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Begegnungen21_Szabomihaly

Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 21: 199–214.

GIZELLA SZABÓMIHÁLY

Sprachliche Rechte der Minderheiten in der Slowakei
und Gebiete des Minderheitensprachgebrauchs mit besonderer Rücksicht
auf die ungarische Gemeinschaft

 

1. Historischer Überblick

1.1 Das Territorium der heutigen Slowakei bildete vom 11. Jahrhundert an einen integrierenden Bestandteil des Königreichs Ungarn (von 1867 an der Österreichisch-Ungarischen Monarchie), dann trat es der am 28. Oktober 1918 proklamierten Tschechoslowakischen Republik bei. 1938-39 zerfiel das Land: Deutschland gründete im tschechischen Landesteil das Protektorat Böhmen und Mähren, die südlichen, von Ungarn besiedelten Gebiete der Slowakei wurden im Sinne des Wiener Schiedsspruchs1 an Ungarn angegliedert, im nördlichen Teil der Slowakei kam die deutschfreundliche Slowakische Republik zustande. Die Siegermächte des Zweiten Weltkrieges erklärten das Münchener Abkommen und die Wiener Schiedssprüche für ungültig und dadurch kamen die nach dem Ersten Weltkrieg gezogenen Grenzen wieder zustande. Am 1. Januar 1969 wurde das Land zu einer tschechisch-slowakischen Föderation, und als Folge der nach den Veränderungen des Jahres 1989 stärker gewordenen Autonomiebestrebungen konstituierte sich am 1. Januar 1993 die unabhängige Slowakische Republik.

1.2 Die Tschechoslowakei wurde unter Berufung auf die 14 Punkte Wilsons von der nationalen Autonomie als gemeinsamer Staat der tschechischen und slowakischen Nation gegründet, doch verblieben innerhalb ihrer Grenzen in bedeutender Zahl Minderheiten, vor allem Deutsche und Ungarn2. Vom Gesichtspunkt der Rechte des Sprachgebrauchs der Minderheiten aus kam dem Vertrag zum Schutz der Minderheiten von Saint-Germain-en-Laye eine grundlegende Bedeutung zu, von dem gewisse Verfügungen auch in die Verfassung (1920), bzw. auch in das Gesetz über die Sprache (1920) aufgenommen wurden, denn der Minderheitenvertrag (und die Verfassung) sicherten allen Staatsbürgern des Landes den freien Sprachgebrauch im Privat- und im Handelsverkehr, auf kirchlichem Gebiet, in der Presse usw. Im Schulwesen konnte die Sprache der Minderheit die Unterrichtssprache, eventuell wahlweise gelerntes oder obligatorisches Unterrichtsfach sein.

Die Minderheiten hatten zwischen den beiden Weltkriegen relativ umfassende sprachliche Rechte, obzwar die Anwendung des Sprachgesetzes bis 1926 durch die fehlende Durchführungsbestimmung, danach durch die übermäßige Reglementierung erschwert wurde. Die Staatsgewalt war außerdem bemüht zu erreichen, dass die Zahl der Verwaltungseinheiten, in denen die erforderlichen 20 % der Minderheitenbevölkerung zur Anwendung der Minderheitenrechte leben, geringer wird.

1.3 Gemäß der Verfassung (1939) der zwischen 1939 und 1945 existierenden Slowakischen Republik können die Angehörigen der autochthonen „Nationalitätengruppen“ ihre Muttersprache im öffentlichen Leben und im Unterricht gebrauchen, wenn im Mutterland der betreffenden Minderheit die slowakische Minderheit auch ähnliche Rechte erhält. Da die Juden und die Roma nicht für autochthon gehalten wurden, wurden ihnen nicht einmal die minimalsten grundlegenden Rechte zugestanden (der sogenannte „Judenkodex“, der die Entrechtung der Juden verfügte, wurde im Jahre 1941 angenommen).

Nach 1945 war eines der Ziele des neu entstandenen Staates die vollständige Beseitigung der sogenannten deutschen „Kriegsverbrecher“ und der ungarischen Minderheit. Den Personen deutscher und ungarischer Nationalität (die aktiven Antifaschisten ausgenommen) wurde die tschechoslowakische Staatsangehörigkeit aberkannt, mit der Genehmigung der Siegermächte wurde die deutsche Bevölkerung ausgesiedelt; die einseitige Aussiedelung der ungarischen Bevölkerung wurde aber von den Großmächten nicht unterstützt, deshalb suchten die Behörden nach anderen Lösungen. Rund 45 000 Ungarn wurden als Zwangsarbeiter nach Tschechien deportiert; im Rahmen des Abkommens über den Bevölkerungstausch (im Jahre 1946) wurden 90 000 Personen nach Ungarn ausgesiedelt, an ihre Stelle wurden Slowaken, die sich freiwillig gemeldet hatten, aus Ungarn in die Slowakei umgesiedelt (insgesamt 73 000 Personen). Zugleich wurde auch die sogenannte Reslowakisierung begonnen, deren Wesen darin bestand, dass aufgrund eines Antrags die betroffene Person offiziell zur Person slowakischer Nationalität erklärt wurde, und dadurch die Staatsbürgerschaft erhielt3. Die Angehörigen der deutschen und der ungarischen Minderheit durften außerdem im offiziellen Verkehr nicht ihre Muttersprache verwenden, vielerorts auch in der Öffentlichkeit nicht, es durften keine ungarischen und deutschen Schulen, Vereine usw. tätig sein.4 Unter dem Einfluss der in der internationalen und tschechoslowakischen Politik eingetreten Veränderungen erhielten 1948 die in der Tschechoslowakei verbliebenen Deutschen und Ungarn, wenn sie den Treueid ablegten, ihre Staatsangehörigkeit zurück, es wurden wieder ungarische Schulen eröffnet, die Veröffentlichung von ungarischen Presseerzeugnissen wurde genehmigt.

1.4 Die im Jahre 1948 verabschiedete neue Verfassung definierte die Tschechoslowakische Republik als einheitlichen Staat von zwei gleichberechtigten slawischen Völkern, der Tschechen und der Slowaken, die Existenz von Minderheiten wurde nicht einmal erwähnt. In das Verfassungsgesetz von 1956 jedoch wurde bereits aufgenommen, dass die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung der Ungarn und der Ukrainer gefördert werden muss5. Im Sinne der Verfassung des Jahres 1960 sicherte der Staat den Staatsbürgern von ungarischer, ukrainischer und polnischer Nationalität die Möglichkeit des muttersprachlichen Unterrichts und der kulturellen Entwicklung. Laut dem Verfassungsgesetz von 1968 wurde den ungarischen, deutschen, polnischen und ukrainischen Staatsbürgern vom Staat Folgendes gesichert: das Recht der Schulbildung in der eigenen Sprache; das Recht auf die vielseitige kulturelle Entwicklung; das Recht, in den von ihnen bewohnten Gebieten ihre Sprache im offiziellen Verkehr gebrauchen zu dürfen; das Recht des Zusammenschlusses zu kulturellen Organisationen der Nationalitäten; das Recht auf die Presse und die Information in der eigenen Sprache. In der Zeit zwischen 1948 und 1989 wurden vom Zentralkomitee der kommunistischen Partei zahlreiche Beschlüsse angenommen, deren Realisierung aber von der jeweiligen (oberen und lokalen) Leitung abhing.

 

2. Die Situation nach dem Systemwandel und die Sprachenpolitik der selbständigen Slowakei

In den 90er Jahren waren für die Gesetzgebung in Bezug auf den Sprachgebrauch zwei Tendenzen charakteristisch: die eine Tendenz verbreitete und stärkte die Verwendung der slowakischen Sprache als Symbol der nationalen und staatlichen Souveränität, die andere Tendenz bedeutete die Regelung der Rechte des Sprachgebrauchs der Minderheiten auf der Ebene des Gesetzes, was zum größten Teil unter dem internationalen Druck akzeptiert wurde.

2.1 In der Slowakei war eines der Ziele der ersten Gesetze, die nach dem Systemwandel angenommen wurden, gerade die Regelung des Sprachgebrauchs. Das Gesetz über die Sprache des Jahres 1990 legt als offizielle Sprache das Slowakische fest, das auf dem gesamten Territorium des Staates das gebräuchliche Instrument der Kommunikation ist. Die in der Staatsverwaltung und in den Organen der lokalen Selbstverwaltungen Beschäftigten, die natürlichen und juristischen Persönlichkeiten wenden im Amtsverkehr die offizielle Sprache an; die öffentlichen Urkunden werden in dieser Sprache ausgestellt; die Siedlungen und deren Teile, sowie die öffentlichen Flächen (Straßen usw.) werden in der offiziellen Sprache bezeichnet.

Die Minderheitensprachen können in der öffentlichen Berührung in solchen Siedlungen verwendet werden, wo der Anteil der konkreten Minderheit die 20 % überschreitet. Die Mitarbeiter der staatlichen Ämter und der Selbstverwaltungsbehörden sind aber nicht verpflichtet, die Sprache der konkreten Minderheit zu beherrschen und zu gebrauchen. Außerdem verweist das Gesetz es in den Kompetenzbereich des Amtes, die Möglichkeit, die Zweckmäßigkeit und die Art und Weise des Gebrauchs der Minderheitensprache zu entscheiden. All das bot Raum zur subjektiven Interpretation bzw. machte die Durchführung gänzlich willkürlich (s. das Gutachten von Y. J. D. Peeters. 1995: p. 330). Das Sprachengesetz des Jahres 1990 blieb bis 1995, bis zur Verabschiedung des sog. Gesetzes über die Staatssprache gültig, sein Geist determinierte aber auch die spätere juristische Regelung, einzelne Verfügungen – bei anderer Wortwahl – tauchen auch in den später angenommenen Gesetzen auf.

2.2 Im Jahre 1991 trat eine Veränderung in der staatsrechtlichen Situation der Minderheiten in der Slowakei ein: das /tschechoslowakische/ Verfassungsgesetz Nr. 23 aus dem Jahre 1991 (Charta der Grund- und Freiheitsrechte6) setzte die Verfassung des Jahres 1968 außer Kraft, die die Minderheiten in der Slowakei als staatsbildend anerkannte, dadurch sank die staatsrechtliche Situation der Minderheiten auf den Zustand von vor 1968 zurück, die sich auch seither nicht änderte, dass 1992 die slowakische Verfassung der Präambel nach von der slowakischen Nation angenommen wurde. Die Verfassung erhob die slowakische Sprache auf den Rang der Staatssprache, zugleich aber wird bezüglich den Gebrauch der Minderheitensprachen die Verabschiedung eines besonderen Gesetzes angenommen. Mit den Minderheiten befassen sich Abschnitt 4, Artikel 33 und 34 der Verfassung, diese beruhen im Grunde genommen auf den diesbezüglichen Bestimmungen der Charta der Grund- und Freiheitsrechte: die Minderheiten haben das Recht, sich in der Muttersprache Informationen zu beschaffen, sich zu informieren, sich zu bilden und dazu, ihre Sprache im offiziellen Verkehr zu gebrauchen. Nach der slowakischen Verfassung ist ein zusätzliches Recht der Minderheiten das Recht der Aneignung der Staatssprache. Artikel 34 Abs. 3 besagt darüber hinaus, dass die Durchsetzung des Rechtes der Minderheiten „nicht zur Gefährdung der Souveränität und der territorialen Einheit der Slowakei, weder zur Diskriminierung der anderen Staatsangehörigen führen kann“.7

Für das verfassungsrechtliche Herangehen an die Rechte der Minderheiten in der Slowakei ist Folgendes charakteristisch: die Minderheitenrechte werden als individuelles und als staatsbürgerliches Recht formuliert, sie bilden den organischen Bestandteil der grundlegenden Menschenrechte; sie beruhen auf zwei Grundprinzipien, das eine ist das Prinzip der Gleichheit und der Diskriminierungsfreiheit der Staatsangehörigen (Somorová 2000; Šutaj–Olejník 1998: 285), andererseits das Prinzip der Anerkennung der spezifischen individuellen Minderheitenrechte.

2.3 In den Jahren 1993-94 nahm der slowakische Nationalrat (das Parlament) drei Gesetze an, die für die Minderheiten relativ vorteilhaft den Gebrauch der Personen- und Ortsnamen regelten8. Im Sinne des Gesetzes über die Familien- und Vornamen (1993) wurde es möglich, dass die Eltern ihren Kinder „fremdsprachige“ (d. h. nicht slowakische) Vornamen geben. Aufgrund des Gesetzes über die standesamtliche Registrierung (1994) kann gebührenfrei der Auszug aus dem Standesamt beantragt werden, der den Personennamen in der muttersprachlichen Form anführt, bzw. können die Frauen von nicht slowakischer Nationalität ihren Familiennamen ohne die Endung -ová verwenden (im nicht slowakischsprachigen Kontext). Die dritte wichtige Vorschrift (1994) genehmigte es, dass an den Ortsgrenzen von Siedlungen, in denen der Minderheitenanteil die 20 % ausmacht, auf den Ortstafeln an den Straßen neben dem in der Staatssprache festgelegten offiziellen Namen des Ortes auch der traditionelle Name in der Minderheitensprache angegeben werden kann.9

Im Jahre 1995 wurde von der Slowakei das Rahmenabkommen zum Minderheitenschutz des Europarates unterzeichnet und ratifiziert (verkündet in 1998), und im gleichen Jahr wurde der ungarisch-slowakische Grundvertrag unterzeichnet (verkündet in 1997), in diesen ging die slowakische Regierung die Verpflichtung ein, die in nachstehenden Dokumenten enthaltenen Normen und politischen Pflichten direkt anzuwenden: das Rahmenabkommen des Europarates zum Schutz der nationalen Minderheiten; das Dokument von Kopenhagen der Konferenz über die Menschliche Dimension der KSZE; die Deklaration Nr. 47/135 der UN-Generalversammlung über die Rechte der den nationalen oder ethnischen, religiösen und sprachlichen Minderheiten angehörenden Personen, die Empfehlung Nr. 1201 der Parlamentarischen Versammlung des Europarates.10

2.4 Das Gesetz über die Sprache des Jahres 1990 wurde vom 1. Januar 1996 an vom sogenannten Gesetz über die Staatssprache abgelöst, das im Grunde genommen die Verfügungen des früheren Gesetzes mit Bezug auf den Gebrauch der Amtssprache auf das Unterrichtswesen, auf die Massenkommunikation, auf die öffentliche Bildung, auf die bewaffneten Kräfte, auf die Armee, auf die Feuerwehr, auf das Gerichtsverfahren, auf das Wirtschaftsleben und auf das Gesundheitswesen ausdehnte. Im Sinne des Gesetzes genießt auf dem Territorium der Slowakischen Republik die slowakische Sprache Vorteile gegenüber jeder anderen Sprache, das Slowakische ist die Sprache jedweder offizieller Berührung in Wort und Schrift. Auf Aufschriften in der Öffentlichkeit, auf Informationstafeln und in Werbeschriften können fremdsprachige Aufschriften (also z. B. in der Minderheitensprache) als Übersetzung des slowakischen Textes erst danach vorkommen. Der Gebrauch der Minderheitensprachen11 ist in den Rundfunk- und Fernsehsendungen der Minderheiten zugelassen (die örtlichen Rundfunk- und Fernsehsender dürfen nur dann ein nicht-slowakisches Programm übertragen, wenn dieses davor oder danach auch in der Staatssprache übertragen wird), in der Minderheitenpresse, bei kulturellen Programmen der Minderheit (das Programm muss aber zuerst slowakisch angesagt werden), sowie im Verlaufe eines Gerichtsverfahrens, da das Gesetz die bezüglichen Bestimmungen der Zivil- und Strafprozessordnung in Kraft gelassen hat.12 Für einen Verstoß gegen das Gesetz konnten vom Jahre 1997 an die juristischen Persönlichkeiten mit hohen Bußgeldern bestraft werden.

Gegen das Gesetz über die Staatssprache gab es nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland Proteste (z. B. der Europarat, der Hohe Kommissar für nationale Minderheiten der OSZE), ja sogar zahlreiche bekannte Linguisten (s. Simon – Kontra 2000: p. 85 – 86). Aufgrund einer Eingabe von Parlamentsabgeordneten befasste sich auch der Verfassungsgerichtshof damit (1997); das Gesetz wurde nicht für verfassungswidrig gehalten, es wurden nur bestimmte Verfügungen beanstandet, außerdem wurde festgestellt, dass so lange keine Strafe verhängt werden kann, bis jene Vorschriften nicht in der Form von allgemein gültigen Rechtsnormen erscheinen, gegen deren Verstoß Sanktionen verhängt werden können (ausführlicher: Gyurcsik 1998: p. 47–52).

2.5 Gleichzeitig mit der Verabschiedung des Gesetzes über die Staatssprache brachte sowohl die Regierung als auch das slowakische Parlament seine Verpflichtung zum Ausdruck, auch über die Rechte des Sprachgebrauchs der Minderheiten ein Gesetz anzunehmen, wozu es aber erst im Jahre 1999 kam13. Das Gesetz Nr. 184 aus dem Jahre 1999 regelt seinem Titel nach die Rechte des Sprachgebrauchs der nationalen Minderheiten, doch engt Artikel 1 dies aber nur auf den offiziellen Verkehr ein. Das Gesetz ermöglicht den Gebrauch der Minderheitensprache in solchen Siedlungen in gewissen Behörden, wo den Angaben der letzten Volkszählung nach der Anteil der konkreten Minderheit an der Gesamtbevölkerung mindestens 20 % ausmacht.

In diesen Siedlungen können die Privatpersonen ihre schriftlichen Anträge an die Selbstverwaltungskörperschaft und an die staatlichen Behörden in der Siedlung auch in der Sprache der konkreten Minderheitensprache richten, und auf diese erteilt die Behörde eine Antwort in der Minderheitensprache, bzw. fertigt auf Antrag auch gewisse Beschlüsse in der Minderheitensprache aus. In diesen Siedlungen können die Verwaltungsbehörden sowie die Straßen und öffentlichen Flächen auch in der Minderheitensprache bezeichnet werden; die Sitzungen der lokalen Selbstverwaltungskörperschaften können, wenn damit alle Anwesenden einverstanden sind, auch in der Minderheitensprache abgehalten werden. Im Falle einer in slowakischer Sprache abgehaltenen Beratung kann der der Minderheit angehörende Abgeordnete auf der Sitzung der Selbstverwaltungskörperschaft auch in seiner Muttersprache das Wort ergreifen, doch hat die lokale Selbstverwaltungskörperschaft die Kosten des eventuellen Dolmetschens zu tragen. Die Behörde verwendet im Laufe ihrer Arbeit die Staatssprache, und hat die Möglichkeit zur Anwendung der Minderheitensprache, der Mitarbeiter ist aber nicht verpflichtet, die Sprache der Minderheiten zu sprechen.

Das Gesetz über den Gebrauch der Minderheitensprache hat jene Verfügung des Gesetzes über die Staatssprache außer Kraft gesetzt, die sich auf die Verhängung der Geldstrafe wegen des Verstoßes gegen das Gesetz bezog14.

2.6 In der Slowakei stand im Grunde genommen seit 1992 die Frage der Charta der Regionalen oder Minderheitensprachen auf der Tagesordnung, dennoch wurde sie vom Parlament erst 2001 mit Wirkung vom 1. Januar 2002 an angenommen. Obzwar sie gewisse neue Element enthält, geht es aus der Erklärung, die bei der Deponierung der Ratifikationsurkunde abgegeben wurde, eindeutig hervor, dass das Ziel die Annahme einer solchen Variante war, die die gegenwärtige slowakische Sprachenpolitik und die innerstaatliche juristische Regelung sanktioniert. Das Wesentliche daran ist: in der Grundbedeutung verwendet jeder Staatsangehörige auf den öffentlichen Schauplätzen (in erster Linie in den Ämtern) die slowakische Sprache „mit integrierender Funktion“, in einem gewissen gesetzlichen Rahmen können die zu den Minderheiten gehörenden Privatpersonen auch ihre Muttersprache verwenden, doch darf die Praktizierung dieses Rechts nicht gegen den Gebrauch der Staatssprache (des Slowakischen) verstoßen (Erklärung zur Charta Punkt 1, 4 und 5). Die Zweisprachigkeit ist nur für die Minderheitensprecher wünschenswert, im Falle des zur slowakischen Mehrheitsnation gehörenden Staatsangehörigen, auch wenn er in von Minderheiten bewohnten Siedlungen lebt und eine Aufgabe im öffentlichen Dienst versieht, wird die Kenntnis der Minderheitensprache nicht verlangt, ja das kann sogar als Diskriminierung aufgefasst werden.15

Punkt 2 der der Charta beigeschlossenen Erklärung bezeichnet „als Gebiet des Gebrauchs der Regionalen oder Minderheitensprache“ kein geographisches oder auf eine andere Art und Weise umrissenes, festgelegtes Gebiet, sondern durch die Übernahme der geltenden Bestimmungen des Gesetzes über den Gebrauch der Minderheitensprache die Siedlungen, die einem gewissen Kriterium entsprechen (d. h. die den Anteil von 20 % der Minderheitenbevölkerung aufweisen), obzwar im Falle der Minderheiten in der Slowakei die Siedlungsstruktur der ungarischen und der rusinischen (ukrainischen) Gemeinschaften so ist, dass die dem vorstehenden Kriterium entsprechenden Siedlungen beinahe einen zusammenhängenden Streifen, ein Gebiet bilden. Der Grund dieser Lösung ist einer der determinierenden Gedanken der slowakischen Minderheitenpolitik: die Furcht vor der ungarischen Grenzrevision, und deshalb wird jene Lösung zurückgewiesen, wo die Möglichkeit der territorialen Autonomie auftauchen kann.

