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HORST HASELSTEINER EMLÉKKÖNYVE
Europa Institut Budapest • Budapest 2012. 151–159. p.

ATTILA PÓK

Eine Fallstudie des Wirkens der Zivilgesellschaft
in der dualistischen Habsburgermonarchie

Der „unpolitische Verein Humanitas”

Horst Haselsteiner als Persönlichkeit und als Forscher ist ein Beweis für das Weiterleben einer gemeinsamen österreichisch-ungarischen Identität in einem nicht virtuellen, sondern kulturell tatsächlichen Mitteleuropa. Diese Gemeinschaft hatte und hat viele tiefgehende Wurzeln, in diesem kurzen Aufsatz möchte ich auf so eine Wurzel in der Form einer Fallstudie hinweisen. Es ist eine große Freude und Ehre für mich Horst zu diesem feierlichen Anlass für seine vieljährige Unterstützung und immer hilfsbereite Freundschaft bedanken zu dürfen.

In einer zusammenfassenden Darstellung der Geschichte der ungarisch-österreichischen Beziehungen – wenn einmal eine solche, auf alle Aspekte der gemeinsamen Vergangenheit eingehende Arbeit vorliegen wird – sollte die Freimaurerei ein wichtiges, ziemlich langes Kapitel bekommen. Falls wir diese Beziehungen im breitesten Sinne des Wortes auffassen und weit über die politischen Ereignisse hinausblicken, so spielen auf sozialer und kultureller Ebene Freimaurer seit der Gründung der ersten „symbolischen” Logen in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts einen zwar bescheidenen, aber die österreichisch- ungarischen Beziehungen beträchtlich beeinflussende Rolle. Viele wissenschaftliche Projekte sind noch zur ausführlichen Klärung dieser Rolle nötig, aber die sog. „Grenzlogenzeit” ist in dieser Hinsicht bestimmt eine der wichtigsten Perioden.

In der politischen Geschichte unserer Völker sind diese Jahrzehnte von 1867 bis 1918 als Zeitalter des Dualismus, in der Wirtschaftsgeschichte als Periode der schnellen Modernisierung, in der Sozialgeschichte als Schlüsselperiode der Verbürgerlichung, der bürgerlichen Umwälzung bekannt. Die Hauptthese dieses Aufsatzes ist die Hervorhebung der Rolle der Freimaurerei auf allen diesen Gebieten.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Es geht keinesfalls um das Vorlegen von Beweisen für die führende Rolle der Freimaurerei – das ist nicht möglich, weil das nicht der Fall war. Es geht vielmehr um eine methodologische Überlegung: selbstverständlich ist eine Geschichte der Freimaurerei an sich (und natürlich besonders für Freimaurer) wichtig und forschungswert, soll aber, wenn wissenschaftlich geprüft, in die allgemeine nationale und regionale Geschichte gründlich eingebettet werden. In diesem Zusammenhang ergibt sich meine erste, einführende Frage, bevor ich das eigentliche Thema, die Geschichte der ersten „Grenzloge”, andeute. Die Frage ist sehr einfach: Warum war der ungarische König toleranter gegenüber der Freimaurerei als der österreichische Kaiser?

 

Franz Joseph: Liberaler König – konservativer Kaiser

 

Warum konnte die ungarische Freimaurerei nach 1867 eine Blütezeit erleben1 – zu einer Zeit, als in der österreichischen Reichshälfte die freimaurerische Tätigkeit nicht genehmigt war?

Formell gesehen, war der eigentliche Grund dafür das österreichische Gesetz vom 15. November 1867 über das Versammlungsrecht. Laut Paragraph 12 dieses Gesetzes stand es den Behörden frei, „zu einer jeden Versammlung ... einen, nach Umständen auch mehrere Abgeordnete zu entsenden, welchen ein angemessener Platz ihrer Wahl in der Versammlung eingeräumt und auf Verlangen Auskunft über die Person der Antragsteller und Redner gegeben werden muss”. In Ungarn galt das Versammlungsrecht erst von 1875 an und war dann nur in Form von ziemlich liberalen Verordnungen (und nicht Gesetze) geregelt. Der Antrag zur Gründung eines Vereins war im Innenministerium einzureichen, und es war nicht besonders schwierig, die Genehmigung zu bekommen.

