renaissance in den 1980er Jahren die Bindung an die „Wurzeln”, eine Suche nach gemeinschaftlichen Integrationskräften neuen Typs, die unabhängig vom Staat sind. In Europa ist die Zugehörigkeit zu den dieselbe Sprache Sprechenden, dem Ethnikum oder zu den verschiedensten Mikrogemeinschaften, die sich auf regionaler Grundlage oder aufgrund verwandten Denkens organisieren, das Zunächstliegende.
Die Lockerung der staatlichen Bindungen
Das staatsbürgerliche Bewusstsein als Denkschema Nummer eins der Identifizierung des Individuums mit der Gemeinschaft beginnt zu verblassen bzw. andere, das Individuum mit der Gemeinschaft verbindende Identitäten, wie die freundschaftlichen und familiären, die territorialen und regionalen, die ethnischen, weltanschaulichen, sozialen und arbeitsorganisatorischen, kommen immer stärker zur Geltung. (Beschleunigt wird dieser Prozess noch durch die Reisefreiheit, das Näherrücken fremder Kulturen dank der Massenmedien usw.) Das Individuum sehnt sich immer mehr danach, alle in der Umwelt ablaufenden Prozesse zu durchschauen und zu verstehen. Dies führt auch dazu, dass es die unüberschaubaren Strukturen und Organisationen ablehnt. (Es muss nicht im Detail dargelegt werden, dass die verschiedenen Bewegungen mit ihrer Forderung, der Staat, möge Befugnisse an regionale Organe abtreten – sei es in England, in Spanien oder in Italien –, im wesentlichen Erscheinungsformen dieser allgemeinen Entwicklung sind, wie Abtreten von Kompetenzen im Gesundheits- und Sozialwesen, in der Erschließung neuer Industriegebiete, im Fremdenverkehr.)
Die Besonderheiten der technisch-infrastrukturellen Entwicklung zu Ende des 20. Jahrhunderts könnten freilich noch länger aufgezählt werden, doch sie relativieren nur den staatlichen Rahmen, in dem Bewegung, Produktionstätigkeit und Denken des Bürgers ablaufen. Dieser Rahmen gilt immer mehr als Hindernis und neuartige Faktoren des Identitätsbewusstseins treten an seine Stelle bzw. erstarken.
Die Bürger Europas konstatieren, auch wenn sie es nicht Tag für Tag formulieren, dass zum Ende des Jahrhunderts die Entwicklung von Technik und Produktion sowie im kulturellen Bereich den bisherigen territorialen Rahmen ihres Lebens umgestaltet. Die globalen Spannungen und die Wirtschaft erweitern den staatlichen Rahmen und streben danach, ihn zu überschreiten. Auch die Individualisierung der Gesellschaft sprengt diesen Rahmen zum Teil. Darüber hinaus sucht sie Identifizierungsmöglichkeiten unabhängig vom territorialen Rahmen des Staates. (Ethnische, regionale Identifizierung u. dgl.)
„Nationalstaat”, der klassische Liberalismus
Während jeder die Notwendigkeit der Einigung des Kontinents anerkennt und der Streit darüber geführt wird, auf welche Gebiete des Lebens sich diese Einigung erstrecken soll und von welchem Umfang sie zu sein hat, stößt die Forderung nach der Aufteilung der Staaten in kleinere Territorialeinheiten und nach der Abtretung gewisser bisheriger Befugnisse in der Verwaltung von vielen Seiten auf Ablehnung.
Mit welchen Argumenten und aus welcher Richtung werden die Bestrebungen nach Lockerung der Staatsgrenzen in Europa in Frage gestellt?
1) Ein Teil der mit den klassischen liberalen Prinzipien des vergangenen Jahrhunderts verbundenen Intelligenz empfindet Widerwillen, weil sie im Banne des Freiheitsgedankens der Französischen Revolution und des französischen Staates aufwuchs, der Gruppenvorrechte und Gruppenrechte jedweder Art ablehnt. Diese Auffassung sieht Religion und ethnische Zugehörigkeit als eine Privatangelegenheit an und akzeptiert nicht die auf diesen Prinzipien beruhenden gemeinschaftsorganisatorischen Bestrebungen. Die Begründung ist bekannt: Das Individuum wird durch das staatsbürgerliche Bewusstsein mit der Gemeinschaft verbunden, der Staat ist die wichtigste Institution, er sichert die Gleichheit vor dem Gesetz und in der Politik. In der Realisierung des ethnischen Prinzips wird das Auftreten des „Stammes”-gedankens, des Gruppengedankens gesehen. Die Kritiker dieser Liberalen sagen nicht zu Unrecht, dass das staatsbürgerliche Bewusstsein ebenso ein „Gruppengedanke” ist wie der ethnische, nur beruht er auf einer anderen Grundlage. Auch der Vorwurf ist ihnen gegenüber nicht unberechtigt, dass sie die klassische Grundhaltung des Liberalismus verlassen: Sie behindern die freie Entfaltung des Individuums, indem sie nur die staatsbürgerliche Identität als gemeinschaftsorganisatorisches Prinzip anerkennen.)