Im Gesetz über den Gebrauch der Minderheitensprache und demzufolge auch in der Charta wird der Anteil der Minderheiten aufgrund der Zugehörigkeit zur Nationalität festgelegt, zu der sich die Personen bekannten, obzwar die Zugehörigkeit zu einer Nationalität und die Sprachkenntnisse (d. h. die Muttersprache) einander nicht unbedingt decken. Im Falle der größeren Minderheiten in der Slowakei (z. B. der Ungarn und der Ukrainer) ist die Zahl jener, die sich als Ungarisch-/Rusinischmuttersprachler bekannten größer, als die bei der Volkszählung die konkrete Nationalität angeben.16 Im Falle der Minderheitenrechte ist es schwer, den Bereich der Begünstigten festzulegen (Alfredsson 1998: p. 7-10), im Falle der sprachlichen Rechte wäre es vielleicht zweckmäßiger, von den Sprachkenntnissen auszugehen.

 

3. Möglichkeit und Praxis des Gebrauchs der Minderheitensprachen auf den einzelnen Schauplätzen des Sprachgebrauchs

3.1 Im Laufe des vergangenen Jahrhunderts ist die Zahl der Minderheiten in der Slowakei bedeutend zurückgegangen, doch gilt das Land auch heute noch als Nationalitätenstaat. Die Gliederung der Bevölkerung nach Nationalitäten ist aufgrund der Volkszählung des Jahres 2001 nachstehende: Slowaken 4.614.854 (85,8 %), Ungarn 520.528 (9,7 %), Roma 89.920 (1,7 %)17 , Tschechen 44.620 (0,8 %), Rusinen 24.201 (0,4 %). Ukrainer 10.841 (0,2 %), Deutsche 5.405 (0,1 %), Polen 2.602 (0,07 %), Kroaten 890 (0,02 %), sonstige und unbekannt 65.187 (1,2 %). (Quelle: www.statistics.sk).

Die Angehörigen der Gemeinschaften mit niedrigerer Anzahl (Deutsche, Polen, Kroaten, Bulgaren) verwenden ihre Muttersprache im Allgemeinen nur innerhalb der Gemeinschaft, in der Schule (im Unterricht) (wenn der Bedarf an Unterricht der Muttersprache als Schulfach auftaucht)18 und im kulturellen Leben. Gegenwärtig gibt es keine Siedlung, wo ihr Anteil an der Bevölkerung die 20 % erreichen würde. Die Tschechen bilden eine spezifische Gruppe, denn nach Artikel 6 des Gesetzes über den Gebrauch der Minderheitensprachen des Jahres 1999 entspricht der Gebrauch der tschechischen Sprache im Amtsverkehr der Bedingung der grundlegenden Verständlichkeit mit der Staatssprache (dies trifft auch in Wirklichkeit zu), d. h. die Kommunikation in tschechischer Sprache gilt nicht als Kommunikation in einer Minderheitensprache.

Die Roma wurden erst nach dem Systemwandel als Minderheit anerkannt, und obzwar ihr Anteil gegenwärtig in 54 Siedlungen die 20 % Schwelle erreicht, sprechen sie auf den meisten öffentlichen Schauplätzen die Sprache der Mehrheit, also Slowakisch und/oder Ungarisch. Ein umfangreicherer Gebrauch der Romasprache wird dadurch erschwert, dass es kaum öffentliche Angestellte gibt, die die Romasprache oder auch die Romasprachen sprechen; die Roma kennen die in der Slowakei kodifizierte Romasprache nicht und auch von Seiten der örtlichen Mehrheit gibt es einen Widerstand gegen diese Sprache.

Im Fall der Rusinen-Ukrainer bedeutet ein grundlegendes Problem das ungeklärte Identitätsbewusstsein und die Sprache. Die Kenntnisse in der ukrainischen Umgangssprache liegen auch bei den sich als Ukrainer bekennenden Personen nur bei 40 % (Zel’ová 1999: p. 42). Das Vordringen der rusinischen Orientierung wird durch die fehlenden Kenntnisse in der russischen Umgangssprache verzögert: die Bevölkerung verwendet in der Familie und auf den örtlichen öffentlichen Schauplätzen die Mundart.

Die von den Gesetzen gebotenen Möglichkeiten werden am meisten von den zur größten Minderheit gehörenden Bevölkerung, also von den Ungarn, angewendet. Für die Gemeinschaft der Ungarischsprecher in der Slowakei wird die traditionell national gebundene Bevölkerung gehalten (in erster Linie von ungarischer Nationalität und Muttersprache) (vgl. Lanstyák 2000: p. ). Für diese Gruppe ist die Zweisprachigkeit, in der das Ungarische dominiert und die Bemühung zum Erhalten der Minderheitensprache charakteristisch. Da das Ungartum zu mehr als 70% in Siedlungen lebt, in denen es die örtliche Mehrheit bildet, und da in ihrer Reihe auch zahlreiche Städte zu finden sind, kann ein Großteil der Ungarn theoretisch in seinem Wohnort die Muttersprache immer auf öffentlichen Schauplätzen verwenden. In den Dörfern und Städten mit bedeutender slowakischer Bevölkerung ist auch der Gebrauch der slowakischen Sprache sehr stark (manchmal ausschließlich). Die Kommunikation in slowakischer Sprache ist bei den Behörden, am Arbeitsplatz und im Gesundheitswesen am stärksten (Lanstyák 2000: p. 125). Da der Sprachgebrauch der Ungarn am ehesten differenziert ist, wird nachstehend in erster Linie diese Volksgruppe behandelt..

3.2 Unterrichtswesen: im Fall der Ungarn und der Rusinen-Ukrainer sichert der Staat traditionell entweder eine muttersprachliche Ausbildung oder den Unterricht in der Muttersprache bis einschließlich zum Abitur. In den Unterrichtseinrichtungen der rusinischen und der ukrainischen Minderheit ist die Unterrichtssprache das Ukrainische, d. h. es existiert kein Unterricht in rusinischer Sprache; infolge der von den 50er Jahren an bis beinahe zur jetzigen Zeit andauernde Ukrainisierung ist das Interesse für die Schulen mit ukrainischer Unterrichtsprache sehr gesunken. Im Schuljahr 2001/2002 gestaltete sich die Zahl der Klassen mit ungarischer und ukrainischer Unterrichtssprache bzw. ihr Prozentanteil im Landesmaßstab zu den anderen Klassen nach Schultypen wie folgt: Grundschule – 2128 (7,5 %) ungarisch, 42 (0,15 %) ukrainisch; Gymnasium – 193 (6,6 %) ungarisch, 6 (0,2 %) ukrainisch; Fachoberschule und Fachschule – 564 (6,7 %) ungarisch19, mit ukrainischer Unterrichtssprache keine. (Quelle: www. education.gov.sk) Schulen mit Roma-Unterrichtssprache existieren nicht wobei jetzt die Einführung der Romasprache als Unterrichtsfach von den Zuständigen in Betracht gezogen wird.

Ein altes Bestreben der ungarischen Gemeinschaft ist die Gründung einer selbständigen ungarischen Hochschuleinrichtung (Universität), bisher ist dies nicht realisiert worden. Die Ausbildung auf Hochschulniveau, zum Teil in der Muttersprache, erfolgt an den Hochschulen, an denen die Lehrer für die Minderheitenschulen ausgebildet werden. Neuerdings ist das Studium der Wirtschaftswissenschaften, Informatik, Agrarwissenschaft usw. an in der Slowakei errichteten Außenstellen von Hochschuleinrichtungen in Ungarn möglich.

3.3 Rechtsprechung: Der Zivilprozessordnung nach können die Seiten vor dem Gericht ihre Muttersprache verwenden und das Gericht ist verpflichtet, ihnen identische Bedingungen für die Durchsetzung des Rechts zu sichern. Genauso können auch alle vor den Organen des Strafverfahrens ihre Muttersprache verwenden. Außerdem kann sich jeder in seiner Muttersprache an den Verfassungsgerichtshof und an den Ombudsmann für Menschenrechte wenden. Die Kosten für das Dolmetschen und Übersetzen belasten den Staat.

3.4 Verwaltungsbehörden und Dienstleistungsorgane: Der Volkszählung des Jahres 2001 nach gestaltete sich die Zahl der Siedlungen, in denen der Anteil einer Minderheit die 20 % Schwelle überschritt, wie folgt: 501 waren ungarische, 83 rusinische, 6 ukrainische und 54 Roma-Siedlungen (Quellen: Sčítanie 2001). Da die Minderheitensprache im Laufe der Kontakthaltung mit dem Organ der Selbstverwaltungskörperschaft oder der Verwaltung der konkreten Siedlung verwendbar ist, wird ihre Geltung von der Verwaltungsstruktur und der Lage der Behörden beeinflusst. Gegenwärtig sind in der Slowakei der internationalen Regionalgliederung zufolge auf der Ebene NUTS 5 die örtlichen Selbstverwaltungskörperschaften, auf der Ebene NUTS 3 die sekundären oder regionalen Selbstwaltungskörperschaften, auf der Ebene NUTS 4 die Organe der staatlichen Verwaltungsorgane (Kreise) und auf der Ebene NUTS 3 die Verwaltungsorgane der Bezirke tätig. Im Laufe der Kontaktaufrechterhaltung mit den lokalen Selbstverwaltungskörperschaften könnten theoretisch 89,5 % der Ungarn, 37,8 % der Rusinen, 3,9 % der Ukrainer und 22,1 % der Roma ihre Muttersprache gebrauchen. Die staatlichen Verwaltungsorgane mit der Kompetenz des Kreises sind im Allgemeinen in den Kreisstädten tätig (wo der Zahlenanteil der Minderheitenbevölkerung geringer ist), bei diesen Behörden können 62,6 % der Ungarn und 21,2 % der Rusinen ihre Muttersprache gebrauchen. Der Sitz der 8 regionalen Selbstverwaltungen ist in den Bezirksstädten zu finden, in diesen erreicht aber keine einzige Minderheit den Anteil von 20 %, auf dieser Ebene kann also weder bei der Selbstverwaltungskörperschaft, noch bei den Organen der Verwaltung eine Minderheitensprache verwendet werden.

Obzwar das Gesetz über den Gebrauch der Minderheitensprachen und auch die Charta die Möglichkeit zum schriftlichen Gebrauch der Minderheitensprache im Kontakt mit den obigen Behörden bieten würde, gibt es hierfür kaum Beispiele. Die eine Ursache hierfür ist, dass die Anträge im Allgemeinen auf den hierfür eingeführten Formularen eingereicht werden müssen, diese sind aber alle in slowakischer Sprache verfasst. Es gibt kaum Arten von Anträgen, wo der Klient seinen Antrag mit eigenen Worten formulieren kann. Das Gesetz über den Gebrauch der Minderheitensprachen erwähnt es nur im Falle der Selbstverwaltungen, dass dem Antragsteller auf Wunsch ein Formular in der Minderheitensprache gesichert werden soll. Der zweite Grund ist das Fehlen an Informationen bei den Klienten (sie kennen ihre Rechte nicht), außerdem kennen sie auch die amtliche Terminologie und den Stil in der Muttersprache nicht. Letzteres gilt auch für die Sachbearbeiter bei den Behörden. Probleme bereitet außerdem auch, dass die Gesetze und sonstige Rechtsnormen nur in slowakischer Sprache erscheinen.20

Im Sinne des Gesetzes Nr. 211 aus dem Jahre 2000 über die Öffentlichkeit der Angaben von öffentlichem Interesse erteilt das zur Information verpflichtete Organ in den unter die Kompetenz des Gesetzes über den Gebrauch der Minderheitensprachen fallenden Siedlungen die Informationen auch in der Minderheitensprache. Von diesem Gesetz wird der Gebrauch der Minderheitensprache für einen breiteren Kreis der Behörden vorgeschrieben als vom Gesetz über den Sprachgebrauch der Minderheitensprachen des Jahres 1999, obzwar nur auf dem Gebiet der Information der Staatsbürger.

3.5 Massenmedien: Nach den Gesetzen über den slowakischen Rundfunk und über das slowakische Fernsehen (1991) strahlen diese öffentlich-rechtlichen Medien auch in den Sprachen der Minderheiten Programme aus.21 In 11 Siedlungen in der südlichen Slowakei produzieren lokale Fernsehstudios auch ungarische Programme. Direktübertragungen in ungarischer Sprache dürfen aber nicht gesendet werden, weil alles auch slowakisch gesendet werden muss. Aus demselben Grund können auch keine nur in Minderheitensprachen sendende regionale Rundfunkstationen senden. Auf dem ungarischen Sprachgebiet in der Slowakei können auch die Rundfunk- und Fernsehsender aus Ungarn empfangen werden, traditionell bevorzugen die Ungarn in der Slowakei diese (s. Lampl– Sorbán 1999).

Dem im Jahre 2001 modifizierten sogenannten Mediengesetz nach kann im Falle des Einhaltens der Verfügungen des Gesetzes der Verlag der Presseerzeugnisse in nicht-slowakischer Sprache bzw. die Vervielfältigung von audiovisuellen Produkten nicht beschränkt werden.

3.6 Kulturelle Aktivitäten und kulturelle Einrichtungen: Von der Verfassung wird das Recht zur Gründung und zur Aufrechterhaltung der kulturellen Einrichtungen in Minderheitensprachen garantiert; die Sprache der öffentlichen kulturellen Veranstaltungen wird vom Gesetz über die Staatssprache geregelt. Nach dem Ende der zentralisierten Kulturpolitik wurde das kulturelle Leben der slowakischen Minderheiten in ihrer Muttersprache reichhaltiger, doch seine Formen werden auch weiterhin vom ruralen Charakter der Minderheitengesellschaft determiniert, in ihr dominiert die Laienkunstbewegung (Tanzgruppen, Theaterensembles, Chöre). In der Slowakei sind an professionellen Theatern gegenwärtig zwei ungarische, ein ukrainisches und ein Roma-Theater tätig.

3.7 Konfessionelles Leben: Der Sprachgebrauch der Kirchen wird nicht von Gesetzen geregelt, dies ist die interne Angelegenheit der konkreten Kirche. Die liturgische Sprache der prawoslawischen Kirche ist das Altkirchenslawische, in den anderen Kirchen werden die Gottesdienste in der Muttersprache der Gläubigen gehalten. Den Angaben der Volkszählung von 2001 zufolge sind von der Bevölkerung der Slowakei 68,9 % römische Katholiken, 8,9 % Lutheraner, 4,1 % Unierte (griechische Katholiken), 2,0 % Reformierte und 0,9 % Prawoslawen (Quelle: www.statistics.sk). 65 % der Ungarn in der Slowakei sind Katholiken22, in ihrem Falle stellt ein Problem der Mangel an ungarischen Priestern dar, sowie der Umstand, dass von den slowakischen Kirchenleitern die Gründung des ungarischen Bistums abgelehnt wird. 78% der Reformierten sind Ungarn, doch gibt es in der östlichen Slowakei auch slowakischsprachige Kirchgemeinden. Seit 1989 wurden mehrere ungarische konfessionelle Grund- und Oberschulen gegründet, in den staatlichen Schulen kann der Religionsunterricht nach der Unterrichtssprache besucht werden. Die Rusinen wählen statt der ihnen seinerzeit aufgezwungenen prawoslawischen Religion wieder die griechisch-katholische (unierte) Religion.

3.8 Wirtschaftsleben: § 8 des Gesetzes über die Staatssprache schreibt in der Wirtschaft, in den Dienstleistungen und im Gesundheitswesen fast für jedes Gebiet den Gebrauch der slowakischen Sprache vor, die Sprache der Minderheit ist in der Kommunikation mit den die Staatssprache nicht sprechenden Kranken bzw. in den Werbe- und sonstigen Aufschriften möglich, in letzterem Fall aber erst nach dem slowakischen Text. Die schriftliche Kommunikation zwischen den Wirtschaftsorganen und die sonstigen Dokumente (z. B. Gründungsurkunden, Buchhaltung, Statistiken, Berichte, Rechnungen usw.) werden ausschließlich slowakisch gehalten. Texte in der Minderheitensprache (vor allem in ungarischer Sprache) kommen in der Presse, in Anzeigen, Aufschriften (Namen von Geschäften, Warenangebot) vor, obzwar auch in den mehrheitlich von Ungarn bewohnten Siedlungen, vor allem in den Städten, wo die nur in der Mehrheitssprache verfassten Aufschriften dominieren. Die Minderheitensprachen, so auch die ungarische, werden in dieser Sphäre fast ausschließlich nur in der mündlichen Kommunikation verwendet. In der sozialen Versorgung und im Gesundheitswesen sind die Dokumentationen und der Briefwechsel slowakisch, die für die Kranken und die Besucher usw. bestimmten Informationstexte sind auf dem ungarischen Sprachgebiet vielerorts zweisprachig. Mündlich hängt der Gebrauch der ungarischen Sprache theoretisch davon ab, ob der Arzt, die Krankenschwester usw. die Sprache beherrscht.

4 Es ist beinahe unmöglich, die sprachlichen Rechte, die Rechte des Sprachgebrauchs der europäischen Minderheiten unterschiedlicher Herkunft, Zahl und Situation zu überschauen, und wir sind uns auch bewusst, dass vom Gesichtspunkt der Anerkennung der Minderheitenrechte die auf internationaler Ebene geführte Gesetzgebungstätigkeit bedeutender ist als die innerstaatliche Gesetzgebung der einzelnen Länder (Alfredsson 1998: p. 27). In Kenntnis der bezüglichen Fachliteratur (Kovács 1996; Varennes 1998; u. a.) kann aber ausgesagt werden, dass die slowakischen Gesetze den minimalen europäischen Normen entsprechen (vgl. noch Report 1999). Sowohl die Gesetze als auch die Praxis zeigt, dass wir in der Slowakei eher nur vom passiven Minderheitenschutz sprechen können. Gegenüber der innerstaatlichen rechtlichen Regelung bedeutet die Charta einen gewissen Fortschritt, fraglich ist aber, wie die Zuständigen die einzelnen Maßnahmen durchführen werden, ob es auf diesem Gebiet zu Fortschritten kommt.

 

Anmerkungen

1

Da früher innerhalb von Ungarn kein selbständiges slowakisches Verwaltungsgebiet existierte, wurde die südliche Grenze des neuen tschechoslowakischen Staates auf der Friedenskonferenz in Paris (Vertrag von Trianon, 11. Juni 1919) festgelegt, und zwar unter Berücksichtigung der tschechischen Forderungen bedeutend südlicher, als die slowakisch-ungarische Sprachgrenze verlief. Die mit dem Wiener Schiedsspruch vom 2. November 1938 von Deutschland und Italien als Schiedsrichter festgelegten Grenzen folgten zum größten Teil der Linie der slowakisch-ungarischen ethnischen Grenze. Infolge der Grenzveränderungen nach dem Ersten Weltkrieg wurden die auf den zu Ungarn gelangten Gebieten lebenden Slowaken von ihrem Mutterland losgerissen; die Rusinen (Ruthenen) wurden von den Grenzveränderungen nach dem Zweiten Weltkrieg betroffen, denn aus den ehemaligen nordungarischen Komitaten entstand nach dem Ersten Weltkrieg die Ruska Kraina (Karpatenukraine), die an die Tschechoslowakei angegliedert wurde; im Jahre 1945 wurde sie der sowjetischen Oberhoheit unterstellt. (S. in vorliegendem Band die Studie von I. Csernicskó)

2

Aufgrund der Angaben der letzten Volkszählung der Monarchie im Jahre 1910 waren in den später die Tschechoslowakei bildenden Gebieten – in den tschechischen Provinzen (Böhmen = Tschechien), Nordungarn (Slowakei), Karpatenukraine – 59,1 % der Bevölkerung Tschechen und Slowaken, 27,58 % (in Tschechien 34,65 %) waren Deutsche, 7,88 % (in der Slowakei 30,3 %) waren Ungarn, 5,45 % Ruthenen (Rusinen-Ukrainer), oder waren polnischer, rumänischer, kroatischer und sonstiger Muttersprache. (Gyurgyík 1998: p. 122-123)

3

Das deklarierte Ziel der Reslowakisierung war die „Zurückführung“ der slawischen Elemente, die sich an das Ungartum assimiliert hatten.

4

In Bezug auf diese Periode s. Kaplan 1990; Vadkerty 1994

5

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Bewohner mit rusinischer Muttersprache in der Slowakei als Ukrainer bezeichnet. Das Gesetz über den tschechisch-slowakischen Staatenbund (1968) führte die alternative Bezeichnung ukrainisch (rusinisch) ein, bei der Volkszählung im Jahre 1991 aber kam die ukrainische und die rusinische Nationalität schon getrennt vor.

6

Entspricht inhaltlich der Europäischen Vereinbarung über die Menschenrechte und die grundlegenden Freiheitsrechte (1950)

7

Auch die internationalen Dokumente enthalten im Allgemeinen Verfügungen im Zusammenhang mit der Achtung der Souveränität und der territorialen Integrität sowie der Rechte der Mehrheitsbevölkerung der Unterzeichnerstaaten [z. B. Rahmenabkommen über den Minderheitenschutz § 20 und § 21], aus der Übernahme dieser in die Verfassung kommt die Befürchtung zum Ausdruck, dass die Anwendung der Minderheitenrechte den Staat gefährden würde.

8

Dies waren u. a. die Bedingungen für die Aufnahme des Landes in den Europarat.

9

In der Tschechoslowakei konnte seit 1948 jede Siedlung nur einen tschechischen oder slowakischen Namen haben, der traditionelle Name in der Minderheitensprache durfte nicht gebraucht werden.