Sucht man in dieser Hinsicht die tiefer liegenden sozialen und politischen Ursachen der Unterschiede zwischen Österreich und Ungarn, findet man hauptsächlich den in Österreich viel größeren Einfluss der katholischen Kirche. Unter anderem war der Advokat Eduard Emil Eckert ein tonangebender Vertreter der antimasonischen Angriffe in den Jahren nach 1850 und besonders Mitte der 1860er Jahre. Sein Selbstmord im Janner 1866 in einem Wiener Krankenhaus wurde den Freimaurern angelastet und hat zur allgemeinen antimasonischen Atmosphäre beigetragen. Die Beziehung zwischen den österreichischen Regierungen und der katholischen Kirche war von vielen Spannungen belastet. Nach 18-jährigem Bestehen war besonders die Kündigung des im August 1855 mit dem Heiligen Stuhl geschlossenen Konkordats von großer Bedeutung in einem Land, wo seit 1868 das Schulwesen unter staatlicher Kontrolle stand. Der österreichische Kaiser und die österreichischen Regierungen wollten diese Beziehung nicht zuspitzen – in Ungarn konnten sich die kirchenpolitischen Reformen erst von 1890 an durchsetzen. Überblickt man die gesamte Periode des Dualismus, waren die politischen Rahmenbedingungen für eine halböffentliche Bewegung wie die der Freimaurerei in Ungarn günstiger2.

Mehrere der tonangebenden Liberalen waren bekannte Freimaurer – es wurde. in ziemlich breiten Kreisen wahrgenommen, dass sich Freimaurer wie Kossuth, Türr oder Pulszky für nationale Ziele eingesetzt haben. Es ist aber keinesfalls die Aufgabe dieses Aufsatzes, die Analyse der Unterschiede zwischen den beiden Reichshälften tiefer einzugehen, ich wollte nur auf einige, vom Gesichtspunkt des Schicksals der Freimauerei wichtige Punkte hindeuten.

Unter diesen Umständen wurde schon 1868 in Ungarn die Gründung von Logen genehmigt, doch blieben ähnliche Versuche in der anderen Reichshälfte ohne Erfolg. Bei diesen Versuchen spielte der vierzigjährige Schriftsteller Franz Julius Schneeberger eine wichtige Rolle. Er hat versucht, mit dem halbdeutschen, halbenglischen Pester Lajos Lewis, der die erste ungarische Johannisloge  unter dem Namen „Einheit im Vaterland” gegründet hat, Kontakt aufzunehmen. Ihre gemeinsamen Bestrebungen liefen in zwei Richtungen: Einerseits wurde in Sopron (Ödenburg) am 29. und 30. Mai 1869 die Loge „Zur Verbrüderung” konstituiert, die für Wiener Brüder leicht erreichbar war; andererseits ist es nach wiederholten Versuchen in Dezember 1869 gelungen, in Wien die Tätigkeit des unpolitischen Vereins „Humanitas” genehmigen zu lassen. Für die Behörden war der masonische Charakter dieses Vereins genau so eindeutig wie für die am Ende 1870 schon etwa 100 Mitglieder. In Kompromissen dieser Art lag aber eines der Geheimnisse der Überlebensfähigkeit der dualistischen Monarchie. Laut Statut war der Zweck des Vereins „zur Linderung des unverschuldeten Nothstandes würdiger Armer beizutragen und die statutenmäßige Wirksamkeit aller gesetzlich anerkannten Humanitäs-Anstalten und derlei Vereine mit Rath und That zu fördern”3. Diese karitative Tätigkeit stand wirklich im Zentrum ihrer Arbeit und zweimal pro Monat besuchten sie die rituelle Arbeit der Loge „Zur Verbrüderung” in Sopron.

Am 1. Jänner 1871 haben sie mit der Veröffentlichung der Zeitschrift „Der Zirkel” angefangen und im Laufe des Jahres ist es auch zur Entscheidung über die Gründung einer eigenen Johannisloge unter dem Schutz der 1870 gegründeten „Johanniter Großloge” mit Sitz im ungarischen Ort Neudörfl gekommen.