Der Nationalstaat und seine Bürokratie
2) Die Bürokratien der europäischen Staaten weisen die Autonomiebestrebungen, besonders das Streben nach Territorialautonomie zurück. Die staatliche Bürokratie hatte im 17. bis 20. Jahrhundert die öffentliche Verwaltung Europas zustande gebracht, und zweifelsohne war ihr Entstehen eine Voraussetzung für den Aufschwung Europas in der Neuzeit. (Öffentliche Sicherheit, Verkehr, Schul- und Gesundheitswesen, soziales Netz usw.) Diese Rolle sicherte der staatlichen Bürokratie das bekannte gesellschaftliche Prestige, dies bedeutete aber zugleich auch eine Entfremdung vom Alltagsleben, besonders in den Staaten mit zentralisierter Verwaltung. Die „Hauptstadt”, die „Allmacht der Regierung” ist seit einem Jahrhundert ständige Zielscheibe aller territorialer Autonomiebestrebungen. Die zentralisierte Regierungsbürokratie ist höchstens bereit, über kulturelle Autonomien zu sprechen, und behauptet, dass die Bestrebungen, eine ethnisch oder wirtschaftlich ausgerichtete Territorialautonomie zu errichten, zu einer Anarchie in der Produktion sowie in Politik und Verwaltung führen würden. (Ihre Kritiker sagen nicht zu Unrecht, dass eine Gewährung von Territorialautonomien verschiedenen Grades gerade im Interesse der Sicherung der Funktionstüchtigkeit der Verwaltung liegt.)
Antifaschistische Traditionen
3) Einige Hüter der klassischen antifaschistischen politischen Traditionen sind heute gegen die Möglichkeit der territorialen und administrativen Neuorganisierung der Staaten Europas. Besonders besorgt sind sie wegen der Autonomie Südtirols, der Anerkennung Kroatiens und Sloweniens als souveräne Staaten auf Kosten des einheitlichen Jugoslawiens und schließlich wegen der beabsichtigten Errichtung der selbständigen Tschechischen Republik und der selbständigen Slowakischen Republik innerhalb der Tschechoslowakischen Republik. Sie erwähnen das Europa des Jahres 1938, als die Mitte des Kontinents im Zeichen des siegenden ethnischen Prinzips neugeordnet wurde, im Großen und Ganzen wie heute. (Vgl. hierzu das vorhergehende Kapitel.) Und sie sprechen darüber, dass der Auslöser dieses Prozesses, genau wie 1938, das erstarkte Deutschland war. Kritiker dieser in der Alltagssprache als „konservative Linke” Bezeichneten reden nicht zu Unrecht von einer traditionellen Unzulänglichkeit der europäischen Linken: Sie habe in der Beziehung zwischen Individuum und Gemeinschaft auf unangemessene Weise nur eine der Identitätsbindungen, und zwar das soziale Identitätsbewusstsein, in den Vordergrund gestellt. Darauf habe sie auch das politische Bewusstsein aufgebaut, und die Bindungen zur ethnischen Gemeinschaft und zur Heimat seien von ihr unterschätzt worden. Es wird ihr also die traditionelle urbane Auffassung vorgeworfen sowie der Umstand, dass sie dem nationalen Ordnungsprinzip als einem der Ordnungsprinzipien gegenüber unempfindlich war.)
Die „deutsche Gefahr”
4) Die Angst vor einer Zunahme der deutschen Gefahr ist überall im Lager der Befürworter des staatlichen Zentralismus anzutreffen. In Großbritannien hört man es ebenso gut, dass der Selbständigkeit Schottlands die Herrschaft der Deutschen Mark folgen würde, wie man dies im Falle der Schaffung von neuen Autonomien, also kleinerer Einheiten in Mitteleuropa verlauten lässt.
Diese Argumentation und die Angst zeugen davon, dass das gegenwärtige „europäische Gleichgewicht” letztendlich ein Produkt der Machtverhältnisse von 1945 ist und auf den damaligen politischen und militärischen Kräfteverhältnissen basiert. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem allmählichen Rückzug der Vereinigten Staaten kam es ins Wanken. Das selbständigere Europa kann Ausdruck der tatsächlichen inneren Kräfteverhältnisse auf dem Kontinent sein und könnte das Übergewicht des nunmehr stärksten Landes, Deutschlands, zur Folge haben. (Vorausgesetzt, dass Deutschland seinen früheren Besiegern gegenüber mit dem gleichen Allmachtanspruch auftritt, wie es dies in den 1930er Jahren getan hatte. Sollte das der Fall sein, wären die Befürchtungen nicht unbegründet.) Die Logik dieser Argumentation lautet also: Würde die gegenwärtige staatlich-administrative Oberhoheit über einer kleineren regionalen Einheit aufgehoben, träte sofort die nunmehr stärkste europäische Wirtschaft, die deutsche, an ihre Stelle. Zum Schutz vor der deutschen Expansion ist also ein Beharren auf der staatlichen Verwaltung erforderlich. (Die Kritiker dieser Auffassung führen nicht ohne Grund an, dass Deutschland Territorialautonomien gegenüber in Wirklichkeit ein größeres Verständnis aufbringt als Frankreich oder England, was aber nicht aus seinem Imperialismus folgt, sondern mit traditionellen Prinzipien seiner Staatsorganisation begründet ist. Deutschland, aber auch Österreich, sind Bundesstaaten, in denen die Selbstständigkeit einzelner Gebiete noch vor der Nationswerdung verwirklicht wurde, sie ist also eine „nationale” Tradition. Diese auf Autonomien beruhende Tradition wurde gerade von den nationalsozialistischen Verfechtern der Reichseinheit zurückgewiesen. Das deutsche Prinzip der Staatsorganisation nach 1949 ist gleichzeitig auch eine Kritik am Faschismus, es verkörpert die Verwirklichung der demokratischen Politik und die Anerkennung einer gewissen Autonomie kleinerer Territorialeinheiten innerhalb eines Staates, nämlich der Bundesrepublik.)
