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Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 16:9–10.

FERENC MÁDL

Dialog über Ungarn

Begrüßungsworten

 

Sehr geehrter Herr Präsident,

sehr geehrter Herr. dr. Batliner,

Vizekanzler Busek,

verehrter Herr auszuzeichnender Professor,

meine Damen und Herren!

 

Das Ungartum – die Ungarn, wie auch Sie sie in Ihrem neuesten Buch so schön ansprechen – behauptet sich gemeinsam mit der Vielzahl der Aufgenommenen nun schon seit mehr als 1000 Jahren als Staat in dieser stürmischen Ecke des Karpatenbeckens, in der ständig wechselnden Brandung, mit Erfolgen und Niederlagen. Wir sind Zeugen sowohl nationaler Größe als auch der Unterdrückung bzw. Entzweiung. Nie aber verharrte dieses gläubige und mutige Volk in seinem Schöpfungsbestreben, es beteiligte sich voller Opferbereitschaft und fruchtbringender Tätigkeit am Leben der europäischen Völker. An dieser Stelle soll nur auf den Satz des uns allen wohl bekannten Humanisten Papst Pius II verwiesen werden, wonach das Land der türkischen Invasion gegenüber die Bastion des Westens war. Mir fiel auch noch eine andere, unlängst gelesene Schrift ein, der Dialog von Thomas Morus, im Tower vor seiner Hinrichtung verfasst. Dieser Dialog handelt von Ungarn. Es geht um zwei Ungarn und seine Botschaft ist, dass die Ungarn ihren Mann in jenem Gefecht standen, welches eine fremde Macht und Ideologie um Europa führte und in welchem sich die Ungarn so ehrenhaft behaupteten. Man müsste ihnen helfen, sie unterstützen, sie anerkennen. Die Ungarn haben außerdem vieles andere vollbracht. Wir können stolz darauf sein. Natürlich gestaltet und wahrt jeder Mensch ein Bild von sich und ist dann überzeugt davon, dass andere dasselbe glauben und dieses Bild von ihm sehen würden. Dasselbe gilt für uns in bezug auf die Nationen. Es ist gar nicht sicher, dass man als Außenstehender – persönlich oder als ganze Nation – uns als ebenso großzügig, opferbereit, aufopferungsvoll, gütig, ehrenhaft und erfolgreich erachtet, wie wir das glauben. Deshalb ist es jederzeit und oft erforderlich, allen Nationen einen Spiegel vorzuhalten – und ihnen das Spiegelbild der Welt. Ein Spiegelbild, in dem die Nation bisher nicht entdeckte Züge und Eigenheiten erkennt, in welchem die Welt sie wahrheitsgetreu erblickt, den Tatsachen und nicht dem Glauben entsprechend. In diesem Spiegel sollten Interessenten gut die Züge des anderen erkennen, welcher wiederum gut die interessierte Außenwelt zur Kenntnis nimmt. Und in dieser Diskrepanz des Blickwinkels gemäß Richtung oder Interesse können auch wir uns dann besser zurechtfinden oder Korrekturen vornehmen.

Von besonderer Bedeutung und eine Gabe ist in dieser Hinsicht für uns das Schaffen des in Budapest geborenen und seit einem halben Jahrhundert in Wien lebenden Professors Paul Lendvai, d.h. Lendvai Pál. Sein unlängst verfasstes Werk (wenn dies das letzte war, so ist es doch hoffentlich nicht seine letzte Arbeit) mit dem Titel „Die Ungarn – Ein Jahrtausend, Sieger in Niederlagen” habe ich bisher nur in deutscher Sprache in meinen Händen gehalten, denke aber, dass auch die ungarische Ausgabe dies wahrheitsgetreu wiedergibt, d.h. dass wir Ungarn trotz der Verluste und Niederlagen Sieger bleiben. Professor Lendvai legte Zeugnis ab von seinem großen Talent, indem er u.a. ein wahrer, einfühlsamer Kenner dieser Spiegelbilder wurde, der Vermittlung der Realität bezüglich der mitteleuropäischen Völker. Wie jedem bekannt ist – und wie wir auch an dieser Stelle hörten – ist er ein herausragender Experte, was Mitteleuropa angeht, Empfänger und Träger zahlloser Anerkennungen. Es ist sein wahrhaft großer Verdienst, dass er in seinen Werken die hier, in dieser Region lebenden Völker mit ihren Stärken und Schwächen aufzeigt und gegenüberstellt. Unser Landsmann – wenn ich das so sagen darf – widmet in seinem Denken und in seinen Werken besondere Aufmerksamkeit der Vermittlung der Welt der Tugenden, der Errungenschaften des Ungartums gemeinsam mit all den Fehlern. In seinen Werteinschätzungen, die viele von uns – zum Teil auch in ungarischer Sprache – gelesen haben, stellt er sich in plastischen Beschreibungen, unterhaltsamen Situationsanalysen auf die Seite wohlwollenden Verständnisses aber auch der unerbittlichen Gerechtigkeit. Nicht gegen sondern für uns bin ich aufrichtig – steht im Vorwort der ungarischen Ausgabe seine Meinung frei nach dem Slogan dichterischer Ausflucht.

 

Sehr geehrte Damen und Herren, werter Herr Professor Lendvai!

Ich beglückwünsche Sie von ganzem Herzen zu dieser Auszeichnung, die Sie sich redllich verdient haben und mit der Sie nach dem Regisseur, Oscarpreisträger István Szabó sowie dem Philosophen und Außenminister a. D. Andrei Pleşu mit dem Corvinus-Preis 2001 nun der hervorragenden Gesellschaft jener angehören. Ich bedanke mich herzlich sowohl persönlich als auch im Namen des ungarischen Volkes und als sein gewählter Staatspräsident für all das, was Sie für dieses Volk getan haben. Und ich wünsche Ihnen, dass Sie Ihr Schaffen mit Kraft und Gesundheit fortsetzen können. Gott beschütze Sie!

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

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Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 16:24–27.

PAUL LENDVAI

Das Problem der Identität in einem zusammenwachsenden Europa

Festvortrag

 

Kürzlich schrieb in einem lesenswerten Aufsatz in der NZZ Claus Koch einige Maximen für die Intellektuellen:

a) Verhalte dich stets so, dass sie dir keinen Preis verleihen können, auch wenn sie es gern täten. Doch ein Intellektueller, der einen Förderpreis einnimmt, war entweder schon vorher kein Ganzer, oder er entmannt sich durch die Annahme.

b) Gerate nicht in eine Situation, in der du die Hand beißen müsstest, die dich streicheln will. Mit anderen Worten, vermeide Gelegenheiten, in denen du Dankreden ausbringen müsstest, ebenso Lob und Grabreden.

All das gilt aber nicht für jene unter den Intellektuellen, die politische Gefangene, Flüchtlinge oder Emigranten waren und sind. Für diese Menschen, so auch für mich, gilt was Sándor Márai in seinem Buch „Bekenntnisse eines Bürgers” schrieb, er sei „eine Seele auf Durchreise”. Deshalb kann jeder von uns am eigenen Beispiel die vielen Facetten des Problems der Identität darstellen.

Ich bin zum Beispiel ein in Wien ansässiger, gebürtiger Ungar, jüdischer Herkunft mit einer englischen Frau, deren älterer Sohn, mit einem aus Bessarabien stammenden englischen Vater in eine spanisch-stämmige, englische Familie eingeheiratet hat, wobei sein Schwager eine junge katholische Ungarin geehelicht hat. Die in London lebende Mutter lehrt ihren drei Kindern auch Ungarisch. Meine englische Schwägerin wiederum lebt in Melbourne mit ihrem Mann, dem Sohn eines berühmten deutschen Psychiaters, der vor Hitler nach Großbritannien flüchtete. Mein Vater wurde in Kaschau, der Stadt Sandor Marai’s (heute heißt es Košice), meine Mutter in Siebenbürgen Alsósófalva (auf Rumänisch Ocna de Jos) geboren. Mein letzter engster Verwandter in Ungarn, mein Cousin Zsolt, ein Zisterzienser, den Kardinal Mindszenty 1946 zum Priester weihte, starb kürzlich und liegt beim Stift Zirc begraben.

In dieser Stadt Budapest wollte man mich (unerklärlich, unvorstellbar und unvergesslich) als 15-jährigen Jugendlichen umbringen und das Überleben meiner Familie verdanken wir zum Teil dem so lange vergessenen und von seinem eigenen Land so lange schäbig behandelten, mutigen Schweizer Konsul Carl Lutz. Wohl deshalb plädierte ich, als die Schweiz an den Pranger gestellt wurde, so engagiert–vielleicht zu engagiert–für „Fairness” gegenüber der Schweiz.

In dieser Stadt hat mich die gleiche Diktatur, zu deren Sieg ich seinerzeit als verblendeter Jungsozialist beigetragen hatte, mit neun Monaten Freiheitsentzug in einem nahe gelegenen Gefängnis und Internierungslager (unerklärlich, unvorstellbar, unvergesslich) bestraft und dem folgten drei Jahre des Berufsverbots, Jahre der Bitterkeit, der tiefen menschlichen Enttäuschungen und des Kampfes um Rehabilitierung.

27-jährig fing ich nach der Niederschlagung der Revolution in Österreich ein neues Leben an.

Österreichischer Staatsbürger seit dem 28. September 1959, bin ich jenem Land unendlich dankbar. Nicht deshalb weil ich verantwortliche Positionen bekleiden durfte, nicht deshalb weil ich diverse Ehrungen und Auszeichnungen bekommen habe, sondern weil Österreich fast 200.000 Ungarnflüchtlinge ohne Vorbehalt und hilfsbereit, freundlich und frei von Fremdenhass aufgenommen hat, weil es mir, wie so vielen anderen, die die „finsteren Zeiten” (Brecht) in Ungarn durchgemacht haben, ein neues, freies, glückliches Leben ermöglicht hat. Vielleicht deshalb plädierte ich von Frankfurt bis Paris gegen die EU-Sanktionen und für Gerechtigkeit für Österreich so engagiert – vielleicht zu engagiert.

Wenn man selber zu jener Gruppe von Menschen gehört, von denen der rumänisch-französische Philosoph Cioran sagte – „der Exilant sei einer, der nichts mehr habe, außer seinem Akzent”, dann hält man sich an jene geflügelten Worte Jean Pauls, die sein eigenes Leben wundersam zu bestätigen scheinen: „Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus welchem wir nicht vertrieben werden können”. William Faulkner formulierte anders: „Die Vergangenheit ist niemals tot, sie ist nicht einmal vergangen.” Evelyn Waugh schrieb: „We possess nothing certainly except the past.”

„Die Vergangenheit ist nicht nur der einzig sichere Besitz, sie verleiht auch, sofern sie vor dem Urteil der Geschichte Bestand hat, einer Gemeinschaft in bewegten Zeiten inneren Halt”. Es fängt immer mit der Definition des Fremden, mit der Sprache, mit den Begriffen an – und endet mit den Lagern. Ich habe am eigenen Leib beide Spielarten der Diktatur des Totalitarismus erlebt. Der Sinn für Maß in der Politik ist eine Vorbedingung für die Bürgergesellschaft. Der kürzlich verstorbene deutsche Literat Hans Mayer, schrieb einmal: „Es gibt eine wundersame Heilkraft der Natur; doch es gibt keine Heilkräfte der Geschichte. Es heißt zwar, darüber muss Gras wachsen, allein unter dem Gras liegen nach wie vor die Toten”.

Über Legenden und Mythen hat man die Identität neu zu konstruieren. Dabei gibt es nicht nur die reflektierende Rückschau und die Besinnung auf konstruktive Erfahrungen, sondern auch die Geschichtsklitterung, die Schuldzuweisung und die Verzehrung. Wir befinden uns in einem unglaublichen Wandeltempo. Geschichte sozusagen im Zeitraffer. In 10 Jahren Ende eines weltgeschichtlichen Konfliktes, Untergang einer Ideologie mit universalem Herrschaftsanspruch. Dieser Konflikt war mit seiner Bedrohlichkeit auch eine gewisse Klammer für den europäischen Integrationsprozess.

Erinnerung versus Vergessen, Chronik des Schreckens, die Diktatur träumt davon, dass es nur noch ein Gedächtnis gäbe, dass nur noch einer über die Vergangenheit bestimmt. Bertrand Russell über Conrad: „Ich spürte, obwohl ich nicht weiß, ob er ein solches Image akzeptiert hätte, dass er das zivilisierte und moralisch tolerierbare menschliche Leben als einen gefährlichen Gang über eine dünne Schicht der kaum kalt gewordenen Lava sah, die jeden Moment ausbrechen und den Unaufmerksamen in ihre brennende Tiefe sinken lassen würde”.

Das Böse gehört, wie auch die Anteilnahme, zu den eher seltenen Dingen. Es gibt weniger eine Banalität des Bösen, als vielmehr eine Banalität der Gleichgültigkeit. Freilich muss man warnen, dass die Verbindung des Bösen mit der Gleichgültigkeit tödlich ist.

Aber auch Achtung vor Mischung aus Ignoranz und Arroganz transatlantischer Provenienz, Francis Fukuyamas Thesen über „Das Ende der Geschichte” über einen „zahnlos gewordenen europäischen Nationalismus” und über „die drohende Langeweile der Geschichte” sind vor aller Welt durch die Balkankriege eliminiert worden.

In Mittel- und Osteuropa vollzog sich ein skrupelloser Maskenwechsel vieler Schriftsteller, Wissenschaftler und Journalisten im Zeichen einer demonstrativen Absage an die Werte des Humanismus, der Toleranz, der Internationalität, der Offenheit, der Europäisierung des Geistes. Ersetzt werden diese Werte des europäischen Humanismus durch demonstrative Bekenntnisse zu verschiedenen Spielarten der Blut- und Bodenideologie zu einem aggressiven Nationalismus, zur Ausgrenzung der Fremden: kurz es handelt sich um das was Julian Benda in seinem 1927 veröffentlichten berühmten, freilich selten gelesenen Buch den „Verrat der Intellektuellen” (La Trahison des Clercs) nannte. In seiner Einleitung zu diesem Buch, das übrigens genau 50 Jahre nach der französischen Ausgabe erst 1977 auf Deutsch vorlag, schrieb Jean Amery: „Ich stehe nicht an zu behaupten, dass sein radikal-rationalistischer Intellektualismus, seine strikte Absage an alles Irrationelle, sein Beharren auf einem Universellen, das niemals aufgeht in partikularen Erscheinungsformen, heute belangvoller ist denn je”. Heute, das war 1977. Um wie viel aktueller sind diese Worte im Jahr 2001, im Jahr der blutigen Ausschreitungen gegen Ausländer und der Epidemie des mörderischen Nationalismus. Die Kämpfe in Bosnien, Kosovo, Mazedonien bestätigen die zeitlose Gültigkeit von Bendas Diagnose: „Dass übrigens der Stolz entgegen der üblichen Meinung eine stärkere Leidenschaft ist als das Interesse, wird einem rasch klar, wenn man sieht, wie oft sich die Menschen weit eher wegen einer Verletzung ihres Stolzes als wegen einer Schädigung ihrer Interessen umbringen lassen.”

In dieser Zeit müssen wir leben und arbeiten, schreiben und reden, verhandeln und vermitteln so gut es geht. Es ist sehr schwer. Márai wollte Zeugnis ablegen für eine spätere Zeit – Zeugnis, dass das Jahrhundert, in dem wir geboren sind, einst den Triumph des Verstandes proklamierte. Und er wollte bis zum letzten Augenblick zeugen: „dass es eine Zeit gab und einige Generationen, die den Sieg des Verstandes über die Triebe verkündeten und an die Widerstandskraft des Geistes glaubten, der die Todessehnsucht zu zügeln vermag”. Dieser Lehre will ich auch als Publizist, Zeithistoriker und Zeitzeuge treu bleiben.

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Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 16:89–104.

ANDRÁS INOTAI

Some Reflections on Possible Scenarios for EU Enlargement

 

Recently, several declarations preferring the scenario of the large-group (big-bang) enlargement of the European Union (EU) have been made both by member-countries and the Commission. Although the latest Commission reports, including the enlargement strategy paper, mention the previously unquestionable performance criteria of membership, according to which only adequately prepared countries fulfilling the fundamental accession criteria can join the EU, they emphasize that in the near future not less than ten countries may be able to reach this goal. This position is clearly supported by the fact that, with the exception of Bulgaria and Romania, all candidate countries can close the accession negotiations in the foreseeable future. Moreover, despite the general consternation among present and future members of the EU, the French foreign minister announced the possibility of a twelve-country enlargement.

It cannot be excluded that the political decision on the modality of enlargement has already been taken. Thus, supposing this case, it is a justified question whether it has still any sense to consider any potential scenario of enlargement. I am convinced that it is justified for three reasons.

First, at present, there is not yet any clear EU position concerning the enlargement. As long as this position is open, all kinds of discussion are not justified but also welcome. Second, experts dealing with this topic can hardly abstain themselves from participating in the debate. Professionally and morally, they are (should be) committed to call attention to the potential dangers that, in my view, could seriously damage not only the future position of the candidate countries, but also the future of the EU and of the whole of the continent. Third, some developments seem to indicate that the discussion about the pattern of enlargement just has reached a turning point. This is the last moment, in which the evolution of such processes can be prevented the consequences of which could condemn Europe to ‘damage limitation’, instead of strengthening Europe’s stability and global competitiveness. The basic idea of this paper was generated by knowing and feeling that ‘perhaps, it is not yet too late’.

Introduction

All through the 1990s, the EU dealt with ‘Eastern enlargement’ in a rather ambiguous way. On the one hand, it acknowledged from the beginning of the transformation process the strategic importance of the dramatic political, social and economic changes that were shaping the future of the continent in a decisive way. On the other, no longer-term strategy was elaborated, in the early years after the fall of the Berlin wall, on how to strengthen stability and incorporate the Central and Eastern European (CEE) countries into the framework of mainly Western European integration. In fact, the integration into the EU of the transforming countries, based on a gradual and longer term strategy, should have been started at the very beginning of the nineties, simultaneously with the German unification.1

The situation changed with the publication of Agenda 2000 in July 1997. Considering European stability, the obvious success of the first period of transformation and, not less importantly, the internal reform pressure of the Western European integration, this document urges the starting of the enlargement process without any delay. The principle of differentiation has been applied, since negotiations have been proposed and initiated only with countries considered to be prepared for this stage. However, within a short period, political considerations became dominating the scene of enlargement. In December 1999, all candidate countries were invited to start accession negotiations. At the same time, all politicians and the Commission remained silent about the form, the timetable and the conditions of an enlargement by at least 12 new countries. In the light of far reaching internal reforms of the Union and the unprecedented task of incorporating as many as one dozen of new countries, such a clear strategy would have been essentially needed. Since this step had not been undertaken at the right moment, it should not surprise anybody that the EU has carefully avoided any mention of the potential first date of enlargement (until December 2000, this was linked to the internal reforms of the EU), and even more, of defining the number or circle of potential first-wave candidates.