10

Es ist nicht bekannt, ob sich die slowakische Regierung mit der Durchsetzung der Verfügung des Rahmenabkommens beschäftigt hat. Die Durchführung des Grundlagenvertrages wird von einer ungarisch-slowakischen gemischten Kommission beaufsichtigt, die bisher drei Sitzungen abhielt. Im Zusammenhang mit den Rechten der Minderheiten verweisen die offiziellen Organe nicht auf den Grundlagenvertrag.

11

Dem § 1 zufolge wird von diesem Gesetz der Gebrauch der Minderheitensprachen und die Sprache der religiösen Liturgie nicht geregelt.

12

Das Recht des Gebrauchs der Muttersprache in Zivil- und in Strafverfahren garantieren die gültigen Gesetze seit der Mitte der 50er Jahre. In diesen Fällen ist nicht von einem besonderen Minderheitenrecht die Rede. Im Sinne der internationalen Vereinbarungen steht das Recht des Gebrauchs der Muttersprache auch den Ausländern zu.

13

Von der Slowakischen Republik wurde mehrmals die Verpflichtung für die Annahme der Rechtsnorm über den Gebrauch der Sprache der nationalen Minderheiten und der ethnischen Gruppen übernommen, z. B. im Jahre 1993, bei der Aufnahme des Landes in den Europarat und in dem Memorandum, das dem Aufnahmeantrag in die Europäische Union beigeschlossen wurde. Diese Verpflichtung ist auch in den Beschlüssen des gemeinsamen Parlamentsausschusses der Europäischen Union und des Nationalrates der Slowakischen Republik in den Jahren 1997, 1998 und 1999 enthalten.

14

Diese Verfügung des Gesetzes über die Staatssprache löste auch in Kreisen der slowakischen Intellektuellen Debatten aus (Findra 1998). Vom Gesetz wurde nämlich als Staatssprache die kodifizierte Form des Slowakischen festgelegt, das bedeutet, dass auch der Gebrauch einer Substandardvariante (z. B. einer Mundart) hätte sanktioniert werden können.

15

Im Sinne von Punkt 6 der der Charta beigeschlossenen Erklärung „können Artikel 12 Absatz 1 Punkt 3 sowie Artikel 13 Absatz 2 Punkt c dann angewendet werden, wenn sie nicht im Widerspruch stehen zu jenen Bestimmungen der slowakischen Rechtsordnung, die die Diskriminierung in den auf dem Territorium der Slowakischen Republik gültigen arbeitsrechtlichen Relationen der Staatsbürger der Slowakischen Republik verbieten.“ Die zitierten Bestimmungen der Charta enthalten, dass die Signatarmacht bestrebt ist, in den Institutionen der Kultur, des Sozial- und Gesundheitswesens Mitarbeiter anzustellen, die auch die Minderheitensprache sprechen.

16

Bei den Volkszählungen in der Tschechoslowakei wurden Fragen zur Muttersprache nur 1970, 1991 und 2001 gestellt. Den bisher veröffentlichen Angaben der Volkszählung von 2001 nach (www.statistics.sk) gibt es 10% mehr Ungarischmuttersprachler als es Personen ungarischer Nationalität gibt, die Zahl der Rusinischmuttersprachler jedoch ist schon doppelt so hoch als die Zahl der Personen rusinischer Nationalität.

17

Die Zahl der Roma wird von den Fachleuten auf 250- 300 000 angesetzt. In slowakischer Umgebung bekennen die Zigeuner sich als von slowakischer Nationalität, in ungarischer Umgebung im Allgemeinen als von ungarischer Nationalität.

18

Im Schuljahr 2000/2001 entstand in der Slowakei eine staatliche Schule mit deutscher Unterrichtssprache und eine Privatschule mit bulgarischer Unterrichtssprache.

19

In diesen Schulen wird die Berufsausbildung im Allgemeinen in slowakischer Sprache abgehalten.

20

Von Seiten des Staates zeigen sich einstweilen keine handgreiflichen Anzeichen dafür, dass er den offiziellen Gebrauch der Minderheitensprachen anregen oder stärker fördern wollte. Diese Aufgabe hat zum Teil das im Jahre 2001 als Zivilverband der ungarischen Linguisten in der Slowakei das „Gramma Sprachbüro“ auf sich genommen, einstweilen üben wir nur im Kreis der ungarischen Minderheit eine Informationstätigkeit aus, organisieren wir Kurse für die Mitarbeiter der Selbstverwaltungskörperschaften, bereiten wir die ungarischen Varianten von Mustern von Anträgen und Beschlüssen vor, arbeiten wir an einem Wörterbuch für die Verwaltungssprache Slowakisch - Ungarisch.

21

Der staatliche Rundfunk sendet seit 1928 Sendungen in ungarischen Sprache, seine

gegenwärtige Sendezeit macht 45 Stunden wöchentlich aus (das sind rund 4 % der gesamten Sendezeit). Das öffentlich-rechtliche Fernsehen sendet seit 1983 ungarische Nachrichtensendungen, insgesamt in 1,4 Stunden pro Woche, das sind 0,04 % der gesamten Sendezeit.

22

Da die Angaben der Volkszählung von 2001 über die konfessionelle Gliederung der Minderheiten noch nicht vorliegen, stammen die weiteren Angaben aus der Volkszählung von 1991.

Literatur

Alfredsson, G. (1998): Kisebbségi jog: nemzetközi standardok és ellenőrzési mechanizmusok [Das Minderheitenrecht: internationale Standards und Kontrollmechanismen]. In: Regio 9/4: p. 5-31.

Findra, J. (1998): Jazyk, reč človek [Sprache, Sprechen, Mensch]. Bratislava, Ql l l.

Gyönyör, J. (1994): Terhes örökség. A magyarság lélekszámának és sorsának alakulása Csehszlovákiában [Belastendes Erbe. Die Entwicklung der Seelenzahl und des Schicksals des Ungartums in der Tschechoslowakei]. Pozsony/Bratislava, Madách– Posonium.

Gyurcsik, I. (1998): Az államnyelvről szóló törvény a szlovák alkotmánybíróság döntésének tükrében [Das Gesetz über die Staatssprache im Spiegel der Entscheidung des slowakischen Verfassungsgerichtshofes]. In: Fundamentum 2/1-2: p. 40-56.

Gyurgyík, L. (1998): A (cseh)szlovákiai magyarság demográfiai, valamint település- és társadalomszerkezetének alakulása 1918-1998 [Die Entwicklung der Demographie des Ungartums in der /Tschecho-/Slowakei und der Siedlungs- und Gesellschaftsstruktur]. Filep, Tamás Gusztáv – Tóth, László (red.): A (cseh)szlovákiai magyar művelődés története 1918-1998 [Ungarische Kulturgeschichte der /Tschecho-/Slowakei von 1918-1998]. Budapest, Ister. l. p. 81-131.

Kaplan, K. (1990): Pravda o Československu 1945-1948 [Die Wahrheit über die Tschechoslowakei 1945-1948]. Praha: Panorama. [Ungarische Auflage: 1993. Csehszlovákia igazi arca 1945-1948. Bratislava–Pozsony: Kalligram Könyvkiadó.]

Kovács, P. (1996): Nemzetközi jog és kisebbségvédelem [Völkerrecht und Minderheitenschutz]. Budapest, Osiris-Verlag.

Lampl, Zs.–Sorbán, A. (1999): A szlovákiai és az erdélyi magyarok médiapreferenciái és fogyasztói szokásai [Die Medienpräferenzen und Konsumentenbräuche der Ungarn in der Slowakei und in Siebenbürgen]. In: Fórum Társadalomtudományi Szemle 1/1. p. 19-34.

Lanstyák, I. (2000): A magyar nyelv Szlovákiában [Die ungarische Sprache in der Slowakei]. Budapest – Bratislava /Pozsony/, Osiris-Verlag–Kalligram-Verlag.

Peeters, I. J. (1995): Legal Opinion on the position of national minorities in the ČSFR and the Law of the Slovak National Council on the Official Language in the Slovak Republik. In: Zalabaim Zsigmond (red.) 1995. Mit ér a nyelvünk, ha magyar? A „táblaháború“ és a „névháború“ szlovákiai magyar sajtódokumentumaiból 1990- 1994. [Was ist unsere Sprache wert, wenn sie Ungarisch ist? Aus den Dokumenten der ungarischen Presse in der Slowakei des „Tafelkrieges“ und des „Namenskrieges“]. Bratislava – Pozsony, Kalligram-Verlag, p. 327-330.

Report (1999) Report on the Linguistic Rights of Persons Belonging to National Minorities in the OSCEArea. The Hague: OSCE–High Commissioner on National Minorities [vervielfältigtes Material].

Sčítanie (2001): Sčitanie obyvatel’ov, domov a bytov 2001. Základné údaje. Národnostné zloženie obyvatel’stva [Zusammenschreibung der Personen, Häuser und Wohnungen des Jahres 2001. Grundangaben. Die Zusammensetzung der Bevölkerung nach Nationalitäten]. Bratislava: Štatističký úrad SR.

Simon, Sz. – Kontra, M. (2000): Slovak linguists and Slovak language Laws: An analysis of Slovak language policy. Multilingua 19. p. 73-94.

Somorová, (2000): Menšinové práva podl’a Ústavy Slovenskej republiky [Minderheitenrechte nach der Verfassung der Slowakischen Republik]. In: Ústavnost’ a politika 3/2000, p. 99-110.

Šutaj, Š.–Olejník, M. (1998): Slovak Report. In: Kranz, J. (ed.) Law and Practice of Central European Countries in the Field of National Minorities Protection After 1989. Warszawa, Center for International Relations. p. 269-317.

Vadkerty, K. (1994): Hungarians in postwar Slovakia. In: The Hungarian Quarterly 35. p. 115-127.

Varennes, F. (1994): Kisebbségi jogok a nemzetközi jogban [Minderheitenrechte im Völkerrecht]. In: Fundamentum 2/1-2. p. 26-39.

Zel’ová, A. (1994): Rusínska a ukrajinská menšina [Die rusinische und die ukrainische Minderheit]. A. Zel’ová et al. Minoritné etnické spoločenstvá na Slovensku v procesoch spoločenských premien [Die Gesellschaften der ethnischen Minderheiten in der Slowakei im Prozess der gesellschaftlichen Veränderungen]. p. 39-44. Bratislava, Veda.

Begegnungen21_Ritook

Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 21: 221–225.

ZSIGMOND RITOÓK

Sprachkultur in der Zeit der Globalisierung

 

Es ist ein Gemeinplatz, dass wir uns in der Zeit der Globalisierung befinden. Von den zahlreichen Bezügen würde ich jetzt nur einige im Zusammenhang mit der Sprache erwähnen.

1. Die Internationalisierung der Kontakte in den Wissenschaften und in der beruflich-fachlichen Kultur (auf den internationalen Beratungen ist der Sprachgebrauch geregelt, eventuell nur auf eine Sprache beschränkt; dies gilt auch für die Sprache der Fachliteratur, die Termini einer Sprache werden zu Internationalismen).

2. Die Internationalisierung der Kontakte in den Massenmedien, in den Medien (Rundfunk, Fernsehen, Film). Im umfangreichen Genuss dieser genießen jene einen Vorteil, die über die Kenntnisse gewisser Sprachen verfügen.

3. Den Gebrauch des Fachwortschatzes der Fachsprache, von unverändert aus Fremdsprachen übernommenen Fachwörtern unterstützen psychologische Faktoren: man braucht nicht darüber nachzudenken, wie diese in einer anderen Sprache auszudrücken sind, darüber hinaus wird noch der Anschein der Eingeweihtheit vermittelt.

4. Die Sprache widerspiegelt naturgemäß eine gewisse Betrachtungsweise, Denkweise, trägt eine gewisse Wertordnung, was in lokaler (nationaler) Beziehung abschwächend auf das Identitätsbewusstsein der Gemeinschaft einwirkt.

5. Demgegenüber wirken die lokalen (nationalen) Identitätsbewusstseine, das Bestehen auf der Nationalsprache, der sich in dieser äußernden Betrachtungsweise, der Wertordnung, auf den eventuell historisch determinierten, begründeten Formen des Sich-Verschließens vor den anderen Sprachen, den anderen Sprachen gegenüber.

Aus den beiden gegeneinander gerichteten Faktoren kann sich im glücklichen Falle eine günstig wirkende Spannung entwickeln – aus den Gegensätzen kommt die schönste Harmonie zustande, sagten die Griechen, im unglücklichen Falle eine ungünstige. An der ersteren zu arbeiten, letztere zu umgehen, darin besteht die Sprachenpolitik.

 

„Kleine” Sprachen und „große” Sprachen

Offenkundig sind die Sprachen nicht gleich. Es gibt von vielen gebrauchte „große” Sprachen und von wenigeren Sprechern verwendete „kleine” Sprachen. Es gibt Sprachen, die in solchen Ländern gesprochen werden, die in der gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklung ein großes Gewicht bedeuten, in der Weltpolitik eine wichtige Rolle spielen, und es gibt solche Länder, die – eventuell trotz der großen Zahl ihrer Bevölkerung – nicht determinierend sind. Es besteht kein Zweifel daran, dass im Zeitalter der Aufklärung, im 17.–18. Jahrhundert, das Französische eine solche Sprache war, obzwar es in Europa Sprachen gab, die von einer an der Zahl bedeutenderen Bevölkerung gesprochen wurden. Es besteht kein Zweifel daran, dass heutzutage, auch infolge des wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Gewichts der USA, das Englische eine derartige Sprache ist. Das, was ich vorstehend in Punkt 1 und 2 angeführt hatte, gilt in erster Linie hierfür, doch kommt dagegen auch die in Punkt 5 erwähnte Gegenwirkung zur Geltung.

Theoretisch gibt es für jedes Land die Möglichkeit des Sprachwechsels – in einigen Ländern befasst man sich damit auch in der Praxis –: die Aufgabe einer kleinen Sprache und die Übernahme einer großen Sprache, im konkreten Fall des Englischen. Hierfür gibt es ein Beispiel, wenn es auch nicht vollkommen und vor allem nicht freiwillig war: der Übergang der Iren zum Gebrauch der englischen Sprache. Dennoch gibt es auf dem Weg hierhin Schwierigkeiten. Die eine: nicht einmal in den entferntesten Perspektiven ist es wahrscheinlich, dass die Sprecher einiger großer Sprachen (z. B. die Franzosen, Spanier oder gerade die Araber, ganz zu schweigen von den Chinesen) die Verwendung ihrer eigenen Sprache aufgeben werden, auch wenn sie im internationalen Verkehr das Englische annehmen. Die zweite Schwierigkeit liegt im Raum näher: in Osteuropa, wo die Nationalsprache traditionell an das Nationalbewusstsein gekoppelt ist („in ihrer Sprache lebt die Nation”) wäre der Sprachwechsel kaum leicht realisierbar. Die andere Möglichkeit, dass wir diese Frage einfach nicht zur Kenntnis nehmen, und die in unsere Sprache auf dem Wege des wissenschaftlichen oder sonstigen Sprachgebrauchs eindringenden fremden Elemente einfach als Fremdkörper auffassen, diese an entsprechender Stelle verwenden, und uns übrigens mit dem vorhandenen ungarischen Sprachzustand zufrieden geben, indem wir darauf vertrauen, dass die erwähnten Fremdkörper im Laufe der Zeit als Lehnwörter in die ungarische Sprache Einzug halten. Es ist hier üblich, sich auf die bulgarisch-türkischen oder slawischen Lehnwörter des Ungarischen zu berufen. Die Parallele ist aber nicht ganz überzeugend. Zur Zeit der Übernahme der bulgarisch-türkischen oder slawischen Lehnwörter war die ungarische Gesellschaft in Bezug auf die Lebensweise viel einheitlicher als heute, also konnten die Lehnwörter leicht in den Sprachgebrauch der gesamten Gesellschaft einziehen. Heutzutage werden die fremden Ausdrücke einer Fachsprache nur von gewissen Teilen der Gesellschaft verwendet, und aus Fachbüchern können ganze Sätze zitiert werden, in denen außer dem bestimmten Artikel und den Konjunktionen kein einziges ungarisches Wort enthalten ist. So kann also eine besondere Zwei- und Mehrsprachigkeit zustande kommen.

Was für benachteiligende Folgen dies von gesellschaftlichen, Unterrichts- und Anschlussgesichtspunkten aus haben kann und hat, darauf wurde von Ferenc Glatz mehrmals hingewiesen, ich möchte es jetzt nicht wiederholen, sondern nur darauf verweisen. Im Falle einer derartigen Zweisprachigkeit wird die ungarische Sprache an den Rand verdrängt, und die nur Ungarisch sprechenden Personen können sich die höhere fachliche Bildung nur schwieriger aneignen, dadurch wird das Zerreißen der Gesellschaft in zwei Teile, das übrigens auch aus wirtschaftlichen Gründen droht, auch kulturell vertieft. Hierzu muss ich aber noch etwas hinzufügen. Nach dem ungarischen Schriftsteller Sándor Márai kann jemand nur in seiner Muttersprache Schriftsteller werden. Márai, der den größeren Teil seines Lebens im Ausland verbracht hatte, nach 1948 in der Emigration, der sich für einen Europäer, für international gehalten hat, der kaum Heimweh nach dem ungarischen Lande verspürte, jedoch nach der ungarischen Kultur, nach der ungarischen Sprache immer. Und nicht nur er, der Schriftsteller, der Übermittler von Gedanken hatte dieses Gefühl, sondern auch z. B. Joel Alon, der ehemalige Botschafter des Staates Israel in Budapest, der Ungarn als erwachsener junger Mann verlassen hatte, und der sagte, dass er keine besondere Ergriffenheit in der Stadt seiner Jugend verspürt, in der ungarischen Literatur aber ja. Für ihn ist auch jetzt die ungarische Literatur die Literatur. Die „Zweisprachigkeit” hat also nicht nur vom Gesichtspunkt der fachlichen Bildung aus nachteilige Folgen, sondern auch vom Gesichtspunkt des literarischen Werkes und der Wirkung aus. Ein einziges Beispiel dafür, wenn die Zweisprachigkeit zur Einsprachigkeit wird. Der berühmte Dichter der Mansen (Wogulen), Juwan Schestalow, der sein Studium in Moskau absolvierte, schrieb seine ersten Gedichte noch in seiner Muttersprache, später dann in russischer Sprache. Von hier aus gesehen ist es verständlich, wenn von der anderen Seite aus die Gefahr des Nationalismus erwähnt wurde. Dies war die Gegenwirkung. Es gibt aber noch eine Frage.

 

Minderheitensprachen, Mehrheitssprachen

Es gibt nicht nur große und kleine Sprachen, sondern es gibt auch kleine Sprachen und noch kleinere Sprachen, verständlicher formuliert: Minderheitensprachen, wo diese Fragen noch schärfer aufgeworfen werden. Eine kleinere Sprache ist immer mehr oder weniger eingeschlossen, isoliert, denn in einer fremdsprachigen Umgebung bewahrt sie notwendigerweise ihre Besonderheiten, die dort, wo diese Sprache die Mehrheitssprache ist, schon aufgegeben wurden. Dies sind nicht unbedingt „archaische” Wendungen, einstweilen sind sie nur aus der Mode. Dadurch sind sie als die nahe Vergangenheit der Sprache vom sprachgeschichtlichen Gesichtspunkt aus lehrreich. Die Minderheitssprachen aber verändern sich selbst als Sprachinseln zum Teil auch unter dem Einfluss der sie umgebenden Sprache, nicht nur deshalb, weil sie von dieser Wörter, Wortformen, Strukturen übernehmen, sondern weil sie fremde Elemente (den Fachwortschatz!) selbst anders assimilieren oder ersetzen wie dort, wo die Sprache die Mehrheitssprache ist. So können sie auch diese bereichern.

Insofern bedeuten sie für die beschreibende Linguistik und für die Dialektologie ein interessantes Forschungsthema.

Es geht aus dem vorstehend Gesagten hervor, dass sie nicht nur als Forschungsgegenstand wichtig sind, sondern auch als Mittel der leichteren Aneignung der Kultur – näher formuliert, der fachlichen Bildung (Fachausdrücke) – und als Ausdrücke der Gefühlswelt, des Wertesystems der betreffenden sprachlichen Gemeinschaft, einfacher formuliert als Literatur in der Minderheitssprache. Die Möglichkeit der geistigen Selbstverwirklichung ist dazu erforderlich, dass sich eine irgendeine Sprache sprechende Gruppe innerhalb der sie umgebenden Sprache wohl fühlt.

Dies ist vielleicht nirgendwo so wichtig wie gerade hier in den östlichen Landschaften Europas, wo die Sprachen aufeinander stoßen, einander berühren, und mit ihnen zusammen berühren sich auch die Denkweisen und die Traditionen, das historische Bewusstsein. Hier ist die Lösung der Probleme die Aufgabe der Sprachpolitik, weil dies keine sprachwissenschaftliche Fragen sind. Die Traditionen, die Vergangenheit ist von Erinnerungen beladen. Das Ungarische war bis zum Ende des Ersten Weltkrieges eine Mehrheitssprache, das Ungartum war als staatsbildende Nation eine herrschende Nation. Die Erinnerung hieran wirkt, manchmal auch verzerrend, auch bis heute noch, der ungarische Sprachgebrauch kann Empfindlichkeiten reizen. Das kann nicht bejaht werden, ist aber verständig. Trianon hat Ungarn empfindlich gemacht, und ob das nicht mindestens in der Form der Gleichgültigkeit für die Kulturen anderer Sprachen auch bei uns bis heute gilt?