Die Statuten wurden unter der Leitung von Schneeberger ausgearbeitet und bei der „Ungarischen Großloge” am 9. März 1871 eingereicht. Diese Statuten waren eigentlich eine Adaptation der vom ungarischen Innenministerium genehmigten Statuten der Loge „Einheit im Vaterland”, die außer der Zusammenfassung der allgemeinen Zwecke und Pflichten der Freimaurer den ungarischen Verhältnissen entsprechend auch einen besonderen Hinweis auf die multinationale Zusammensetzung der Bevölkerung beinhaltet haben: „In nationaler Beziehung suche der Maurer das Wohl, die Ehre und die Einigkeit aller Nationen seines Vaterlandes zu fördern und zu erhalten.”

Die Gründung war aber nicht ohne Schwierigkeiten und Spannungen. Die Leiter der früheren Mutterloge „Zur Verbrüderung” haben die Entscheidung stark kritisiert. Wie aus dem öffentlichen Briefwechsel vom März 1871 hervorgeht, ging es um zwei Hauptprobleme: erstens um finanzielle, zweitens um nationale Fragen. Was die Finanzen betrifft, waren die von den österreichischen Brüdern eingezahlten Rezeptions-, Affiliations-, und Beförderungsgebühren die wichtigsten Einnahmequellen der Ödenburger Loge „Zur Verbrüderung”. Mit dem Austritt der Brüder aus Cisleithanien geriet diese Loge in große finanzielle Schwierigkeiten. Eine andere Quelle des Konfliktes war der Sprachgebrauch in der Loge: Die Österreicher klagten, dass auf ihre mangelnden ungarischen Sprachkenntnisse keine Rücksicht genommen wird, die Ungarn sprachen davon, dass der Hinweis auf dieses Problem die Nationalitätenfrage in die Loge hineinzerre.

Glücklicherweise vertrat die „Großloge von Ungarn” einen nüchternen Standpunkt in diesem Streit: Sie hat der „Humanitas” auf ungarischem Boden maurerische Gastfreundschaft zugesichert bis „Zeit und Umstände die Errichtung von Logen auf österreichischem Gebiet gestatten würden”. Auf diese Weise wurde die „Humanitas” als eine korrekt konstruierte, gerechte und vollkommene Loge anerkannt.

Es wurde mit dem Bau des Logenlokals angefangen und nach einer kurzen Übergangsperiode – als die Aufnahmen und Beförderungen in Preßburg in dem Haus der Loge „Wahrheit” stattfanden – wurde die regelmäßige Arbeit in Februar 1872 in Neudörfl aufgenommen.

25 Gründungsmitglieder waren es, am Ende des Jahres 1872 standen zusammen mit permanenten Gästen, Korrespondenten, Filialen und Ehrenmitgliedern insgesamt mehr als 200 Namen im „Personalstatus” der Loge und des Vereins „Humanitas”. Der Hammer war bis September 1874 in den Händen des Schriftstellers und Telegrapheningenieurs Franz Julius Schneeberger. Er war das Ziel vieler Kritiken, vieler Angriffe in der freimaurerischen Presse. Auf Grund der erreichbaren Quellen zeigte er sich als eine äußerst starke, dynamische Persönlichkeit, die auf dem Wege der Verwirklichung ihrer Ziele auf legale Formen und auf die Interessen und Empfindlichkeit anderer Brüder wenig Rücksicht nahm. Besonders gespannt war seine Beziehung mit der im Mai 1874 gegründeten „Zukunft”, der zweiten Grenzloge. Jede Ausgabe der von dieser neuen Loge veröffentlichten „Allgemeinen Österreichischen Freimaurerzeitung” beinhaltete „Enthüllungen” über Schneebergers Tätigkeit. Gründer der „Zukunft” in Preßburg waren Brüder der „Humanitas”, die mit der konservativen weltanschaulichen Einstellung dieser Loge unzufrieden waren. Die mehr philosophische, auf Ritualinterpretationen konzentrierte Tätigkeit der „Humanitas” war für eine mehr aufklärerisch-aktivistisch eingestellte Gruppe in der Loge immer weniger akzeptabel und ganz bestimmt spielten persönliche Reibereien auch eine sehr wichtige Rolle. Der erschöpfte Schneeberger trat als Meister vom Stuhl am 10. September 1874 zurück, bat um Urlaub und spielte dann im weiteren Leben der Loge keine Rolle mehr.