 

1. The EU position: pros and cons

The EU has found three main arguments to support this ‘non-strategic’ approach. (1) It has stressed that any firm date, let alone any effort to identify first-wave candidate countries, might dramatically reduce the impetus of membership hopes propelling all the candidate countries. Those that are ineligible for first-wave membership might abandon their hard and sometimes expensive preparations, with clear negative impacts on their transformation process in general. (2) Any premature differentiation among the candidates might cause deep disappointment in the countries not in the first wave. This could produce instability in several CEE countries, with direct consequences for broader regional stability and the longer-term investment plans of international capital as well. (3) At least in the early stages of the negotiations, it would be impossible to give a clear timetable for enlargement, as both the EU and the candidate countries face several pieces of ‘homework’ before membership can materialize. Furthermore, any fixed commitment could be understood (or misunderstood) by candidates as a clear date for membership irrespective of their level of internal preparation. Another potential purpose behind this EU behaviour cannot be ignored. Lack of a firm commitment can always be seen as an effort to delay decisions on the date and composition of the enlargement.

The EU arguments can be countered by the following:

(1) It is difficult to understand how a clear timetable could lessen the pace of preparation in any candidate country. On the contrary, it may have favourable impacts. First, it could have given a clear indication to the member-countries to initiate partly painful adjustments or to start longer-term restructuring. Second, it could have urged the EU to embrace fundamental reforms in enlargement-relevant areas well before this process starts. Third, ‘early warning’ could have been transmitted to candidate countries, which are on different levels of preparedness for EU membership, and more importantly, have different absorption capacities in political, economic, social and institutional terms. Therefore, each country could have been able to choose the most appropriate method and speed for a sustainable preparation strategy, according to their specific situations. Finally, and fourth, to a large extent, it is the lack of a clear timetable which can be made responsible for the growing opposition to enlargement in the societies of the member countries. Such a development could have been prevented or at least substantially slowed down by a clear, gradual, country-related enlargement strategy. The continuous floating of the date of accession, and even more that of the group to join the EU in the first wave, proved to be an instrument of shaping public opinion with the worst results. No wonder, that such an approach generates large-scale uncertainty, which demobilizes the society and strengthens the status quo mentality – at least until the moment of irresistible, and therefore, much more dramatic, changes.

(2) It is a mistake to see differentiation as a product of stating or not stating something. The whole transformation period of more than one decade is clearly marked by differentiation in a number of key policy areas, from the pattern of economic integration into EU structures to the different policy options and instruments used by individual candidate countries. Here politically motivated non-differentiation, or still more, the artificial approximation of most candidates for none-too-transparent political reasons may prove a dangerous, double-edged tool when the time to decide on the pattern of enlargement arrives. The longer this approach prevails, the higher the costs of a decision will be. If the EU opts for differentiated (small-group) enlargement, all the previously (and artificially) homogenized countries will be utterly disappointed, with unknown political and socio-economic consequences. In turn, if the decision goes in favour of a ‘big-bang’ enlargement, the EU is likely to find itself in a very difficult and risky future position with the whole integration process. The dilemma could have been resolved by announcing at the beginning of the accession negotiations a long-term strategy of enlargement with clear criteria and further EU support. Unfortunately, Brussels preferred the opposite, ostensibly smoother and more comfortable path, either out of short-termism, or because enlargement was still not seen as a serious, imminent issue. At the current, fairly advanced stage of negotiations, this dilemma can hardly be solved any more in a way that satisfies everybody. Nevertheless, a longer-term EU strategy has to be announced, at the latest when the negotiations are concluded with some candidate countries. This paper attempts in the following pages to deal with this issue in more detail.

(3) Looking back over the past decades of the integration process, it is clear that all major EU projects of strategic importance have had a clear timetable for the several years between the launch of the project and its expected completion. This was the case with the common commercial policy (1969–74), implementation of the Single Market (1985–92) and the preparations for the Economic and Monetary Union (EMU, 1993–9). It is therefore hard to understand why Eastern enlargement, several times quoted as the EU’s ‘project of the century’, should not receive a schedule as well.

(4) The uncertainty about the date and pattern of enlargement in recent years has brought further detrimental developments. It has been mentioned briefly already that the present member-countries have not sent out sufficiently forceful messages indicating that they want to speed up their adjustment process to the new situation evolving in Europe and the EU. Unsurprisingly, there is mounting opposition in several member-countries to enlarging the Union. On the other hand, impatience and even disenchantment are starting to appear in some of the best-prepared candidate countries. These derive, among other factors, from the uncertainty about the accession date, the fear of having to wait for less prepared countries, and lack of information about the potential volume of transfers expected to become available upon membership. Hitherto, these candidates have displayed fundamentally pro-European behaviour and held sincere hopes of exerting a positive impact on the reform process within the enlarging Union. Such stances may be questioned or cease if the EU proves unable to absorb the shocks of the first wave of enlargement quickly. Finally, it can hardly be denied that the position taken by Brussels has contributed substantially to misinforming the public in the member-countries and increased public reluctance to see new countries admitted into the EU. In the absence of a clear enlargement scenario, the Western European media have been full of speculation about the appearance of a 25-member Union overnight. It is quite understandable that such a vast change should be hard for EU citizens to accept after living for decades under conditions of artificially high incomes (supported not least by net flows of resources from the current candidate countries).

 

At the turn of the century, the intensity of European developments and the new quality of accession negotiations made the continuation of the ‘strategy’ of ‘no timetable – no group’ unsustainable. As a result, at least one of these two elements had to be abandoned. No wonder, that it was the timetable, the potential date of accession. Thus, the European Council declared at the Nice summit that the EU had fulfilled its tasks connected with enlargement and was ready to receive new members from 2004 onwards.2 Nonetheless, this is not a fixed commitment to enlarge in that year. The date of the first enlargement depends on the speed of the accession negotiations and ratification process, and on the still unknown composition of the first acceding group of countries.3

Although the announcement of the first possible year of enlargement is a welcome event, it is likely to heighten the problem of conflicts over the date and the pattern of enlargement. Since there has been no guidance at all on the second, enunciation of the date 2004 may generate difficulties in several areas. (1) The absence of a clear strategy for the ‘years after’ the first-wave accessions has set all the candidate countries (except Bulgaria and Romania) off on a headlong race for membership at the earliest moment. Obviously, they all see the opening of the EU to new members as a unique opportunity that has to be seized. Candidates are convinced that if they miss this chance, the EU may close the doors again and offer no further enlargements in the foreseeable future. (2) As a direct result of (1), all candidate countries are concentrating hard on concluding their negotiations before the end of 2002, as the latest possible date for a candidate acceding in 2004. They are even prepared to sacrifice some or many of their basic interests, rather than be left out of the first wave.4 There is hardly any bigger danger for a widening Europe than the significant and further increasing time lag between the conclusion of negotiations and the real maturity or convergence of candidate countries, as domestic preparations cannot always keep up with the pace of the negotiations. Although it has concluded its negotiations, a country may be unprepared when it joins the Union in 2004, unless the Commission decides not to propose its succession to the European Council, or the Council rejects a positive avis from the Commission.5 This may be methodologically difficult to implement and politically risky, since the candidates see the conclusion of negotiations as the signal for an immediate start to the ratification process. (3) The unknown composition of the first group increases the uncertainties in key areas of EU internal reforms and policies. A number of major projects that will shape the future of the Union substantially are due to begin in the coming years. These include the institutional debate in 2004, reform of the Common Agricultural Policy (partly WTO-related) around the same time, negotiations on the 2007–2013 EU budget, due to start early in 2005. There are others already in the pipeline, such as Justice and Home Affairs and the Common Foreign and Security Policy. The conditions and possible outcomes of these negotiations will certainly be influenced by the countries involved (and by those not involved) in the first wave of enlargement.

It is urgent for the EU to construct a clear, literally strategic plan that extends well beyond the first wave of enlargement, covering at least a decade. The later such a strategy is launched, the worse the initial conditions that can be expected. The negative consequences of neglecting to do so will be felt by the EU and by the candidate countries (whether they can expect to be in the first wave or not). No less importantly, they will adversely affect the future of Europe.

 

2. The basic approach: how to sustain and strengthen stability in Europe

Regrettably, all examinations of the pattern of enlargement (or rather enlargements) in recent years have started out from a set of specific interests. Some have been based on rigorous economic arguments, some on political aspirations. Some have cited moral responsibilities on the EU side. Some have noted the competitive approach among candidate countries, which is otherwise quite understandable for historical reasons. What a steadily enlarging Europe really needs, however, is a strategic plan of enlargement based on the most critical issue facing the continent: its stability.

The priority consideration, to which the enlargement strategy should be ‘subordinated’, or by which it should be directed, is this. What kind of an enlargement strategy can guarantee (as far as anything can be guaranteed) the sustainability of stability in Europe, even in the most critical years of the gradual enlargement process. This needs to become and remain the cornerstone when considering various enlargement scenarios. All efforts that neglect this factor may reap short-term benefits for certain countries (members and candidates), but will end as a negative-sum game for the continent as a whole.

There are three basic criteria, from the point of view of European stability:

(1) The enlargement process must remain open to all countries that are candidates at present or are likely to become candidate countries in the foreseeable future. Any closure of the enlargement process, even temporarily, may produce insurmountable problems and generate extremely dangerous developments in the outsider countries. There must be no repetition of the story of NATO enlargement.6

(2) The stability pillar on the EU side is that no enlargement should overburden the internal cohesion of the integration framework. Any enlargement that seriously questions or even blocks normal functioning of the EU may be detrimental to its progress and to the stability of Europe. It is difficult to understand why the EU, always making reference to the consequences of any enlargement threatening the internal cohesion of the Community, suddenly seems to opt for a ‘big-bang enlargement’, which would contain countries with substantial difference concerning their GDP per capita level7 and competitive structures.

(3) Only well-prepared countries should join. Any other pattern of enlargement, whatever its strategic, political or other motives, is extremely risky and self-destructive. On the one hand, it may easily produce ‘second-class membership’. Necessarily not only because they could become members of the EU without participating in the shaping of some community policy areas where their immaturity would destroy vital mechanisms of normal EU functioning. Furthermore, and more importantly, unprepared new member countries would enter such an environment, in which many of their shortcomings would become immediately manifest. The consequences of not being able to cope with the rules of the game of the Union would result in the request of additional exceptions and special treatments which could or could not be accepted by the EU. If not, serious financial consequences, including the judgements of the Court in Luxembourg should be faced. In sum, the insupportable burden of adjusting to the rules will produce a strong domestic backlash, due to the relatively limited absorption and adjustment capacity of such a country (in economic, institutional, legal, social, human and other terms). If, however, most of this will become manifest only after accession, there is practically no instrument to treat such a situation adequately. So the performance and maturity of each candidate country has to be assessed carefully before it joins. In terms of European stability, it is better to have countries wait than to admit them unprepared and face a process of ‘self-disqualification’ within the integration system. It is a fundamental and qualitative difference that, in this case, it is not the EU that assesses the integration maturity (or immaturity, i.e. the ‘second-class’ character) of the given country, but proper experience of the unprepared new member produce this judgement.

 

To sum up, the enlargement project has to be considered as a bridge-building exercise. The bridge requires two solid pillars, and from the outset, it has to be clear to everybody that the bridge will be built. All countries that contribute to strengthening these pillars are welcome to pass under the bridge. The bridge is not built for an exclusive group of countries, but for the widest European community that is in a position to strengthen, not question its pillars.

What follows is an attempt to evaluate two basic approaches to enlargement in the context of the three criteria just mentioned.

2.1. A merit-based approach

This strategy, based on clear performance criteria, states that EU membership can be given only to the countries that comply at a given moment with all the basic accession criteria. These were laid down at the Copenhagen summit and have served as a yardstick in successive annual reports on candidate countries. If acceptance is confined to well-prepared countries, three positive developments can be expected. (1) The EU will continue to function properly in all its basic areas (institutions, decision-making processes, budget, agriculture, labour market, etc.). (2) Well-prepared countries can rightly expect to adjust themselves smoothly to the established EU structures. Their political, economic, institutional and social inclusion will not therefore pose any great problem to the EU or the new members. (3) Probably most importantly, the smooth adjustment will be perceived as a success for the enlargement process, so that politicians and the public remain open-minded about further enlargement or enlargements.

The advantages of a gradual enlargement testing also the ‘absorption capacity’ of the EU have been clearly recognized by the Commission and the member-countries in the process of negotiating on the free flow of labour. Based on the argument, that the potential impacts on the labour flow from East to West, mainly on the German and Austrian labour markets, have to be experienced and measured in the framework of a gradual approach covering a seven-year period and consisting of 2 plus 3 plus 2 years, the EU, in fact, opted for a gradual scheme. Since the overall impact of any enlargement can hardly be compared with the partial impact in any of the areas covered by a particular accession chapter, the basic contradiction in the EU’s position is obvious. It is, of course, difficult to understand, why specific fears immediately produce a gradual approach, while most probable negative impacts on the overall cohesion of the integration process do not lead to any ‘early warning’ considerations.

Nevertheless, the great difficulty of creating absolutely unanimous and distinctive selection criteria has to be conceded. While the Copenhagen political criteria are clear,8 it is far harder to set the economic requirements, let alone the administrative and institutional ones.9 This dilemma is most apparent in the Commission’s annual country reports. On the one hand, they ‘homogenize’ the economic performance of several candidates, despite clearly differentiated trends in their macro policies, and more importantly, on a micro level. On the other hand, the extremely delicate language used in differentiating candidate countries provides some evidence that the EU is aware of these differences. However, the very slight differences expressed pose a challenge to linguists and offer an easy target for any medium-level or short-term political endeavours. This situation is certainly not comfortable for the countries that have taken a merit-based approach to their accession strategy.

2.2. A politically driven approach

This is the opposite of the merit-based approach. The consequences for the stability of Europe can be evaluated for two basic scenarios. (1) There is no threat of early enlargement, but political compromise is likely to mean that less-prepared countries join concurrently with well-prepared countries. (2) Less-prepared countries gain more time to adjust themselves, but at the expense of delaying the entry of well-prepared countries. Both scenarios will have serious negative impacts on future European stability.

Premature enlargement with a large group of countries at different levels of preparation, generally referred to as ‘big-bang enlargement’, jeopardizes all three priorities for sustainable stability and ‘bridge-building’ for Europe’s future.

(1) The open-endedness of the enlargement process is immediately jeopardized, whereas the future stability of Europe definitely depends on continuity of the enlargement process. The larger and (necessarily) more heterogeneous the first group becomes, the greater becomes the danger that the first enlargement will block the way for any further enlargements. Such a situation will greatly undermine stability in Europe, by drawing a new dividing line across the continent. At the same time, some powers may imagine that the leftover countries are free prey, which will further destabilize Europe. Any ‘big-bang’ scenario will further increase reluctance among many politicians, the media and the public in the present and probably the enlarged EU to contemplate further enlargement, or cause outright rejection of the idea. Such an approach certainly does not enhance stability in Europe. On the contrary, it will weaken stability, by definitively excluding from the EU some of the present, and no less importantly, several future candidate countries (for instance, in ex-Yugoslavia).

(2) The larger and (necessarily) more heterogeneous the first-wave group becomes, the greater the challenge it presents to the internal cohesion of the EU. For one thing, various transitory exemptions will be required by the new, variously prepared member-countries. This will increase opaqueness, unequal ‘legal competition’ and ‘special treatments’, and multiply the cases taken to the European Court in Luxembourg. For another, the financial implications have to be considered. Although all estimates suggest that no pattern of Eastern enlargement seriously endangers EU budgetary principles (1.27 per cent of GNP or a maximum 4 per cent of the GNP of any member country), the redistributive effects differ greatly between large and small-group enlargement. It is evident that the (re)distributive impacts of a large-scale enlargement substantially differ from those of a small-scale enlargement. Not only in the amount of financial transfers but, and more importantly, in their impact on the present beneficiary member-countries. The more and poorer countries join the EU, the lower will be the 75 per cent average GDP per head level. In consequence, more regions of the present EU countries benefiting from the financial transfers will be on the ‘phasing-out’ list. Finally, the more countries join concurrently, the harder it becomes to maintain the normal functioning of the EU decision-making mechanism. The argument that if some heavyweight countries join, the additional financial burden of accession by several smaller countries will be modest is a weak one. The dominant factor for Europe’s future is not the financial capacity of the EU, but smooth functioning of its decision-making. Each new country, whatever its financial needs, may seriously influence the decision-making mechanism of the enlarged Union. So the vital issue is smooth integration into the EU structures.

(3) The second pillar of the bridge to Europe’s future may suffer major negative impacts. The adjustment capability, institutional-absorption capacity and social flexibility of candidate countries will continue to vary for a long time.10 This will lead either to requests for further exceptions, violating the general rules of Community policies (including above all the Single Market) or to non-fulfilment of obligations linked to membership. Nevertheless, this could be the lesser of two evils, compared with internal destabilization of the country concerned, after the imposition of harsh EU rules.

 

The other version of a politically driven enlargement will postpone the process for several years, even for the best-prepared countries, with unpredictable, clearly negative consequences for the future stability of Europe.

(1) Even the best-prepared candidates could be left out of the discussions on fundamental EU reforms that start in the coming months and years (institutions, constitution, WTO negotiations on the Common Agricultural Policy and ongoing talks on the EU budget for 2007–13). They will then join an EU that has not been shaped with their active participation. Involvement in discussions of the future of Europe is no substitute for voting membership of the changing Community.

(2) The best-prepared countries will be bitterly disappointed, because their better initial position will not be recognized by the EU and their serious and socially painful efforts to absorb EU rules and standards will be unacknowledged. This will have two main consequences. First, the Europhile section of society in the most advanced candidate countries may obviously lose ground to nationalistic or even extremist anti-European parties, which may gain great influence over domestic and foreign policy-making. Although such groups are weak in some candidate countries, they have been rapidly gaining ground in others. Secondly, delayed accession of the best-prepared countries may weaken the overall stability of Europe. Since most of these countries are direct neighbours of the EU-15, the instability zone within Europe may shift towards the present EU borders. Instead of extending the EU area of stability gradually eastwards and southwards, which is a priority task for the Union and the candidate countries, the EU may encourage the opposite development.

(3) Postponed enlargement will not strengthen the internal cohesion of the present EU. Further insistence on retaining the present situation and delaying crucial EU reforms can hardly be taken as proof of internal cohesion. On the contrary, it will undermine the future of integration, as it proves less and less able to respond adequately to the external and internal challenges. Here, simply admitting the best-prepared candidates may contribute to building up a ‘critical mass’ for starting fundamental reforms. The latter will not prevent the enlarged EU from launching important new policies. On the contrary, these will emanate from the most reformist members of the Community.

 

Here, mention should be made of the consideration which tries to support the advantages of a large-scale enlargement by emphasizing the impact of ‘critical mass’. However, it ignores the fact that this ‘critical mass’ can represent very different volumes and produce rather different impacts. There is a critical mass which accelerates the reform process within the (enlarging) community. On the contrary, there is another critical mass which would slow down or bloc such processes, let alone that it may even question the existence of a given community.11 Just considering the ‘critical mass’, the difference between the likely consequence of a small- and a large-group enlargement becomes manifest.