Schutz der kleinen Nationen
5) Schließlich dürfen wir unter den Verteidigern des nationalstaatlichen Systems nicht den vermutlich wachsenden Anteil der kleinen Nationen vergessen. Die kleinen Nationen stellen nämlich nicht zu Unrecht die Frage: Auch wenn im vereinten Europa der Zukunft die Nationen ihre kulturelle und ethnische (auch sprachliche) Eigenart bewahren können, werden sie nicht trotzdem unter dem Einfluss der Kulturen der großen Nationen ins Hintertreffen geraten? Wird das vereinte Europa ein Europa der englischen, französischen und deutschen (vielleicht italienischen) Kultur sein? Sie sind der Ansicht, dass das wichtigste Mittel für die Erhaltung der Kulturen der kleinen Nationen der Nationalstaat ist, der innerhalb seiner Grenzen mit Hilfe des staatlichen Unterrichtssystems und der staatlichen Kulturförderung vorrangig die nationalen Sitten und Bräuche pflegt. Verliert der Bürger den eigenen Staat, dann gehen seinen Kindern auch die Institutionen der Nationalkultur verloren, behaupten sie.
Das vereinte Europa wurde also im Prinzip von jedermann mit Freuden begrüßt, man sah sogar ein, daß eine kontinentale Organisation der Konkurrenzfähigkeit den Kulturen dieses Erdteils dient, aber sobald die bisherigen territorialen-administrativen und nationalen Schranken abgebaut werden sollten, melden sich plötzlich zahlreiche Verfechter des Nationalstaates zu Wort.
Die unendliche Geschichte
Die gegenwärtige Situation (nach dem Maastrichter Abkommen vom Februar 1992) könnte folgendermaßen zusammengefasst werden: Die Architekten des vereinten Europa lassen die Staaten allmählich ihrer militärischen, politischen und finanziellen Souveränität entsagen. Auf wirtschaftlichem Gebiet würde das von den Staaten unabhängige kontinentale bzw. regionale Prinzip triumphieren. Doch, fügen wir hinzu, es ist überhaupt nicht zwingend, dass die Regionen sich mit festen Verwaltungsgrenzen, das heißt als allgemeine, alle Lebensfunktionen umfassende gebietsadministratorische Einheiten konstituieren sollten. (Wie es die klassischen Staaten unserer Tage tun.) – Und in der Kultur kann es neben der Entstehung eines weltbürgerlichen Bewusstseins zur Neugründung ethnisch-religiöser Gemeinschaften kommen. (Das heißt, letztere, die kulturelle Autonomie, verbleibt den territorialen Organisationen, vielleicht innerhalb der heutigen Staatsgrenzen und auf verschiedenen Ebenen in weitere Autonomien gegliedert.)
Die Geschichte hat aber niemals ein Ende. Mit unseren heutigen Beschlüssen bringen wir die vor Jahrzehnten entstandenen und heute siegreichen Kräfte zur Geltung. Doch es darf nicht vergessen werden: Gestern, selbst auch in unserer Gegenwart, sind neue Kräfte entstanden, deren Mitwirkung bei der Gestaltung unserer unmittelbaren Zukunft nicht gewiss, aber auch nicht auszuschließen ist. Ist zum Beispiel tatsächlich unwahrscheinlich, dass das vereinte Europa als erstrebenswertes Ziel vor den europäischen Gesellschaften verblasst? Ist tatsächlich unwahrscheinlich, dass die europäische Intelligenz einfach nicht die entsprechenden Territorialverwaltungsprinzipien findet und deshalb nicht in der Lage ist, das Programm der europäischen Einheit für die verschiedenen auseinanderstrebenden nationalen und gesellschaftlichen Interessengruppen anziehend genug zu gestalten? Die dann dem „Gemeinsamen” einfach fernbleiben wollen? Der Druck der „zwei Großen”, der Vereinigten Staaten und der Sowjetunion, hatte die westeuropäischen Staaten einander nähergebracht. Mindert nicht der Wegfall dieses „Zwanges” das Gefühl des Aufeinanderangewiesenseins?
Neue Typen der Integration?