Empfindlichkeiten, manchmal übermäßige Empfindlichkeiten, manchmal auch künstlich am Leben erhalten, können genau so auch im Falle von Mehrheitssprachen bemerkt werden wie im Falle von Minderheitssprachen. Im Falle von Mehrheitssprachen auch noch die Gleichgültigkeit. Obzwar das Eingehen ineinander auch die Quelle der gegenseitigen Bereicherung sein könnte. Mit Béla Bartók wurde auch die rumänische Volksmusik bereichert. Mit Hviezdoslav auch die ungarische Dichtung. Das ist es, was ich weiter oben als befruchtende Spannung bezeichnet habe.

Die erste Frage ist also, ob wir die noch kleineren Sprachen als eine wichtige, wenn nicht gerade als die wichtigste Grundlage der kulturellen Vielfalt bewahren sollen, und was sollen wir für sie unternehmen? Die hier auftretenden Probleme werden in der Zukunft offensichtlich wieder auftreten: muttersprachlicher Unterricht auf der Unterstufe und auf der Mittelstufe, muttersprachliche Lehrer, Presse, usw.

Dies hängt natürlich auch mit der Frage zusammen, wie sehr wir die fruchtbaren Beziehungen haben wollen, wie fruchtbar wollen wir die Spannungen machen, damit daraus die schönste Harmonie entsteht. Das ist nicht nur eine sprachliche Frage, deshalb höre ich auch damit auf. Kurz nur zwei Dinge: die Beziehung setzt zwei Seiten voraus, kann also nur wechselseitig sein, wer was vom anderen erwartet, dass muss er den Möglichkeiten nach auch selbst geben. Nicht nur in Paragraphen, sondern auch in der Praxis, im gesellschaftlichen Bewusstsein. Das andere: hier hat immer die Mehrheit, die größere Sprache die größeren Pflichten. Ganz einfach deshalb, weil sie die stärkere ist. „Wir aber, die wir stark sind, sollen das Unvermögen der Schwachen tragen und nicht Gefallen an uns selber haben.” (Römer 15,1) Der Apostel Paulus schrieb dies nicht in Bezug auf die größeren und kleineren Sprachen, doch gilt dies mutatis mutandis auch für sie.

Begegnungen21_Popovits

Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 21: 261–263.

TIBOR POPOVITS

Die ruthenische Sprache in Ungarn

 

Das Problem der ruthenischen Sprache ist von den untersuchten Minderheiten in Ungarn das schwierigste und aktuellste. Warum führe ich das so aus? Weil die ruthenische Sprache bis heute in Ungarn nicht kodifiziert ist. Als Information möchte ich nur erwähnen, dass gegenwärtig auf der ganzen Welt rund 1,7 Millionen Rusinen (Ruthenen) leben. Die Mehrheit lebt in der Ukraine, in der Karpatenukraine, wo ungefähr 800 000 Rusinen leben. Natürlich ist dies eine geschätzte Zahl, weil bei den Volkszählungen in der Ukraine die Rusinen (Ruthenen) nicht als besondere Nationalität angenommen werden, sie wurden gewaltsam als Ukrainer bezeichnet. Rund 600 000 leben in den USA, vor allem in den Staaten Pennsylvania und New Jersey. Dies sind eigentlich die Nachkommen jener Rusinen, die am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der Hoffnung auf Arbeitsmöglichkeiten und ein besseres Leben in die USA ausgewandert waren. Vielleicht ihr bekanntester Vertreter ist Professor Róbert Paul aus Magocs, Lehrstuhlleiter an der Universität Toronto, ordentliches Mitglied der Kanadischen Königlichen Akademie der Wissenschaften. Ich würde so formulieren, dass Trianon in Bezug auf die Rusinen mindestens so negativ war wie für die Ungarn, hatte die überwiegende Mehrheit der Rusinen doch über 1000 Jahre in den Grenzen des historischen Ungarns gelebt. Und die Zerstückelung des historischen Ungarns hatte zur Folge, dass die Rusinen gegenwärtig in rund acht Ländern der mitteleuropäischen Region leben. Ich würde diese Ländern aufzählen: Tschechien, Slowakei, Ukraine, Rumänien, Ungarn, Serbien und Kroatien. Außerdem gibt es noch eine Gruppe der Rusinen, die in Südpolen leben, das sind die sogenannten Lemko-Rusinen. Sie hatten nicht im historischen Ungarn gesiedelt, doch haben sie ihre rusinische Identität ganz bis zur Gegenwart bewahrt. Diese besondere Situation, dass die Rusinen in so vielen Ländern leben, hat zur Folge, dass gegenwärtig auch von politischen Realitäten ausgehend keine Chance dafür gibt, dass es eine einheitliche rusinische Literatursprache für die ganze Region geben wird. Also in Bezug auf die mitteleuropäische Region. Deshalb wurde vor einigen Jahren der Beschluss gefasst, nach dem rätoromanischen Modell in der Schweiz vorzugehen, wo wie bekannt fünf rätoromanische Literatursprachen existieren. Praktisch gelten diese für ethnische rätoromanische Gruppen von geringer Zahl, die in abgeschiedenen Tälern leben, und infolgedessen im Laufe der Geschichte so isoliert voneinander waren, dass sie kaum miteinander verkehren konnten, und so galten sie als selbständige Mundarten. Vom Schweizer Parlament wurden die fünf rätoromanischen Literatursprachen in der Schweiz anerkannt. So fassten auch die Rusinen den Beschluss, dass ihre Sprache für jedes Land, in dem sie leben, gesondert kodifiziert wird. Zu der Vorgeschichte gehört, dass in der Wojwodina, also in Serbien, die dortige rusinische Intelligenz durch ihre Selbstorganisation den Beschluss fasste die Kodifizierung des Rusinischen in der Batschka vorzunehmen. Praktisch wird seit dem Jahr 1924 in der dortigen Presse und Literatur die dortige rusinische Sprache verwendet. Der nächste Schritt wurde 1995 in der Slowakei unternommen, als in Bratislava die Sprache der slowakischen Rusinen kodifiziert wurde. Die slowakischen Rusinen leben vor allem in der östlichen Slowakei, im Raum von Prešov. Dies ist jene Mundart. auf deren Grundlage die slowakische rusinische Literatursprache entstanden ist. Diese steht übrigens den Mundarten der Ostslowakei sehr nahe. Gegenwärtig laufen in mehreren Ländern die Vorbereitungen zur Kodifizierung der rusinischen Sprache. Es ist für uns eine große Freude, dass obwohl die ukrainische Regierung auf dem Gebiet der Karpatenukraine offiziell den Gebrauch der rusinischen Sprache nicht genehmigt, und die Rusinen nicht als eigenständiges slawisches Volk auffasst, im vergangenen Jahr in der Karpatenukraine fünfzehn Bücher in rusinischer Sprache erschienen. Es braucht wohl nicht gesagt zu werden, nicht mit staatlicher Unterstützung, sondern mit Hilfe von Sponsoren. Dies war eine große Überraschung für die ukrainischen Behörden, weil sie nicht damit gerechnet hatten, dass die rusinische Intelligenz in der Ukraine so aktiv ist, und die Publikation von rusinischen Büchern organisieren kann. Auch in der Karpatenukraine ist aufgrund der dortigen Mundarten eine rusinische Grammatik ausgearbeitet worden, die man sogar als Grundlage für die dort kodifizierte rusinische Sprache auffassen könnte. Wenn die Situation sich so entwickeln wird, dass die ukrainischen Behörden es nicht genehmigen, dass die Sprache in der Ukraine kodifiziert wird, dann und dafür gab es auf der Welt schon Beispiele, wird diese Sprache im Ausland, in einem Nachbarland kodifiziert werden. Auch in Ungarn sind schon seit Jahren die Vorbereitungen zur Kodifizierung der rusinischen Sprache im Gange. Weshalb es bis zur Gegenwart nicht gelungen ist, dieses Vorhaben zu realisieren, dazu möchte ich nur feststellen, dass es rund 15 verschiedene rusinische Mundarten gibt.

Begegnungen21_Pentek-Beno

Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 21: 71–86.

JÁNOS PÉNTEK – ATTILA BENŐ

Die juristische Regelung des Sprachgebrauchs in Rumänien und die sprachlichen Rechte der Muttersprachensprecher

 

1. Die demographische und statistische Charakterisierung des Ungartums in Rumänien

Die heutigen Grenzen Rumäniens wurden auf den Friedensverhandlungen am Ende des Ersten Weltkrieges gezogen. Das Ungartum ist auf dem Gebiet des heutigen Rumäniens eine autochthone nationale Gemeinschaft, die gerade als Ergebnis dieser Grenzveränderung zu einer Minderheit wurde. Der Volkszählung vom Jahre 1992 nach macht die Gesamtbevölkerung Rumäniens 22 810 035 aus. Davon waren 1 624 959 (= 7,12%) Ungarn. Etwas größer ist die Zahl jener, die sich als Ungarischmuttersprachler bezeichneten (1 639 135 Personen, 7,19% der Bevölkerung Rumäniens). Die Ungarn bilden die größte nationale Minderheit des Landes. Den Angaben in Bezug auf die nationale Identität bei der Volkszählung von 1992 nach ist der Anteil anderer nationaler Minderheiten an der Gesamtbevölkerung Rumäniens bedeutend geringer als der der Ungarn (Roma 1,75%, Deutsche 0,52%, Ukrainer 0,28%, Russen 0,16%, Serben, Kroaten 0,14%, Türken 0,13%, Tataren 0,10%, Slowaken 0,08%, Juden 0,04%, Bulgaren 0,04% usw.) Diese offiziellen Angaben zeigen, dass 10,53%, das sind 2 401 896 Personen, sich zu einer von der rumänischen Nationalität abweichenden Nationalität bekannten.

Da 98,71% der Ungarn in Rumänien in Siebenbürgen leben, sind die siebenbürgischen demographischen Angaben der Ungarn vom Gesichtspunkt des Umfelds der örtlichen und der Regionalsprache von Bedeutung.1 Im Jahre 1992 hatte Siebenbürgen eine Bevölkerung von 7 723 313 Personen, davon bekannten sich 1 603 923 als Ungarn. Das macht 20,76% der Bevölkerung Siebenbürgens aus. Vergleichen wir diese Prozentzahlen mit den entsprechenden Angaben der früheren Volkszählungen, können wir jene Schlussfolgerung ziehen, dass der Anteil der Ungarn in Siebenbürgen kontinuierlich abgenommen hat. 1956 belief sich der Anteil der Ungarn in Siebenbürgen auf 25,05%, im Jahre 1966 waren es 23,77%, 1977 waren es 22,54% und im Jahre 1992 waren es die erwähnten 20,7%. In dieser Epoche vollzog sich unter der Ägide der sozialistischen Industrialisierung jene wesentliche Veränderung, dass die ungarische Bevölkerung infolge der massenweisen Um- und Ansiedlungen in den bedeutenden städtischen Siedlungen (das Széklerland ausgenommen) überall in die Minderheit geriet. Diese Relationen haben sich seit 1992 weiter verschlechtert. Nach den vorläufigen Ergebnissen der Volkszählung des Jahres 2002 leben nämlich beinahe zweihunderttausend Ungarn weniger in Rumänien als 1992. Die wichtigsten Gründe für die Abnahme sind: die Assimilierung, die niedrige Geburtenfreudigkeit, die umfangreiche Auswanderung, bei der außer den wirtschaftlichen Gründen auch die in den früheren Epochen von der Staatspolitik vertretenen nationalistischen Ideen eine bedeutende Rolle spielen.

Im Jahre 1992 lebten 56% der rumänischen Ungarn in Siedlungen, in denen ihr Anteil an der Bevölkerung bei über 50% lag. Wenn wir diesen 56-prozentigen Anteil nach der Gliederung der Siedlungen untersuchen, finden wir bedeutende Unterschiede. Während 79,05% (561 926 Personen) der in Dörfern lebenden Ungarn an ihrem Wohnort die absolute Mehrheit bilden, leben nur 38,42% der in den Städten lebenden rumänischen Ungarn (349 591 Personen) in solchen Siedlungen, wo ihr Anteil die 50% überschreitet.

 

2. Minderheitenpolitik und Sprachenpolitik im heutigen Rumänien

Charakteristisch für das Rumänien nach den Veränderungen von 1989 sind der Mangel an rechtsstaatlichen Traditionen und der auf der tatsächlichen Anerkennung des Pluralismus beruhenden politischen Kultur, das Fortleben der Tradition der nationalen Ausschließlichkeit und der Idee des homogenen Nationalstaates. In der Mehrheit der in den 90er Jahren verabschiedeten Gesetze sind die Spuren des totalitären Systems, das man überwinden wollte, und der traditionellen rumänischen Nationalpolitik zu entdecken. So führt die 1991 angenommene neue rumänische Verfassung thesenhaft die Idee des Nationalstaates aus, verschließt sich vor der die breiteren gesellschaftlichen Gruppen umfassenden Autonomie und erhält mit einigen auflockernden Schritten die zentralisierte Staatsorganisation am Leben.2 In einem solchen Sinn ist die neue rumänische Verfassung die organische Fortsetzung der früheren (aus den Jahren 1923, 1952 und 1965).

Eine Veränderung stellt aber dar, dass in der Gesetzgebung die Voraussetzungen für die Deklaration und die entschiedene Vertretung der Rechtsanforderung realisiert worden sind. Die in das Parlament gewählten Vertreter der Minderheitengemeinschaften verleihen durch ihre Legitimität und durch ihren politischen Spielraum diesen Rechtsanforderungen eine Stimme. Ihre Verantwortung ist es, dass sie im politischen Kampf zwischen der Mehrheit und der Minderheit sogar vor den internationalen Foren die Rechte des Sprachgebrauchs und auch die anderen Minderheitenrechte vertreten, und dass sie den bereits gesetzlich verankerten Rechten kontinuierlich Geltung verschaffen.

2.1 Artikel 1 der im Jahre 1991 angenommenen Verfassung Rumäniens deklariert feierlich:

„Rumänien ist ein souveräner, unabhängiger, einheitlicher und unteilbarer Nationalstaat.”

Im Einklang mit dem Charakter des Nationalstaates des Landes fixiert Artikel 13 der Verfassung, der für die offizielle Sprache geltende Artikel, Folgendes:

„In Rumänien ist die rumänische Sprache die Amtssprache.”

Auf ähnliche Weise hängen nachstehende Verfügungen mit dem nationalstaatlichen Charakter und der offiziellen Stellung der rumänischen Sprache zusammen:

Artikel 32 Abs. 2:

„Der Unterricht wird auf allen Stufen in rumänischer Sprache gehalten. Entsprechend den Voraussetzungen des Gesetzes kann der Unterricht auch in einer Weltsprache betrieben werden.”

Artikel 127. Abs. 1:

„Das Verfahren der Rechtssprechung wird in rumänischer Sprache geführt.”

Und schlussendlich folgt als ewige Garantie all dieser Verfügungen die Verfügung von Artikel 148 Abs. 1, die die Bedingungen für die Revision der Verfassung fixiert:

„Die Verfügungen der gegenwärtigen Verfassung in Bezug auf den nationalen, unabhängigen, einheitlichen und unteilbaren Charakter des rumänischen Staates, auf die Staatsform als Republik, auf die territoriale Integrität, auf die Unabhängigkeit der Rechtsprechung, auf den politischen Pluralismus und die offizielle Sprache können nicht Gegenstand einer Revision bilden.”

Die Verfügung in Bezug auf die Amtssprache kann also nicht modifiziert werden und damit gelangte die Verfassung Rumäniens in die Reihe der starrsten Verfassungen.

In der Verfassung fehlen auch die Verfügungen in Bezug auf die Regelung des Gebrauchs der Minderheitensprachen nicht. So in Artikel 32 Abs. 3:

„Das Recht der den nationalen Minderheiten angehörenden Personen zum Erlernen ihrer Muttersprache und das Recht dazu, sie in dieser Sprache zu unterrichten, wird garantiert; die Art und Weise der Ausübung dieser Rechte wird in einem besonderen Gesetz geregelt.”

Artikel 127 Abs. 2 schreibt Folgendes vor:

„Die zu den nationalen Minderheiten gehörenden Staatsbürger sowie die die rumänische Sprache nicht verstehenden oder sprechenden Personen haben das Recht, über Dolmetscher Kenntnis zu erhalten über sämtliche Dokumente und Vorgänge in den Anklagen, und vor dem Gericht mit Hilfe eines Dolmetschers zu sprechen und ihre Schlussfolgerungen zu formulieren; in Strafprozessen ist ihnen der Gebrauch dieses Rechts unentgeltlich zu sichern.”

Vom Gesichtspunkt des Rechts des Sprachgebrauchs aus sind beide Absätze von Artikel 6, die das Recht auf die Identität fixieren, von Bedeutung:

„1 Der Staat anerkennt und garantiert das Recht der den nationalen Minderheiten angehörenden Personen auf die Bewahrung, die Entwicklung und den Ausdruck ihrer ethnischen, kulturellen, sprachlichen und religiösen Identität.

2 Die auf die Bewahrung, Entwicklung und den Ausdruck der Identität der den nationalen Minderheiten angehörenden Personen gerichteten staatlichen Schutzmaßnahmen haben im Vergleich zu den übrigen rumänischen Staatsangehörigen dem Prinzip der Gleichheit und der Befreiung von der Diskriminierung zu entsprechen.”

Letztere Vorschrift kann als Verbot der positiven Diskriminierung, als Verbot der positiven Diskriminierung der Gemeinschaften der Minderheiten aufgefasst werden; hat doch die Verfassung keinen Artikel, der die positive Diskriminierung der Mehrheit verbieten würde, und dies bedeutet implizit die benachteiligende Diskriminierung der Minderheit.

Bei der Sicherstellung der sprachlichen Rechte, der Rechte des Sprachgebrauchs ist im Allgemeinen neben den individuellen Freiheitsrechten die Anerkennung der kollektiven Rechte wichtig. Dazu bietet die Verfassung Rumäniens keine Möglichkeit: der Artikel 23 fixiert die individuellen Freiheitsrechte, wobei die kollektiven Rechte nicht erwähnt werden, wie auch in den vorstehend zitierten Artikeln nur von den nationalen Minderheiten angehörenden Personen die Rede ist, von der konkreten Gemeinschaft dagegen nicht.

Hinsichtlich der in den internationalen Institutionen laufenden Kodifizierungsarbeiten in Bezug auf den Sprachgebrauch und der gültigen Abkommen und Empfehlungen ist vielversprechend, dass Artikel 11 der Verfassung die Gültigkeit der ratifizierten internationalen Verträge anerkennt. Der Artikel 20 Abs. 2 erkennt auch Folgendes an:

„Im Falle von Abweichungen zwischen den von Rumänien als Signatarstaat in Bezug auf die grundlegenden Menschenrechte unterzeichneten Abkommen und Verträgen und den inländischen Gesetzen müssen die internationalen Regelungen bevorzugt werden.”

Auch wegen der grundlegend gesellschaftlichen Natur der Sprache ist bei der Sicherung der sprachlichen Rechte, der Rechte des Sprachgebrauchs neben der Anerkennung der individuellen Freiheitsrechte auch die der kollektiven Rechte wichtig. Hierzu bietet die Verfassung Rumäniens keine Möglichkeit: in Artikel 23 werden die individuellen Freiheitsrechte fixiert, die kollektiven Rechte werden dort nicht erwähnt, wie auch in den vorstehend zitierten Artikeln nur von den nationalen Minderheiten angehörenden Personen die Rede ist, und von der konkreten Gemeinschaft nicht. Dies befindet sich nicht im Einklang mit der Deklaration der im Juni 1990 in Kopenhagen abgehaltenen Konferenz der KSZE. Auf dieser Konferenz wurden nämlich von den teilnehmenden Staaten – so auch von Rumänien – im Grunde genommen die kollektiven Rechte anerkannt, erklärt doch die gemeinsame Erklärung, dass „die den Nationalitätenminderheiten angehörenden Personen von ihren Rechten sowohl individuell als auch gemeinsam mit den Mitgliedern ihrer Gruppe Gebrauch machen können”3

Die Definition des Landes als Nationalstaat und der hervorgehobene offizielle Status der rumänischen Sprache reiht Rumänien unter die Staaten ein, die einer Sprache, nämlich der Sprache der Mehrheit, einen hervorgehobenen, übergeordneten Status sichern. Dem nationalstaatlichen Modell zufolge kommt in der Sprachenpolitik eines Landes unweigerlich die Ideologie der Assimilation und jene Strategie zur Geltung, die den Nationalstaat dem Ideal „ein Land – eine Sprache” näher bringt. In der Zeit der Diskussion der Verfassung hatte es auch unter den Abgeordneten der Minderheit solche Vertreter gegeben, die mit naivem Optimismus der Auffassung waren, dass die Statuierung des Nationalstaates nur eine symbolische Bedeutung hat. In der seither verstrichenen Zeit hat sich erwiesen, dass diesem eine determinierende Bedeutung zukommt; sowohl in der weiteren Kodifizierungspraxis als auch in der Gestaltung der Nationalpolitik und der öffentlichen Stimmung (der Toleranz, Intoleranz usw.). Der offizielle Status der Sprache jedoch wird im alltäglichen Leben von den lokalen Behörden zumeist mit der Kategorie der öffentlichen Sprache identifiziert, die nicht offiziellen Sprachen geraten so im Gebrauch in der Öffentlichkeit in eine benachteiligte Situation. Beabsichtigt gelangt mit der offiziellen Sprache die Kategorie der Fremdsprache in eine falsche Opposition. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist die Folge davon, dass z. B. in der offiziellen Terminologie der Schulbehörden die Muttersprache eine nur für die Minderheiten gültige Kategorie ist, im amtlichen Verzeichnis der Fachrichtungen des Hochschulwesens gelangt auch diese „Muttersprache” in die Gruppe der Fremdsprachen (oder aber diese wird nach einer anderen möglichen Deutung gar nicht erwähnt). Der politischen Praxis der Behörde zufolge beruht die Chancengleichheit im Unterrichtswesen nicht auf der Muttersprache von jeder Seite, sondern auf „der gemeinsamen” offiziellen Sprache, und so ist dies schon ab ovo diskriminativ.4 Der Gebrauch der Sprache der nationalen Minderheiten ist auf gewissen Gebieten nur geduldet, doch ist er nicht in allen Äußerungsformen gesichert: die Verfassung sichert die Möglichkeit sowohl zur Beschränkung des Sprachgebrauchs als auch zur benachteiligenden Differenzierung.