 

3. Outlining a viable strategy

The stability of Europe calls for a clear, long-term strategy. A basic component of this is for the integration process to remain open after the first wave of enlargement (and after the second or third waves as well, since nobody knows where the Eastern borders of Europe can be drawn). It is therefore urgent and imperative to prepare an accession plan consisting of various stages of enlargement. The EU should clearly commit itself to a strategy of gradual enlargement and indicate that it will be ready to take in new countries in 2004, in the second half of the decade (perhaps around 2007), and in the first half of the next decade (perhaps around 2012). Such a commitment cannot be interpreted as a blank cheque, since the preconditions for membership will remain valid (or for better or worse, become ever more rigorous over time). Furthermore, no country need be classified under a specific future date of accession. Flexibility of the process, through open-endedness, has to remain a basic feature of enlargement. Each country will join once it is ready for accession. On the other side, the EU will only commit itself to accepting new members once they are ready.

However, sustained and enhanced stability can only be guaranteed if the enlarging EU does not allow any division of the continent to appear, even temporarily. The successive waves of enlargement will certainly perpetuate the ‘institutional divide’ within Europe, between member and non-member-countries of the EU, but this has to be offset by well-designed policies directed at prospective member-countries. Such policies, however, will only work if sustained open-endedness12 will never be questioned and will be accompanied by selected and well-targeted instruments.

The policy package has to be announced and launched at the moment when the EU publishes its overall strategy of enlargement, and preferably, well before the composition of the first wave becomes clear. Let us look briefly at its main contents.

(1) Candidate countries need access to additional financial resources, partly to cover the costs of rapid adjustment to EU rules. The remaining monies in the pre-accession fund, not used by the new member-countries, should be redistributed among those not included in the first wave of enlargement (as part of the Euro 3 billion annual budget). In addition, the enlarged Union should seriously consider raising this allocation for the period 2007–13. This needs raises in the budget discussions due to start early in 2005. Above all, the new member-countries should be prominent in urging the EU in this direction.

(2) Large infrastructural and environmental projects should from the outset cover the whole area of the new member-countries and remaining candidate countries, and not only be based on specific and sometimes narrow-minded efforts of first-wave members. Just from its geographic location, ‘Eastern’ enlargement is significantly different from any previous enlargement of the EU,13 since it covers the geographic core of the continent and does not incorporate geographic peripheries into the integration process. As a result, the new members will become transit countries of the enlarging Union in the East-West and North-South directions.14 Gradual enlargement must not create any temporary ‘infrastructural and environmental divide’. Business can only explore the economic potential of Central and Eastern Europe if potential growth areas become easily accessible. Even more importantly, large infrastructural developments will send more positive messages to the societies of candidate countries than any further high-level political declarations (of which they have already experienced a surfeit).

(3) All fields of Community policy where prospective member-countries are partly or fully involved have to be investigated and identified. This requirement derives not only from an ‘upgraded pre-accession strategy’, but from the various paces of development in different policy areas. For instance, the increasing importance of security in the EU calls for a policy approach extending far beyond its present borders. Non-member and prospective member-countries have to be included in common foreign policy, research and development strategy, and education and environmental policies. While the institutional, legal and economic conditions for full EU membership can only be fulfilled gradually, the gap must not prevent present and future candidates from actively participating in selected Community policies. This involvement in the everyday practice of the EU will bring mutual benefits, helping the enlarging EU to shape truly European policies, while supporting the adjustment process of the candidates, by introducing them into the functioning of EU policies and sending positive messages to society that no candidate has been forgotten. Other important elements include incorporating candidate countries into general discussion (rather than decision-making and implementation processes) in selected areas of reform, and into the ongoing exchange of views about the future of Europe. However, such moves cannot substitute for becoming an integral part of specific areas of Community policy-making.

(4) The enlargement process will shift the EU’s external borders eastward and southward, bringing new requirements for cross-border cooperation. Any enlargement scenario will create a number of new external borders, most of which have features different from the present border areas. Furthermore, the new border regions will vanish in turn as the enlargement process advances. So a qualitatively new approach is needed to supporting cross-border cooperation, as a major instrument of enhanced regional stability.15 This issue should also become part of the negotiations on the 2007–13 EU budget.

(5) The enlarging EU has to be prepared not only to hold accession negotiations with current candidates that will not be part of the first wave, but also to start negotiations with several future applicants (notably ex-Yugoslav states). Such talks are likely to start around the date of the first enlargement, so that new candidates will soon become part of the decade-long EU enlargement strategy.

(6) Finally, Europe needs a common education policy, extending well beyond the geographical frontiers of institutional enlargement. This needs to include Russia, Belarus and Ukraine into the evolving European network, and to some extent compensate them for long-term non-membership of the EU. It is similarly important to enrich the enlarging EU with a manifold input of European countries, for the Western half of Europe to understand CEE interests, fears and behaviour better, and above all, to create a two-way flow of information and cultural linkage across Europe in the widest sense.

*

A transparent, long-term enlargement strategy will have an impact far beyond the internal stability of Europe. There will be several positive consequences for the future of Europe and its place in global politics and economic competition.

(1) A clear, committed enlargement scenario will be able to release unused economic (and innovative) potential in Europe. This will generate higher sustainable growth, whose volume will clearly outpace the generally calculated impact of ‘more than 100 million new consumers’. It means that the dynamic impacts of enlargement, which are several times greater than the static ones, can be adequately used.

(2) The enlargement strategy outlined will have a positive impact on the future standing of the Euro in international financial markets. To achieve the second key goal in introducing the euro16-to create an international reserve currency similar to the US dollar-the EU has to convince global investors to change their mind and start considering the Euro as a better (or at least equivalent) reserve currency. It is hard to imagine any other, better European project to attract the attention and financial resources of potential investors.17 A well-designed enlargement strategy, with its large- scale positive economic consequences, can increase the euro’s international standing.18

(3) A credible enlargement strategy will greatly improve the EU’s image in Europe and probably beyond. It will show that the EU is a reliable partner, a strategic ally and the unquestioned anchor of modernization and development in the continent. This message is badly needed. Confidence in the EU has been shrinking recently in more than one candidate country. Clearly, any loss of confidence within Europe will lead automatically to lower confidence and reliance on the EU in other parts of the world.

(4) Only a Europe enlarging and strengthening on the basis of a strategic plan can envisage playing a greater role in global politics and economics. This is how European values (still not always clearly defined) can take on successfully the competition evolving on a global scale.

 

Notes

1

In contrast, and mainly on French pressure, the EU gave clear priority to the creation of the common currency, by burdening the EU budget in general, and its main contributor, Germany, in particular. It is not difficult to discover behind this move the several centuries old French attitude towards Germany. The idea of the common currency could deprive Germany of one of its main ‘national identity symbols’, the strong DM. In addition, new barriers to the unification of the continent, supposed to serve fundamentally German interests, can be raised. Any attempt at enhancing German influence in Central and Eastern Europe should be blocked. This, however, has already proved to be a short-sighted consideration, if one looks at the Austrian example in the sixties. Artificial barriers and delays generally foster and do not weaken ‘unilateral dominance’ in the economic activities of a given region or country.

2

However, it has to be said that the breakthrough did not originate with the European Council. It was forced upon the Council by the European Parliament, from which it could hardly take a very different position.

3

Although in principle the appearance of other global and intra-EU barriers still cannot be ruled out, the EU has made a clear commitment at the highest political level, stating that from its side, it will not create any further obstacles to opening the enlargement process.

4

This haste can hardly be equated with the higher degree of flexibility that Brussels has requested several times from certain candidate countries.

5

In effect, the procedure before the start of the negotiation process will be repeated before the start of the ratification process (similarly to the decisions taken on the starting of the negotiation process in Luxembourg, in 1997 and in Helsinki, in 1999).

6

NATO decided to admit three new countries in 1999 (the Czech Republic, Hungary and Poland). Although the decision itself was not necessarily wrong, the impact was negative because the enlargement was not accompanied by a strategic plan to continue the enlargement process. On the contrary, the process has halted for some years, with clear consequences for the ‘stability perception’ of CEE countries left out. The problem was not that some countries did not become members at the same time as the three CEE countries admitted. It arose from the impression that others might never become members, since the enlargement process might be over and the historic opportunity irrevocably lost.

7

According to official statistics, per capita GDP at purchasing power parity (PPP) among the candidate countries reveals a gap of three to one. This is larger than the difference among the present member-countries of the EU. The GDP per capita indicator of some candidate countries is closer to the EU average, let alone to the indicator of the less developed member-countries, than to the level of the least developed candidates.

8

These were already applied in 1997, when Slovakia was prevented from starting accession negotiations by a perceived ‘democratic deficit’.

9

It is harder still to assess the level of social flexibility of candidate countries, particularly in the framework of sometimes rapidly changing domestic relationship between the government and interest groups. More importantly, the basic negotiating-strategy priorities may be changed (or will be forced to change) as well, with obvious consequences for fundamental (or alleged) ‘national interests’. The potential repercussions can produce serious conflicts if any compromise has not been substantively discussed with various lobbies, local or international.

10

Flexibility and adjustment capacity are not a direct function of relative economic development. Countries at a lower level of economic performance may be more successful and cooperative in adjusting to the EU and cooperating with it than ‘more developed’ candidates. The EU maturity of countries has to be assessed in much more comprehensive terms.

11

Similar to the therapeutic or the ‘killing’ impact of pharmaceuticals and other medical treatments in hospitals.

12

Sustained open-endedness is understood to be an integral part of an institutionalized strategic plan, as opposed to an ‘open-door’ approach, which constitutes a vague political declaration without any commitment.

13

The TEN and TINA projects have to be reconsidered in the new strategy context.

14

One of the main transport problems of the present EU are the limitations of North-South traffic (both road and railway). This feature characterizes the candidate countries as well. While most of them have an already established physical infrastructure in East-West direction, the same can hardly be told concerning the North-South transportation network. The construction of the third main North-South ‘channel’, (following the London–Paris–Barcelona and the Hamburg–Stuttgart/ Munich–Italy channels) can be considered as one of the most relevant infrastructural projects, with substantive impact on longer-term European growth and stability.

15

The various new external border regions of the enlarging EU will involve ethnic and minority issues, which will increase the relevance of this topic. However, enhanced regional stability has to be driven by more intensive economic cooperation, better infrastructures, and common project implementation. In other words, there have to be proactive, offensive cross-border policies, not just damage limitation.

16

The first goal of price stability has been fairly well fulfilled in the last three years of preparing for the common currency.

17

The EU’s common defence and security policy cannot be decoupled from that of the United States. Although Europe’s partnership role may have increased since the September 11 terrorist attacks, it cannot act as an independent player in military and security issues for the foreseeable future. Institutional reforms, though important to the future functioning of the EU, can hardly exert a major positive impact on potential international investors.

18

This impact is seen as far more important than the unjustified fear in some Western European financial circles that premature accession to the monetary union by new members could reduce confidence in the euro.

Begegnungen16_Haider

Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 16:69–84.

BARBARA HAIDER

„Austria in urbe sancta Jerusalem sit ultima!”

Ein Beitrag zur Geschichte der Europäisierung der Welt

 

Eine Geschichte der europäischen Expansion im 19. Jahrhundert hat sich selbstverständlich auch mit der „Orientalischen Frage” – der wichtigsten diplomatischen Frage in dem Jahrhundert zwischen Wiener Kongress und Erstem Weltkrieg – zu befassen, und damit auch mit dem „Sonderfall” Palästina, der sich mit den Worten eines österreichisch-ungarischen Konsuls in Jerusalem folgendermaßen darstellte: „Dieses Land hat ja nur darum eine Existenz, ja eine Weltstellung, weil es der religiöse Brennpunkt aller Christlichen Bekenntnisse, dann des Mosaischen Glaubens u., nach Hedjaz, auch der des Islams ist.” Palästina wurde im 19. Jahrhundert mehr und mehr gesehen als ein „eine exceptionelle Existenz habendes Land [...], das hauptsächlich die Völker des Occidents beschäftigt, interessiert, das zumeist von denselben geschätzt, besucht u. auch großenteils erhalten wird”.1

Für das „Heilige Land” wurden von den europäischen Großmächten seit den 1840er Jahren zwar keine territorialen Eroberungspläne gewälzt; sehr wohl setzte aber ein Wettlauf um die Schaffung, Sicherung und Ausweitung von Einflusssphären ein, der sich durch eine kaum mehr unterscheidbare Vermischung von staatlichen Ambitionen und kirchlich-missionarischem Engagement auszeichnete. Vor allem mit den Mitteln religiös-kultureller Penetration und des Schutzes nichtmuslimischer religiöser Minderheiten wollte Europa seine Präsenz in Palästina auf- und ausbauen, was nur Hand in Hand mit der Abgabe von Souveränitätsrechten durch das Osmanische Reich vor sich gehen konnte. Erneut trafen Okzident und Orient vor dem Hintergrund der beginnenden Epoche offen ausgetragener Rivalitäten zwischen den Nationen und Konfessionen aufeinander.

 

Wiedererwachtes europäisches Interesse

Der herausragende vierte österreichische Konsul in Jerusalem, Bernhard Graf Caboga-Cerva (von 1867 bis 1882 in Jerusalem tätig), resümierte rückblickend: „England und Frankreich interessiert Syrien und Egypten politisch [...], Russland hat auch Strebungen und Interessen, die dieses Land berühren, nur das damalige Preussen etwa hatte hier noch weniger zu thun als wir. Oesterreich fand hier 1849 einige hundert Unterthanen, von welchen ein Theil in der Mehrzahl arme galizische oder ungarische Juden, dann Israeliten aus Toscana, Modena, Parma, Ferrara u., da wir damals nicht nur in Italien, sondern auch in Deutschland Vormacht waren, einige aus Deutschland, endlich nicht wenige, welche, Gott weiß woher kommend, österreichische, mitunter zweifelhafte Pässe in Händen hatten. Diese und etwa 6–8 Franciscaner-Mönche österreich’schen Ursprungs waren die ganze Kolonie. Besitzungen, Anstalten irgend einer Art, hatte Oesterreich damals nicht. [...] Seither hat dieses Land, namentlich seit dem Krimkriege, allerdings einen für seine Verhältnisse bedeutenden Aufschwung genommen; Jerusalem hat aufgehört, ein Stück reinen Orients zu sein, es ist eine Art europäischer Kleinstadt [...] geworden.”2

Das unter osmanischer Verwaltung stehende Palästina hatte im 17. und 18. Jahrhundert einen Niedergang erlebt und war für Europäer praktisch geschlossen. Dies begann sich im Jahre 1799 mit dem napoleonischen Feldzug nach Ägypten zu ändern – für die Geschichtswissenschaft der Beginn der Moderne im Orient und für die damalige europäische Öffentlichkeit der Beweis, dass Palästina durchaus auch in den Einflussbereich einer christlichen europäischen Macht gelangen könnte. Sogar die protestantischen Staaten, die wenig Sinn für den Kult der Heiligen Stätten hatten, entwickelten zunehmend ein Interesse an dem Land. Frankreich als traditionelle Schutzmacht der Katholiken im Orient und Russland als Schutzpatron der orthodoxen Kirche bekamen so durch die nun einsetzenden Aktivitäten von England und Preußen in Palästina – 90 Prozent der arabischen Christen gehörten den orthodoxen Kirchen an – Konkurrenz. Die endgültige Wende brachten schließlich die dreißiger Jahre des 19. Jahrhunderts mit sich: Der Vormarsch des ägyptischen Aufständischen Mehmet Ali und die gleichzeitige Ausbreitung des französischen Einflusses im Orient verursachten Sorge in Österreich und Preußen, England und Russland. Um ihren Unmut über die Verletzung des Status quo zu mildern, demonstrierte Mehmet Ali eine ausgesprochen liberale Haltung gegenüber der nichtmuslimischen Bevölkerung und den Fremden in Palästina. Dennoch entschlossen sich die genannten Mächte 1840, den bedrängten Osmanen zu Hilfe zu eilen, und gaben dem neuen Sultan die längst als verloren geltenden Gebiete wieder zurück. Viele Zukunftspläne wurden in der Folge für Palästina gewälzt; darunter fand sich jedoch nicht einer, der alle christlichen Mächte zufriedengestellt hätte. Die Osmanen sahen sich in der Folge jedoch gezwungen, die Politik Mehmet Alis fortzusetzen und den Europäern weitere Zugeständnisse zu machen – ein Umstand, der die ständige Ausweitung der europäischen Aktivitäten letztlich erst möglich machte.3

Die Grundlage für diese Entwicklung war durch völkerrechtliche Verträge gegeben, die sogenannten Kapitulationen. Durch sie hatte unter anderem das Kaisertum Österreich – etwa im Frieden von Karlowitz 1699 – Schutzrechte über die katholische Kirche in Teilen des Osmanischen Reiches zugestanden bekommen, die ab der Mitte des 19. Jahrhunderts durch die Außenpolitik instrumentalisiert wurden, was eine enge Verflechtung staatlicher und kirchlicher Interessen nach sich zog. In Konkurrenz stand Österreich hier zunächst vor allem zu Frankreich, das ältere Rechte besaß. Überwacht wurden diese Verträge von den Konsuln, woraus der Großteil ihrer besonderen Stellung im Orient – unter anderem kam ihnen die Konsulargerichtsbarkeit über Untertanen und Schutzgenossen zu – resultierte. Konsul Caboga sah sich in seinen Aktivitäten als Vertreter der katholischen Großmacht Österreich-Ungarn beständig durch Frankreich eingeschränkt bzw. gehindert: „Uns vertritt [...] in diesem Lande jene gewaltige, verdientermaßen eine so hohe Stellung in der Welt einnehmende Macht überall den Weg. Sie allein ist unser Gegner, nicht Rivale, denn uns fällt es ja nicht bei, ihre wirklichen Rechte zu läugnen, uns über sie erheben zu wollen, während sie hingegen fortwährend bestrebt bleibt, uns hier ganz unnöthig und bedeutungslos zu machen, uns überall zu paralisiren und zu verdrängen. In uns sieht Frankreich den gefährlichsten Antagonisten seiner Prätension, weil es sehr wohl weiß, dass diese an sich unstichhaltig, dass wir ebenso viele Katholiken repräsentiren als es selbst, dass wir hier auch viele verbriefte Rechte, kaum weniger als jene, die ihm selbst wirklich gebühren, haben – andere katholische Mächte nicht, weil es endlich sieht, dass wir für dieses Land jederzeit so viel gethan und noch thun und das leisten, was es selbst zu leisten unterlässt.”4 Zu diesem Zeitpunkt befanden sich aber bereits auch andere als modern angesehene Nationalstaaten zunehmend auf der Überholspur – tiefer und tiefer sollte Österreich(-Ungarn), das einen diesbezüglichen Konflikt mit Frankreich in jenen Jahren scheute, auch in eine Konkurrenzsituation mit dem Deutschen Reich und Italien geraten.

Durch das Zusammentreffen des mit nationalen Prestigefragen eng verknüpften europäischen Expansionsdranges mit einer allgemeinen „Palästinabegeisterung”, einer christlichen Kreuzzugsromantik und Morgenlandsehnsüchten aller Art, mit dem traditionellen religiösen wie dem neuen biblisch-archäologischen und wissenschaftlichen Interesse am „Heiligen Land” war Palästina wieder in das Blickfeld Europas gerückt. Das Interesse der Christen an den Heiligen Stätten manifestierte sich erneut, die modernen Kommunikations- und Transportmittel ermöglichten sowohl einen besseren Informationsfluss über die Geschehnisse im Land wie auch vermehrte Pilgerreisen, Reisebeschreibungen in das „Heilige Land” boomten, Vereine wurden gegründet (genannt seien der bayerische Ludwig-Missionsverein, das französische „Oeuvre des écoles d’Orient”, der österreichische Maria-Empfängnis-Verein sowie der Verein vom Hl. Grab in Köln und der Palästina-Verein der Katholiken Deutschlands; letztere wurden 1895 zum Deutschen Verein vom Hl. Lande vereinigt), Spenden zur Unterstützung der Franziskanerkustodie und diverser anderer Wohltätigkeitsanstalten in Palästina wurden gesammelt und abgesandt.