Die wahre und schwerwiegendste Frage wird wiederum von den neuen technischen und wirtschaftlichen Ordnungsprinzipien aufgeworfen: Macht der in der Informatik zu erwartende schnelle Fortschritt, die Entfaltung der bereits angebrochenen Chips-Epoche, nicht etwa den schönen Traum vom Anfang unseres Jahrhunderts von der europäischen Einheit vergessen? Und macht es nicht vergessen, dass notgedrungener Weise die Wirtschaftsordnungen der in geographischer Nähe lebenden Völker aufeinander angewiesen sind? Wird nicht der Ausbau der interkontinentalen Wirtschaftssysteme eine Integration neuen Typs, eine nunmehr interkontinentale Integration bewirken? Wobei die Integrationseinheiten nicht die sich in kontinentalem Maßstab organisierenden Kulturen sein werden, sondern jene der in globalem Maßstab Aufeinander-Angewiesenen, während die gegenwärtigen staatlich-territorialen Strukturen erhalten bleiben? (dass also nicht nur die Tschechoslowakei und Polen, sondern auch Polen und Südkorea miteinander in ein engeres Produktionsverhältnis treten werden?) Und werden nicht auch die organisatorischen Rahmenbedingungen der Integration – die gegenwärtigen zwischenstaatlichen Verträge, die Armee gutgekleideter Diplomaten und Experten, wie man sie seit dem 16. Jahrhundert in Europa kannte –, ganz anders beschaffen sein?
Wer könnte heute mit Sicherheit ausschließen, dass derartige Entwicklungsprozesse nicht bereits in den kommenden 10 Jahren ablaufen?
Die Zukunft: Die Kulturnation
Was immer auch kommt, diejenigen, die über die Alternativen kommender Jahrzehnte nachdenken werden, in dieser Hinsicht Stellung nehmen müssen. Unserer Meinung nach stellt die Wahrung der nationalen Vielfalt Europas ein universelles menschliches Interesse dar. Diese Nationen aber müssen darauf verzichten, auf territorialen und staatlichen Strukturen und auf wirtschaftlicher und politischer Isolierung der Nationalstaaten zu bestehen. Die wirtschaftlichen (volkswirtschaftlichen) und staatlichen (nationalstaatlichen) Grundsätze sind aus der bisherigen Auslegung des Nationsbegriffes zu verbannen. Die Nation ist in erster Linie eine Kulturnation, eine Gemeinschaft von Menschen mit derselben Sprache und denselben Traditionen, und so muß sie dem 21. Jahrhundert erhalten bleiben.
Europa der freien Bürger
Die Vision, das Zukunftsbild, ist für jede Gesellschaft von großer Bedeutung, und das trifft auch für die mitteleuropäischen Gesellschaften zu. Wollen diese mit den Gesellschaften der Welt bzw. Westeuropas Schritt halten, müssen sie sie nicht kopieren, sondern sie müssen begreifen, was dort geschieht. Meiner Meinung nach würden viele Gefahrenherde in den staatlich-nationalen Spannungen des Raumes beseitigt, wenn wir in den Leitgedanken unserer Politik mit dem nationalstaatlichen Erbe abrechnen, die Präsenz der eine neue territoriale und administrative Neuordnung fordernden Kräfte zur Kenntnis nehmen würden und uns selbst als eine – auf unsere nationalen Traditionen und unsere nationale Kultur stolze – Kulturnation in das 21. Jahrhundert hinein bewahren wollten.
Es kann Gegenstand eines neuen Fragenkomplexes sein: Vermag der Traum der humanen und wirtschaftlichen Intelligenz des heutigen Europas, das Europa der freien Bürger verwirklicht werden? Reibt sich nicht im Zusammenprall der verschiedenen gesellschaftlichen – staatlich-administrativen, kulturnationalen, sozialen sowie religiösen und weltanschaulichen – Ordnungsprinzipien die dünne europäische Intelligenzschicht selbst auf?
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Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 1:7–8.
Begegnungen...
Einführung
Begegnungen...
Mit diesem Titel haben wir das Periodikum des Europa Institutes Budapest vorbereitet. Damit soll der Prozess der Vereinheitlichung Europas auf dem Gebiet von Kultur, Wissenschaft und politischem Denken unterstützt werden! Sowohl hinsichtlich der Wirtschaft als auch menschlicher Beziehungen ist im Laufe dieses Prozesses all das zu fördern, was dazu beiträgt, dass Ungarn und die Länder der Region Mittel-Osteuropas ihren Platz in dieser Einheit finden. Es dass dazu beigetragen werden, dass die Intelligenz der ost-mitteleuropäischen Region jene politischen Institutionen findet, welche die Rahmen des alltäglichen gesellschaftlichen und politischen Lebens kompatibel zu den gesamteuropäischen politisch–gesellschaftlichen Institutionen gestalten.
Dieses Ziel schwebte den Stiftern vor Augen, als man die Gründung des Institutes beschloss und die Zielsetzungen der neuen Institution festlegte. Im Oktober 1989 wurde der Vorschlag zur Gründung eines Europainstitutes seitens des Autors dieser Zeilen gegenüber Prof. Dr. Dr. Herbert Batliner (Vaduz/Fürstentum Liechtenstein) geäußert. Herr Batliner griff den Vorschlag begeistert auf. Die von ihm präsidierte PeterKaiserStiftung beauftragte daraufhin Prof. Dr. Alois Riklin (Universität St. Gallen/Schweiz) mit der Abklärung der Idee. Innert zwei Monaten erarbeitete Herr Riklin zusammen mit Prof. Dr. Károly Manherz (Budapest) die rechtlichen, organisatorischen und finanziellen Grundlagen der Institutsgründung. Gestützt darauf sicherten der Stiftungsrat der Peter-Kaiser-Stiftung sowie Herr Batliner persönlich die Vergabe eines substantiellen Beitrags zum Stiftungskapital zu. So konnte die Stiftung Europainstitut Budapest am 13. März 1990 in Wien gegründet werden. Im Mai 1990 konstituierte sich zunächst der Stiftungsrat des Europa Institutes Budapest, im Juli dann der Wissenschaftliche Beirat. Und ab September folgten bereits die Veranstaltungen...