2.2 Der rumänische Sprachgesetz-Entwurf ist nicht das sogenannte Gesetz über die Staatssprache, seine gewollte Funktion ist nicht die, dass der Entwurf weiter das Verhältnis der auf dem Territorium des Landes gesprochenen Sprachen regelt, obzwar er gewiss auch eine derartige Auswirkung haben wird oder haben kann. Der Titel des jetzt gültigen, in Debatten des Senats und des Parlaments noch abänderbaren Gesetzes lautet: Gesetz über den richtigen Gebrauch der rumänischen Sprache auf öffentlichen Plätzen, in öffentlichen Einrichtungen und in öffentlichen Relationen. Obzwar es auch früher bei der Kodifikation der rumänischen Sprache Beispiele für die behördliche (politische) Regelung gab, ist das in Vorbereitung befindliche Gesetz in seinem ungewohnten ersten Artikel ein Gesetz über die Sprachrichtigkeit, d. h. es legt die Bestrafung der orthographischen und Sprachrichtigkeitsfehler der veröffentlichen Texte in rumänischer Sprache fest, im Weiteren ist es ein Gesetz der Sprachverteidigung gegenüber den Fremdsprachen. Auf obligatorische Art und Weise wird die rumänischsprachige Publikation der sogenannten Texte von öffentlichem Interesse vorgeschrieben. Gemäß dem Artikel 2 Abs. 1 gilt jener Text als Text von öffentlichem Interesse, der von den Medien der Massenkommunikation zu dem Zweck publiziert wird, dem Publikum gewisse Informationen zur Kenntnis zu bringen.

Vom Gesetz wird eine weitere Diskriminierungspraxis weiter am Leben gehalten, wenn Artikel 3 Abs. 3 Folgendes verfügt:

„Der Gebührentarif des Aushängens, Veröffentlichens oder der Publikation von Texten von Handelscharakter wird sich im Falle von ausschließlich rumänischsprachigen Texten auf 100%, im Falle des Gebrauchs von einer oder mehreren Fremdsprachen auf 125% belaufen.”

Sehen wir ab von der Absurdität der Fassung der sprachlichen Norm (Norm der Sprachrichtigkeit) in ein Gesetz und von der sonstigen Betrachtungsweise des Gesetztextes, der von anderen, linguistischen Gesichtspunkten aus für dilettantisch gehalten werden kann, dann kann dieser im Allgemeinen so aufgefasst werden, dass das Gesetz für jeden Fall die den bevorzugten Status der rumänischen Sprache, bzw. den untergeordneten Status aller anderen Sprachen weiter festigt, da außer dem Rumänischen alle anderen Sprachen zu den Fremdsprachen gezählt werden (die Opposition offizielle Sprache – Fremdsprache erscheint auch hier). Die zitierte Vorschrift in Bezug auf die Tarife der Publikation wirkt sich aber diskriminativ nicht nur auf die einzelnen Sprachen, sondern auch in Bezug auf die Sprecher der Sprachen aus.

 

3. Die sprachlich-rechtlichen Beziehungen der bilateralen Vereinbarungen

Obzwar die bilateralen Vereinbarungen den Rahmen der innerstaatlichen Gesetze und die internationalen Verpflichtungen nicht überschreiten, können sie den rechtlichen Status der einzelnen Sprachen ebenfalls festigen oder schwächen, können sie die Grundlage der Berufung auf die Forderung und die Durchsetzung der Rechte darstellen.

3.1 Von Rumänien und Ungarn wurde im Jahre 1996 eine für die Dauer von 10 Jahren abgeschlossene zwischenstaatliche Vereinbarung, der sogenannte Grundlagenvertrag abgeschlossen. Wichtig ist in diesem Vertrag die prinzipielle Anerkennung, dass der Schutz der Minderheiten keine innere Angelegenheit ist, sondern „dass er Bestandteil des internationalen Schutzes der Menschenrechte bildet”. Als gegenseitige Verpflichtung wurden von den Vertragspartnern der ethnische, kulturelle, sprachliche und religiöse Schutz und die Entwicklung der Minderheiten, sowie der freie Ausdruck und die Bewahrung der Identität festgehalten. Das Recht auf die eigenen Unterrichts-, Kultur-, Religionsinstitutionen, -organisationen und -vereinigungen wurde anerkannt. Die Urkunde enthält auch die Übernahme der Verpflichtung, dass die Parteien sich aller Formen des Zwangs der Assimilation enthalten werden.

In Bezug auf den Sprachgebrauch übernehmen die Vertragsparteien in Artikel 15 Abs. 3 des Vertrages die Verpflichtung mit Bezug darauf, dass sie das Recht des Gebrauchs der Muttersprache im Privatleben und vor der Öffentlichkeit achten, in Wort und in Schrift, die Voraussetzungen für die Aneignung der Muttersprache und des muttersprachlichen Unterrichts in jeder Form und auf allen Ebenen sichern, außerdem sichern sie den Gebrauch der Muttersprache in den Kontakten mit der örtlichen Verwaltung und dem Gericht, sowie den Gebrauch der Ortsnamen und Straßennamen. Bedingungslos erkennen sie das Recht der Namensgebung und der Namensführung an.

Auf ähnliche Weise übernahmen die beiden Vertragsparteien die Verpflichtung, in der Muttersprache den Zugang zu Informationen, den freien Strom der Informationen und die Kommunikationsbeziehungen und persönlichen Kontakte zu sichern.

Der Grundlagenvertrag hat zwei grundlegende Mängel: der eine Mangel ist, dass alle Rechte ausschließlich als persönliche Rechte bestimmt werden (auch in dem Zusammenhang, dass der Ausdruck der Identität „individuell oder mit anderen Angehörigen ihrer Gruppe” praktiziert wird), der andere, dass die Erfüllung der aus dem Vertrag resultierenden Verpflichtungen von den innerstaatlichen Rechtsnormen abhängig gemacht wird, was bedeutet, dass diese Urkunde nicht für eine solche gehalten wird, die über den innerstaatlichen Rechtsnormen steht. Auch das kann festgestellt werden, dass die beiden Partner in der seit 1996 verstrichenen Zeit in Bezug auf die gegenseitige Kontrolle der Erfüllung des Vertrages nicht die entsprechende Aufmerksamkeit gewidmet haben.

3.2 Ein Jahr vor dem Abschluss des Grundlagenvertrages, im Jahre 1995, wurde zwischen dem ungarischen Ministerium für Unterricht und Bildung und dem rumänischen Unterrichtsministerium das auch heute gültige Regierungsabkommen abgeschlossen. Dieses Abkommen hat zwar keine unmittelbare Beziehung zu den sprachlichen Rechten, dennoch spielte es in der vergangenen Zeit eine wichtige Rolle bei der Erweiterung des Rahmens des muttersprachlichen Unterrichts und des Hochschulwesens auf dem Gebiet der Hungarologie, bei der Verbesserung des Niveaus durch die Anregung der institutionellen und persönlichen Beziehungen im Unterrichtswesen und in der Forschung. So wichtige in der Vereinbarung enthaltene Vorschriften, wie z. B. die gegenseitige inhaltliche Abstimmung des Geschichtsunterrichts, die gegenseitige Annahme der Lehrbücher, die Zusammenarbeit bei dem Verfassen und bei der Edition der Lehrbücher wurden nicht realisiert, im Gegenteil ist eher zu registrieren, das in der Wirklichkeit das Gegenteil davon geschieht, was in der Vereinbarung enthalten ist. In Rumänien ist das Verbot der Verwendung der in Ungarn aufgelegten Lehrbücher und Lehrmaterialien, sowie Hilfsmaterialien zu neuem Leben erwacht, von Zeit zu Zeit wird eine Hetzjagd gegen die Lehrer veranstaltet, damit sie eingeschüchtert werden.

4. Die Gültigkeit der internationalen Vereinbarungen
in Rumänien

Die internationalen Vereinbarungen, die von Rumänien unterzeichnet wurden, sind für die Gesetzgebung des Landes obligatorisch, doch besagt Artikel 20 der rumänischen Verfassung, dass die internationalen Vereinbarungen Priorität genießen vor den innerstaatlichen gesetzlichen Regelungen.

Von Rumänien sind bisher nachstehende internationale Dokumente unterzeichnet und ratifiziert worden:

– die Allgemeine Deklaration der Menschenrechte (1948),

– das Europäische Rahmenabkommen der Nationalen Minderheiten (1950),

– das UNESCO-Dokument über den Kampf gegen die Diskriminierung im Unterrichtswesen (1961),

– die Internationale Vereinbarung über die bürgerlichen und politischen Rechte (1966),

– die Vereinbarung über die Rechte des Kindes (1989),

– das Kopenhagener Dokument der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (1990),

– die UN-Deklaration über die Rechte der zu Nationalen, Ethnischen, Religiösen und Sprachlichen Minderheiten Gehörenden (1992),

– die Empfehlung Nr. 1201/11993 des Europäischen Parlaments.

Die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen sowie die Europäische Charta der Lokalen Selbstverwaltungen wurden von Rumänien zwar unterzeichnet, doch noch nicht ratifiziert.5

Es muss hinzugefügt werden, dass den neuesten Nachrichten zufolge im Februar 2002 die Ratifizierungsarbeiten der Europäischen Charta über Regional- und Minderheitensprachen aufgenommen wurden. Die von Seiten der offiziellen Kreise bereits laut gewordene Beanstandung ist: das internationale Dokument verstößt gegen die Verfassung.

 

5. Die Durchsetzung der sprachlichen Rechte im Unterrichtswesen und in der Verwaltung

Die Funktion der einzelnen institutionellen Systeme wird von besonderen Gesetzen geregelt. Von diesen sind hervorzuheben das neuere Unterrichtsgesetz und das Gesetz über die Verwaltung.

5.1 Im neuen, 1995 verabschiedeten und im Jahre 1999 modifizierten rumänischen Unterrichtsgesetz6 sind zahlreiche benachteiligende Diskriminierungen und Beschränkungen enthalten, obzwar die Minderheiteninteressenvertretung im Jahre 1999 der Regierungskoalition angehörte. Auch das verweist darauf, wie wichtig die Äußerung der Rechtsanforderung und die entschiedene Vertretung in der rechtlichen Kodifizierung ist, denn durch die Annahme des Unterrichts der Geschichte und der Geographie in rumänischer Sprache ist von der Interessenvertretung ein prinzipielles Zugeständnis gemacht worden.

Bereits bei den allgemeinen Grundprinzipien sind im Zusammenhang mit den Unterrichtszielen solche Einschränkungen zu finden, die nicht den in den auch von Rumänien unterzeichneten internationalen Verträgen enthaltenen Erwartungen entsprechen. So schreibt Artikel 4 Abs. 2 des Gesetzes Folgendes: „Der Unterricht sichert die Pflege der Heimatliebe, der Liebe zur historischen Vergangenheit und zu den Traditionen des rumänischen Volkes.” Dies ist ein ausschließlich auf die Achtung des rumänischen Volkes und seiner Kultur gerichtetes Ziel, und es fehlt die Entwicklung der Achtung gegenüber anderen Völkern und ihren Kulturen, auf die deutlich in Artikel 26 Abs. 2 der Deklaration der Allgemeinen Menschenrechte und in der UNESCO-Vereinbarung über den Kampf gegen die im Unterricht angewendete Diskriminierung verwiesen wird.

In Artikel 8 Abs. 1 des Gesetzes wird die Sprache des Unterrichts wie folgt bestimmt:

„Der Unterricht wird auf allen Stufen in rumänischer Sprache gehalten. In Rahmen der Bedingungen des Gesetzes kann der Unterricht auch in der Sprache der nationalen Minderheiten sowie in Weltsprachen gehalten werden.”

Dies verweist eindeutig darauf, dass der Grundauffassung nach das Rumänische die Sprache des Unterrichts ist. Die Möglichkeit des Lernens in rumänischer Sprache ist nicht an Bedingungen geknüpft. Das Lernen in der Sprache der Minderheiten ist sekundär, es ist ausschließlich unter den Bedingungen des Gesetzes möglich. Indirekt bedeutet das jedoch, dass im Falle des Unterrichts in den Minderheitensprachen Beschränkungen angewendet werden können, im Falle der rumänischen Sprache aber nicht. Die unbeschränkte Durchsetzung der Staatssprache und die Einengungen im Zusammenhang mit den Minderheiten sind in noch indirekterer, noch mehr verhüllter Form auch in Artikel 8 Abs. 2 des Gesetzes anwesend:

„In jeder Ortschaft sind Unterrichtseinheiten, Klassen oder Unterrichtsgruppen mit rumänischer Unterrichtssprache und den Umständen entsprechend mit der Unterrichtssprache der Minderheiten zu organisieren und zu betreiben, oder aber ist der Unterricht in der Muttersprache in der nächstgelegenen Ortschaft sicherzustellen, die dazu die Möglichkeit bietet.”

Diese im Gesetz enthaltene Vorschrift kann für absurd gehalten werden, wenn man berücksichtigt, dass es in Siebenbürgen mehrere Ortschaften gibt, in denen kein einziger Rumäne lebt, doch wird auch diesen Ortschaften vom Gesetz die Einrichtung von Klassen mit rumänischer Unterrichtssprache vorgeschrieben. Auch diese Verfügung zeigt gut die Ungleichheit der Staatssprache und der Minderheitensprachen nach dem Gesetz, die hervorgehobene Rolle der rumänischen Sprache.

In Artikel 8 Abs. 3 des Gesetzes wird das Lernen und die Aneignung der rumänischen Sprache nicht als Recht, sondern als Verpflichtung formuliert:

„Das Erlernen und die Aneignung der rumänischen Sprache als offizielle Sprache ist unabhängig von der Nationalität in Bezug auf alle Staatsbürger des Landes obligatorisch.”

Das rumänische Unterrichtsgesetz enthält über die diskriminierenden Elemente hinaus auch zahlreiche Beschränkungen. Die offensichtlichste Beschränkung der Minderheitensprachrechte ist die Verfügung in Artikel 120 des Gesetzes, nach welchem in der Grund- und Mittelschule gewisse Unterrichtsfächer nur in rumänischer Sprache gelehrt werden können, auch dann, wenn in der konkreten Klasse die Sprache des Unterrichts eine Minderheitensprache ist. Artikel 120 Abs. 2 besagt: in der Grund- oder Mittelschule kann die Geschichte des rumänischen Volkes und die Geographie Rumäniens ausschließlich in rumänischer Sprache, nach dem Lehrplan der rumänischsprachigen Klassenzüge unterrichtet werden. Die beschränkende Verfügung ist in Bezug auf ihre Auswirkung diskriminierend: am Abschluss der VIII. Klasse nehmen die Schüler nämlich an einer ihr Weiterlernen entscheidenden Abschlussprüfung teil. Bei dieser Prüfung können die ungarischen Schüler die Prüfung in den vorstehend erwähnten beiden Fächern nur in rumänischer Sprache ablegen, während die rumänischen Schüler diese Prüfung in ihrer Muttersprache ablegen können (das ist der typische Fall der „Chancengleichheit” aufgrund der staatssprachlichen Grundlage). Dies schafft für die in der Minderheitensprache lernenden Kinder eine offensichtlich benachteiligte Situation, und schadet auch statistisch nachweisbar ihren Chancen beim Weiterlernen. Zugleich verweist der obligatorische Unterricht der beiden Fächer in rumänischer Sprache auf den Umstand, dass gewisse Unterrichtsfächer als „national” eingestuft werden.

Dem rumänischen Unterrichtsgesetz zufolge ist die Sprache der vom Unterrichtsministerium registrierten offiziellen Urkunden ausschließlich das Rumänische (Artikel 8 Abs. 4), damit wird die umfassende Anwendung der schriftlichen Variante der Muttersprache beschränkt.

Für einen allgemeineren, nicht nur die nationalen Minderheiten betreffenden Rechtsverstoß kann gehalten werden, dass vom Unterrichtsgesetz nur die Unentgeltlichkeit des staatlichen Unterrichts gesichert wird, der Artikel 103 Abs. 4 des Gesetzes behandelt die Förderung der Privatschulen (Privatinstitutionen) nur als Möglichkeit:

„Die akkreditierten Privatinstitutionen des Unterrichtswesens und ihre Einheiten können staatliche Förderungen erhalten.”

Das bedeutet, dass die staatlichen Schulen und die Privatschulen (und innerhalb dieser die akkreditierten und die nicht akkreditierten) unterschiedlich behandelt werden, dadurch kann das Recht der freien Schulwahl geschmälert werden.

Artikel 166 des Unterrichtsgesetzes enthält nachstehende Verfügungen:

„Die finanzielle Grundlage für das staatliche Unterrichtswesen stellen die gesamten vermögensrechtlichen Aktiva des Unterrichtsministeriums dar, der Unterrichts- und Forschungseinrichtungen des Unterrichtssystems zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des gegenwärtigen Gesetzes, sowie die nachträglich zurückerworbenen oder aber erworbenen vermögensrechtlichen Aktiva.”

Von dieser Anordnung wird eine zweite Verstaatlichung sanktioniert, da bei dem Inkrafttreten dieses Gesetzes jene Immobilien zum Vermögen des Unterrichtsministeriums gehörten, die kraft der Unterrichtsreform des Gesetzes Nr. 175 des Jahres 1948 staatliches Eigentum wurden, und unter denen unter anderem sich auch mehrere hundert ehemalige kirchliche Schulen der Minderheiten befanden.

5.2 Das im Jahre 2001 verabschiedete rumänische Verwaltungsgesetz7 bedeutet in gewisser Hinsicht einen Fortschritt in Bezug auf die Sprachrechte der Minderheiten, es erweitert nämlich den Bereich des Gebrauchs der Minderheitensprachen. Artikel 17 des Gesetzes legt jene Bedingungen fest, unter denen in der Verwaltung eine Minderheitensprache angewendet werden kann:

„In jenen territorialen, lokalen Verwaltungseinheiten, in denen mehr als 20 Prozent der Bevölkerung der Minderheit angehören, müssen die lokalen Verwaltungsbehörden in den zu ihnen bestehenden Kontakten auch den Gebrauch der Muttersprache sicherstellen, entsprechend den Vorschriften der Verfassung, des vorliegenden Gesetzes und der von Rumänien als beteiligter Vertragspartei unterzeichneten internationaler Vereinbarungen.”

Hier muss hinzugefügt werden, dass die 20-prozentige Grenze in einem nicht geringen Maße einen beschränkenden Charakter hat, weil doch in größeren Städten deshalb mehrere tausend oder zehntausend Einwohner, die Minderheitensprachsprecher sind, in eine benachteiligte Situation geraten können.

Im Sinne von Artikel 90 des Verwaltungsgesetzes ist die rumänische Sprache die Sprache der Verwaltung und kann als solche unbegrenzt verwendet werden, die Minderheitensprachen können nur bei dem Bestehen der erwähnten 20-%-Bedingung in der Verwaltung geduldet werden, was trotz des positiven Scheins für die in einer Großstadtdiaspora lebenden Minderheitenangehörigen eine diskriminative Spitze bedeutet. Auch dafür gibt es Beispiele, dass die örtliche Vertretung auf paradoxe Weise nicht die Durchsetzung der Rechte des eigenen Sprachgebrauchs fordert (z. B. im Rat der Stadt Tîrgu Mureš /Marosvásárhely/), und damit der Glaubwürdigkeit des damit zusammenhängenden Rechts schadet.

Abs. 4 desselben Artikels schreibt mit der Bedingung der bekannten 20-%-Klausel den Gebrauch der Muttersprache vor von den Verwaltungsbehörden bei der Anbringung der Namen und Benennungen der Institutionen und der ihnen unterstellten öffentlichen Einrichtungen, sowie bei der Verkündung der Bekanntmachungen an die Staatsbürger, die zur betreffenden Minderheiten gehören. Der Gebrauch der ungarischen Ortsnamen wird auch weiterhin durch den lokalen, meistens gewaltsamen Widerstand erschwert.

Der erwähnte Absatz 4 von Artikel 90 wäre an sich eine positive Maßnahme, wenn der folgende Absatz nicht die weitere Ungleichheit der Staatssprache und der Minderheitensprachen sanktionieren würde:

„Die offiziellen Urkunden sind obligatorisch in rumänischer Sprache auszustellen.”

Dieser Absatz macht keine Ausnahme möglich, er sanktioniert die hervorragende Funktion der rumänischen Sprache auch in Bezug auf die offiziellen Urkunden. Zweisprachige offizielle Urkunden werden nicht erwähnt, nicht einmal als Möglichkeit.

Der Schlüsselbegriff des Verwaltungsgesetzes ist die lokale Autonomie, deren Deutung ziemlich beschränkt ist. Die lokale Autonomie kann nur im Rahmen des unteilbaren, einheitlichen Nationalstaates zur Geltung kommen:

„Artikel 2 Abs. 1 In den territorialen Verwaltungseinheiten wird die Verwaltung aufgrund des Prinzips der lokalen Autonomie, der Dezentralisierung der öffentlichen Dienste, der Wählbarkeit der lokalen Verwaltungsbehörden, der Gesetzlichkeit und der Befragung der Staatsbürger bei der Lösung der besonderen Fragen von örtlichem Interesse organisiert und wird auch so aktiv.