Für die Habsburgermonarchie stand dieses europäische Phänomen vor allem auch durch das Interesse des österreichischen Kaiserhauses bereits in einer langjährigen Tradition (seit dem 17. Jahrhundert): Viele Mitglieder des Kaiserhauses unternahmen selbst eine Pilgerreise und spendeten den Heiligen Stätten Kirchengerät. Die Orientreise von Kaiser Franz Joseph im Jahre 1869 – der „König von Jerusalem” besuchte als erster christlicher Kaiser seit 600 Jahren Jerusalem – hob das österreichische Ansehen im „Heiligen Land” gewaltig. Der Kaiser beschränkte sich im Zuge seines Aufenthaltes nicht nur auf bedeutende Geldzuwendungen – unter anderem für die St. Salvatorkirche in Jerusalem und für die St. Katharinenkirche in Bethlehem –, sondern setzte in den auf seine Reise folgenden Jahren auch seine Diplomatie immer wieder zur Durchsetzung seiner Anliegen im „Heiligen Land” ein. Auf diese Weise konnten vor allem eine Verbesserung der Räumlichkeiten der Franziskaner in der Grabeskirche, der Neubau der beiden genannten Kirchen und das weiter unten dargestellte Projekt des Malteserordens in Tantur durchgesetzt werden. Festzuhalten ist daher: Gerade auch in diesem – vom Umfang her nicht ganz so großen, vom Anspruch her dagegen bedeutenden – Bereich der Außenpolitik hat Franz Joseph seine ganz persönlichen Fingerabdrücke hinterlassen.

Worin bestanden nun die gleichsam wie ein „Schneeballsystem” einsetzenden europäischen Aktivitäten? Geradezu ausschlaggebende Bedeutung kam der Gründung eines anglo-preußischen protestantischen Bistums auf Vorschlag Friedrich Wilhelms IV. von Preußen im Jahre 1841 zu, das zur Hauptstütze der protestantischen Mission wurde und so auch die katholische und die griechisch- orthodoxe Kirche zu Missionsarbeit antrieb.

Bald darauf wurde der Startschuss auch für die „katholische Großmacht” Österreich gegeben: Der Theologe und einflussreiche Domherr zu St. Stephan Joseph Salzbacher, der bereits 1837 eine Reise nach Palästina unternommen hatte, über die er ein Buch veröffentlichte, wies Staatskanzler Metternich auf die Probleme der katholischen Kirche in Palästina hin. 1842 gestattete Kaiser Ferdinand als erste Konsequenz die Wiedereinführung der „Karwochenkollekte” für die Heiligen Stätten in den Diözesen der Monarchie.

Bereits im darauffolgenden Jahr 1843 wurde das Wiener Generalkommissariat des Heiligen Landes, mit Sitz im Wiener Franziskanerkloster, aber unter dem Protektorat des Wiener Erzbischofs, als Verbindung zur Franziskanerkustodie reaktiviert (das Wiener Generalkommissariat war 1633 eingerichtet und 1784 durch Joseph II. aufgehoben worden).5 Sogleich wurden einige – es handelte sich hierbei nie um eine große Zahl, Nachwuchssorgen sollten stets eine Konstante darstellen – Franziskaner aus der Monarchie nach Palästina geschickt, um als Führer und Beichtväter für die Pilger aus der Monarchie zu fungieren. Als Beispiele seien der Tiroler P. Wolfgang Rauchbart und der Ungar P. Ildephons Ölvecky genannt, die unter den in den fünfziger Jahren in Palästina tätigen Franziskanern aufscheinen. Der erste Wiener Generalkommissär, der am 30. Mai 1844 sein Amt antrat, war der gebürtige Ungar P. Joseph Matzek (1844–1869). Ihm folgte 1869/70 der Wiener P. Konrad Mühlhaupt. Von 1870 bis 1881 amtierte der gebürtige Egerländer P. Sebastian Frötschner, der 1846 als Missionär nach Palästina gereist war und dort die Buchdruckerei im Kloster von St. Salvator eingerichtet hatte.6 Seine Nachfolger waren P. Franz Sales Angeli (1881–1902), ebenfalls gebürtiger Ungar, und der Tiroler P. Melchior Lechner. Die jeweiligen Generalkommissäre gaben zur Information und Mobilisierung der Bevölkerung Zeitschriften heraus, zuerst die „Missions-Notizen aus dem hl. Lande”, später „Die Posaune des hl. Kreuzes” und „Der Kreuzfahrer”. Ganz der Idee des „friedlichen Kreuzzugs” verhaftet war die Gründung der „Armee des hl. Kreuzes” durch Generalkommissär Angeli im Jahr 1891, wobei je zwölf Mitglieder eine Gruppe bildeten, der ein Förderer bzw. eine Förderin vorstand.

1847 wurde auch in Rom eine Entscheidung getroffen, die weitreichende Konsequenzen nach sich zog: Jahrhundertelang hatten die Franziskaner als alleinige Wächter der Heiligen Stätten fungiert. Jetzt wurden die kirchlichen Strukturen ausgebaut und das dem französischen Protektorat unterstellte lateinische Patriarchat in Jerusalem wiederhergestellt; gerade der erste Patriarch Giuseppe Valerga galt als ausgesprochener Parteigänger Frankreichs. Die Habsburgermonarchie stand in dem sich sofort abzeichnenden, langwierigen Konflikt zwischen der Franziskanerkustodie und dem Patriarchat – entzündet vor allem an der notwendig gewordenen Aufteilung der Almosengelder aus Europa – von Beginn an auf der Seite der Franziskaner. Auch wenn Patriarchat wie Kustodie eigentlich internationale Einrichtungen waren, kam der Prozess der zunehmenden Nationalisierung auch dort zum Tragen, und die katholischen Mächte versuchten ihre entsprechenden Einflusssphären auszubauen. Die Habsburgermonarchie hielt ihre schützende Hand über die eigenen nationalen Franziskaner und nahm über den Diskreten „pro Germanicis” Einfluss in der Kustodie. In Folge der Wiedererrichtung des Patriarchats kam es – zum Missfallen der Franziskaner – nun auch zum „Eindringen” anderer Orden. In Palästina und vor allem in Jerusalem tummelten sich bald kirchliche Vertreter in einer immer größeren Zahl.

Auf staatlicher Ebene richtete man in der Monarchie sein Hauptaugenmerk auf das Konsularwesen im Orient, wobei seit Beginn der Diskussionen stets die Besonderheit des Postens in Jerusalem betont wurde – im allgemeinen waren die Konsuln ja primär Vertreter des Handels im Ausland – und Österreich der internationalen Entwicklung zeitlich bereits etwas hinterherhinkte. Schon 1839 war als erster europäischer Konsul der britische in Jerusalem eingezogen, 1842 folgte Preußen, 1843 Sardinien und Frankreich, 1844 die Vereinigten Staaten.

Staatskanzler Metternich hatte eine Kursänderung in der österreichischen Politik durchgeführt und wollte den militärischen Erfolg von 1840 auch „politisch-religiös” umsetzen; zuvor hatte Österreich die Schutzfunktion gegenüber den Katholiken im Osmanischen Reich gewohnheitsrechtlich nur in den osmanischen Gebieten am Balkan wahrgenommen. Der Prozess der Entscheidungsfindung über die eventuelle Errichtung eines österreichischen Konsulates in Jerusalem im Rahmen der Neuorganisierung des österreichischen Konsularwesens in Syrien zog sich – aufgrund der damit verbundenen finanziellen Fragen – von den frühen 40er Jahren des 19. Jahrhunderts bis 1849 hin, als man sich zunächst auf die Einrichtung eines Vizekonsulates einigte. Internuntius Bartholomäus Graf Stürmer hatte Anfang März 1845 gegenüber Metternich befremdet angemerkt, dass der k.k. Generalkonsul von Syrien, Eduard von Adelburg, der keinen geeigneten unbesoldeten Konsularagenten für Jerusalem ausfindig machen konnte, die österreichischen (Schutz-) Agenden dem preußischen Konsulat – und in dessen Vertretung dem britischen – anvertraut hatte: „Bei den gänzlich divergirenden, ja oft einander entgegengesetzten Zwecken, welche die katholischen und die akatholischen, namentlich aber in diesem Augenblicke die protestantischen Höfe in Syrien und insbesondere in Jerusalem verfolgen, ist es mir nicht wenig aufgefallen, dass Hr. von Adelburg für gut gefunden habe, die Geschäfte der erwähnten k.k. Consular-Agentie gerade in die Hände der beiden protestantischen Consulate zu legen.”7 Die Informationen von Joseph Salzbacher und Johann Mosetizh, einem Görzer Professor für Altes Testament und orientalische Sprachen, der im Auftrag des Wiener Erzbischofs eine Informationsreise nach Palästina und Ägypten unternahm, über die traurige Lage der katholischen Kirche und vor allem auch das Missverhältnis zwischen Katholiken und Griechisch-Orthodoxen im „Heiligen Land” trugen ebenfalls dazu bei, den Staatsspitzen Handlungsbedarf zu signalisieren.

Im Februar 1846 erstattete Metternich auf Basis dieser Informationen Vortrag an Kaiser Ferdinand, woraus klar hervorgeht, dass der Staatskanzler mit der Errichtung eines Konsulates in Jerusalem zuerst und vor allem die Notwendigkeit vor Augen hatte, die katholischen Interessen – als Gegengewicht zu Russland, der Schutzmacht der Orthodoxen, und zu den protestantischen Staaten Großbritannien und Preußen sowie Nordamerika – zu vertreten.8 Besonderes Gewicht maß der Staatskanzler in seiner Argumentation der Konkurrenz mit einer anderen katholischen Großmacht, Frankreich, bei: „Ganz besonders aber kömmt in die reiflichste Betrachtung zu ziehen, dass Frankreich mehr und mehr eine Suprematie über die katholische Kirche in der Levante [...] sich anzumaßen trachtet und dass es hierdurch unter dem Deckmantel der Religion seine eigenen politischen Absichten zu fördern bemüht ist.” Der Staatskanzler stellte nicht in Abrede, dass die Handelsinteressen der Monarchie in Palästina nur von geringem Belang seien; dies treffe jedoch auch auf die anderen in Jerusalem bereits mit einem besoldeten Agenten vertretenen Mächte zu: „Soll nun das österreichische Kaiserhaus, dessen angestammte Frömmigkeit weltbekannt ist, hierin allein zurückstehen und den nachtheiligen Schein von Theilnahmslosigkeit auf sich laden? Die römisch-katholischen Christen in der Türkei sind von jeher gewohnt, den hiesigen Hof als ihren vorzüglichsten Hort zu betrachten. – Es kann auch mit Hinblick auf die Erfordernisse höherer Politik nicht gleichgiltig sein, uns durch fremdes Streben von dem somit erworbenen Einflusse verdrängen zu lassen. Je thätiger Andere darauf hinzuarbeiten beflissen sind, desto mehr scheinen wir meiner unvorgreiflichen Meinung nach berufen, ihren Bemühungen werkthätig entgegen zu wirken. Die Beachtung finanzieller Rücksichten dürfte in den Hintergrund treten, wo politische und religiöse Interessen so laut, so unbezweifelt das Wort führen.”9 Am 27. September 1847 wurde Josef (Giuseppe) Graf von Pizzamano zum Vizekonsul in Jerusalem ernannt. Der neue Vizekonsul kam allerdings erst am 1. März 1849 in Jerusalem an.

In seiner Dienstinstruktion wurden die Besonderheiten des Postens Jerusalem noch einmal hervorgehoben. Die Monarchie berief sich darin auf die ihr in den Verträgen von Belgrad und Sistowa eingeräumten Schutzrechte über die katholische Kirche, wollte aber die diesbezüglichen, früher festgelegten Rechte der französischen Regierung im „Heiligen Land” nicht antasten. Dem Vizekonsul wurde insbesondere auch der Schutz der österreichischen Reisenden und Pilger sowie die Überwachung der Verteilung und Verwendung der aus der Monarchie stammenden Spenden und Sammelgelder aufgetragen. Er sollte sein Augenmerk auf „die leider nur zu häufig vorkommenden Streitigkeiten zwischen den Geistlichen der verschiedenen christlichen Confessionen, denen die Obhut des heiligen Grabes anvertraut ist”10, richten und die Aktivitäten des seit kurzem in Jerusalem residierenden katholischen Patriarchen wie auch das Verhalten des unter englischem und preußischem Schutz stehenden anglikanischen Bischofs aufmerksam beobachten.11

Pizzamano betrieb von Beginn seiner Amtszeit an die Erhebung seines Postens zu einem Konsulat und fand in dieser Sache Unterstützung bei Felix Fürst Schwarzenberg, der sich – stets das „religiös-politische Interesse” der Monarchie im Auge – bereit erklärte, die Mehrausgaben von jährlich 1.000 fl. aus den Mitteln des Ministeriums des Äußern zu bestreiten. Am 11. Februar 1852 wurde die österreichische Vertretung in Jerusalem zum Konsulat erhoben.12 Unter den 14 aus einer Vielzahl von Kronländern stammenden, von 1849 bis 1917 in Jerusalem amtierenden k.(u.)k. Konsuln finden sich neben Pizzamano zwei weitere, die ihr Amt in besonderem Maß prägten: Bernhard Graf Caboga-Cerva (von 1823 bis 1882) und Friedrich Kraus (von 1914 bis 1917).

 

Österreich(-Ungarn) als katholische Schutzmacht im „Heiligen Land”

Einen enormen Aufschwung nahm nun auch das Pilgerwesen. Reisen in das „Heilige Land” waren weniger gefährlich geworden und dauerten kürzer. Die Pilger kamen zuerst als Einzelreisende und Chronisten – erinnert sei hier an die erfolgreiche Wiener Reiseschriftstellerin Ida Pfeiffer, die 1842 44-jährig ins „Heilige Land” gereist war –, später nach dem Beispiel Frankreichs in kleinen Pilgerkarawanen von zehn bis 20 Personen, oft organisiert vom Severinus-Verein in Wien. An der ersten, zwei Monate dauernden „Deutschen Pilgerfahrt”, organisiert vom Wiener Severinus-Verein (Abfahrt von Triest am 9. März 1855), nahmen 18 Männer im Alter von 19 bis 63 Jahren teil: neun Priester (darunter der Präsident dieser Karawane, P. Urban Loritz, Pfarrer am Schottenfeld), ein Theologe und acht Laien, die bereits vorwiegend aus bürgerlichen Schichten stammten. Zwölf Pilger kamen aus der Habsburgermonarchie, drei aus Baden sowie je einer aus Bayern, Württemberg und Preußen.13 Ihren Höhepunkt erreichte die Pilgerbewegung in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts: Die ab 1898 durchgeführten, straff organisierten und preislich möglichst günstig gestalteten großen „Volkswallfahrten” mit jeweils rund 500 Pilgern „genossen als nationale Manifestation ein großes Ansehen”14. Der „Pilgeroberst” Heinrich Himmel von Agisburg rief sie mit dem von ihm gegründeten Palästinapilgerverein in Brixen ins Leben. Allen Ständen, vor allem auch bäuerlichen Schichten, wurde damit die Möglichkeit gegeben, an einem Pilgerzug in das „Heilige Land” teilzunehmen. Aber selbst in der Blütezeit des Pilgerwesens waren die Katholiken nicht die am zahlreichsten vertretene Gruppe: Im Jahre 1910 kamen 32.592 Pilger und 8.110 Touristen (unter letzteren vor allem Engländer, Deutsche und Amerikaner) nach Palästina. Unter den Pilgern befanden sich dabei 11.984 Russen, 3.032 Österreicher und Ungarn, 3.496 Griechen, 3.460 Afghanen, 2.465 Armenier, 1.598 Kopten und 426 Franzosen.15

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung wurden zwei sichtbare Zeichen österreichischer Präsenz im „Heiligen Land” gesetzt: Die beiden katholischen Wohltätigkeitsanstalten in Palästina, hinsichtlich denen Österreich (-Ungarn) als Schutzmacht auftrat, waren das österreichische Hospiz in Jerusalem und das Malteserspital in Tantur.

Der Weg zur Eröffnung des beliebten und allseits Anerkennung findenden Hospizes16 im Jahre 1863 war ein beschwerlicher: Die Idee zur Gründung eines Hauses, das in erster Linie den aus der Monarchie kommenden Pilgern zur Verfügung stehen sollte, entstand aus dem Spannungsverhältnis Patriarchat– Kustodie. 1852 machte Konsul Pizzamano dem Generalkommissariat in Wien einen entsprechenden Vorschlag (damals war noch an ein Spital für österreichische Pilger unter der Leitung der österreichischen Franziskaner gedacht); gemeinsam traten Pizzamano und der Generalkommissär des Heiligen Landes mit einem konkreten Vorschlag an den Wiener Fürsterzbischof Milde heran. Aufgrund Widerstandes von seiten des Patriarchen entschloss sich der Wiener Erzbischof Rauscher, anstelle eines Spitals ein nationales Pilgerhaus zu errichten. Der Plan Pizzamanos für das Pilgerhaus aus dem Jahre 1855 sah vor: Hospiz, Kirche, Konsulatsgebäude und Mietwohnungen in einem. Das Hospiz wurde freilich am angekauften prestige- und erinnerungsträchtigen Baugrund an der Ecke Damaskusstraße – Via dolorosa in einfacherer Form gebaut; allerdings empfingen die Konsuln nach Fertigstellung des Hospizes 1863 ihre offiziellen Besucher in dessen Räumen, wo auch die patriotischen Feste abgehalten wurden – daraus entstand der Eindruck, der k.(u.)k. Konsul residiere im Pilgerhaus, dessen Kapelle ja zugleich Konsulatskapelle war. Auch beim ursprünglichen Plan, die geistliche Leitung des Hauses den aus der Monarchie stammenden, im „Heiligen Land” tätigen Franziskanern anzuvertrauen, stieß man beim Patriarchen auf Schwierigkeiten, woraufhin sich Erzbischof Rauscher mit dem Kardinalpräfekten der Kongregation de Propaganda fide in Rom darauf verständigte, die Führung des Hospizes Weltpriestern aus den Diözesen der Monarchie zu übertragen.