Begegnungen...
In Budapest ein Forum gewähren – ungarischen und westeuropäischen Intellektuellen. Ein Forum all jenen zu sichern, die nach dem Zerfall des Sowjetsystems etwas für die europäische Integration der Region zu tun wünschen. Vorträge werden organisiert, an denen sich ausländische und heimische Wissenschaftler beteiligen. Konferenzen finden statt, anlässlich derer darüber debattiert wird, was im Zusammenhang mit dem vereinten Europa und der Integration Ungarns zu tun ist. Treffen der Intellektuellen untereinander sind zu veranstalten – sollen sie doch ihre Meinungen austauschen, sich gegenseitig persönlich kennenlernen. Sei doch das Institut eines der kleinen Rädchen im Getriebe der „europäischen Integration der Vernunft”...
Begegnungen...
Beseitigen wir also jene Spannungen, die in den Gesellschaften Mittel-Osteuropas zu Explosionen führen können. Viele glaubten zum Ende des Sowjetsystems: wir führen die Marktwirtschaft und das Mehrparteiensystem ein – und das Ergebnis ist: „der Osten holt den Westen ein”. In Wirklichkeit ist alles anders – sagten wir im Herbst 1989. Auch in den Köpfen muss sich etwas ändern, an der Denkweise, am System der Gepflogenheiten, wenn wir in diesem Teil Europas eine kultivierte Zivilgesellschaft zu gestalten wünschen. Falls wir nicht dazu beitragen, soziale, nationale und sonstige jahrhundertealte Gegensätze zu überwinden, kann hier in Ost-Mitteleuropa der gesamte Prozess der Vereinigung Europas zum Stillstand kommen – sagten wir! Es folgten die Jahre 1991–1992, ethnische, konfessionelle und soziale Konflikte nach dem Zerfall der Sowjetunion, später dann die Trennung der Slowakei und Tschechiens sowie schließlich der Bürgerkrieg in Jugoslawien – und diese Ereignisse haben die Aufmerksamkeit der ganzen Welt auf unsere Region gelenkt.
Das Europa Institut Budapest hat also in seinen vier Wänden ein solches Forum zu bieten, das einen Treffpunkt für die führende Intelligenz der Völker der Region Ost-Mitteleuropas darstellt. Es sei ein solcher Ort, an dem sich die leitenden Intellektuellen selbst dann an einen Tisch setzen, wenn die Politiker gerade nicht einmal zu Verhandlungen miteinander bereit sind.
Begegnungen...
Es ist der jüngsten, sich der Wissenschaft verschreibenden Generation in Budapest ein Treffpunkt zu bieten; eine solche Institution zu organisieren, in welcher man miteinander lebt (Wohnheim-Prinzip), in der man Vorlesungen zur Thematik Europa hört, wo man sich an Seminaren beteiligt und Wissenschaftler kennenlernt, die aus den verschiedensten Gegenden der Welt nach Budapest kommen.
Das Europa Institut Budapest möge den jungen Gesellschaftswissenschaftlern, den postgradualen Studenten Heimstatt und Treffpunkt gleichermaßen sein. Und das Institut möge die noch beeinflussbare Jugend formen, um sie geistig und human aufgeschlossen zu gestalten, sich gegenseitig achtend.
Nach dem Europa der Kriege sollte ein Europa der Toleranz vorbereitet werden. Ein bescheidener Beitrag dieser mühsamen Arbeit sollte von der Werkstatt” des Institutes geleistet werden.
Begegnungen...
Diesen Titel gaben wir der Schriftenreihe unseres Institutes. Pläne und großzügige finanzielle Investitionen sind aber allein dann etwas wert, wenn zwecks Anstrebens der Ziele Menschen und menschliche Absichten mobilisiert werden können. Und bei unseren Zielen handelt es sich allein dann um reale, wenn sie von den Menschen selbst als ihrigen angesehen werden – wenn unsere Ziele und menschliche Interessen aufeinander treffen.
Das Europa Institut Budapest ist eine Institution der Begegnungen. Treffpunkt jener Intelligenz (Professoren, Studenten, Politiker, Forscher), die mit dem alltäglichen Meinungsaustausch, dem sich selbst und andere formenden Gedankenaustausch die moderne europäische Intelligenz gestaltet bzw. Zeuge ihrer Geburt ist...
Budapest, 30. April 1994 Ferenc Glatz
Begegnungen25_Glatz
Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 25:9–17.
FERENC GLATZ
Europe, European Union, Hungary
What Use Is the European Union for Us?
I. Geographic, cultural and political Europe
The European Union is a unit of territorial administration. At the same time it is a political organisation. It is neither more nor less. “Political Europe”, the Union will never be identical with Europe in the geographic sense of the term, nor with Europe in the cultural sense.
