Europa Club 2 – Geschichte im Film dargestellt
17. November 2011
Historische Versöhnung entlang der Donau war der Titel der zweiten Veranstaltung der Diskussionsreihe Europa Klub. Zu diesem Anlass wurde der Filmregisseur András Kovács eingeladen und von dem Direktor und Akademiker Ferenc Glatz zu seinem im Jahre 1966 inszenierten Film „Hideg napok” (Kalte Tage) befragt, welche die 1942 von den Ungarn durchgeführte Razzia in Újvidék aufarbeitet.
Seit Jahren engagierte sich das Europa Institut Budapest für die historische Versöhnung der Nachbarvölker im Karpatenbecken, ein von Prof. Ferenc Glatz initiiertes Projekt, und organisierte mehrere Konferenzen und Werkstattgespräche zu diesem Thema, mitunter zu den von den Ungarn und Serben begangenen Vergeltungen während und nach dem Zweiten Weltkrieg.
Hierbei wurden zwei Perspektiven nebeneinander gestellt: zu einem die des Historikers, der an den historischen Fakten interessiert ist und mit den Methoden der Geschichtsforschung und den vorhandenen Quellen arbeitet, und zum anderen, die des Filmregisseurs, der das Inventar der Geschichtswissenschaft und literarische sowie sonstige Quellen nutzend an der künstlerischen Darstellung eines Ereignisses aus der Geschichte interessiert ist. András Kovács erzählte wie er mit dem Werk „Hideg napok“ [Kalte Tage] des Schriftstellers, Tibor Cseres, in Berührung kam und davon angeregt wurde einen Film unter dem gleichen Titel zu drehen. Es war nicht das Geschehen an sich, somit die Rekonstruktion der historischen Begebenheiten in Form eines Dokumentarfilms, was ihn ergriff, sondern die Vielseitigkeit und Vielschichtigkeit der Situation, bei der es galt das Privatleben und die eigene Überzeugung, die persönliche Ethik mit den Erwartungen der Mitmenschen und der Vorgesetzten zu vereinbaren, sowie das Beziehungsnetzwerk und die damit verbundenen Spannungen und Konflikte, denen sich die Beteiligten zur Zeit der Razzia und im Nachhinein in der Untersuchungshaft stellen mussten, zu vergegenwärtigen. Er war an der Darstellung der unterschiedlichen Charaktere interessiert, die jeweils andere Beziehungen zu einander und zu den Ereignissen entwickelten und auch entsprechend andere Methoden der Vergangenheitsbewältigung anwandten. Im Film wird der Darstellung der hierarchischen Ordnung, dem Verhältnis von Obrigkeit und Unterwerfung und von Gehorsam und Überzeugung (bzw. der Unterdrückung der eigenen Überzeugung) innerhalb des Militärs, in den gesellschaftlichen und sozialen Verhältnissen und innerhalb der Familie sowie im Privatleben eine besondere Rolle zugeordnet. Der Film soll die Relativierung der Verantwortung und die Zuflucht zur Überzeugung über die Unabwendbarkeit der Ereignisse sowie die Grenzgebiete des Pflichtbewusstseins aufgreifen. Der Regisseur erklärte, dass die Rekonstruktion der Begebenheiten somit vorwiegend als Kulisse für die Vergegenwärtigung der Emotionen der unterschiedlichen Charaktere und des menschlichen Handelns in einer Kriegssituation diente. Dem Gespräch mit András Kovács folgend wurde zusammenfassend festgestellt, dass gerade die andere, in diesem Fall die künstlerische, Sichtweise neue Ansätze bzw. neue Leitfäden für die fachwissenschaftliche Herangehensweise eines Forschungsthemas bieten kann.