Auch das österreichische Hospiz geriet in eine Auseinandersetzung mit den Franziskanern, und zwar durch die Ernennung des (säkularisierten) Tiroler Franziskanerpaters Franz Joseph Costa-Major zum Rektor im Jahre 1879. Als er nach 13-jährigem Rektorat starb, sahen die Franziskaner die Gelegenheit gekommen, das Hospiz in ihren Einflussbereich zu ziehen, was einen schwerwiegenden Rechtsstreit zwischen Kardinal Gruscha und Generalkommissär Angeli zur Folge hatte. Gruscha erwirkte in den neunziger Jahren drei Dekrete der Propaganda fide hinsichtlich der Trennung des Pilgerhauses vom Generalkommissariat, in deren Folge die Verwaltung einem dreiköpfigen Kuratorium in Wien übertragen wurde, zu dessen erstem Vorsitzenden Prälat Hermann Zschokke ernannt wurde17; von diesem auch publizistisch für das österreichische Engagement im „Heiligen Land” sehr engagierten Mann stammt das Zitat aus dem Titel des vorliegenden Aufsatzes. Zschokke, von 1864 bis 1866 selbst Rektor des Hospizes, Hofrat im Ministerium für Kultus und Unterricht, Professor für Alttestamentliche Bibelwissenschaften an der Universität Wien, Domherr von St. Stephan und später Weihbischof sowie auf Lebenszeit ernanntes Mitglied des Herrenhauses, verfügte über jene Kontakte, mittels derer er dem Hospiz in den folgenden Jahren die benötigten außerordentlichen Mittel beschaffen konnte.

Das Hospiz hatte seit 1863 den Namen „Österreichisches Pilgerhaus zur Heiligen Familie” geführt, ab 1895 den offiziellen Titel „Österreichisch-Ungarisches Pilgerhaus zur Heiligen Familie”. Damit versuchte man seitens des Kuratoriums, auch Ungarn in einem vermehrten Ausmaß für das Hospiz zu interessieren. Es war wohl kein Zufall, dass in der Folge mit Stephan Csárszky erstmals ein Priester einer ungarischen Diözese zum Rektor ernannt wurde. Auch im dreiköpfigen Kuratorium war ein Platz für einen Geistlichen aus einer ungarischen Diözese reserviert. Diese Hinwendung zur ungarischen Reichshälfte war freilich auch ein Versuch, auf diese Art und Weise ungarische Geldquellen für das Hospiz zu erschließen (seit 1908 zahlte die ungarische Regierung jährlich 2.000 Kronen).

Das zweite österreichische Nationalinstitut im „Heiligen Land”, auf dem die Fahne der Monarchie neben der Fahne des Malteserordens wehte, kam durch das Zusammentreffen mehrerer Antriebskräfte zustande: Innerhalb des Malteserordens regten sich seit den fünfziger Jahren Bestrebungen, ins „Heilige Land” „zurückzukehren”; die Doppelmonarchie war vor Ort durch Bernhard Graf Caboga-Cerva, zugleich Konsul und Malteserritter, vertreten; als dritter Faktor ist die persönliche Unterstützung des Projektes durch Kaiser Franz Joseph zu nennen, der sich 1869 ja gerade auf Orientreise befand. Die Hauptmittel für das auf dem Weg von Jerusalem nach Bethlehem gelegene Malteserspital in Tantur, dessen Grundstück Caboga am 4. Juni 1869 kaufte, wurden vom Malteserorden, und hier an erster Stelle vom Böhmischen Großpriorat, aufgebracht; aber auch der Kaiser und das Ministerium des Äußern in Wien beteiligten sich. 1873 kam es zum wohl alles entscheidenden Schritt: Kaiser Franz Joseph genehmigte die Bitte des Ordens um kaiserliche Protektionsübernahme. Vor allem darin ist das stets intensive staatliche Engagement der Doppelmonarchie für das Haus in Tantur, dessen vollständige Aktivierung 1877 erfolgte, zu sehen. Caboga wurde 1882 in seinem Lebenswerk Tantur begraben.18

Auch am Beispiel Tantur zeigen sich die unterschiedlichen bei europäischen Unternehmungen in Palästina immer wieder aufbrechenden Konfliktebenen: Wenn am Beginn des Projektes zunächst Meinungsverschiedenheiten innerhalb des Malteserordens standen, so sah sich das Haus nach seiner Aktivierung vor Personalprobleme gestellt, weshalb es bereits am 14. August 1879 zum Abschluss eines ersten Vertrages zwischen dem Malteserorden und dem Ordensgeneral der Barmherzigen Brüder kam. Dieses Abkommen zog seinerseits ständige Kompetenzstreitigkeiten nach sich. „Gründungsvater” Caboga berichtete zudem immer wieder über seine Beobachtungen nach Wien, wonach Frankreich versuche, das Protektorat über Tantur an sich zu ziehen. Durch die Unterstützung, die Frankreich diesbezüglich in Rom fand, kam man im Wiener Ministerium des Äußern zu der Überlegung, dass für Tantur ausschließlich Barmherzige Brüder österreichischer oder ungarischer Nationalität ausgewählt werden sollten – ein Vorgehen, das sich durch die einschlägigen Bestimmungen des Berliner Vertrages aus dem Jahre 1878 abgesichert wähnte. Eine neue Dimension erhielt die Frage nach Abschluss eines neuen Vertrages am 10. April 1890 im Vatikan, als der Vatikan eine unerwartete Kurswende unternahm und sich abermals auf die Seite Frankreichs und seines Protektionsrechtes stellte (diesmal gingen die französischen Protektionsansprüche noch weiter, da sie sich auf ein allgemeines Protektionsrecht über den Orden gründeten). Nur durch die gemeinsamen Anstrengungen von Außenminister Kálnoky, Botschafter Grafen Revertera in Rom, Großmeister Baron von Ceschi und dem Ordensgeneral Pater Cassian Gasser konnte doch noch ein Kompromiss gefunden werden und die bereits drohende dauerhafte Schließung des Hauses letztlich abgewendet werden.19

Eigentlich stellte die Ortswahl Tantur ja eben auch nur eine Notlösung dar. Immer wieder kam es zu Rück- bzw. Fehlschlägen in den – zu spät kommenden oder im Vergleich mit den anderen Mächten zu zaghaft ausfallenden – österreichisch-ungarischen Bemühungen; als die zwei am meisten ins Gewicht fallenden Misserfolge sind wohl die folgenden zu nennen: Der Malteserorden hatte sich zunächst wieder in Jerusalem, auf den Ruinen des alten Johanniterspitals, ansiedeln wollen. Diese Ruinen nahm der Kronprinz von Preußen am 7. November 1869, einen Tag vor der Ankunft Kaiser Franz Josephs in Palästina, infolge einer Schenkung des Sultans im Namen Kaiser Wilhelms I. in Besitz. Rund dreißig Jahre später wandten sich der Patriarch von Jerusalem, Ludovico Piavi, und der Kustos des Heiligen Landes, Pater Aurelio Briante da Buja, anlässlich des bevorstehenden 50-jährigen Regierungsjubiläums von Kaiser Franz Joseph im Jahre 1898 mit einer Petition an den Kaiser um „Allergnädigste Verwendung zur Erlangung der Rückgabe des Coenaculum auf dem Berge Zion” an die katholische Kirche (das Coenaculum galt auch den Moslems als heilige Stätte). In Verkennung der Gelegenheit des Augenblicks äußerte sich Außenminister Gołuchowski in dieser Sache Franz Joseph gegenüber nach Beratungen mit Botschafter Calice negativ, da sie beide keine Erfolgsaussichten bei Pforte und Sultan zu erkennen meinten. Dem Appell an Kaiser Franz Joseph läge nach einer anderen Mitteilung – schrieb Gołuchowski – „die von dem katholischen Clerus in Palästina gehegte Befürchtung zu Grunde, das Coenaculum könnte bei einem Besuche des deutschen Kaisers in Jerusalem Höchstdemselben von dem Sultan zum Geschenke gemacht werden, wodurch es dann den Katholiken für immer entzogen bliebe”. – Diese Befürchtung war nicht grundlos, denn im November 1898 schenkte Sultan Abdul Hamid Kaiser Wilhelm II. den an das Coenaculum angrenzenden Platz. Dieser übergab ihn – in einem von Heinrich Jehlitschka, dem damaligen österreichisch-ungarischen Konsul, mit großem Missfallen beobachteten Versuch, auch als Schirmherr der Katholiken aufzutreten – den deutschen Katholiken, die dort die Dormitionskirche errichteten.20 Die Ereignisse hatten offensichtlich mittlerweile eine Dynamik erlangt, die der Habsburgermonarchie mit ihren verlagerten vitalen Interessen unzugänglich blieb.

Neben dem österreichischen Hospiz in Jerusalem und dem Spital in Tantur versuchten noch zwei weitere Einrichtungen immer wieder, unter den Schutz Österreich-Ungarns zu kommen, was ihnen jedoch nicht gelang, da das Ministerium des Äußern in Wien diese Bestrebungen nicht aufgriff: das Spital der Barmherzigen Brüder in Nazareth und die Missionsstation des Tiroler Priesters Georg Gatt in Gaza.21

Die Geschichte des Spitals in Nazareth beginnt in Tantur, und zwar mit den ersten drei dort nur für kurze Zeit tätigen Barmherzigen Brüdern – darunter keine Österreicher, hingegen der bayerische Initiator Othmar Mayer, eine – auch in seinem Orden – umstrittene Persönlichkeit. Kronprinz Rudolf, der das „Heilige Land” 1881 besuchte, stiftete eine Summe von 800 fl. für die Errichtung eines Spitals in Nazareth. 1882 wurde ein gemietetes Haus, 1884 das neu gebaute Gebäude eröffnet. Der zu Beginn der neunziger Jahre des 19. Jahrhunderts tätige vierte Prior des Hauses, Eduard Benedièiæ, stammte bereits aus der steirischen Ordensprovinz; 1905 wurde das Krankenhaus definitiv dieser Provinz einverleibt. Die auf Benedièiæ folgenden Prioren Fr. Peter Damian Amschl und P. Athanas Fiorioli bemühten sich wiederholt und ausdauernd um österreichisch-ungarischen Schutz für ihr Haus, scheiterten damit aber am Wiener Ministerium des Äußern, das es zu einer Zeit, als die anderen Mächte ihre Einflussbereiche in Palästina auszudehnen trachteten, mit Blick auf den Balkan bevorzugte, den erreichten „Status quo” zu erhalten.

Auch die Missionsstation Georg Gatts, eines vielfach einschlägig literarisch tätigen Tiroler Weltpriesters aus der Diözese Brixen, in Gaza gelangte trotz beachtlicher Anstrengungen ihres Gründers nie unter den Schutz der Doppelmonarchie. Gatt, der bereits zuvor in Jerusalem tätig gewesen war (unter anderem von 1871 bis 1874 als Vizerektor des österreichischen Hospizes), entschied sich 1879, in Palästina eine „Missionsstation für deutsche Weltpriester” zu gründen. Obwohl Gatt Unterstützung vor allem bei europäischen Missionsvereinen fand, sollten finanzielle Probleme die Geschichte dieser Mission von Anfang an begleiten. Letztlich musste er sein Lebenswerk 1914 dem lateinischen Patriarchen Camassei übergeben.

Die offizielle Habsburgermonarchie war in den Jahren der Hochblüte von Nationalismus und Imperialismus also nicht zu einer Ausweitung ihrer Einflusssphären in Palästina zu bewegen. Und dennoch: Einmal noch zog eine Welle des Willens zum Engagement in dieser Region durch Österreich-Ungarn – zu einem erstaunlichen Zeitpunkt, nämlich am Vorabend des Ersten Weltkrieges und bis in das Jahr 1917 hinein.

 

Höhepunkt und Ende der österreichisch-ungarischen Bestrebungen

Eine Note der Hohen Pforte hatte einseitig die Aufhebung aller Kapitulationsbestimmungen mit 1. Oktober 1914 bestimmt. Als Folge davon wurden die unter französischem Schutz stehenden Schulen und Missionsanstalten im Osmanischen Reich geschlossen, Missionare und Nonnen ausgewiesen. Einflussreiche katholische Kreise in Österreich-Ungarn wollten in dieser Situation – unterstützt von Mitgliedern des Kaiserhauses – den Versuch unternehmen, jene Stellung in der Frage des Kultusschutzes einzunehmen, die Frankreich aufgeben musste. Mit diesem Vorhaben beschäftigten sich im November 1915 in Wien die Bischofskonferenz und eine unter dem Vorsitz von Kardinal Piffl zusammengetretene Missionskonferenz. Die Pläne scheiterten jedoch, da Österreich-Ungarn nicht genügend Missionare für dieses ehrgeizige Projekt aufbringen konnte und auch deutsche Katholiken an diesem Unternehmen teilnehmen wollten. Erst mit der Thronbesteigung Kaiser Karls regten sich jene Kreise wieder, die eine kultuspolitische Aktion im Osmanischen Reich forcieren wollten.22

Im Jahr 1917 fand schließlich die letzte große politische Aktion Österreich-Ungarns in diesen Gebieten statt: die von dem berühmten Orientforscher Prälat Alois Musil geleitete „Orientmission” des k.u.k. Kriegsministeriums, die von den österreichisch-ungarischen Vertretern in Konstantinopel freilich mit skeptischen Augen betrachtet wurde. Offizieller Anlass war der Besuch der k.u.k. Truppen und Wohlfahrtseinrichtungen in der Türkei durch den jungen Erzherzog Hubert Salvator; die Mission sollte der Doppelmonarchie aber auch ein Gesamtbild der Lage bringen. Insbesondere wollte man den Aktivitäten des Deutschen Reiches in der Region entgegenarbeiten (in der Geheiminstruktion hieß es: ein Zweck der Mission bestehe darin, „zu verhindern, dass aus der deutschen Arbeit in der Türkei ein Monopol des Deutschen Reiches werde und eine Plattform für eine Parität zu schaffen”).23

 

Schlussbetrachtung

Der Vorgang der sogenannten „Wiederbelebung” Palästinas im 19. Jahrhundert zeigt sich zunächst als ein stark europäisch-christlich geprägter. Gerade Jerusalem bot im Zeitalter von Nationalismus und Imperialismus ein Bild nationaler, konfessioneller und innerkatholischer Zwietracht, in dem das offizielle Österreich-Ungarn letztlich nicht, wie zu Beginn gewünscht, mit den anderen Mächten „gleichen Schritt halten” konnte. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts mit seinen zivilisatorischen und religiösen Missionsbestrebungen musste Palästina – jener Teil des Orients, der als Ursprungsort der westlichen Kultur angesehen wurde – im Kontext einer sich verstärkenden internationalen Rivalität wie ein Brennglas das Interesse und die Begehrlichkeiten der Europäer auf sich ziehen. Zunehmend wurden dabei die christlichen Institutionen mit den nationalen Interessen der hinter ihnen stehenden Staaten gleichgesetzt; erst der Erste Weltkrieg setzte der europäischen Interessenspolitik in Palästina ein Ende.

Die Habsburgermonarchie forderte in den fünfziger, sechziger und auch noch siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts beharrlich, wenn auch nicht immer mit Erfolg, Einflusssphären im „Heiligen Land”; diese Bestrebungen erlahmten freilich – gegenläufig zur internationalen Entwicklung – in den folgenden Jahrzehnten. Die bereits in der ersten Hälfte des Jahrhunderts aufkommende, Emotionen mobilisierende „Palästinabegeisterung” erfuhr im Fall Österreich- Ungarns eine realpolitische Ernüchterung. Während sich die Staatsspitzen dieses Vielvölkerreiches mit Blick auf den Balkan und vor allem auf die Ausübung des Kultusprotektorates in Albanien im Gegensatz zu den als modern und dynamisch geltenden Nationalstaaten in den letzten Jahrzehnten des Jahrhunderts zurückhaltend verhielten, blieben die im „katholischen Österreich” tief verankerten Aspirationen und Ansprüche auf das „Heilige Land” davon unbe- schadet. Im katholischen Milieu der Habsburgermonarchie war die Idee des „friedlichen Kreuzzugs”, die Fortführung des Werks der Kreuzzüge mit anderen Mitteln, auf fruchtbaren Boden gefallen. Denn schließlich galt abseits der hohen Politik stets: „Keine Stadt der Erde übt eine solche Anziehungskraft aus wie Jerusalem.”24

 

Bibliographie

BÖHLER, Bernhard A. (Hg.): Mit Szepter und Pilgerstab. Österreichische Präsenz im Heiligen Land seit den Tagen Kaiser Franz Josephs. Katalogbuch. Wien, 2000.

BREYCHA-VAUTHIER, Arthur: Österreich in der Levante. Geschichte und Geschichten einer alten Freundschaft. Wien–München, 1972.

300 Jahre General-Kommissariat des Heiligen Landes in Wien. Jubiläumsnummer der Österreichischen Pilgerbriefe April–Juni 1933.

ELIAV, Mordechai unter Mitarbeit von Haider, Barbara (Hg.): Österreich und das Heilige Land. Ausgewählte Konsulatsdokumente aus Jerusalem 1849–1917. Fontes rerum Austriacarum 2. Abt., Bd. 91. Wien, 2000.

LORITZ, Urban: Blätter aus dem Tagebuche meiner Pilgerreise in das heilige Land im Jahre 1855. Wien, [1856].

RAMHARDTER, Günther: Propaganda und Außenpolitik. In: Wandruszka, Adam–Urbanitsch, Peter (Hg.): Die Habsburgermonarchie 1848–1918. Bd. VI/1. Wien, 1989. 496–536.

WEIß, Johann: Reise nach Jerusalem und Wanderungen im heiligen Lande. Dem katholischen Volke erzählt. Zweite Vereinsgabe des Katholischen Pressvereines in der Diöcese Seckau für das Jahr 1902. Erster Theil. Graz, 1902.

WOHNOUT, Helmut: Das österreichische Hospiz in Jerusalem. Geschichte des Pilgerhauses an der Via Dolorosa. Wien–Köln–Weimar, 2000.

WRBA, Marian (Hg.): Austrian Presence in the Holy Land in the 19th and early 20th Century. Proceedings of the Symposium in the Austrian Hospice in Jerusalem on March 1–2, 1995. Tel Aviv, 1996.

 

Anmerkungen

1

Eliav, Mordechai unter Mitarbeit von Haider, Barbara (Hg.): Österreich und das Heilige Land. Ausgewählte Konsulatsdokumente aus Jerusalem 1849–1917. Fontes rerum Austriacarum 2. Abt., Bd. 91. Wien, 2000. Dok.67: Caboga an Ministerium des Äußern, Jerusalem, 1880. 255.

2

Eliav – Haider (Hg.): Österreich und das Heilige Land. Dok.68: Caboga an Ministerium des Äußern, Jerusalem, Ende 1880–Anfang 1881. 260f.

3

Vgl. dazu zum Beispiel die zusammenfassende Darstellung bei Carmel, Alex: Der christliche Beitrag zum Wiederaufbau Palästinas im 19. Jahrhundert. In: Böhler, Bernhard A. (Hg.): Mit Szepter und Pilgerstab. Österreichische Präsenz im Heiligen Land seit den Tagen Kaiser Franz Josephs. Katalogbuch. Wien, 2000. 12–18.

4

Eliav – Haider (Hg.): Österreich und das Heilige Land. Dok.68: Caboga an Ministerium des Äußern, Jerusalem, Ende 1880–Anfang 1881. 265.

5

Siehe zum Generalkommissariat Wasner, Rigobert: Geschichte des General-Kommissariates von Wien. In: 300 Jahre General-Kommissariat des Heiligen Landes in Wien. Jubiläumsnummer der Österreichischen Pilgerbriefe April–Juni 1933. 4–24.