Europe in the geographic sense of the term extends up to the Ural Mountains. The Union presumably would not extend that far. The current leaders of Ukraine though do their best in the various expert committees of the Union to have their state admitted to “political Europe”. The leaders of the Union set an “active neighbourhood policy” and good contracts rather with the state formations that have evolved in the eastern part of Europe as a long-term aim. Presumably the Russian state wants to remain an Asian power, for there is no Russia without the Asian parts. And, to be frank: it is only the Russian state that may be able to link the huge area extending from the Urals to Valdivostok into world civilisation – at least within a foreseeable period of time. At any rate, it is repeated at the sessions of various European committees almost each year that Turkey is not “European” either in a geographic or in a cultural sense. Once and ultimately it should be stated that the candidacy of Turkey for the EU is the product of the Cold War and of the power policy of the United States. The Cold War considerations of the United States played a significant role in the prehistory of the European Union. The aim was to encircle the other great power of the Cold War, the Soviet Union. This policy helped the integration of the states located on the “Eastern” territory into the Union, the admission of Greece and the “pre-admission” of Turkey. Just as the remnants of this world strategy promote the integration of Romania into NATO and the Union.
Europe in a cultural sense of the term is a disputed concept by itself. It is a concept of changing content. If “European culture” is identified with the set of daily customs based on Christianity, its influence is totally separated from Europe in a geographic sense: it crosses over the geographic borders. The sphere of “European culture” extends over the so-called “white man’s” zone of the globe, but definitely up to Vladivostok and even to the American continent. For the time being there is no sense in talking about the accession of those areas to the European Union. (The common grounds of “European culture” that extended from the geographic Europe to Latin America and Siberia in the 16th to 20th centuries would become visible when and if the Far-Eastern cultures strive to achieve hegemony. Then the threads keeping us living in European culture and other peoples of the different continents together would grow stronger.)
The only standpoint that is acceptable by all for the time being is to restrict the European Union to areas where peoples following the Western Christian (Roman Catholic) and Christian (Protestant) principles of faith live. At present, however, it is not seen what factors would become stronger in world politics, and how the technical and informatics tools of humanity would develop. These factors, however, may fundamentally determine the extension and borders of the units of territorial administration in the coming decades. These factors, further on, will influence the delineation of the Union borders, too. The expansion of the Union to the east and southeast would also be influenced by what the internal structure of the Union would be in the coming decade. It is already a permanent topic of discussion in the various European expert committees what changes are demanded by world politics in the structure of the European Union (see the problems of an autonomous armed force, or of direct taxation, etc.), and what further changes would be required by eastern enlargement?
One thing is sure: there does and would be existing societies following the “European set of values” outside the EU…
II. What is the Meaning of the European Union?
What Do We Expect from the European Union?
Citizen’s competitiveness and a better quality of life
The European Union is an organisation of territorial administration offering better conditions to its citizens living on its territory for life that can be lived only once, than the administrative systems of nation-states. The administrative system of nation-states has become obsolete in the age of informatics. This system is opposed to the demands of industrial mass production and hinders the satisfaction of the consumer needs of people. It also hinders the free flow of persons and cultural goods. It hinders the management of natural processes not adjusting to state borders. Our assumption is that the movement of persons and intellectual and material products would be totally free on the territory of the European Union, and last but not least the movement of expertise would also be free. The advantage of big space in the economy is that labour freely flows following the demands and investments, and goods would freely flow to consumer demands and to the market. At the same time competition would grow among employees and would encourage the citizen to achieve higher levels of self-education.
It means that the competitiveness of citizens living on the territory of the Union would grow. It is all the more necessary for the old and future citizens of the Union to be competitive with Far-Eastern and American people in the 21st century. The new industrial and technical revolution and the age of the chip elevate each village and job to be parts of global competition. And it is not states any more that would compete in this global-level competition but production units and individuals. The Union has to promote stamina in this competition. (The area of the Union as an administrative unit would be 370,000 sq km and the number of its inhabitants will be above 400 million. In other words, it may be the strongest economic and cultural power of the world in an intelligent organisational system. Only it should not occur to anyone to utilise this power for violence for the spread of his own set of values as it was the will of the Soviet Union and of the United States!)
Parallel to all this human freedom to move brings along the movement of cultural values as well. (This is why I consistently support the freedom of migration and I repeat: the EU is worth nothing if restrictions on migration are introduced among states within its territory.)
New cultural values develop. The different orders of tradition are getting mixed, the old orders of tradition are being modernised and adjusted to the new conditions.
Harmony of man and nature
The European Union promotes the institutionalisation of a new relationship between nature and man. The administrative borders of the Union are adjusted to the natural unit that is to the European peninsula, thus it offers an opportunity for the emergence of a new strategy of coexistence between the human community and the natural conditions of the habitat. The Union offers an opportunity for the harmony of the processes of natural as well as human history. The borders of the nation-state do not only limit the movement of culture, labour and goods but hinder the understanding of the interrelationships between cross-border natural processes, the study of the self-determining regularities of nature, the mutual effects of the changes of climate, air, water, and soil and the effects of technical development and the building activities of man on nature. The European Union allows for a new type of environmental economy (including food production) and it may be a means to the education of the human factor (a citizen caring for his/her environment) of sustainable growth.