Abs. 2 Die Anwendung der in Abs. 1 erwähnten Prinzipien kann nicht gegen den Charakter Rumäniens als einheitlicher und unteilbarer Nationalstaat verstoßen.”

Unter Berufung auf diesen Artikel können alle Anträge abgewiesen werden, von denen die wirkliche wirtschaftliche und territoriale Autonomie angeregt wird, da diese nicht genau festgelegt ist, was sie eigentlich ist, was gegen den Charakter als einheitlicher und unteilbarer Nationalstaat verstößt. Artikel 4 des Gesetzes spricht übrigens eindeutig aus, dass die lokale Autonomie ausschließlich einen administrativen und finanziellen Charakter hat, und dass sie aufgrund des Gesetzes bzw. in dem vom Gesetz verkündeten Rahmen praktiziert werden kann. Ebenfalls als Beschränkung der lokalen Autonomie in gewissen Grenzen kann das System der nach dem französischen Vorbild eingeführten Präfekten aufgefasst werden:

„Artikel 26–1 Für jeden Bezirk und für die Stadt Bukarest wird von der Regierung je ein Präfekt ernannt. 1 Der Präfekt ist der lokale Repräsentant der Regierung und führt die dezentralisierten öffentlichen Dienste der Ministerien und der anderen zentralen Organe in den territorialen Verwaltungseinheiten durch.

Artikel 27–Der Präfekt kann vor dem Verwaltungsgericht ganz oder partiell die vom lokalen Rat oder vom Bezirksrat angenommenen Beschlüsse, oder die vom Bürgermeister oder dem Vorsitzenden des Bezirksrates erlassenen Verfügungen angreifen, wenn er diese Urkunden und die einzelne Verordnungen von diesen für gesetzwidrig erachtet. Die angegriffenen Urkunden oder Verordnungen sind von Rechts wegen auszusetzen.”

Im Rahmen dieser zentralisierten Vorstellung ist das Selbstverwaltungssystem kein selbständiger Zweig der Macht, sondern der lokale Durchführer der einheitlichen, unteilbaren Staatsmacht.8

Es kann festgestellt werden, dass gegenwärtig in Rumänien der Gedanke der lokalen Autonomie und des Regionalismus im Allgemeinen auf starken Widerstand stößt. Auch das hat übrigens einen selektiven Charakter: ein großes Misstrauen und gegebenenfalls eine Hysterie begleiten die Autonomiebestrebungen im Széklerland, den Gedanken des siebenbürgischen Regionalismus, doch ohne Widerspruch wird die „Autonomie” des Bürgermeister von Cluj- Klausenburg, seine lokale Willkür, geduldet.

 

6. Das Recht des Gebrauchs der Personnamen

Nach 1989 wurde in Rumänien kein neues Gesetz verabschiedet, das die Namensführung regeln würde. So ist gegenwärtig das Namensgesetz des Jahres 1968 gültig.9 Gemäß Artikel 4 des Namensgesetzes können die rumänischen Staatsbürger – mit begründeter Argumentierung – die Modifizierung ihres Familien- oder Vornamens, eventuell beider erreichen. Vom Gesichtspunkt der Minderheitensprachen aus ist einer der wichtigster Artikel des Gesetzes der Artikel 19, der besagt, dass jene Personen, deren Namen in eine andere Sprache übersetzt oder nach der Orthographie einer anderen Sprache eingetragen worden sind, die „Rückübersetzung” ihres Namens, oder die Modifizierung nach der Orthographie ihrer Muttersprache beantragen können. Dieses Prinzip wird in der heutigen Praxis von den Behörden häufig so interpretiert, dass dies in erster Linie für die Erleichterung der Romanisierung gilt.

Im Jahre 1996 wurde vom Parlament Rumäniens ein neues Gesetz über das Personenstandswesen verabschiedet. Dieses Gesetz enthält überhaupt keinen Verweis auf die Muttersprache der nationalen Minderheiten und detailliert von diesem Gesichtspunkt aus die Art der Eintragung der Personennamen nicht. In den allgemeinen Anweisungen steht nur, dass die Familien- und Vornamen nach dem Personalausweis und dem Auszug aus der Geburtseintragung zu schreiben sind (Artikel 5 Abs. 2). Die offizielle Eintragung des Namens der Neugeborenen wird vom Gesetz überhaupt nicht detailliert ausgeführt. Der hierfür geltende Artikel 18 besagt nur, dass die Namensgebung der Neugeborenen vom Gesetz geregelt wird, als solches wird auf das geltende Gesetz aus dem Jahre 1968 verwiesen. Es muss auf Artikel 18 Abs. 2 verwiesen werden, nach dem der Standesbeamte die Registrierung gewisser Vornamen verweigern kann, wenn er diese als unschicklich oder lächerlich beurteilt. In Artikel Abs. 3 wird festgehalten, dass die offiziellen Urkunden in rumänischer Sprache verfasst werden müssen.

 

7. Zusammenfassende Gedanken: sprachliche Rechte in der Theorie und in der Praxis

Im Allgemeinen kann gesagt werden, dass die Rechtswirksamkeit der Gesetze in Rumänien schwach ist, häufig gibt es Probleme im Zusammenhang mit der Anwendung des Gesetzes, schwankt doch gegenwärtig Rumänien zwischen dem gewisse Minderheitenrechte verweigernden, eine verhüllte Assimilationspolitik betreibenden Nationalstaat und dem Rechtsstaat. Die Kluft zwischen dem Gesetz und der Anwendung des Gesetzes gilt sowohl für die internationalen Vereinbarungen als auch für die innerstaatliche gesetzliche Regelung.

In der ersten Hälfte der 90er Jahren haben offensichtliche Anzeichen darauf verwiesen, dass die Mehrheit der rumänischen politischen Klasse einen verhüllten Widerstand gegen die allgemein anerkannten Vorschriften des internationalen Rechts zeigte. Ein typisches Beispiel für diese Haltung ist, dass Ion Iliescu in seiner Eigenschaft als Staatspräsident damals erklärte, er erkenne den obligatorischen Charakter der Empfehlung Nr. 1201 des Europas für Rumänien nicht an.10

Neben all diesen Feststellungen ist die eine stillschweigende Interpretation von internationalen Gesetzen durch Rumänien nachweisbar, die „die Schranken und die Ausnahmen der international anerkannten und durch Vereinbarungen garantierten Rechte betont, und den allgemeinen, umfassend interpretierbaren Charakter von nicht einer Verfügung der Verträge konsequent zur Einengung der Rechte verwendet.”11 Häufig bieten die internationalen Grunddokumente selbst die Möglichkeit hierzu, wenn sie die Durchsetzung der Minderheitenrechte an Bedingungen knüpfen, deren Interpretation nicht eindeutig ist. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen, die in zahlreichen Fällen auch das Gewicht der Verfügung verringernde, auch willkürlich deutbare Bedingungen formuliert, wie z. B. „so weit es möglich ist”, „im konkreten Fall”, „wo es notwendig ist”, „wo es die Schüler in der für ausreichend gehaltenen Zahl fordern”, wo „die Zahl der Sprecher der Minderheitensprache es erforderlich macht”, usw.12

Die Rechtspraxis zeigt, dass Rumänien nach außen hin die Menschenrechte und Minderheitenrechte anerkennt, die praktische Verwirklichung der internationalen Vereinbarungen zusagt, doch verweisen seine nach innen gerichteten Maßnahmen häufig darauf, dass der Staat nicht immer die in den internationalen Dokumenten eingegangenen Verpflichtungen vor Augen hält, da „über den allgemeinen Regeln der Interpretation der Verträge die politische Doktrin des nationalen Etatismus dominiert”.13

 

Anmerkungen

1

Der Gehalt des Termins Siebenbürgen (ung. Erdély) hat sich in den historischen Epochen mehrmals verändert. Im heutigen Sprachgebrauch wird das Wort im Allgemeinen für das gesamte Gebiet verwendet, das sich von dem Bogen der Ost- und Südkarpaten ganz bis zur ungarischen Landesgrenze erstreckt. So umfasst Siebenbürgen über das historische Siebenbürgen hinaus auch die Gebiete Partium und das Banat.

2

Kukorelli (1995) : p. 3-6

3

Takács (1959) : p. 2

4

Kontra - Szilágyi, N. Sándor (2001)

5

Horváth, István–Scacco, Alexandra (2001) : From the Unitary to the Pluralistic: Fine-tuning Minority Policy in Romania. In: Diversity in action. Local Public Management of Multi-ethnic communities in Central and Eatern Europe. ed. by Anna-Mária Bíró and Petra Kovács. p. 241-272 Budapest: Local Government and Public Service Reform Initiative, Open Society Institute

6

Legea învatamăntului (Legea nr. 84). In: Monitorul Oficial al Romăniei nr. 167 vom 31. Juli 1995; modifiziert durch das Gesetz Nr. 131 vom 29. Dezember 1995 In: Monitorul Oficial al Romăniei nr. 167 vom 29. Dezember 1995). Neu veröffentlicht: In: Monitorul Oficial al Romăniei Nr. 1 vom 5. Januar 1996. Die Modifizierung durch die Dringlichkeitsregierungsverordnung Nr. 36 vom 10. Juli 1997 erschien in Monitorul Oficial al Romăniei nr. 1 vom 5. Januar 1996. Die Bestätigung des Gesetzes Nr. 151, die das Unterrichtsgesetz Nr. 84/1995 modifizierende und ergänzende Dringlichkeitsregierungserordnung Nr. 36 wurde in Monitorul Oficial al Romăniei nr. 370 vom 3. August 1999 veröffentlicht.

7

Legea nr. 215 din 23 aprilie 2001 administratiei publice locale publicat în Monitorul Oficial al Romăniei nr. 204 vom 23. April 2001

8

Kukorelli (1995) : 2. p. 2-7

9

Decret Nr. 975 din 23 octombrie 1968 cu privire la nume. Emis de: Consiliul de Stat al Republicii Socialiste Rumânia. In: Buletinul Oficial nr. 136 din 29 octombrie 1968

10

Izsák, Balázs (2000)

11

Izsák, Balázs op. cit.

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Skutnabb–Kangas (1997) : p. 75

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Izsák, Balázs op. cit. die beschränkenden diskriminierenden Beziehungen der erwähnten rumänischen Gesetze, sowie die Art und Weise der Anwendung der Gesetze in der alltäglichen Praxis. Ein gutes Beispiel hierfür ist, dass im ungarisch - rumänischen Grundvertrag Rumänien die Bewahrung der Identität der nationalen Minderheiten übernimmt, während es konsequent die grundlegenden sprachlichen Rechte der Csángós (Tschangos) in der Moldau verweigert. Charakteristisch ist auch jene Praxis in der Gesetzgebung, dass eindeutige, positive Vorschriften einzelner Gesetze von den Durchführungsverordnungen entkräftet werden, somit ist die äußere Beurteilung des Gesetzes positiv, hat aber keine innere Wirkung oder aber ist negativ. Es gibt auch Gesetze, wie z. B. das im Jahre 2000 verabschiedete Antidiskriminierungsgesetz, das – da es die diskriminierenden Elemente der gültigen anderen Gesetze nicht berührt – ausschließlich der positiven internationalen Beurteilung dient.

Literatur

Horváth, István–Scacco, Alexandra (2001): From the Unitarian to the Pluralistic: Fine-Tuning Minority Policy in Romania. In: Anna-Mária Bíró and Petra Kovács (ed.) Diversity in Action. Budapest: Open Society Institute, 241-272.

Izsák, Balázs (2000): A román tanügyi törvény a nemzetközi jog szemszögéből [Das rumänische Unterrichtsgesetz vom Gesichtspunkt des internationalen Rechts aus]. In: Magyar Kisebbség [Ungarische Minderheit] Jg. VI, Nr. 3, p. 181-204

Kontra, Miklós - Szilágyi, N. Sándor (2001): Do the majority-language speakers have a mother tongue, or only minority-language speakers do? (Manuskript) Vortrag auf der internationalen Konferenz am 19.-21. April 2001 in Riga unter dem Titel Kleine Sprachen im Europa des 21. Jahrhunderts.

Kukorelli, István (1995): Románia alkotmányáról [Über die Verfassung Rumäniens]. In: Magyar Kisebbség [Ungarische Minderheit] Jg. I, Nr. 2, p. 2-7

Skutnabb-Kangas (1997): Nyelv, oktatás és a kisebbségek [Sprache, Unterricht und Minderheiten]. Budapest: László-Teleki-Stiftung

Szépe, György (1994): Central and Eastern European Language Policies in Transition (With Special Reference to Hungary). In: Current Issues in Language and Society. Vol. 1 No. 1, p. 41-64

Takács, Imre (1995): Gondolatok Románia alkotmányáról [Gedanken über die Verfassung Rumäniens]. In: Magyar Kisebbség [Ungarische Minderheit]. Jg. I Nr. 2

Begegnungen21_Nador

Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 21: 31–48.

ORSOLYA NÁDOR

Die Rechte der Minderheiten in Ostmitteleuropa im Unterricht in der Muttersprache

 

1. Einführung

Die meisten der Länder auf den fünf, ständig besiedelten Kontinenten können vom ethnischen und sprachlichen Standpunkt aus nicht für homogene Nationalstaaten gehalten werden – dennoch ist es weltweit eine der wesentlichen Ursachen der politischen Konflikte, dass die Mehrheit nicht geneigt ist, die Existenz der Minderheiten von unterschiedlichem Charakter (der sprachlichen, ethnischen, religiösen, eingewanderten Minderheiten) zur Kenntnis zu nehmen, die juristischen Forderungen im Zusammenhang mit der Sprache, der Kultur, der Religion und der Selbstorganisation werden von ihr als Gefährdung der staatlichen Ordnung dargestellt. In Europa ist die Frage der sprachlichen und ethnischen Zugehörigkeit infolge der Eroberungskriege, der Kolonialisierung, des Zerfalls der religiösen Traditionen, sowie der Umstrukturierung der internen Kräfteverhältnisse der einzelnen Staaten zu einer Selektionskraft der Macht geworden. Im Falle der ostmitteleuropäischen Völker lieferte die enge Verwandtschaft der einzelnen westslawischen (tschechisch-slowakischen) und südslawischen (serbisch-kroatischen) Sprachen zum Beispiel die Grundlage der Entstehung der slawischen nationalstaatlichen Konzeptionen, zugleich wurde die Formulierung der slawischen Zusammengehörigkeit auf staatlicher Ebene auch von gegeneinander gerichteten Interessen begleitet: unter anderem von den mit dem Normungsprozess zusammenhängenden internen Debatten und von den Unterschieden in Religion und Kultur (z. B. in der Lebensweise). Im Falle der Südslawen sind z. B. zahlreiche derartige Abweichungen zu beobachten. So hatten z. B. die Kroaten ihre Kultur nach den Regeln der katholischen, die Serben nach den Regeln der orthodoxen Kirche herausgestaltet. Die Staatlichkeit der nicht-slawischen Bevölkerung aber, z. B. die der Ungarn, wurde in vielen Fällen für einen hemmenden Faktor bei der Realisierung des gemeinsamen slawischen Staates gehalten.

Die sprachliche Regulierung ist bis in das 19. Jahrhundert hinein zum Bestandteil der Rechtsordnung der Nationalstaaten geworden. Die Sprache der den Staat determinierenden, beherrschenden Volksgruppe hat sich früher oder später über den gemeinsamen, vernakularen Status erhoben, und ist zu einer Prestigesprache, später zu einer auch juristisch deklarierten Amtssprache geworden. Die Gesetze, die die Ungleichheit der Sprachen deklarierten, begannen sich aber erst dann langsam außerhalb der obersten Kreise zu verbreiten, als sie sich auch im Unterrichtswesen meldeten. Dies bedeutete aber noch nicht den Sieg der hervorgehobenen Sprache: in den Volksschulen, von denen die Mehrheit der Bevölkerung aufgenommen wurde, lernten die Kinder das Lesen und Schreiben, das Rechnen und den Katechismus in der Sprache der örtlichen Gemeinschaft, auf der Ebene der höheren Schulen schien die Rolle der Sprache der internationalen Kulturvermittlung, des Lateinischen, auch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch unerschütterbar zu sein. Parallel hierzu, zu Beginn vor allem an die protestantischen Bewegungen gekoppelt, begann in ganz Europa die Herausbildung der Literaturen in der Nationalsprache und parallel dazu der Prozess der Normung und Kodifizierung der vernakularen Sprachen, der – von einigen Ausnahmen abgesehen (z. B. bei den Slowaken) – bald über die konfessionellen Rahmen hinauswuchs und zur gemeinsamen Sache des konkreten Ethnikums wurde. Vom Gesichtspunkt unseres Themas aus kommt diesem eine herausragende Bedeutung zu, war doch die Vereinheitlichung und die Kodifizierung die Voraussetzung für die innere (und äußere) Effizienz einer Sprache, sowie für die Unterrichtbarkeit der Sprache in einer organisierten schulischen Form. Eine Ursache der ethnischen Konflikte im Karpatenbecken im 19. Jahrhundert ist gerade im ungleichmäßigen Grad der Ausgearbeitetheit der verwendeten Sprachen zu suchen. Sind das schriftliche System (die Buchstaben, die Rechtschreibung) und die Regeln einer Sprache nicht in einer anwendbaren Form formuliert worden, kann sie nicht „offiziell” gemacht werden. Auf diese Art und Weise werden die Gesetze leicht missverständlich, im Unterrichtswesen würde dann gerade die Mittlerrolle der sprachlichen und kulturellen Norm der Sprache nicht zur Geltung kommen. Es ist kein Zufall, dass in den Ländern der untersuchten Region noch um die Mitte des 19. Jahrhunderts die Amtssprache der Rechtsprechung das Lateinische geblieben ist – obzwar jeder Staat bemüht war, die Gesetzgebung und die Rechtsanwendung in der Muttersprache auszuarbeiten. Vom Gesichtspunkt der Unterrichtspolitik aus kann als organisiert aufgefasst werden, und auch im muttersprachlichen Unterricht bedeutete einen qualitativen Sprung das Erscheinen der wissenswerten Kenntnisse der einzelnen Unterrichtsfächer in Lehrbüchern mit einheitlicher Sprache im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts. Zugleich ist es wichtig zu erwähnen, dass von diesen nach einer Sprachregelung strebenden Gesetzen die heute urheimisch genannten Minderheiten betroffen werden, doch befassen sich diese z. B. nicht mit den eine Arbeit und ein Auskommen suchenden französischen, italienischen und wallonischen Ansiedlern. Seit Jahrhunderten stellen die kürzere oder längere Zeit hindurch in anderen Ländern arbeitenden und lebenden Handwerker, Künstler und Wissenschaftler eine bedeutende Gruppe der europäischen Minderheiten dar, im 20. Jahrhundert jedoch traten dann in großer Zahl die von anderen Kontinenten stammenden, ihr Auskommen vor allem aus wirtschaftlichen oder religiösen Gründen in Europa suchenden Einwanderer aus Asien und Afrika auf. In den 70er und 80er Jahren war Schweden beinahe das einzige europäische Land, das die gesetzlichen Möglichkeiten der Wahrung der sprachlichen, kulturellen und religiösen Identität auch auf sie ausgedehnt hatte.

Von sprachlich-juristischem Gesichtspunkt aus bedeuten jene Minderheiten, die in Ostmitteleuropa in die Gruppe der uransässigen Bevölkerung gehören, den neuralgischen Punkt der untersuchten Region, deren Status sich aber im Laufe der Geschichte mehrmals geändert hat, so dass die Angehörigen eines und desselben Volkes in den benachbarten Ländern als Mehrheit oder als Minderheit leben können (so z. B. bilden die Slowaken in Tschechien, in Polen und in Ungarn die Minderheit und in ihrem eigenen Staat die Mehrheit). Sehr viele Beispiele könnten wir in Bezug darauf aufzählen, wie eine konkrete Bevölkerung aus der Mehrheit zu einer Minderheit, bzw. aus einer Minderheit zur Mehrheit geworden ist, und wie dieser Wandel auf der Ebene der Landesgrenzen, der internationalen und der Innenpolitik sowie der individuellen Selbstidentität erschienen ist. Es kann aber festgehalten werden, dass der primäre Kampfplatz dieser quantitativen und qualitativen Ungleichheit das Unterrichtswesen ist, innerhalb dessen der Unterricht in der Muttersprache in seiner Komplexität (Organisiertheit, finanzielle Förderung, Kraft und Vorbereitung der lokalen Intelligenz, der Lehrer, das Selbstbewusstsein der Eltern, das Niveau, das Prestige und der gesellschaftliche Nutzen des Unterrichts). Nachstehend bin ich bemüht, die Zusammenhänge zwischen den für diese Region geltenden Rechten des Unterrichts und der Sprache zu umreißen.