6

Da das Wiener Generalkommissariat bestrebt war, die katholische Mission im Orient zu unterstützen, lag der Gedanke an die Einrichtung einer Buchdruckerei in den Klosterräumen von St. Salvator in Jerusalem nahe, die Bücher – auch in arabischer Sprache – herstellen sollte. Bereits in den Jahren 1846/47 wurde mit österreichischem Geld ein entsprechendes Unternehmen ins Leben gerufen.

7

Eliav – Haider (Hg.): Österreich und das Heilige Land. Dok.2: Stürmer an Metternich, Constantinopel, 1845 März 5. 100.

8

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass sich die tatsächliche Tätigkeit des österreichischen Konsulats in Jerusalem vor allem in den Schutzangelegenheiten in der Folge jedoch vornehmlich auf die von Metternich nicht einmal erwähnte zahlenstarke jüdische Bevölkerung bezog. Dazu ausführlich Eliav – Haider (Hg.): Österreich und das Heilige Land.

9

Eliav – Haider (Hg.): Österreich und das Heilige Land. Dok.3: Vortrag Metternichs an Kaiser Ferdinand, Wien, 1846 Februar 24. 102f.

10

Katholiken und Orthodoxe gerieten aufgrund der besonderen Besitzverhältnisse an den Heiligen Stätten jahraus, jahrein in – zum Teil tätliche – Auseinandersetzungen, besonders häufig in der Grabeskirche in Jerusalem und in der Geburtsgrotte in Bethlehem. Im Hintergrund dieser oft vordergründig scheinenden Konflikte standen stets ausgeprägte (kirchen-)politische Interessen.

11

Eliav – Haider (Hg.): Österreich und das Heilige Land. Dok.5: Stürmer an Pizzamano, Constantinopel, 1849 Jänner 9. 107–110.

12

Vgl. Eliav – Haider (Hg.): Österreich und das Heilige Land. Dok.16, 18–20. Österreich besaß des Weiteren ein Vizekonsulat in Jaffa (bis 1871 eine Konsularagentie), seit 1858 eine Konsularagentie in Safed und seit dem Ende des 19. Jahrhunderts eine weitere in Haifa.

13

Vgl. Loritz, Urban: Blätter aus dem Tagebuche meiner Pilgerreise in das heilige Land im Jahre 1855. Wien, [1856]. 3.

14

Breycha-Vauthier, Arthur: Österreich in der Levante. Geschichte und Geschichten einer alten Freundschaft. Wien–München, 1972. 59.

15

Vgl. Eliav – Haider (Hg.): Österreich und das Heilige Land. Dok.159: Jahresbericht des Vizekonsulats pro 1910, Jaffa, November 1911. 479f.

16

Siehe zum Hospiz nunmehr Wohnout, Helmut: Das österreichische Hospiz in Jerusalem. Geschichte des Pilgerhauses an der Via Dolorosa. Wien–Köln–Weimar, 2000. Ders.: Das österreichische Hospiz. In: Böhler (Hg.): Mit Szepter und Pilgerstab. 75–88.

17

Für die innere Verwaltung des Hauses wurden ab 1895/96 zusätzlich Schwestern der schlesischen Kongregation des Hl. Karl Borromäus aus dem Provinzialhaus in Alexandrien zugezogen

18

Vgl. zu Tantur Stransky, Thomas F.: Das österreichische Hospital am Tantur. In: Böhler (Hg.): Mit Szepter und Pilgerstab. 267–279. Ders., The Austrian Hospital at Tantur (1869–1918). In: Wrba, Marian (Hg.): Austrian Presence in the Holy Land in the 19th and early 20th Century. Proceedings of the Symposium in the Austrian Hospice in Jerusalem on March 1–2, 1995. Tel Aviv, 1996. 98–121.   

19

Vgl. Haider, Barbara: Zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Kirche und Staat in Österreich(-Ungarn) und das Heilige Land 1843/49–1917. In: Böhler (Hg.): Mit Szepter und Pilgerstab. 66f. Die Übergabe des Hauses an die Brüder erfolgte am 1. Jänner 1894.

20

Eliav – Haider (Hg.): Österreich und das Heilige Land. Dok.116: Vortrag Gołuchowskis an Kaiser Franz Joseph, Wien, 1897 November 13. 358–362, Zitat 361. Konsul Jehlitschka in seinem Bericht nach Wien in richtiger Einschätzung des Ereignisses: „Der Eindruck dieses Ereignisses auf die hiesigen katholischen Kreise ist [...] ein bedeutender [...]. [...] Für Deutschland bedeutet die Erwerbung des ersten unter nationalem Schutze stehenden katholischen Sanctuariums [...] ein kirchenpolitisches Ereignis von nicht geringer Tragweite.” Ebda. Dok.118: Jehlitschka an Gołuchowski, Jerusalem, 1898 November 4. 365–370, Zitat 367.

21

Vgl. dazu Haider: Zwischen Anspruch und Wirklichkeit. 67–70.

22

Vgl. Ramhardter, Günther: Propaganda und Außenpolitik. In: Wandruszka, Adam – Urbanitsch, Peter (Hg.): Die Habsburgermonarchie 1848–1918. Bd. VI/1. Wien, 1989. 519.

23

Zitiert nach Breycha-Vauthier: Österreich in der Levante. 41.

24

Weiß, Johann: Reise nach Jerusalem und Wanderungen im heiligen Lande. Dem katholischen Volke erzählt. Zweite Vereinsgabe des Katholischen Pressvereines in der Diöcese Seckau für das Jahr 1902. Erster Theil. Graz, 1902. 43.

Begegnungen16_GlatzH

Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 16:157–173.

FERENC HENRIK GLATZ

Wohnbauförderung in Ungarn

 

Überblick über den Immobilienmarkt in Ungarn

Im ungarischen Wirtschaftsleben gibt es zahlreiche Bereiche, in denen im Vergleich zu entwickelten Marktwirtschaften – im Speziellen zu der Europäischen Union – erhebliche Rückstände feststellbar sind. Einer dieser Bereiche ist der Wohnungsmarkt.

Während in den entwickelten europäischen Ländern zum Erwerb eines durchschnittlichen Heimes das Einkommen von drei Jahren notwendig ist, muss in Ungarn das Einkommen von mindestens sechs Jahren aufgewendet werden.

In Ungarn werden durchschnittlich 10 Prozent der Kosten des Wohnbaus aus Kreditquellen bestritten. Dieser Anteil beträgt in den Staaten der EU 70 bis 80 Prozent, in den USA gar 90 bis 95 Prozent.

Es zeigt sich also, dass ohne eine starke Erhöhung des Anteils der Kreditquellen keine signifikante Änderung am ungarischen Wohnungsmarkt herbeigeführt werden kann, da die ungarischen Bürger nicht über ein für diese Änderung ausreichendes Einkommen verfügen.

Sowohl im Vergleich zu den entwickelten Staaten als auch zu den Normen der EU zeigt sich ein bedeutender Unterschied in der Konstellation des ungarischen Wohnungsbestandes. Während in den besagten Staaten der Anteil der Mietwohnungen am gesamten Wohnungsbestand 30 bis 40 Prozent beträgt, bewegt sich dieser Anteil in Ungarn – bewirkt vor allem durch die rasche Wohnungsprivatisierung nach dem Systemwechsel – zwischen 7 und 9 Prozent.1 Diese Prozentzahl enthält 5 Prozent Mietwohnungen in Gemeindeeigentum, welche auch die Kategorie der sog. Sozialmietwohnung umfasst, und 2 bis 4 Prozent im Privateigentum stehenden sog. Marktmietwohnungsbestand.

Nach Gebieten bzw. Regionen aufgeteilt, zeigt dieser Anteil noch erheblichere Abweichungen. In größeren Siedlungen und Städten bewegt er sich zwischen 1 und 5 Prozent, in Budapest ist er höher, etwa 7 bis 14 Prozent.

Die Mobilität der ungarischen Bevölkerung ist vergleichsweise gering. Ein ungarischer Bürger zieht im Laufe seines Lebens im Durchschnitt dreimal in ein neues Heim. In den entwickelten Ländern geschieht dies durchschnittlich fünf- bis sechsmal. Die so genannte Wohnmobilität ist in entwickelten Marktwirtschaften also wesentlich höher als in Ungarn. Zurzeit gibt es in Ungarn etwa 4.050.000 Wohnungen.

Bei 55 Prozent wären kleinere oder größere Renovierungen oder Modernisierungen notwendig. Auch dies ist kein besonders günstiger Wert. Etwa 400.000 Wohnungen – 10 Prozent des Gesamtbestandes also – sind abbruchsreif.

Hinsichtlich der Zusammensetzung der angewandten Bautechnologien der Wohnungen gibt es etwa 600.000 mit sog. industriellen Bautechnologien gefertigte Plattenbauwohnungen. Der Großteil von ihnen ist in Anbetracht ihrer Fertigungszeit (vor 10–35 Jahre) reif für Renovierungen oder Modernisierungen.

Nach Expertenmeinung könnten etwa 30 Prozent des Energieverbrauches über Fernwärme mit der Modernisierung der Isolierung dieser Plattenbauten eingespart werden. Aber auch die Erneuerung der technischen Anlagen der Wohnungen dieses Typs wäre notwendig.

Auch die Renovierung der mit sog. herkömmlichen Baumethoden gebauten Wohnungen, der Gemeinschaftshäuser und Wohnungsgenossenschaften stellt für die Eigentümer eine erhebliche Belastung dar, wobei der Einbau moderner Materialien und die Erneuerung und Verbesserung der Isolierungen hohe Kosten verursachen. Zurzeit ist auch die Finanzierung der Erneuerung und Modernisierung der im Miteigentum befindlichen Liegenschaftsteile nicht gelöst.

Die Änderung dieser Tatsachen plante die ungarische Orbán-Regierung, als sie ihr Programm zur Schaffung neuer Heime startete.

Das Programm begann am 1. 2. 2000 und schritt etappenweise voran, wobei die Entfaltung der Gesamtkonstruktion für März 2002 geplant war. Im Rahmen des Programms entstanden mehrere Formen der Förderung.

 

Die Entwicklung der Wohnungssituation und die Förderungsmaßnahmen nach dem Systemwechsel in Ungarn

Wohnungssituation und Bauförderung vor 1989

Das bezeichnende Merkmal der Wohnungssituation in Ungarn war zum Zeitpunkt des Systemwechsels die im staatlichen Eigentum stehende Wohnung. Sie war speziell in den Großstädten und in Budapest typisch. Im staatlichen Wohnbau bestimmten die entsprechenden „wohnrechtlichen” Rechtsvorschriften, wer zur Miete einer staatlichen Wohnung berechtigt war. Die Entscheidung und Zuweisung erfolgte im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens durch die so genannten Wohnungsabteilungen.

Als Maßstab diente die „Größe des Bedarfs”. Jungverheiratete und Kinder erziehende Eltern wurden bevorzugt, die Anzahl der Kinder wurde besonders berücksichtigt. Wer die in der Rechtsnorm bestimmte Einkommenslage erreicht beziehungsweise überschritten hatte, hatte keinen Anspruch mehr auf eine staatliche Mietwohnung. Die Betroffenen mussten ihren Wohnbedarf selbst, „aus eigener Kraft”, decken.

Die „eigene Kraft” bedeutete in erster Linie den Kauf von durch die OTP (Landessparkasse) als investierende Bank gebauten Gemeinschaftshäusern und Genossenschaftswohnungen.

Die OTP war in einer Doppelrolle tätig: Als staatliche Bank und Investor legte sie einerseits die Baukosten und den Preis der zu verwertenden Wohnungen fest, andererseits konnte sie als Bank auf Antrag auch die notwendigen Kredite mit günstiger Laufzeit und niedrigen Zinsen (durchschnittlich 2 bis 3 Prozent) gewähren. Die Laufzeit betrug zwischen 10 und 25 Jahren. Gemäß ihrer Geschäftspolitik bevorzugte die OTP Käufer, die bar oder in Valuten zahlen konnten.

Auch zu der auf dem Land üblichen Wohnbauform, dem Bau von Einfamilienhäusern, gewährte die OTP Kredite zu den gleichen Konditionen wie zum Wohnungskauf. Wie die Käufer „aus eigener Kraft” erhielten auch die Hausbauer die nach der Anzahl der Kinder festgelegte „familienpolitische Förderung”. Diese wurden von der OTP bei bereits geborenen Kindern bzw. für höchstens zwei Kinder im Falle von Jungverheirateten sogar bevorschusst, verpflichtete aber die Antragssteller zur Rückzahlung des Betrages, wenn die im Vertrag (und im Gesetz) festgeschriebene Anzahl von Kindern nicht geboren wurde.

Die gesamte Kreditkonstruktion wurde von der OTP abgewickelt (sie war Verkäufer und Kreditgeber gleichzeitig); sie rief sogar die nach der Anzahl der Kinder gebührende Förderung aus dem Staatsbudget ab.

In kleineren Siedlungen war die Situation umgekehrt. Anstatt der als staatlich oder OTP-Investition gebauten Wohnungskonstruktionen war eher der Bau von Einfamilienhäusern aus eigener Kraft bezeichnend. Dazu steuerten die lokalen Selbstverwaltungen meist die Grundstücke zu günstigen Preisen sowie die Infrastruktur kostenlos oder – später – zum Selbstkostenpreis bei. (Sie boten Grundstücke mit voller Infrastruktur an.)

Der Staat unterstützte vor allem jene Bürger bei ihrem Wohnungserwerb, die ihre Wohnungsnot aus eigener Kraft lösten, indem sie zu Liegenschaftseigentümern wurden. Ein Teil der Unterstützung bestand aus der für einen bestimmten Zeitraum – meist für 25 Jahre – gewährten Befreiung der erworbenen Liegenschaft von der Steuerpflicht. Diese Steuerbefreiung fiel meistens mit der 25-jährigen Laufzeit der OTP-Kredite zusammen. Während der Laufzeit des OTP-Kredits musste also als „staatliche Förderungsform” keine Gebäudesteuer bezahlt werden.

Zusammenfassend kann man feststellen, dass bis zum Systemwechsel jeder ungarischer Staatsbürger ein subjektives Recht auf eine Wohnung hatte. Löste er seine Wohnungsnot aber aus eigener Kraft, gewährte der Staat eine nicht rückzahlungspflichtige Förderung (Bevorschussung bei zwei Kindern), einen günstig verzinsten Kredit mit langer Laufzeit (wenn die Beurteilung des Kreditansuchens günstig ausfiel) und für die Dauer der Laufzeit eine Steuerbefreiung bezüglich des Wohnungseigentums.

Über die Formen der staatlichen Förderung hinaus konnte jeder Staatsbürger, der einen ständigen Arbeitsplatz hatte, ein sog. zinsfreies Darlehen aufnehmen (Arbeitgeberdarlehen). Dieses wurde ebenfalls von der OTP ausbezahlt und konnte – nur von einer Bearbeitungsgebühr der OTP (3 bis 5 Prozent) belastet – mit einer Laufzeit von 5 bis 10 Jahren in Raten abbezahlt werden. Dieses Darlehen wurde bei Baubeginn im Zuge der Überprüfung des Kreditansuchens bei der OTP als Eigenmittel berücksichtigt.

Nach 1989

Mit dem Inkrafttreten des Umsatzsteuergesetzes nach dem Systemwechsel, der eine sofortige 25-prozentige Preiserhöhung mit sich brachte, erfuhr das System des Wohnbaus eine grundlegende Änderung. Mit der „Marktkonditionierung” der Kredite wurden die Zinsen schlagartig von 2 auf 16 bis 26 Prozent erhöht. Die OTP eröffnete ihren Kreditnehmern vor dem einseitigen Umstieg die Möglichkeit, ihre Schulden mit der Zahlung von 70 Prozent der mit Zinseszinsen gerechneten Forderung in einem Betrag zu begleichen.

Jene Kreditnehmer, die dazu nicht in der Lage waren, gerieten in eine Schuldenfalle: Sie konnten die aus der Zeit vor dem Systemwechsel „mitgebrachte” Kapitalschuld und die marktgerechten Zinsen nicht bezahlen. Zur Erleichterung der Zahlung bot auf Antrag das Sozial- und Familienministerium innerhalb des Rahmens einer im Jahresbudget bestimmten Summe eine soziale Förderung zur Zinsdifferenz. Die OTP verwaltet auch heute noch 25.000 bis 40.000 solcher Verträge.

Zu diesen Kreditkonstruktionen gehören auch jene Kredite, welche im Zuge des Verkaufs einer hohen Anzahl an staatlichen Wohnungen an den Mieter aufgenommen wurden.

Die Wohnungen wurden in erster Linie deren Bewohnern zum 40- bis 60-prozentigen Marktwert verkauft. Auch der Marktwert wurde nach sozialen Gesichtspunkten festgestellt (Vergünstigungen z. B. für Pensionäre).

An der Veräußerung wirkte in den meisten Fällen die OTP mit, da auch der so festgestellte Kaufpreis mit einem Kredit beglichen oder in Raten abbezahlt werden konnte. Für die Dauer der Abzahlung ließ die OTP bis zur Höhe der Gesamtsumme ein Veräußerungs- und Belastungsverbot eintragen, dessen Löschung nur anhand der der Bezahlung der gesamten Forderung folgenden Erklärung ihrerseits erfolgen konnte. Die mit solchen Forderungen belasteten Liegenschaften konnten nur ausnahmsweise und nur in äußerst berücksichtigungswürdigen Fällen veräußert werden, in denen die OTP mit dem neuen Eigentümer die Übernahme der Forderung vertraglich vereinbarte oder die im Zuge der über sie laufenden Kaufpreiszahlung die Forderung vom Kaufpreis einbehielt.

Eine weitere Förderung genossen pensionierte Mieter beim Kauf ihrer gemieteten Wohnung. Machten sie ihr Vorkaufsrecht geltend, erhielten sie eine weitere Vergünstigung bei der Feststellung des Kaufpreises. Konnten oder wollten sie hingegen die Wohnung nicht kaufen, bekamen sie eine gesetzliche Garantie, dass sie der neue Eigentümer fünf Jahre lang nicht delogieren und die Miete nicht über jenes Maß (auf marktgerechtes Niveau) erhöhen dürfe, das für staatliche Wohnungen kundgemacht worden war.

Hand in Hand mit dem massiven Wohnungsverkauf wurde die Liegenschaftssteuer aufgehoben. Zurzeit sind zwar die lokalen Selbstverwaltungen (Gemeinden) zur Einhebung von Gebäudesteuern berechtigt, jedoch stellen hierbei die zu Wohnzwecken benutzten Gebäude(teile) Ausnahmen dar. Die Liegenschaftssteuer kann demnach nach Werkstätten, Garagen und sonstigen Wirtschaftsgebäuden sowie nach den zumeist zu Urlaubszwecken benutzten Liegenschaften ausländischer Eigentümer eingehoben werden. (Der Rechtsgrund für Letzteres ist aus verfassungsrechtlicher Sicht umstritten.)

Nach 1989 wurde zur Entwicklung der Infrastruktur neben staatlichen Förderungen auch privates Kapital in Anspruch genommen und der Bedarf der Bevölkerung an Infrastruktur (Gas, Wasser, Kanalisation etc.) in Form von „Infrastrukturgesellschaften” gelöst. Für neu errichtete Infrastruktur haben die Liegenschaftseigentümer eine einmalige Eintrittsgebühr und später, schon als Mitglieder, die Gebühren der Dienstleistungen (Wasser- und Kanalisationsgebühr etc.) zu bezahlen.