Peace on the continent
The Union makes peace on the continent. The Europe of the 20th century was destroyed by two world wars. The productive and cultural communities of the United States could take over the European ones because the two world wards took more than ten million victims, destroyed cities and the best technical apparatuses. And national animosities decimated or, in some areas, exterminated the middle classes of the continent.
Peace means social peace as well, in other words, ensuring democracy and human freedoms first and foremost. Peace also means the dissolution of national animosities, the elimination of the three centuries-old national and ethnic, dogmatic and religious Cold War of Europe.
Regaining European pride
The European Union may return our human pride and future-oriented thinking. The European citizen is blamed daily by Americans, Oriental people or by himself: two world wars in the 20th century, genocides in the 16th to 19th centuries on continents outside Europe are associated with the history of our ancestors, as it is said. The European citizen therefore is not unjustly past-oriented, and looks at his/her own culture with constant self-criticism and self-reproach, while the American and Chinese cultures are future-oriented and proud ones.
The EU may be a federal state eliminating wars and of a return to the principles of classical democracy, and may create a new European identity. This new European identity rests on a self-critical view of history but contains pride as well: pride because European culture, technology and community organisation led the development of the world for five centuries and had been its driving force. It proudly states that it utilises the European historical values, such as the Judeo-Christian order of tradition and the Greco-Roman political organisation in a future-oriented way and, if needed, confronts them with the culture of other continents.
Representation of the European set of values in the world
The European Union may contribute to ensuring the presence of the Judeo-Christian set of values that has evolved on the continent to a globalised culture of the 21st century. It does not mean struggle against cultures existing and gaining strength in Asia and Africa. On the contrary, it may contribute to the avoidance of armed clashes with them. We, European intellectuals, though only a limited team of us, have already learned: that our own European set of values must not be demanded from cultures outside Europe, we must not force our set of values on the whole world with the help of our wonder weapons. Not even if our superiority in technology and community organisation would make it possible and permit it as it could be seen in the 16th to 20th centuries. Apparently some of the American intellectuals and politicians have not yet drawn this conclusion. We imagine a new symbiosis of the different cultures in the 21st century. It would be promoted by the industrial and technical revolution, by the revolution of transport and communications and a further expansion of the radius of man’s thinking and mobility, manifest in the growth of the exchange of goods and individual migration as well as in a cultural mix.
III. A Europe of States, Nations or Citizens?
We are in quest of our place in Europe. We are in quest of our place as a community of citizens, as a national and cultural community and we are in quest of our place as individuals.
The citizens of the European Union do not feel the major change for the time being that would be represented in their life by the emergence of the Union. First of all because the inhabitants of the current Member States of the Union have simply grown into the current framework of the European Union during the past centuries. It can be easily demonstrated on the maps: The so-called Hallstatt Culture of the 8th century BC was essentially the culture of the peoples currently living within the framework of the European Union. In other words, the current Union unity is the result of a development for more than 2500 years. The states currently waiting for admission, the peripheral areas of the so-called Western Europe from the North Sea to the Adriatic were just as well the border regions of the Hallstatt Culture.
Loosening of citizenship identity
Presumably our citizenship attachment would be reduced. Currently our citizenship identity practically squeezes out any other identity. This excessive weight would end. It would, however, survive for about a century on the micro-level of life, only with a different accent. After several millennia the power of states would decrease because the states would transfer a large part of their military, foreign affairs and financial functions to the Union. Yet, the states would remain units of local administration for several decades, only the state of authority would become a state of service provision. State administration will have to operate first and foremost health care, school education, local administration and safety, and the social net. Naturally it is a separate question: what would happen to the extremely large number of employees of the nation-state? In Hungary too one of the reasons of permanent budgetary problems is that the taxpayer community is unable to produce and keep the wages on appropriate level of the approximately 800 thousand state employees (administration, health care, education, etc.).
Strengthening of national identity
Presumably national communities would be stronger than citizens’ communities. A basis of that growing strength is that the significance of local languages and national cultures would survive within the Union.
The problem of communications by languages inside the Union should be separately discussed. As elsewhere in the world, presumably three levels of language communication will stabilise in Europe as well. In the 21st century there would be several local lingua francas besides the global level one (English). (In Europe surely it would be Spanish, German, Russian, and French). And side by side all this the national languages will be alive on the third level.
It cannot be excluded either that the European Union would split into two parts socially and culturally on the basis of the knowledge of languages: the part of society speaking foreign languages would fill certain occupational branches and would rise fast, whereas the other part would constitute a social stratum experiencing a socially and culturally lower level.
Lots of discussions would be still carried on the “existence as a cultural nation”, stressed by me for decades, that would unfold in the Union. Surely the “state-nation” of French type would weaken as the Union develops and the nation would live as a cultural entity. There would be lots of discussions however on what institutions would be the carriers of that existence as a cultural nation? The one definite element is language. One may have only assumptions as to how far the mother tongue would survive as the basic language of the education system. Surely much broader space should be ensured for education in foreign languages and that too out of the EU budget. It is also unknown how many languages an average individual is capable of learning. Particularly if the European school system continues to build the blind alley adapted from the American education system. It is also sure that those who have poorer talent for learning foreign languages or make a wrong decision and do not learn foreign languages, the lingua francas should not be allowed to socially sink because in that case social tension will erode the productive capacities of the European societies.