 

2. Über die Besonderheiten der Normung und des sprachpolitischen Status einiger – mit dem Ungarischen in Kontakt geratenen – ostmitteleuropäischen Sprachen

Der gemeinsame ungarische Staatsverband mit den Kroaten reicht bis in das 11. Jahrhundert zurück; man kann sagen, das durch besondere Gesetze geregelte Zusammenleben hat bis zum 18. Jahrhundert eigentlich gut funktioniert. Der gemeinsame Gegner und die gemeinsamen Interessen verbanden beide Völker noch für einige Jahrzehnte, doch veränderte die nationale Bewegung, die bei den Kroaten begonnen hat, das System der Beziehungen. Die Frage der Vereinheitlichung der aus vielen, voneinander ziemlich abweichenden Dialekten bestehenden Sprache trat in den 1830er Jahren auf, ihre Ausarbeitung hängt mit dem Namen von Ljudevit Gaj zusammen. Seinem Vorschlag nach ist bei der Herausbildung der genormten Sprache jener Dialekt in Betracht zu ziehen, der auch von der Mehrheit der Serben gesprochen wird. Sprache und Politik lassen sich auch in diesem Fall nicht voneinander trennen: das Ziel war die Vereinigung der südslawischen Völker unter kroatischer Führung. Diese sprachlich-kulturelle Bewegung erhielt die Bezeichnung Illyrismus, weil ihren Vorstellungen nach alle südslawischen Völker Nachfahren der altertümlichen Illyren sind, also in Wirklichkeit eine gemeinsame Nation bilden. Auf den Landtagen stand (vom ungarischen Vorbild ausgehend) vom Jahre 1805 an ständig die Forderung der Einführung der kroatischen Amtssprache auf der Tagesordnung. Dies war damals noch eine irreale Forderung, erfolgten doch Normung und Kodifizierung der Sprache erst in den 30er Jahren. Die kroatische und die ungarische nationale Bewegung hat viele gemeinsame Züge, bei der Ausarbeitung der eigenen Bestrebungen und ihrer Verwirklichung befolgte die kroatische Bewegung häufig die ungarischen Vorbilder. Das Zusammenleben, die enge Zusammengehörigkeit tauchte auch in den die sprachlichen Rechte regelnden ungarischen Gesetzen auf, doch nicht einmal in den 1830er Jahren war der Ungarischunterricht für die Kroaten obligatorisch.

Die serbische Bevölkerung wird im Allgemeinen mit zwei markanten Merkmalen charakterisiert, mit der Orthodoxie und mit der soldatischen Lebensform. Vuk Karadžić hatte wahrscheinlich zutreffend die Besonderheiten der Zusammengehörigkeit der südslawischen Völker erkannt, seiner Auffassung nach bilden die Serben die Grundlage aller südslawischen Völker und mit dieser Auffassung geriet er in Widerspruch zu den illyrischen Bestrebungen und Spracherklärungen. Die führenden Politiker der Serben legten aber vom Anfang des 18. Jahrhunderts an das Gewicht von den sprachlichen Fragen eher auf die territorialen Autonomieforderungen. Vielleicht spielte auch diese Akzentverschiebung mit, dass die Linguistik lange Zeit hindurch (ganz bis zum Zerfall Jugoslawiens) die Zusammengehörigkeit der serbischen und kroatischen Sprache betonen konnte, nur die Leiter des abweichenden Normungs- und Kodifizierungsprozesses sowie die Betonung des eng mit dieser Tendenz zusammengehörenden religiösen Unterschiedes versah diese mit unterschiedlichen Merkmalen.

Die Situation der Sachsen und ihr Verhältnis zu den anderen Völkern der Region gestaltete sich auf der Grundlage der jeweiligen politischen Kräfteverhältnisse. Ihre Ansiedelung in Siebenbürgen war seit den ungarischen Königen des 12. Jahrhunderts kontinuierlich, ihre Privilegien erhielten sie zuerst von den ungarischen Königen, dann von den Großfürsten von Siebenbürgen, als Angehörige der Union der drei Nationen. Die Pflege ihrer Sprache und ihrer Kultur wurde im Laufe des Zusammenlebens durch die Einwirkung von außen geschmälert, zur gleichen Zeit übernahmen sie aber an der Stelle ihres Dialekts die deutsche Hochsprache. Auch ihre Identität wurde grundlegend von ihrer Zugehörigkeit zum Deutschtum bestimmt. Die führende Intelligenz der Volksgruppe betrieb vom Anfang des 19. Jahrhunderts an die Gründung der Sächsischen Gelehrten Gesellschaft und anderer Vereinigungen (für Musik, Turnen usw.), sowie ortsgeschichtliche und Quellen erschließende Forschungen. Im Grunde genommen wollten sie damit ihre spezifische Situation innerhalb des Deutschtums darstellen. Ihre Sprache, genauer formuliert, ihre traditionell gebrauchten Mundarten wollten sie aber infolge des freiwilligen Sprachwechsels nicht besonders entwickeln.

Im Falle der siebenbürgischen Rumänen wirkte die Kulturbetrachtung der orthodoxen Kirche auf die Herausbildung der zum Unterricht geeigneten, genormten Umgangssprache ein (deshalb konnte z. B. ein Großteil der Priester niederen Ranges nicht einmal Schreiben und Lesen). Allein über die Volksschule in Brassó (Kronstadt) sind aus dem 16. Jahrhundert Angaben erhalten geblieben: diese Schule wurde von den rumänischen kleinen Schülern der verschiedenen Siedlungen Siebenbürgens besucht. Eine besondere Rolle spielte hier die ungarische Reformation, in deren Rahmen die reformierte Kirche mit Texten in der Muttersprache die rumänischen Gläubigen für sich gewinnen wollte. Zsuzsanna Lorántffy gründete im Jahre 1657 in Fogaras die erste Schule mit rumänischer Unterrichtssprache, die sich auch mit der Ausbildung von Volksschullehrern beschäftigte. Am Ende des Jahrhunderts aber erschien auch das erste Abc-Buch (1699). Einen positiven Einfluss auf die Entwicklung der rumänischen nationalen Identität in Siebenbürgen hatten die Verordnung von Joseph II., die die Privilegien der Ungarn, der Székler und der Sachsen – der drei Nationen – abschaffte. Im Jahre 1781 wurde auch den Rumänen das Bürgerrecht gesichert, das unter anderem auch das Recht auf den muttersprachlichen Unterricht umfasste. Danach wurden für die Rumänen mehrere Volksschulen und Volksschullehrerbildungsanstalten eröffnet. Die Verordnungen zog der König jedoch noch zu seinen Lebzeiten zurück, so dass das ursprüngliche privilegisierte System wieder hergestellt wurde, das die Rumänen immer mehr beanstandeten.

Die ideologische Leitung der Bewegung des rumänischen nationalen Erwachens und die Ausarbeitung der Theorien hängt mit den Namen von drei Gelehrten, von Ioan Inocenţiu Micu-Clain, Gheorghe Şincai und Petru Maior zusammen. Sie arbeiteten die ersten linguistischen und geschichtlichen grundlegenden Werke aus, in denen sie die glorreiche rumänische Vergangenheit darstellen wollten. Ihre Werke können für die Grundlage der rumänischen nationalen Ideologie gehalten werden. Die erste umfassende Grammatik, die die rumänische Sprache für die Nachfolgerin der lateinischen Sprache hielt, erschien im Jahre 1780 aus der Feder von Micu-Clain. In diesem Werk schlug er vor, an der Stelle der bisher aus griechisch-orthodoxen religiösen Gründen verwendeten kyrillischen Schrift die lateinische Schrift einzuführen, die den Besonderheiten des Rumänischen besser entspricht. Gut stellt den sprachschöpfenden Prozess vor, dass die griechisch-orthodoxen Schulen in Kronstadt schon im Jahre 1768 von der slawischen zur lateinisch-rumänischen Unterrichtssprache übergegangen sind. Eine Bildung auf höherem Niveau konnte man sich aber auch weiterhin nur in lateinischer Sprache aneignen. Die Verbreitung der Kultur in rumänischer Sprache verbreitete sich erst von der Mitte des 19. Jahrhunderts an. Die Frage der Sprache war auch für die Rumänen eine Frage von politischer Bedeutung geworden. Das Sich-Losreißen vom slawischen Charakter und die Rückkehr zum glorreichen römischen Ursprung spielte sowohl in der Sprache als auch in der Geschichte eine vorherrschende Rolle in der Herausbildung der rumänischen Identität. Das Problem bedeutete die Normung der Sprache. Die Meinung der vorstehend erwähnten Gelehrten wich stark voneinander ab: Micu-Clain und Şincai argumentierten für eine sich von der Volkssprache stark entfernende Latinisierung, Maior, nach dem das Rumänische und das Vulgärlateinische sich mehr nahe stehen, wollte die Sprache eher dem Italienischen näher bringen. Die Traditionen, die Lebensweise, die Armut, sowie die große mundartliche Gliederung und die Schwäche der Schulorganisation ließen ihre Auswirkung noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts stark fühlen.

Über die schwächsten Positionen innerhalb des ungarischen Staates verfügten die Slowaken und die Rusinen (Ruthenen). Die Entwicklung der eigenen Literatursprache der Ruthenen wurde durch die starke Einwirkung der russischen und der ukrainischen Sprache erschwert. Auf ihre Verbindung mit Ungarn und die lebhaften wirtschaftlichen Beziehungen verweist die innere Volkssprache, die Uhrorusskij [ = Ungarisch-russisch] genannt wurde, die bereits in den Druckerzeugnissen des 17. Jahrhunderts in dieser Form zu finden ist. Außerdem beweisen dies die vielen ungarischen Lehnwörter, die vor allem mit der Landwirtschaft und mit dem Weinbau zusammenhängen. Dieses Ethnikum setzte sich aus einer relativ dünnen Schicht der kirchlichen Intelligenz und aus einer hohen Zahl von Bauern und Hirten zusammen; wir können hier keinen markanten Bestrebungen begegnen, die den Selbständigkeitsbewegungen der anderen Nationalitäten ähnlich sind. Ihre sprachliche und kulturelle Identität trägt die Besonderheiten ihres Wohnortes, ihr Verhältnis zum Ungartum wurde primär von einer Loyalität charakterisiert.

Die Entwicklung des nationalen Selbstbewusstseins der Slowaken wurde von der slawischen Zusammengehörigkeit und dem damit zusammenhängen Geschichtsgefühl bestimmt. Die Herausbildung der ersten Literatursprache ging um die Wende des 18.-19. Jahrhunderts vor sich. Ihre Grundlage war die tschechische Sprache der Kralitzer Bibel in slowakischer Form. Ein großer Teil der sprachschöpferischen Arbeit wurde von dem Katholiken Anton Bernolák durchgeführt. Seiner Auffassung nach ist das Slowakische ein Dialekt der großen Familie der slawischen Sprachen, die sowohl von den tschechischen als auch von den polnischen Einflüssen gesäubert werden muss. Die erste auf dieser Grundlage organisierte erste Sprachgesellschaft bildete sich im Jahre 1785 heraus, ein Jahr danach wurde bereits die Ausarbeitung der slowakischen Rechtschreibenorm angeregt, und 1792 wurde die Slowakische Gelehrte Gesellschaft gegründet. Die slowakische Intelligenz war aber geteilt, gegen diese Tendenz gerichtet sympathisierten die Protestanten (u. a. Jan Dobrovský) mit der tschechischen Sprache und Kultur, und sie fassten das Slowakische nur als eine Variante des Tschechischen auf. Die mit den Sprachkämpfen zusammenhängende Nationalbewegung bildete sich bis zu den 1840er Jahren mit dem Auftreten der Generation von Ludovít Štúr heraus, und von dieser Zeit an kann im Grunde genommen mit der Entstehung der modernen slowakischen Sprache gerechnet werden.

Mit Rücksicht auf die politologische Determinierung unterscheidet sich die jüdische Minderheit von den vorstehend erwähnten Nationalitäten, da sie im geschichtlichen Ungarn keine ethnische, sondern eine religiöse Minderheit bildete. Daraus ergibt sich, dass sie im Interesse ihres Erhaltens und der Bewahrung ihrer Traditionen bemüht war, sich am meisten an die Gesetze des aufnehmenden Landes anzupassen. Zur Zeit der Nationalitätenbewegungen war das Judentum immer ungarischer geworden. Da in diesem Fall die Assimilation freiwillig verlief, und parallel zur allmählichen Lockerung der die jüdische Bevölkerung betreffenden Beschränkungen immer größere Ausmaße annahm, hatten die zum Erlernen der ungarischen Sprache anregenden Gesetze hier keine negative Auswirkung. Vom 18. Jahrhundert an erschienen ungarische Sprachbücher für Jiddisch-Sprechende, in erster Linie in lateinischer, später in deutscher Mittlersprache. Auch vom Gesichtspunkt der sprachlichen Planung aus gibt es eine Abweichung von den anderen Sprachen: das im Grunde genommen auf der Basis des Deutschen beruhende Jiddisch ist ein Dialekt und Umgangssprache in der Familie geblieben, dann im Zeitalter des Dualismus, wegen des Bedarfs der größeren Assimilierung ging man allmählich zur Verwendung der ungarischen Sprache über, veränderten sie ihre deutsch klingenden Familiennamen in ungarische Namen, schickten sie ihre Kinder gern in die Schulen anderer Konfessionen, und die klassische hebräische Sprache wurde nur in dem mit der Religion zusammenhängen Unterricht gelehrt.

Eine Volksgruppe mit großer Anzahl, die aber verstreut lebte, sind die Zigeuner. Die Nationalitätenpolitik wandte sich erst in den letzten zwei-drei Jahrzehnten den Zigeunern zu, doch heute werden die sprachlichen, religiösen, kulturellen Besonderheiten und Besonderheiten der Lebensweise dieser Volksgruppe schon in selbständigen Roma-Forschungsprogrammen erschlossen. Vom sprachlichen Gesichtspunkt aus ist es determinierend, auf dem Gebiet welchen Landes sie leben, weil ihre Muttersprache die Wörter, die grammatischen Elemente der aufnehmenden Kultur in der Mehrheitssprache übernimmt, außerdem hat die Zigeunersprache noch mehrere archaische Varianten. In unseren Tagen können wir zu Zeugen der Normierung der Sprache, zur Schaffung der Hochsprache werden. Vom Unterrichtswesen werden schon viel komplexere, vor allem politische und soziale Probleme aufgeworfen: einander widersprechenden Auffassungen kann man im Zusammenhang mit der Organisierung der von den Mehrheitskinder getrennten, sogenannten „Zigeunerklassen” begegnen, und einstweilen wird die Wahl der Unterrichtssprache noch von Debatten begleitet. In Ungarn wird vom Gesetz Nr. LXXVII aus dem Jahre 1993 über die Minderheiten auch das Zigeunertum als gleichberechtigte Minderheit anerkannt, das Gesetz sichert ihnen umfangreiche Rechte.

Für die meisten der im Karpatenbecken lebenden Ethnien begann der Prozess der Nationswerdung im 18.-19. Jahrhundert, der in jedem Fall von der Ausarbeitung der Nationalsprache ausgeht. Im Allgemeinen wird noch vor deren Realisierung das Recht auf den Unterricht in der Muttersprache gefordert, wo das Ungarische auch als Schulfach nicht gern gesehen wurde, ganz zu schweigen als Unterrichtssprache der Fächer. Die Bestrebungen und Diskussionen im Zusammenhang mit der Normung bedeuteten zu Beginn nicht die Konfrontation mit dem Ungarischen als landesweit gebrauchter Hauptsprache, dies erscheint eher als Rückprojizierung späterer Zeiten; vom ersten Drittel des 19. Jahrhunderts an, als man auch schon das auf die Sprache orientierte institutionelle System schaffen wollte, stieß man schon in vielen Fällen gegen ungarische sprachpolitische Interessen. Da jedoch der Schulträger des Nationalitätenunterrichts in der Volks- und in der Mittelschule überwiegend die Kirche ihrer Muttersprache war, haben sich die Assimilationsmaßnahmen der ungarischen Staatssprache auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht als erfolgreich erwiesen, mehr als 80% der Bevölkerung mit nicht ungarischer Muttersprache sprachen das Ungarische nicht. Zur Natur des für diese Epoche typischen Nationalismus gehörte auch das hinzu, dass die Vertreter des für die Rechte der ungarischen Sprache geführten Kampfes jahrzehntelang keine Notiz von den Anforderungen der ähnlichen Rechte anderer Völker nahmen, sie maßen einfach den Forderungen ethnischer Natur keine Bedeutung bei. Während der Annäherung an die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert begründeten sie die immer umfangreicher werdende Einmischung in das Unterrichtswesen der Nationalitäten damit, dass es das Interesse aller Bürger Ungarns ist, die Staatssprache in einem hohen Maße zu erlernen, damit dadurch ihr Vorankommen unterstützt wird. Heute protestiert eigentlich keine einzige Minderheit gegen den Unterricht der Sprache des Staates. Der Konflikt wurde früher und wird auch heute noch dadurch ausgelöst, wenn die Mehrheit die Unterrichtssprache, bzw. die Inhalte der einzelnen, die Selbstidentität betreffenden Unterrichtsfächer ihrer eigenen Betrachtung nach herausgestalten will. Die Folgen der Verbreitung der ungarischen Staatssprache haben sich in der Wirklichkeit wirklich erst in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, in der mit dem Ende des Ersten Weltkriegs herausgestalteten neuen politischen Situation, als die Mehrheits- und die Minderheitssprache als politischer Begriff um einen neuen Bedeutungsgehalt erweitert wurde, und neben der inneren Gesetzgebung der Länder auch die ihre Verhältnisse regelnden ersten internationalen Vereinbarungen auf den Plan traten (Saint Germain, 1919). Die die Ländergrenzen umgestaltenden internationalen rechtlichen Dokumente formulierten Empfehlungen in Bezug auf den rechtlichen Status der Minderheiten, auf die Rechte des Unterrichts und des Sprachgebrauchs, auf die Religionsfreiheit. Diese wurden dann entsprechend ihren nationalen Interessen und den früheren Beleidigungen von den neuen mittelosteuropäischen Nationalstaaten interpretiert und so gestalteten sie ihre eigene Mehrheiten- und Minderheitenrechtsordnung heraus.

 

3. Die Fragen der sprachlichen Rechte und des Unterrichts – aufgrund des Ungarischen, einer der Konfliktsprachen der Region

Der Frage der sprachlichen Rechte kann man sich auch von mehreren Seiten her nähern, so von Seiten der Verwaltung, der Unterrichtspolitik und der Religionsfreiheit. Das Recht auf den Unterricht in der Muttersprache ist von herausragender Bedeutung, betrifft es doch einerseits die umfassendsten Volksschichten, andererseits beeinflussen Sprache und Inhalt des Unterrichts die Entwicklung der Identität. Es reicht nicht aus, die Muttersprache nur als Unterrichtsfach zu lernen, weil diese zwar bei der Aneignung der Hochsprache und der Entfaltung der Kommunikationsfähigkeiten hilft, doch entwickelt dieser Umstand nicht das Zugehörigkeitsgefühl als solches. Deshalb ist es erforderlich, auch die Traditionen, die Ortsgeschichte der konkreten Minderheit, die Geschichte, die Geographie und die Kulturgeschichte der Mutternation in der Muttersprache kennenzulernen. Bevor wir das sprachpolitische und unterrichtspolitische Bild der Lage der Region zeichnen, überblicken wir kurz die einzelnen Termini.

Der Begriff der vernakularen Sprache (lingua vernacula) bedeutet in unserer Interpretation, dass die auf dem Territorium des Landes bzw. in den kleineren Regionen, z. B. in den von Nationalitäten besiedelten Gebieten, im alltäglichen Gebrauch verwendete Sprache keinen amtlichen Status hat (entweder deshalb, weil man sich noch nicht mit der politischen Rolle der Sprache befasst hat, oder deshalb, weil sich das Über- und Unterordnungsverhältnis der Sprachen herausgebildet hat). Demgegenüber ist die Staatssprache eine offizielle, in der von Gesetzen deklarierten Form über einen vollständigen Kompetenzbereich verfügende Sprache, die auf den Gebieten der Verwaltung, in der Gesetzgebung und auf den höheren Ebenen des Unterrichts über dem Volksschulwesen allein anerkannt ist. Im Falle Ungarns war die Staatssprache Jahrhunderte hindurch das Lateinische, eine kurze Zeit hindurch das Deutsche, und dann erst danach das Ungarische (seit 1844). Die lingua franca war im internationalen Beziehungssystem des Ungartums Jahrhunderte hindurch das Lateinische, diese Sprache hatte für alle Völker und Kulturen Europas dieselbe Mittlerrolle eingenommen. In der Region hatte die deutsche Sprache eine ähnliche Funktion, bzw. in Gebieten mit gemischten Sprachen auch das Ungarische, demnach haben mehrere linguae francae gleichzeitig existiert. Der Status der Minderheitensprache ist politisch determiniert, und auf jeden Fall von beschränktem Gebrauch, außerdem ist für diese über die territorialen mundartlichen Besonderheiten auch der Einfluss der Mehrheitssprache charakteristisch.

3.1 Der Status der ungarischen Sprache im Karpatenbecken wird von einem mehrfachen Oppositionssystem bestimmt, für das im Allgemeinen charakteristisch ist, dass es von der jeweiligen historischen und politischen Situation herausgestaltet und verändert wird. Überschauen wir die Jahrhunderte, die vom Ungartum im Karpatenbecken verbracht wurden, hat sich der Status der ungarischen Sprache wie folgt verändert:

– Die von den landnehmenden und den Staat organisierenden Ungarn natürlich (doch nicht durch Gesetze geregelt) verwendete „Staatssprache”, die wichtigste Sprache des Landes, die von den einzelnen Sprachen der Regionen um Elemente ihres Wortschatzes bereichert wurde; dies wird in der Folgezeit wechselseitig, doch besteht zwischen den Sprachen der Region kein Widerspruch;

– die in der Region verwendete(n) Sprache(n) wird/werden von einer Fremdsprache auf die Ebene der alltäglichen Kommunikation hinabgedrängt, die als Mittel der internationalen Kommunikation bzw. mit der Absicht der kulturellen oder politischen (wirtschaftlichen) Kolonisierung in der Verwaltung und im Unterricht eingeführt wird; im Falle des Ungarischen ist dies das Lateinische und später das Deutsche;

– von den auf dem Territorium der Region gebrauchten vernakularen Sprachen tritt die eine, deren Position und Backgroundbasis die stärkste ist (in unserem Falle das Ungarische), gegen die sie in den Hintergrund drängende Fremdsprache auf, und versucht mit Hilfe des Rechts, sowie der muttersprachlichen Literatur (Schriftlichkeit) im umfassendsten Sinne des Wortes, der Wissenschaft und des Unterrichts in eine vorteilhaftere Situation zu gelangen.