Das Wohnbauinteresse ließ nach 1994 deutlich nach; die Renovierung von Wohnungen, die Erhöhung der Komfortstufe und die Sicherung von höherwertigen Wohnumständen trat in den Vordergrund.

Die Anzahl der neu gebauten Wohnungen entspricht in etwa dem Bestand der allmählich verschwindenden (Abriss, Auflassung) Wohnungen. Zwischen der Wohnmobilität der Städte und jener der ländlichen Gemeinden ist eine signifikante Abweichung festzustellen.

Die derzeit geltende Förderungskonstruktion der zwischen 1998 und 2002 tätigen Regierung Orban – sie dehnte den Zinszuschuss auf gebrauchte Wohnungen aus – könnte auf dem Markt der gebrauchten Wohnungen mit einer erheblichen Preiserhöhung, auf dem der neuen Wohnungen mit einer Preisminderung einhergehen. Nach Analystenmeinung ist diese Annahme zwar logisch, aber nicht zwingend.

Nach der Ansicht der Leiter des Informations- und Wirtschaftsforschungsbüros bewirkt die Maßnahme zwar die Steigerung der Nachfrage, was an sich einen preissteigernden Effekt darstellt, doch zeigt die Erfahrung, dass von dem 4 Millionen Wohnungen zählenden ungarischen Wohnungsbestand nur 10 Prozent, ca. 300.000 bis 400.000 Wohnungen, auf dem Markt präsent sind. In Folge einer derartigen Erhöhung des Angebots kann nur von einer Preissteigerung von unter 10 Prozent ausgegangen werden.

Nach Meinung einiger Immobilienmakler hat die jährliche Nachfrage nach 35.000 bis 40.000 neuen Wohnungen nicht abgenommen und wird sogar – in der Zukunft – noch steigen. (Für den Bau oder Kauf einer neuen Wohnung muss meist die alte verkauft werden.) Es ist absehbar, dass sich das Verhältnis der Kredite, die zum Kauf der neuen und der gebrauchten Wohnungen in Anspruch genommen werden, nicht signifikant ändern wird.

Trotz der Änderung der Zinsen (durch die diversen Förderungsformen haben sie stark abgenommen) ist der Zugang zu den Krediten nicht leichter geworden. So müssen zum Beispiel beim Kauf einer gebrauchten Wohnung 30 Prozent des Kaufpreises als Eigenmittel nachgewiesen werden. Gleichzeitig hat die Bodenkredit- und Hypothekenbank (Földhitel- és Jelzálogbank) jenen Teil des Kaufpreises, der als Kredit aufgenommen werden kann, mit höchstens 60 Prozent festgesetzt. Bei einem Zins von 6 Prozent muss der Käufer 50 Prozent des Kaufpreises einer neuen Wohnung selbst aufbringen. Verfügt er nicht über diese Summe, kann er aber eine entsprechende Liegenschaft als Sicherheit anbieten, kann das Kreditinstitut – bei grundbücherlicher Einverleibung von Hypotheken – die erforderlichen Eigenmittel bis auf 20 Prozent senken. Bei zwei oder mehreren zur Sicherheit angebotenen Liegenschaften kann die Bank sogar ganz von der Erfordernis einer Mindestsumme von Eigenmitteln absehen.

Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass sich die ungarischen Kreditnehmer in ihren Entscheidungen von der Höhe der Zinsen nicht übermäßig beeinflussen lassen, viel mehr macht das Verhältnis der Schuldenlast und des Einkommens aus.

Menschen mit niedrigem Einkommen suchen also nach wie vor nicht um Zinszuschuss an. Auf dem Wohnungsmarkt sind die langfristigen Entscheidungen der Haushalte maßgeblich, die nicht oder nur im geringen Maße von den Entscheidungen über Zinszuschüsse beeinflusst werden. Ein junges Ehepaar unter 35 Jahren (mit Durchschnittseinkommen) mit zwei Kindern ist zum Beispiel für die Banken derzeit nicht kreditwürdig. Als solche werden die Mitglieder der oberen Schicht des sog. bürgerlichen Mittelstandes bewertet.

Förderungsformen

Gemäß der Regierungsverordnung Nr. 12/2001 vom 31. 1. 2001 und deren mittlerweile erfolgten Modifikationen gibt es folgende staatliche Unterstützungen zu Wohnzwecken:

a) Wohnbau(-kauf)förderung

b) Förderung zur Hindernisbeseitigung

c) Steuerrückerstattung

d) Zinszuschuss zu durch Pfandbrief refinanzierten Krediten

e) Ergänzender Zinszuschuss

f) Zinszuschuss zur Wohnhausrenovierung und zur Schaffung von Wasserleitungs- und Kanalisationsanlagen

g) Zinszuschuss für Siedlungsselbstverwaltungen2

h) Von den Gemeinden gewährte Förderung

i) Förderung der Gemeinden zur Erhöhung des Mietwohnungsbestandes im Gemeindeeigentum, zur Renovierung und Modernisierung zu Energiesparzwecken der mit industriellen Baumethoden gefertigten Wohngebäude3, zur Renovierung und Modernisierung der großstädtischen Häuserblöcke, zur Schaffung von mit Infrastruktur versehenen Baugrundstücken, zur Unterstützung der Kirchen bei der Renovierung und Modernisierung der Wohnzwecken dienenden, im Eigentum der Kirchen stehenden Liegenschaften und zum Bau von Seniorenheimen.

Die Voraussetzungen zur Erlangung der einzelnen Förderungsformen können in zwei Typen unterteilt werden:

a) Direkte Förderungsformen, die, an das subjektive Recht des Staatsbürgers geknüpft, nach Maßgabe der Berechtigung in Anspruch genommen werden können.

Solche Förderungen sind:

– Förderungen, welche nach den Kindern und den gemeinsam wohnenden Unterhaltsgenießern gebühren,

– Förderungen zur Hindernisbeseitigung (zur Erleichterung der Lebensführung von körperlich Behinderten) und

– die Steuerrückerstattung (Umsatzsteuer, Einkommenssteuer).

b) Indirekte Förderungsformen, welche den Staatsbürgern von der Entscheidung über die Kreditgewährung abhängig gebühren und deren Überweisung und Verwaltung nur über das kreditgewährende Kreditinstitut erfolgen darf.

Solche Förderungen sind:

– Zinszuschüsse,

– ergänzende Zinszuschüsse,

– von den Gemeinden gewährte Förderungsformen,

– Förderung der Gemeinden und Kirchen:

1. zur Erhöhung des Mietwohnungsbestandes (Bau von Sozialmietwohnungen, von Junggesellenwohnungen [Garconniers], von Pensionärshäusern und Seniorenheimen)

2. zur Renovierung und Modernisierung von Wohngebäuden zu Energiesparzwecken

3. zum „Modernisierungs- und Erneuerungsprogramm der großstädtischen Häuserblöcke”

4. zur Schaffung von mit Infrastruktur versehenen Baugrundstücken

5. zur Renovierung und Modernisierung der Wohnzwecken dienenden, im Eigentum der Kirchen stehenden Liegenschaften.

Die finanzielle Deckung der Regierungsverordnung über die staatliche Wohnungsförderung wird von den im Gesetz über das Staatsbudget – das zurzeit zwei Jahre (2001–2002) umfasst – für diesen Zweck bestimmten Voranschlägen gewährleistet. Die Voranschläge wurden – entsprechend der Art der Förderung – im Budget der verwaltungsmäßig zuständigen Sparte getrennt bestimmt.

Im Falle von geförderten Konstruktionen gewährt der Staat zu den Zinsen der durch inländische Kredit- oder Versicherungsinstitute gewährten Kredite bzw. zu den Zinsen des Pfandbriefes über die dazu bestimmte Hypothekenbank Förderungen für die gesamte Laufzeit, aber längstens für die ersten 20 Jahre der Laufzeit der zugrunde liegenden Kredite.

Die Förderung beträgt in den ersten fünf Jahren der Laufzeit 7 Prozentpunkte, aber höchstens so viel wie die Höhe des Hypothekenzinses. Für die darauf folgenden Jahre bestimmte die Regierung die Höhe der Förderung noch vor dem 15. Juni 2004 derart, dass dadurch die Belastung der Schuldner nicht steigt.

Neben dem Zinszuschuss kann das Hypothekeninstitut über die Kapitalschuld der erworbenen Hypothek hinaus zum Kostenersatz auch 2 Prozent der bestehenden Kapitalschuld vom Ungarischen Schatzamt (Magyar Államkincstár) bzw. von dessen Hintergrundinstitut, dem Ungarischen Staatshaushaltsamt (Magyar Államháztartási Hivatal), verlangen.

Die Rückerstattungskonstruktion des ergänzenden Zinszuschusses ist mit jener der Förderungen identisch, ihr Ausmaß jedoch vom Ertrag der Staatspapiere abhängig.

Die Formen des ergänzenden staatlichen Zinszuschusses erstrecken sich nicht auf die niedrig und fix verzinsten Wohnungskredite, welche aufgrund von Bausparverträgen gemäß dem Gesetz CXIII/1996 über die Bausparkassen ausbezahlt worden sind4.

Mit der Koordination des staatlichen Zinszuschusses hat die Regierung die Bodenkredit- und Hypothekenbank (Földhitel- és Jelzálogbank) unter Einbeziehung des Netzes der mit dieser kooperierenden Kommerzbanken betraut.

Das Interesse der Banken an den staatlich unterstützten Kreditformen ist groß und wächst kontinuierlich.5

Nach Erscheinen der einzelnen neuen und neueren Konstruktionen werden voraussichtlich innerhalb kurzer Zeit auch die anderen Banken mit ähnlichen Angeboten auf dem Markt präsent sein.

Es ist erwähnenswert, dass die OTP Bank AG ab April 2002 mit neuen Konditionen und Vertragsbedingungen im Rahmen der geförderten Konstruktion Kredite zu Wohnzwecken auszahlt. Der Vorteil der OTP gegenüber den anderen in Ungarn tätigen Kreditinstituten ist, dass sie über ein das gesamte Land abdeckendes Filialennetz verfügt.

Die einzelnen Geldinstitute bieten neben den staatlich geförderten Formen des Wohnungserwerbs auch weiterhin ihre zu den verschiedenen für den Wohnungsbau und -kauf sowie anderen Liegenschaftserwerb entwickelten Kreditmodelle an. Es handelt sich hier um nichtgeförderte, marktgerechte Kreditkonstruktionen.6

Der Durchbruch in der Beschleunigung des Wohnbaus wird für die Jahre 2003–2004 prognostiziert. Dieser wird durch den Kauf von gebrauchten Wohnungen ergänzt.

Nach einer Publikation des Statistischen Zentralamtes (Központi Statisztikai Hivatal) wurden 1999 19.287 neue Wohnungen gebaut. Diese Zahl betrug 2000 bereits 21.583, 2001 wurden 28.000 neue Wohnungen fertiggestellt. Im Jahr 2001 wurden 44.700 Baugenehmigungen erteilt, die Fertigstellung der übrigen Wohnungen dauerte über das Jahr hinaus an.

Die Entwicklung der Wohnbaus war langsamer als erwartet, man hatte mit dem Bau von 35.000 neuen Wohnungen gerechnet. Die Prognosen werden dadurch erschwert, dass etwa die Hälfte der neuen Wohnungen von den Bauherren selbst, mit familiärer Hilfe oder mit gegenseitiger Nachbarschaftshilfe errichtet werden. Die Zahl der Baugenehmigungen zeigt eine 7-prozentige Steigerung.

Laut Behörden besteht die Tendenz, dass sich der Wohnbau kontinuierlich in die Städte und Siedlungsagglomerationen verlagert (22 bzw. 15 %). Die Durchlauf- und Bauzeit wurde durchschnittlich vier Monate kürzer, bei den im Jahr 2001 übernommenen Wohnungen betrug sie 525 Tage. Die Wohnungen in den Städten wurden doppelt so schnell fertiggestellt wie die in Gemeinden auf dem Land.

Im Jahr 2001 wurden 74 Prozent der Wohnungen von der Bevölkerung, 22 Prozent von diversen Unternehmen gebaut.

Als Investition der staatlichen Stellen oder der Gemeinden wurden im Vorjahr 300 Wohnungen, im Jahr 2000 200 Wohnungen gebaut. Im vergangenen Jahr wurden mehr kleine Wohnungen errichtet als im Jahr davor, 22 Prozent der neuen Wohnungen sind nicht größer als 60 m2. Die durchschnittliche Wohnfläche der Familienhäuser liegt unter 97 m2.

Nach einer Erhebung haben im Vorjahr 17.200 Kreditbewerber Wohnungskreditverträge mit staatlichem Zinszuschuss für Kauf oder Bau neuer Wohnungen im Wert von 72 Milliarden Forint mit den Banken geschlossen. Die Kredite wurden anfänglich mit 8, später 6 und als Folge des Zinswettbewerbs sogar mit 2 bis 3 Prozent Zinsen aufgenommen.

Auf dem staatlich nichtgeförderten Kreditmarkt betrug im gleichen Zeitraum die kreditierte Summe 51,3 Milliarden Forint. Dazu kam noch die Summe der für anderweitige Wohnungszwecke aufgenommenen Kredite. Insgesamt waren weniger als 50 Prozent der im Jahr 2001 aufgenommenen Kredite gefördert.

 

Berechnungsbeispiel

Wie bereits erwähnt, kann eine über Durchschnittseinkommen verfügende Familie keinen Hypothekarkredit über die zum Kauf einer neuen Wohnung ausreichende Summe aufnehmen, und wie auch die Tabellen über die Förderungsformen dies zeigen, gibt es zurzeit keine Förderung in Form einer staatlichen Haftungsübernahme. Nach den Vorschriften der kreditierenden Geldinstitute darf die monatliche Rate höchstens 30 bis 50 Prozent des monatlichen Nettoeinkommens der Haushalte betragen.

Das Brutto-Durchschnittseinkommen in Ungarn beträgt derzeit etwa 100.000 Forint, welches ein Netto-Durchschnittseinkommen von ca. 60.000 bis 70.000 Forint bedeutet. In unserem Beispiel muss auch berücksichtigt werden, dass Mütter unter 35 Jahren mit zwei Kindern gar nicht oder nicht in Vollzeit arbeiten und so auch ihr Einkommen nicht den Durchschnittswert erreicht. Das so errechnete Netto- Durchschnittseinkommen pro Haushalt (ca. 100.000 bis 120.000 Ft, also höchstens 50.000 bis 60.000 Ft Monatsrate) ermöglicht nicht die Aufnahme größerer (zum Kauf neuer Liegenschaften ausreichender) Kredite, es reicht nur zur Erlangung eines den Kauf einer Liegenschaft ergänzenden Kredites (im Falle eines Tausches).

Zum Kauf von neuen Wohnungen können die Familien mit Kindern oder diejenigen, die Kinder planen, die so genannte sozialpolitische Förderung beanspruchen. Es ist erwähnenswert, dass in den Rechtsvorschriften keine obere Einkommensgrenze festgesetzt wurde. Hohes Einkommen stellt somit kein Hindernis (sondern einen Vorteil) dar; niedriges Einkommen ist hingegen ein Ausschließungsgrund. Es kann festgestellt werden, dass die Gewährung von geförderten Liegenschaftskrediten allein nach den Kriterien des Marktes und nicht nach dem finanziellen Bedarf erfolgt. Die Schranken bilden die Größe (Größe des Bedarfs) bzw. der Wert (die höchstens kreditierbare Summe) der Liegenschaft.

Die mit dem Bau von Wohnhäusern zu Verkaufszwecken beschäftigten Unternehmen und ihre Auftragnehmer sind nicht zur Inanspruchnahme der staatlichen Förderungen berechtigt; sie nehmen die benötigten Kredite mit marktgerechten Zinsen auf. Nach einer verbreiteten Übung verwerten die Bauunternehmen beim Bau neuer Wohnungen den Großteil dieser Wohnungen bereits in der Planungsphase und erlangen so schon während der Bauphase als Vorschuss oder Zug um Zug mit ihren erbrachten Leistungen Einnahmen von den künftigen Eigentümern.

 

Die aktuelle Lage des Grundbuchwesens in Ungarn; Immobilien Transaktionen

Vor dem Systemwechsel, 1989

Für Ungarn als Teil der Österreichisch-Ungarischen Monarchie wurde ab 1851 für die Registratur von Liegenschaften, in erster Linie für die Registrierung des Eigentums, das österreichische System per kaiserlichem Patent adaptiert. Das Grundbuchsystem – nach dem die Grundbuchämter neben den Gerichten tätig waren – war bis 1972 in Geltung, als es zu einer umfangreichen Reform des Grundbuchs kam. Diese wurde unmittelbar mit der organisatorischen, kompetenzmäßigen und formellen Vereinheitlichung begründet; praktisch war jedoch die Erfassung der in den Eigentumsverhältnissen eingetretenen Änderungen mit dem alten System nicht mehr möglich. Auch die doppelte Registratur der staatlichen und privaten Liegenschaften musste vereinheitlicht werden. Ab 1973 wurde die Führung des Grundbuchs in den Kompetenzbereich des als Staatsverwaltungsorgan eingerichteten Grundbuchamtes gelegt, dessen übergeordnetes Organ das Landwirtschaftsministerium war.

Eine weitere große Änderung für das Grundbuch bedeutete jene ab 1990 sich entfaltende Eigentumsreform, die nach dem Systemwechsel 1989 einsetzte und deren Folge ein sprunghafter Anstieg der in Privateigentum gelangten Liegenschaften war. Die Reform hatte in der Landwirtschaft die Einstellung und Auflösung des Bodenbesitzsystems sozialistischen Typs, die Wiederherstellung der Eigentumsverhältnisse der ursprünglichen Bodenbesitzer bzw. der Rechtsnachfolger, die Ordnung der Anteileigentümer und die Abwicklung der mit dem Boden verbundenen Reparation zur Folge und ging bei den nichtlandwirtschaftlichen Liegenschaften mit dem Verkauf des erheblichen Wohnungsbestandes im Staatseigentum (staatlichen Wohnsiedlungen, Mietwohnungen) und somit dem Erscheinen einer großen Anzahl von privaten Eigentümern einher.

Die Neuordnung der Eigentumsverhältnisse bedeutete in den größeren Städten und in Budapest mehrere Hunderttausend neue Wohnungseigentümer (Eigentumswohnungen, Genossenschaftswohnungen), deren Eigentum in kurzer Zeit einverleibt werden sollte. (Bis 1990 befanden sich 90 bis 95 Prozent der Wohnungen im Staatseigentum.) Die durch diesen explosionsartig eingetretenen Eigentümerwechsel bedingte hohe Anzahl der Eintragungsansuchen bewirkte einen 2- bis 5-jährigen Arbeitsrückstand in den Grundbuchämtern, in erster Linie im Hauptstädtischen Grundbuchamt. Die langwierige Erledigung wurde dadurch erschwert, dass die Ansuchen zur Einverleibung von den Beamten des Grundbuchamtes auf traditionelle Weise, d. h. manuell bearbeitet wurden. So kam es, dass sich der Stand des Grundbuchs von den realen Eigentumsverhältnissen ziemlich weit entfernte.