IV. Creation of a Citizens’ Europe
We are going to join Europe as individuals
In order to interpret this statement one should survey the levels of European integration. The first level is economic integration (lasting from 1950 up to 1999, when the euro was introduced.) The second level is the integration of states (that would progress from 1992 perhaps up to 2030.) The third level is the integration of nations (began in 1963 and accelerating currently). The fourth level is the integration of citizens (beginning in 1992 and presumably it would take decades).
The aim is the creation of a citizens’ Europe. To be a citizen of the European Union means that I have free movement in a multicoloured production and cultural market within the large space of the Union. To be a citizen of the European Union means that I am able to determine my aims in life within the broad geographic borders of the Union and better find my success than before. The rural or small-town craftsmen just as well as the office-bearing intellectual do not think in terms of the nation-state but within a continental radius of knowledge.
The West European societies have reached the European Union as a unit of territorial administration as a result of organic development. Similar aims in life and similar institutions of daily routine have created the community of legislation and administrative principles of the states brought together in the Union. The citizens of the French, German, Dutch, etc. states experience European Union citizenship as something natural. More over, they may justly feel that nothing else happens since 1992 but the standardisation of their own set of values and their generalisation in the western part of the continent.
The situation is different in the Central-East European candidate and new Member States. The comprehensive study of the readiness of Hungary for the European Union began in March 1998. The level of the agriculture, environmental protection, legal system, etc. of the candidate countries was surveyed along the articulation of public administration, and studied profoundly how far they aligned to the respective regulations of the European Union. It has become apparent only now that membership in the European Union is going to be a forced modernisation in many respects for Hungarians. Hungarians getting into the Union would not only sense the presence of the EU by the currency to be introduced, and by the presence of even more international enterprises in their environment, but also by the fact that white and coloured glasses would have to be selected, that waste water would have to be rigorously conducted into systems of treatment, that a certain percentage of packaging materials would have to be produced from recycled substances, etc. Further on, Hungarians living in the EU would have to rediscover the success of diligence and endeavour, which the Soviet system institutionally tried to make them forget about.
In other words, the citizens of the new entrant states should be told what it meant to be a citizen of the European Union regarding their living conditions. The tiller of the soil should just as well be told what may expect in the vegetable market, or in the market of pet breeding and big farm animals, as one should be able to explain to the craftsmen or entrepreneurs what opportunities are offered by integration.
V. The European Union and our politicians and intellectuals
Who would tell the citizens of acceding countries what living conditions and conditions in general are awaiting them in the Union? Only those can tell who possess knowledge about it. They can be the intellectuals (scholars, teachers) and politicians.
A new type of political practice would be necessary in the acceding countries. The relationship between the politician and the voter should not only consist of persuading the latter one to support the programme of his/her political party so that they may be seconded to parliament or to the local organisation of representation. The politicians should carry on activities of imparting information in their constituencies, too. But, is this expectation a realistic one?
It should be sincerely stated that a change of outlook of life at least as large-scale would take place in Hungary in the coming decades as the one experienced for the last time by Hungarian society between 1948 and 1951. There would be, however, differences in the nature of change. One of the differences is that this change of outlook of life would not be forced by political administration and not by violence exercised on the inhabitants, as it was done after 1948, but it would be the conditions inside the economy, the regulations and incentives of the economy and legislation that would force them. It is not excluded that at least as big intra-social upward and downward mobility would take place on family level in the coming one or two decades as it had happened at the time when the dictatorship of the proletariat was introduced. Another difference is that this time it would depend on the decision of individuals, on their abilities and cleverness whether they would belong to the group of those moving upward or sinking. Therefore one may make a good or a wrong decision. One may lay the foundations of the upward mobility of a family for decades, provided we make our children learn an occupation that is Europe-compatible, if we arm them with Europe-compatible skills. And individuals or families that currently have a good livelihood and belong to the middle class may easily become declining ones if their qualifications are adjusted to the norms of the old system and they are unable to utilise their labour force according to the new norms.
For the time being massive unemployment and the sinking of personal existence manifest themselves only in the labour market of large-scale industries and agriculture. The first ten years of the EU, however, may already shake the fundaments of the present middle class of administrators, too. Neither the professor nor the local administrator would succeed if he would not have European skills (if he does not speak foreign languages), if he is not prepared for international competition.
To tell all this to the voters may not be “expedient” to a politician, for people may leave a meeting of the electorate pondering on what they have heard with bitterness.
It would be a major bravery to dare put the question how well informed our politicians are in matters of the European Union? Essentially, how far does the party politics of multiparty system educate so-called specialist politicians? Just as well we have no courage to state that a large part of our politicians, similarly to the West European ones, are actually not specialist politicians, but party activists. The culture of specialist politicians is missing from the majority, consequently they also lack experience in European specialised politics. Do we have the courage to put it on the agenda of discussion at home and in Europe that what is called politics today is, to a large part an activity squeezed into intrigue and the building of personal interest groups? Therefore it is difficult to expect official politicians to speak about European future awaiting citizens, the tillers of the soil, craftsmen and administrators, authentically.
In this situation the responsibility of intellectuals is even greater than in general. They should take up much more of the programme introducing “European skills” domestically! Much more of European skills should be acquired particularly by the intellectuals who are teachers from the lowest level to university education. Not speaking about intellectuals who are writers and editors…