– Infolge der Veränderungen in der historischen Situation und infolge des Prozesses der Nationswerdung werden die in der Region gebräuchlichen anderen Sprachen gegen die vorher aufgestiegene Sprache gewendet. Ihre eigenen sprachlichen Bewegungen machen anfangs die Veränderung ihres sprachpolitischen Status noch nicht möglich, deshalb schreiten sie eher zur Bewahrung eines früheren Zustands bzw. zu seiner Wiederherstellung zurück (z. B. wählen die Kroaten zuerst das Ungarische gegenüber dem Deutschen, dann treten sie mit dem Stärkerwerden der illyrischen Bewegung gleichzeitig für das Lateinische auf den Plan). Die sprachlichen und politischen Kämpfe werden im 19. Jahrhundert immer stärker von Autonomieforderungen, dann von Bestrebungen des Losreißens erfüllt;

– Infolge des Ideals „eine Sprache – ein Nationalstaat“ französischen Ursprungs bildet sich im Karpatenbecken die sprachliche Hierarchie Mehrheitssprache – Minderheitssprache heraus, die sowohl im Falle der ungarischen Sprache als auch der übrigen Sprachen eine Duplizität hervorbringt: die Sprachen der Region existieren nach dem Zerfall der Monarchie auf dem Territorium Ungarns als Minderheitensprachen, in ihren eigenen Staaten als Mehrheitssprache; das Ungarische nimmt innerhalb der Landesgrenzen einen Mehrheitsstatus, außerhalb der Landesgrenzen einen Minderheitenstatus ein.

Aufgrund der vorstehend umrissenen Oppositionen kommen unterschiedliche sprachpolitische Gebilde zustande, deren Funktionieren abhängig ist:

– von den die konkrete Form zustande bringenden allgemeinen politischen, innerhalb dieser sprachpolitischen Umständen (z. B. vom /individuellen und kollektiven/ Charakter der staatsbürgerlichen und Nationalitätenrechte, von der Formuliertheit und Unterstütztheit der sprachlichen Rechte;

– vom Charakter des mit dem konkreten Status zusammenhängenden institutionellen Systems, vor allem des Unterrichtssystems und innerhalb dessen vom Inhalt der sprachlichen (muttersprachlichen und fremdsprachlichen) Studien;

– vom Charakter der Verwirklichung im Alltag (z. B. vom Kreis der Benutzer, von der Aufwendung und dem Nutzen).

Die sprachpolitischen Veränderungen werden in jedem Fall von den allgemeinen nationalstrategischen Tendenzen (Formulierung der Toleranz, der Assimilationsbestrebungen, der rechtlichen Garantien auf konstitutioneller Ebene usw.) bestimmt. Als Schlüsselfrage kann aufgefasst werden, ob

– die unter äußerer Wirkung eingeführte und für die Region einheitliche Fremdsprache dem Land behilflich ist bei der Funktion der Staatlichkeit des Landes auf dem Gebiet der internationalen Beziehungen und der Kultur;

– ob eine lingua franca oder mehrere linguae francae vorhanden ist/sind;

– mit welcher Nationalitätenpolitik welchen Typs (Mehrheitssprache – Minderheitssprache) der Zerfall des Gleichgewichts zwischen den vernakularen Sprachen innerhalb des Landes verbunden ist, und in welchem internationalen politischen Umfeld dies sich realisiert.

3.2 Von den dargestellten Oppositionen und den sprachpolitischen Statusveränderungen wurden im Karpatenbecken nachstehende Unterrichtsvarianten der ungarischen Sprache hervorgebracht:

– der Unterricht des Ungarischen als Muttersprache als offizielles Unterrichtsfach in der Schule,

– der Unterricht des Ungarischen als Sprache des Umfelds im weiteren Sinne des Wortes (als Zweitsprache) für die in Ungarn lebenden anderen Ethnien,

– der Unterricht des Ungarischen als Minderheiten-Zweitsprache in den Nachfolgestaaten,

– der Unterricht des Ungarischen als Sprache des Umfelds im engeren Sinne des Wortes für die Mehrheit (Modell in der Vojvodina),

– der Unterricht des Ungarischen als Fremdsprache in Ungarn,

– der Unterricht des Ungarischen als Fremdsprache für solche Volksgruppen in der Region (wie z. B. für Österreicher, Italiener, Tschechen), mit denen das Ungarntum in der Beziehung einer Staatengemeinschaft gelebt hat.

Eines der aktivsten Funktionsgebiete der Sprachpolitik ist – neben der Verwaltung – der Unterricht. In der Herausgestaltung der Identität, in der Sozialisierung des Individuums, in der Festlegung seiner gesellschaftlichen Stellung spielt der Unterricht in der Muttersprache eine wichtige Rolle, wo die Sprache nur ein Unterrichtsfach bildet.

Es müssen die territorialen Mehrheits- und Minderheitsvarianten des muttersprachlichen Unterrichts der Schüler mit ungarischer Muttersprache unterschieden werden, weil während erstere im vollständigen, aufsteigenden, staatlich unterstützen Unterrichtssystem wirkt, wird letztere durch die von der Mehrheit mit anderen Sprache angenommenen Sprach- und Unterrichtsgesetze beschränkt und beeinflusst. Die Mehrheit der ungarischen Schüler im Mutterland ist einsprachig, demgegenüber lernen in den Schulen der Minderheitengebiete Kinder, die auf irgendeiner Stufe der Zweisprachigkeit stehen. Dieser Fakt schlägt sich auch in der Zusammenstellung der Unterrichtsmaterialien nieder.

Ein vom vorstehenden Bild abweichender Unterricht der ungarischen Sprache hat sich für die auf dem Territorium Ungarns lebenden anderen Volksgruppen von anderem Ethnikum herausgebildet. Die Einführung der ungarischen Sprache war allmählich erfolgt, und jeder einzelne Schritt war vom Protest der Nationalitäten begleitet worden. Der Prozess wurde dadurch verlangsamt, dass es nicht genug Unterstufenlehrer gab und dass auch die entsprechende Methodik nicht vorhanden war. Der Assimilationsprozess, dem die Nationalitäten zur Zeit der sogenannten „Magyarisierung” mit mehr oder weniger großem Erfolg Widerstand leisteten, erschien in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts schon in einer anderen Form, als natürliche Assimilation. Infolge der Beschleunigung dieses Prozesses hat sich auch die Struktur der Nationalitätenschulen verändert: das Erlernen der ungarischen Sprache ist zwar auch heute Pflicht, doch verlangt das Erlernen der eigenen Hochsprache, die sich von ihrer im alltäglichen Leben gebrauchten vernakularen, häufig archaische Merkmale tragenden Muttersprache unterscheidet, eine viel größere Energie. Die heutige Sprachenpolitik in Ungarn ist bestrebt, die Nationalitätensprachen zu erhalten und zu entwickeln1–unter anderem aus dem Grund, weil sie hofft, dass ihr Vorbild in den Nachbarländern auf Nachfolger findet, sowie aus dem Grund, weil es bis zur Gegenwart offensichtlich geworden ist, dass die Muttersprache und die Kultur der Minderheiten nur mit Hilfe der sogenannten „positiven Diskriminierung” erhalten werden kann, und Ungarn ist diese Verpflichtung mit der Unterzeichung der verschiedenen internationalen Verträge eingegangen.

Die ungarische Sprache wird aber auch als Fremdsprache unterrichtet: in Ungarn (im zielsprachlichen Milieu) und im Ausland (im quellensprachlichen Milieu). In diesen Fällen dominieren die geringe Bekanntheit des Ungarischen, sowie mehrere methodologische Mängel, die die Vorstellung von der Unerlernbarkeit der Sprache festigen.

Im 18. und 19. Jahrhundert war der verstreute Unterricht der ungarischen Sprache ohne Vorgeschichte und ohne Fortsetzung charakteristisch, und die Erlerner des Ungarischen stammten aus jenen Ländern, zu denen Ungarn direkte historische Beziehungen unterhielt. Später wurde, und dies ist der Verbreitung der Sprachvergleichung und der Entfaltung des Hochschulwesens zu verdanken, das Ungarische an den Universitäten von immer mehr Ländern – als nicht indogermanische Sprache – als studierbares Studienfach eingeführt. In den vergangenen Jahrzehnten werden die das Ungarische studierenden Studenten außer von dem linguistischen Interesse vor allem von der Herkunft, von der Besonderheit und der Interessantheit, bzw. von der Mitte der 80er Jahre an auch von den politischen Veränderungen dazu motiviert, gegenwärtig bedeutet die eventuelle Aufnahme Ungarns in die Europäische Union eine neue Anregung für das Erlernen der ungarischen Sprache.

Eine wichtige Motivation auf dem Territorium Ungarns bedeutet die Absicht der Ansiedlung, die Arbeit bzw. die familiären Bindungen – dies ist aber für alle Einwanderer und alle Aufnahmeländer charakteristisch. Jahrhundertelang dominierte das spontane Erlernen der Sprache, die institutionellen Anfänge sind im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts erschienen. Das gegenwärtige System gliedert sich in zwei große Teile, auf die Hochschuleinrichtungen und auf die Formen des privaten Lernens (Sprachschulen, tutorales System). Im ersteren Fall war die wichtigste Motivation das Erreichen des zum Studium erforderlichen sprachlichen Niveaus, im zweiten Fall ist das Ziel die Aneignung der in den alltäglichen Lebenssituationen unentbehrlich notwendigen grundlegenden Kommunikation. (Hier sei bemerkt, dass es sich lohnen würde, die Gültigkeit des Minderheitengesetzes auch auf in großer Zahl einwandernde Minderheiten auszudehnen wie z. B. auf die Chinesen. Die Anpassung der an sich schon über abweichende kulturelle und sprachliche Traditionen verfügenden, obendrein ihren Boden verlorenen Einwanderer würde in einem hohen Maße durch die ihnen gesicherte Selbstorganisationsmöglichkeit erleichtert werden.)

3.3 Den Fragenkomplex der sprachlichen Rechte, des Unterrichts und der Minderheiten überblicke ich nachstehend aufgrund der allgemein bekannten Kategorien von Tova SKUTNABB-KANGAS. Der bekannte Wissenschaftler untersucht vom Gesichtspunkt des Unterrichts aus die Ein- und Zweisprachigkeit, das Problem der Assimilation und der Integration, die auf sprachlicher Grundlage erfolgende Diskriminierung, außerdem beschreibt er die im Mehrheiten- und Minderheitenrelationssystem vorkommenden Unterrichtsmodelle (-programme).2 Auch für uns sind diese Formationen lehrreich, weil wir im mittelosteuropäischen Raum ähnlichen begegnen können. Zur gleichen Zeit sehen wir auch, dass in mehreren Fällen der Bedeutungsinhalt der einzelnen Kategorien umgedeutet oder ergänzt werden muss, entsprechend den eigenen Traditionen.

Das sogenannte „submersion programme” bedeutet, dass den die Sprache der Mehrheit nicht sprechenden Kindern nur der Unterricht in der Mehrheitssprache gesichert wird. So nimmt Prestige und Anwendungsgebiet der Muttersprache stark ab, und ein geradliniger Weg führt hin zur sprachlich-kulturellen Assimilation, hin zur Aufgabe der ursprünglichen Identität. Keine einzige magyarisierende unterrichtspolitische Verordnung im Ungarn des 19. Jahrhunderts hatte ein derartiges Programm enthalten, doch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in den 50er und 60er Jahren sank der Nationalitätenunterricht auf dieses Niveau. (Hier gibt es aber einen gewissen inhaltlichen Unterschied, weil die Angehörigen der Nationalitäten in Ungarn neben den lokalen Dialekten auch schon sehr gut die ungarische Sprache sprachen.) Dieser Begriff kann vielleicht besser in Bezug auf die tschechoslowakische Unterrichtspolitik für die Minderheiten zwischen 1945 und 1948 verwendet werden: in dieser Zeit wurden die muttersprachlichen Schulen geschlossen, und so konnten die in der „ungarischen Ära” (1938-1945) geborenen, Slowakisch nicht oder nur auf einem niedrigen Niveau sprechenden Kinder nur in der Sprache der Mehrheit lernen.

Das sogenannte „transitional programme” ist, was das Endergebnis anbelangt, dem vorstehenden ähnlich, obwohl in diesem in den ersten Jahren ein muttersprachlicher Unterricht gesichert wird. Dies bedeutet aber nicht gleichwertige sprachliche Rechte mit denen der Mehrheit, weil es nur dazu diente, in der Folgezeit die Veränderung der Unterrichtssprache vorzubereiten. Diese Form ist in Europa in erster Linie für die Einwanderer aufnehmenden westeuropäischen Länder bezeichnend, wo man so die Aufnahme der Völker mit anderer Sprache und Kultur erreichen will. Doch finden wir auch im untersuchten Raum diese Bestrebung, es reicht aus, wenn wir nur auf die Folgen der Schaffung von „Zentralschulen” verweisen. Hier ist vom Schließen der „Zwergschulen” mit ein bis zwei Unterstufenlehrern die Rede, die in der Muttersprache unterrichteten, die zumindest in der Unterstufe der allgemeinbildenden 8-Klassen-Schule den auf die lokale Sprachvariante aufbauenden Unterricht sicherten. Die an ihre Stelle tretenden Schulen waren in den meisten Fällen zum Minderheitenunterricht ungeeignet, vor allem im Falle von Siedlungen, in denen mehrere Nationalitäten wohnten.

Wegen des stark intoleranten nationalen Charakters ist in Ostmitteleuropa die Chance für die Realisierung des Hineintauchens („immersion programme”) klein, dazu also, dass die Mehrheit freiwillig den Unterricht in der Minderheitensprache wählt. Es gibt jedoch einige Beispiele, die erwähnt werden müssen, obzwar sie nicht ganz in den Gehalt des obigen Begriffs hineinpassen: Am Ende der 80er Jahre schickten in Rumänien entlang der Grenze rumänische Familien ihre Kinder gern in den ungarischen Kindergarten und in die Unterstufe der ungarischen Grundschule, weil sie mit ihrer Hilfe das Programm des ungarischen Fernsehens, das viel interessanter war als das rumänische, verstehen konnten. Auch der in der jugoslawischen Vojvodina eingeführte Unterricht in der Sprache der Umgebung könnte hierher gehören, dort lernten die serbischen Schüler die Sprache der Minderheit (sonst nichts!) aber nicht freiwillig, sondern als Pflichtfach. Zu dieser Erscheinung könnte gegenwärtig, obwohl die Motivation eher, die Nützlichkeit ist, Folgendes gezählt werden: der Fall der in die deutschen Minderheitenkindergärten, Minderheitenschulen Ungarns angemeldeten Kinder, deren Muttersprache nicht Deutsch ist.

Vom Gesichtspunkt der Minderheiten aus ist am humansten und idealsten die Form der Spracherhaltung oder der Sprachförderung (language maintenance programme), die den Schülern mit der Muttersprache der Minderheit die Möglichkeit sichert, sich die Kenntnisse in der Muttersprache anzueignen, die Mehrheitssprache in der Sprachstunde zu erlernen. Heute gibt es in allen Länder hierzu die Möglichkeit, in denen eine ungarische Minderheit lebt, doch nicht auf der gesamten Schulskala: der Grundschulunterricht ist sichergestellt, doch der Abschluss der Mittelschule oder der Berufsausbildung auf der Oberstufe kann auch gegenwärtig eher in der Sprache der Mehrheit erworben werden.

Eine extrem negative Variante dieses Modells ist das Segregationsprogramm, das überhaupt keine Möglichkeit zur Wahl bietet, sondern wo die Schüler, die eine Sprache mit niedrigem Ansehen sprechen, in schlecht ausgerüstete, mit schlecht ausgebildeten Lehrern versehene Schulen ihrer Muttersprache geschickt werden, und damit wird ihnen den Weg der Integration versperrt. Dies ist uns in Ostmitteleuropa nicht bekannt, obzwar von Seiten der Zigeunerminderheit die Furcht auftauchte, wenn wegen der Berücksichtigung der sprachlichen und kulturellen Besonderheiten die Organisierung von „Zigeunerklassen” oder „Zigeunerschulen” zur Sprache kam. (Das Gandhi-Gymnasium in Pécs ist ein gutes Beispiel dafür, wie eine gut ausgerüstete, auf ethnischer Grundlage organisierte Schule dem Prestige einer Sprache helfen kann, mittelbar kann sie auch dem gesellschaftlichen Aufstieg der zum konkreten Ethnikum Gehörenden dienen.)

 

4. Die Lehre der ostmitteleuropäischen Vergangenheit für die Zukunft

Der ostmitteleuropäische Raum ist der Schauplatz jener äußeren politischen Absichten und jener inneren Selbstverwirklichungsbestrebungen, die in einem hohen Maße die Stabilität der Region beeinflussen können. Die Erhaltung der sprachlich-kulturellen Identität, die Methode der Realisierung der Sprachrechte trugen sogar am Ende des 20. Jahrhunderts noch die Lasten der Sprachbetrachtung der nationalen Romantik. Nacheinander erließen die Slowakei, Rumänien, Serbien und die Ukraine ihre die Minderheiten benachteiligenden sprachlichen und Unterrichtsgesetze der Retorsion (indem sie auf die mehrere Jahrhunderte umfassende „ungarische Unterdrückung” verwiesen), und es ist nur der politischen Selbstorganisation nach der demokratischen Umgestaltung, dem langen und anhaltenden, auch die Möglichkeiten des Völkerrechts anwendenden Kampf zu verdanken, dass für die Minderheiten der erwähnten Länder noch ein muttersprachlicher Unterricht existiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren schon die ersten völkerrechtlichen Dokumente entstanden, die sich auch auf das Recht des Gebrauchs der Muttersprache erstreckten, doch hatten die sozialistischen Länder der untersuchten Region stillschweigend akzeptiert, dass die Fragen der nationalen Minderheiten innere Angelegenheiten des jeweiligen Staates sind. Diese Auffassung hat bis heute wirkende gesetzliche Auswirkungen, obzwar die betroffenen ostmitteleuropäischen Länder früher oder später alle Deklarationen und Empfehlungen in Bezug auf die Menschenrechte oder die sprachlichen Rechte unterzeichnen werden. Ein wichtiger Faktor ist, dass der Beitritt zur EU der gemeinsame Wunsch der Region ist, und ein wichtiges Kriterium hierzu ist – und dies ist gerade den Minderheiten der Mitgliedstaaten der EU (z. B. den Katalanen) zu verdanken, – die Sicherung der sprachlichen und kulturellen kollektiven Rechte, innerhalb dieser des Unterrichts in der Muttersprache für die Minderheiten. Für diese Rechte gibt es einen Bedarf, also ist das internationale Recht im Einklang mit dem Willen der Minderheiten tätig, damit auch die lokale Gesetzgebung die Bewahrung der Muttersprache auf einem hohen Niveau, unterstützt auch durch Unterrichtsinstitutionen, beruhigend regelt.

Für den Minderheitenunterricht in den ostmitteleuropäischen Ländern – gerade wegen der Abweichung der ethnischen und der Landesgrenzen – kann die Regionalität den Ausweg darstellen. Von der zweiten Hälfte der 90er Jahre an existieren schon gut funktionierende Institutionen entlang der Grenzen3, die den Mittelschul-, den Berufs- und den Hochschulunterricht in der Muttersprache der Minderheiten unterstützen. Diese Institutionen wären dann wirklich effizient, wenn die schon bestehenden Institutionen – aufbauend auf die sprachlichen, kulturellen, religiösen und wirtschaftlichen Traditionen des gegebenen Raumes – und auf die wirklichen Bedürfnisse miteinander kooperieren und eventuell auch in mehreren Sprachen unterrichten würden. Unter anderem würde dies vom Programm Cross Board Cooperation der PHARE unterstützt, das jedoch den Traditionen der Region widerspricht, denn es würde von oben, von der Ebene der Staatsgewalt aus die Arbeit der festgelegten Institutionen abstimmen, damit können aber die Fallen des Interessenwiderspruchs zwischen Mehrheit – Minderheit nicht umgangen werden. Eine aus mehreren Jahrhunderten stammende Erfahrung demgegenüber ist aber die, dass die interethnischen Kontakte dann effizient funktionieren, einander bereichernd, wenn sie von unten aus organisiert werden, wenn also die Bevölkerung mit unterschiedlicher Muttersprache und Kultur, indem sie die gemeinsamen Interessen erkennt, den Versuch unternimmt, die internationalen Förderungen, die in den bilateralen Verträgen enthaltenen Möglichkeiten zu nutzen. Die Sicherstellung des muttersprachlichen Unterrichts, Grundlage und einer der wichtigsten Faktoren der Kultur der Staatsbürger, indirekt jedoch des gesellschaftlich-wirtschaftlichen Nutzens, kann jedoch auch von diesem Standpunkt aus nicht in Zweifel gezogen werden.

 

Anmerkungen

1

Radó, Péter ( 1994)

2

Skutnabb-Kangas, Tove (1997)

3

Vgl. Kozma, Tamás (2002)

Literatur

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Nádor, Orsolya (2002): Nyelvpolitika. A magyar nyelv politikai státusváltozásai és oktatása a kezdetektől napjainkig [Sprachpolitik. Statusveränderung und Unterricht der ungarischen Sprache von den Anfängen bis zur Gegenwart]. Budapest: BIP.

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