Der Durchbruch in der schnelleren Bearbeitung der Ansuchen konnte erst 1993 beginnen, als die EDV-unterstützte Bearbeitung des Grundbuchs möglich wurde. Die rechtliche Grundlage wurde vom Gesetz V/1994 geschaffen, das die EDV-unterstützte Bearbeitung des Grundbuchs einführte, aber Inhalt und Form der geltenden Eintragungen unberührt ließ. Um dies zu ermöglichen bzw. weiterzuentwickeln, war die Überprüfung der betreffenden Rechtsmaterie, vor allem des Verfahrensrechts des Grundbuchs, notwendig, was mit dem Gesetz CXLI/1997 über das Grundbuch auch geschah. Das Gesetz trat am 1. Januar 2000 in Kraft.

Das neue Gesetz behält die Einheit des Grundbuchs bei, nach der die Führung des Inhalts der Bodenregistratur und der Immobilienregistratur an derselben Stelle erfolgt. Die Registrierung der mit den Liegenschaften verbundenen Daten, Rechte und Tatsachen bleibt die Aufgabe des Grundbuchamtes. Zur eindeutigen Identifizierung der Berechtigten enthält das Grundbuch auch Daten zur Personenidentifikation und über die Wohnanschrift. Das Grundbuch erstreckt sich auf alle Liegenschaften des Landes. Das Gesetz deklariert unverändert die Grundsätze des Grundbuchs (Intabulationsprinzip, Vertrauensgrundsatz, Publizitätsprinzip, Antragsprinzip, Legalitätsprinzip, Prioritätsprinzip), welche es von Anfang an bezeichneten.

Für das Grundbuchsverfahren bestimmt die neue Regelung ein eigenes verwaltungsverfahrensrechtliches Regelsystem, dessen rechtlicher Hintergrund einerseits von den allgemeinen Regeln des Verwaltungsverfahrens, andererseits vom Zivilgerichtsverfahren gebildet wird.

Grundbuchämter

Die Organisationsstruktur der Liegenschaftsverwaltung hat sich erst mit der Einführung der einheitlichen Grundbuchsführung herausgebildet. Gemäß der geltenden Regelung erstreckt sich die Verwaltungstätigkeit auf die Erledigung der behördlichen Aufgaben in Verbindung mit dem Bodenbesitz, der Bodennutzung, dem Bodenschutz, der Liegenschaftsregistratur, der Bodenbewertung, der Bodenvermessung und der Kartographie, welche in den Wirkungsbereich der Grundbuchämter gehören. Die zentrale Leitung der Liegenschaftsverwaltung wird vom Minister für Landwirtschaft und regionale Entwicklung wahrgenommen. Die Grundbuchämter befinden sich in den Komitaten, in der Hauptstadt und in den Bezirken.

Die Verwaltungsaufgaben der Liegenschaftsverwaltung werden erstinstanzlich von den Grundbuchämtern in den Bezirken, zweitinstanzlich von den Grundbuchämtern in den Komitaten (in der Hauptstadt) wahrgenommen. Die Führung des Liegenschaftsregisters gehört in den Kompetenzbereich der Bezirksgrundbuchämter, in Budapest in jenen des Grundbuchamtes für hauptstädtische Bezirke.

Der Inhalt der Liegenschaftsregistratur

Das EDV-unterstützte Grundbuch erfasst alle Liegenschaften des Landes nach Siedlungen sowie die mit diesen verknüpften Rechte und rechtlich relevanten Tatsachen. Das Grundbuch enthält auch Daten zur Personenidentifikation und über den Wohnort. Mit dem Vertrauensgrundsatz ist auch jene Pflicht der Betroffenen verbunden, wonach sie binnen 30 Tagen jede Entstehung, jede Änderung und jeden Wegfall der mit der Liegenschaft verbundenen Rechte und Tatsachen beim Grundbuchamt zu melden haben. Einzelne Ausnahmen werden vom Gesetz gesondert bestimmt.

Eintragung

Die die Liegenschaft betreffenden rechtliche Änderungen werden im Allgemeinen erst mit ihrer Eintragung in das Grundbuch wirksam. Dieses Intabulationsprinzip verfolgt das Gesetz konsequent. Die auf der Urkunde basierende Eintragung lässt das in der Übertragung begründete Eigentum und das im Vertrag begründete Recht zur Vermögensverwaltung und zur Bodennutzung, das Nutzungs- und Nießbrauchsrecht, die Grunddienstbarkeiten, die Hypothek und das Pfandrecht entstehen.

Das Eigentumsblatt ist unbedingt öffentlich. Jeder kann es sichten, davon Notizen machen oder amtliche Kopien verlangen. Hinsichtlich der als Grundlage für die Eintragung dienenden Urkunden, dem Verzeichnis der vom Blatt gelöschten Eintragungen und der Identifikation der Berechtigten besteht jedoch eine die Öffentlichkeit einschränkende Rechtsvorschrift (Datenschutz).

Das Grundbuch bezeugt – wenn das Gesetz keine explizite Ausnahme bestimmt – glaubwürdig die Richtigkeit der eingetragenen Rechte und Tatsachen und dient somit der Verkehrssicherheit. Wenn ein Recht oder eine Tatsache zur Einverleibung oder Anmerkung in das Grundbuch gelangt, kann sich niemand auf dessen Unkenntnis berufen.

Eintragbare Rechte

Im Grundbuch können nur folgende Rechte und deren Berechtigte eingetragen werden:

– 1. das Eigentum, bei Staatseigentum das Recht auf Treuhandverwaltung

– 2. ein dem Mitglied der Wohnungsgenossenschaft zustehendes ständiges Nutzungsrecht

– 3. Bodennutzungsrecht

– 4. Nießbrauchs- und Nutzungsrecht

– 5. Grunddienstbarkeit

– 6. ein Vermessungszeichen mit permanentem Charakter, Bodenbewertungsmusterräume sowie ein die Aufstellung von Elektroanlagen sicherndes Nutzungsrecht, ferner ein Leitungsrecht bzw. eine Wasserleitungs- und Bergbaudienstbarkeit (gemeinnützige Nutzungsrechte)

– 7. ein Vor- und Rückkaufrecht sowie ein Kaufrecht

– 8. ein Unterhalts- und Leibrentenrecht

– 9. ein Recht auf Zwangsvollstreckung

– 10. eine Hypothek (ein selbständiges Pfandrecht)

Die Hypothek

Die Paragraphen 251 bis 268 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) enthalten die materiellrechtlichen Regeln der Hypothek. Die Hypothek ist eine dingliche Sicherheit, aus der sich der Berechtigte seine durch die Pfandsache gesicherte, in Geld bestimmte oder bestimmbare Forderung im Falle des Ausbleibens der Leistung durch den Verpflichteten – wenn das Gesetz es nicht anders anordnet – in einem allen anderen Forderungen vorgehenden Rang befriedigen kann. Die Sicherung einer Forderung durch Pfandrecht, welche gerichtlich nicht geltend gemacht werden könnte, ist nichtig.

Die mit der Pfandsache verbundene Haftung entspricht der Forderung, zu deren Sicherung die Pfandsache dient. Sie erstreckt sich auf die Zinsen, auf die Geltendmachung der Forderung und des Pfandrechts und auch auf die für die Pfandsache getätigten notwendigen Aufwendungen. Mit der Übertragung der Forderung wird auch das Pfandrecht einem neuen Berechtigten übertragen. Das Pfandrecht kann nur zusammen mit der Forderung übertragen werden. Wenn die Parteien aus einem bestimmten andauernden Rechtsverhältnis entspringende Forderungen mit Pfandrecht gesichert haben und in dieses Rechtsverhältnis ein neuer Verpflichteter eintritt, dient das Pfandrecht nicht nur zur Sicherung der früher entstandenen Forderungen, sondern auch zur Sicherung jener, welche zu Lasten des neuen Verpflichteten aus dem Rechtsverhältnis entstehen. Im Falle von Liegenschaften kann das Pfandrecht nur für eine ganze, im Grundbuch als eine eigenständige Einheit registrierte Liegenschaft bzw. nur für ganze Eigentumsanteile begründet werden.

Das Pfandrecht kann durch Vertrag, Rechtsnorm oder behördliche Anordnung begründet werden. Zur Begründung von Pfandrechten an Liegenschaften ist die schriftliche Anfertigung eines Pfandvertrags und die grundbücherliche Eintragung des Pfandrechts notwendig. (In der Eintragung ist der Gläubiger namentlich zu bezeichnen!) Weiters hat die Eintragung die Summe der Forderung, samt Summe und Rahmen der Nebenforderungen und Kosten, auf welche sich das Pfandrecht erstrecken soll, zu enthalten. Die Minderung oder das Erlöschen der Forderung bewirkt, vom Inhalt der bücherlichen Eintragung unabhängig, die Minderung oder das Erlöschen des Pfandrechts.

Der Eigentümer kann im Grundbuch anmerken lassen, dass er seine Liegenschaft nicht zu einem höheren als in der Anmerkung angegebenen Betrag mit Hypothek belasten will. Wird innerhalb des in der Anmerkung bestimmten Zeitraums um die Eintragung der Hypothek angesucht, wird der Rang der eingetragenen Hypothek durch den Rang der Anmerkung bestimmt (Reihenfolge der Eintragung).

Die Befriedigung aus der Pfandsache erfolgt – wenn durch Rechtsregel nicht anderes bestimmt – durch gerichtliche Exekution. Die vor der Pfandreife geschlossene Vereinbarung, nach der der Gläubiger mit der Versäumung der Leistungspflicht durch den Schuldner das Eigentum an der Pfandsache erwirbt, ist ungültig.

Eine Hypothek kann an Liegenschaften, an Liegenschaft belastenden übertragbaren Rechten sowie an mit Hypothek gesicherten übertragbaren Forderungen und an selbstständigen Pfandrechten (Grundschuld) begründet und im Grundbuch eingetragen werden. Die Begründung und grundbücherliche Eintragung von Afterhypotheken ist an mit Hypothek gesicherten Forderungen oder an bestehenden Hypotheken, die Eintragung von Hypotheken an Liegenschaften oder Rechten, welche anderen Hypotheken als Grundlage dienen, möglich.

Hypotheken an Liegenschaften können nur für die Gesamtheit der Liegenschaft, bei Liegenschaften im Miteigentum nur für den dem Miteigentümer zustehenden ganzen Anteil begründet und eingetragen werden. Die Forderung muss betragsmäßig in in- oder ausländischer Währung in der Eintragung angegeben werden. Ist die hypothekarisch gesicherte Forderung verzinst oder wurden neben der Rückzahlung des Kapitals auch Nebenleistungen vereinbart, sind die Zinsen oder die Nebenleistungen betragsmäßig oder sonst bestimmt anzuführen.

Müssen an auf mehreren Eigentumsblättern geführten Liegenschaften für die Sicherung derselben Forderung Hypotheken eingetragen werden (Simultanhypothek), muss auf jedem der Blätter auf die Simultanität verwiesen werden. Wird für die Sicherung von Forderungen, welche aus einem andauernden Rechtsverhältnis entstehen, um die Eintragung einer Hypothek angesucht, ist diese mit der Bezeichnung als Höchstbetragshypothek einzuverleiben. Hierbei muss der höchste Betrag angegeben werden, bis zu dem die Höchstbetragshypothek den Forderungen als Sicherheit dienen soll.

Gemäß § 269 ung. BGB kann eine Hypothek auch ohne der zugrunde liegenden Forderung oder mit deren Erlöschen begründet werden. Der Pfandberechtigte kann sich in diesem Fall – bis zur Höhe der im Pfandvertrag bestimmten Summe – ausschließlich aus der mit dem Pfandrecht belasteten Pfandsache befriedigen.

Selbstständige Pfandrechte (Grundschuld) können unter dieser Bezeichnung für ganze Liegenschaften oder ganze Eigentumsanteile bis zu der vereinbarten Summe im Grundbuch einverleibt werden. Der Gläubiger ist in der Eintragung namentlich zu nennen.

Für die Einverleibung von Rechten und Anmerkung von Tatsachen bedarf es solcher Urkunden, welche den Bestimmungen des § 195 des Gesetzes III/1952 über die Zivile Prozessordnung inhaltlich und formell entsprechen. Die Eintragungen bezüglich Begründung, Änderung oder Erlöschen einer Hypothek oder einer Grundschuld können nur aufgrund öffentlicher, oder durch einen Anwalt gegengezeichneter, mit voller Beweiskraft ausgestatteter Privaturkunden erfolgen. Als Gegenzeichnung kann auch die eines Rechtskonsulenten angenommen werden, wenn eine der Vertragsparteien eine durch den Rechtskonsulenten vertretene Organisation ist.

Eine der Begründung oder dem Erlöschen dienende Eintragung kann auch aufgrund einer Privaturkunde stattfinden, welche vom erklärenden Kreditinstitut – unter Anführung seines Namens – vorschriftsmäßig unterzeichnet wurde. Einer nicht in der ungarischen Sprache verfassten Urkunde muss – sofern ein internationales Abkommen nicht anders verfügt – die beglaubigte ungarische Übersetzung beigefügt werden. Die diplomatische Beglaubigung oder Superlegalisation einer im Ausland ausgestellten Urkunde ist nicht erforderlich, wenn diese mit einer Beglaubigungsklausel versehen worden ist.

Die EDV-technische Weiterentwicklung des Grundbuchs

Die EDV-technische Aufarbeitung der grundbücherlichen Grunddaten ist in Ungarn abgeschlossen. Auch in den Großstädten und den Bezirksgerichtsämtern ist die Umstellung vollzogen, wobei dieser Prozess in Budapest am langsamsten vonstatten ging. Zum jetzigen Zeitpunkt sind die Daten aller Liegenschaften bereits durch Computer verfügbar. Dem Publizitätsprinzip entsprechend sind die Bezirksgrundbuchämter gesetzlich verpflichtet, die Daten den Gerichten, der Staatsanwaltschaft, den kommunalen Selbstverwaltungen (Gemeinden) und anderen Behörden zur Erledigung von deren behördlichen Aufgaben zur Verfügung zu stellen. Das Gesetz ermöglicht in den Räumlichkeiten des Amtes – unter entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen – die Sichtung des Grundbuchs (am Bildschirm) und die Anfertigung von Notizen durch die Parteien.

Das Gesetz ermöglicht auch, dass – nach der EDV-technischen Vernetzung der Grundbuchämter – die Parteien auch bei einem anderen Grundbuchamt Einsicht in bestimmte Daten der Liegenschaften werden erlangen können (bei entsprechender Sicherung des Datenschutzes). Es eröffnet zudem die Möglichkeit, dass der Gemeindeschreiber der örtlich zuständigen Gemeinde oder der öffentliche Notar – innerhalb bestimmter Kompetenzen – über die gegenständliche Liegenschaft eine beglaubigte Kopie des Eigentumsblattes ausstellt. Die Inanspruchnahme dieser Dienste lässt das System zurzeit aber noch nicht zu. Direkten Zugriff auf die Datenbank des Grundbuchs ermöglicht das Gesetz den Gerichten, den öffentlichen Notaren, dem Statistischen Zentralamt, der Schatzamtlichen Vermögensverwaltung, den Rechtsanwälten und den Selbstverwaltungen (Gemeinden) – jedoch nur explizit zur Abfrage einzelner Daten. Der Zugriff kann bei nichtbehördlichen Anwendern nur gegen Gebühr erfolgen, ist jedoch durch die heutige EDV-technische Ausbaustufe zurzeit noch nicht gewährleistet.

Die tagesaktuelle Bearbeitung der Eintragungsansuchen ist in Budapest noch nicht gelöst. Die Ansuchen werden zwar am Tag ihrer Einlangung registriert, die Einverleibung kann sich jedoch monate-, eventuell sogar jahrelang verzögern. Zur Sicherung des öffentlichen Glaubens werden als provisorische Lösung Randvermerke eingetragen. Diese signalisieren, dass am Tag der Registrierung ein Ansuchen zur Einverleibung der in den Daten der Liegenschaft eingetretenen Änderung(en) eingelangt, die Einverleibung aber noch nicht tatsächlich erfolgt ist. Der Interessent kann daraus bereits auf Änderungen schließen, aus dem Datum der Randvermerke auch auf deren Reihenfolge.

Abwicklung von Immobilientransaktionen

Im Falle der mit dem Wohnungseigentum verknüpften Rechte (vor allem das Eigentum) kann dies jedoch zu Missbräuchen führen. (Dieselbe Wohnung wird innerhalb kurzer Zeit mehrmals, oder nicht vom Eigentümer, verkauft.) Garant für die Sicherheit des Liegenschaftsverkehrs ist über den Vertrauensgrundsatz hinaus auch die Vorschrift, welche besagt, dass die Abwicklung von Geschäften bezüglich Liegenschaften nur durch Juristen erfolgen darf, die über entsprechende Ausbildung und Fachprüfung verfügen. So haften auch diese für die Sauberkeit des Geschäfts. Für die Aufdeckung und Einstellung von Missbräuchen wurde bei der Polizei eine spezielle Abteilung eingerichtet.

 

Anmerkungen

1

Statisztikai évkönyv (Statistisches Jahrbuch) 1999. Budapest, 2000

2

Des Weiteren: Gemeinden (Anm. des Übs.)

3

sog. Plattenbaukredit (Anm. des Übs.)

4

Eine solche ist zum Beispiel der Wohnungskassenkredit (des Weiteren Bausparkredit) der Lakáskassza Wüstenrot AG. Das Unternehmen schloss ein erfolgreiches Jahr. Letztes Jahr konnte es einen Gewinn von 36 Millionen Forint verbuchen und wurde hinsichtlich der neu eingelösten Verträge – deren Wert 38,75 Milliarden Forint ausmachte – Erster unter den Bausparkassen. Zurzeit verwalten sie 160.000 Verträge, zu einem Wert über 108 Milliarden Forint. Während am Markt Stagnation wahrzunehmen war, konnte in diesem Bereich im Vergleich zum Jahr 2000 eine 68-prozentige Steigerung festgestellt werden. Es wurde kein einziges Kreditansuchen abgewiesen, jeder Kreditbewerber erhielt den 6-prozentigen Wohnungskredit. Während in Österreich bereits knapp 60 Prozent der Bevölkerung über einen Bausparvertrag verfügen, beträgt dieser Anteil in Ungarn etwa 8 Prozent. Bei den fünf österreichischen Bausparkassen wurden im Vorjahr insgesamt 900.000 neue Verträge abgeschlossen.

5

Mit der Vergabe von Immobilienkrediten sind in Ungarn drei Gruppen von Banken beschäftigt. Es gibt einerseits Hypothekenbanken – deren Gründung und Tätigkeit eine eigene Rechtsnorm regelt – und Handelsbanken (Kommerzbanken), welche sich auch mit der Vergabe von Immobilienkrediten beschäftigen. Zu dieser zweiten Gruppe gehören auch die – in der Beilage aufgezählten – Banken, welche aufgrund der mit der Bodenkredit- und Hypothekenbank (Földhitel- és Jelzálogbank) geschlossenen Vereinbarung auch Immobilienkredite mit staatlichem Zinszuschuss vergeben.

6

Eine eigene Tabelle zeigt die Zinsänderung der zu Wohnzwecken gewährten nichtgeförderten Bankenkredite.