 

Grenzlogen in rascher Folge

 

Die „Humanitas” hat aber trotz all dieser Schwierigkeiten ein Beispiel gesetzt.

Neue Grenzlogen bildeten sich in rascher Folge. 1875 „Eintracht” in Neudörfl, 1876 „Schiller” in Preßburg, 1877 „Freundschaft” ebenfalls in Preßburg und andere. Insgesamt wurden in der Periode bis 1918 nicht weniger als 16 Grenzlogen gegründet. Dem „Humanitas” Modell entsprechend, trafen einander die Brüder in Wien als Mitglieder eines Kulturvereins, und regelmäßig fuhren sie dann zu den rituellen Arbeiten nach Preßburg oder Neudörfl. Aus praktischen, aber auch aus prinzipiellen Gründen sind mehrere Formen der Zusammenarbeit der immer mehr in Preßburg konzentrierten Grenzlogen entstanden, mit dem langfristigen Zweck der Gründung einer legalen österreichischen Großloge.

Zwischen September 1874, dem Rücktritt Schneebergers, und der Errichtung der „Großloge von Österreich” nach dem Ersten Weltkrieg im Dezember 1918, haben neun Brüder die Stelle des Meisters vom Stuhl der Loge „Humanitas” innegehabt – alle angesehene Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in Wien. Die Mitgliederzahl stabilisierte sich bei 200 bis 230. Auf Grund der veröffentlichten Listen können wir ihre soziale Gliederung einschätzen. Beruf und Wohnort sind in der Liste angegeben. Etwa vier soziale Gruppen sind in der Loge vertreten: Kaufleute, Mittel- und Großindustrielle, Kleinunternehmer (Drechsler-, Bau-, Weber-, Müller- oder Schlossermeister) und Intellektuellen (Professoren, Lehrer, Künstler, Schriftsteller). Auf Grund anderer Quellen scheint diese soziale Zusammensetzung auch für die anderen Logen gültig gewesen zu sein. Im Vergleich mit Ungarn sind die Abwesenheit von Landbesitzern aller Art und die sehr geringe Anzahl von Staatsbeamten auffallend. Der relativ große Anteil jüdischer Brüder (ohne genaue Zahlen nennen zu können, etwa 20 bis 30 Prozent) ist eine parallele Erscheinung in den beiden Reichshälften. Überall ist die Freimaurerei eine „urbane” Organisation, die österreichische Freimaurerei ist aber zu dieser Zeit praktisch nur in den Wiener Vereinen und in den Grenzlogen konzentriert und der starke Einfluss der antimasonisch eingestellten katholischen Kirche auf das öffentliche Leben hat Staatsangestellte von „geheimen Verschwörern” ferngehalten. Die traditionelle freimaurerische Toleranz und das Eintreten für Gleichberechtigung haben viele in soziale Randpositionen gedrängte Juden angezogen.

Die Schwerpunkte der Tätigkeit der „Humanitas” waren im großen Maß von der Persönlichkeit des jeweiligen Meisters vom Stuhl abhängig. In einigen Fällen, wie zum Beispiel bei Dr. Otto Günther von 1894 bis 1899, wurde von den drei Pfeilern der Freimaurerei (Philosophie, Philanthropie und Fortschritt) der erste hervorgehoben, die meiste Zeit standen aber die Philanthropie und der Fortschritt im Vordergrund. Philanthropie in der Arbeit der „Humanitas” bedeutete viel mehr als einfache karitative Tätigkeit: Eine tiefgehende Analyse sozialer Probleme war mit bescheidenen aber sehr bedeutenden, Beispiele setzenden praktischen Beiträgen zur Milderung sozialer Spannungen verbunden. Hier sei die bedeutendste Leistung, die Gründung des ersten Österreichischen Kinderasyls 1875 in Kahlenbergerdorf, hervorgehoben. Diese Institution bestand 57 Jahre lang und hat vielen Hunderten von Waisenkindern, angefangen vom Kleinkindalter bis zur Gründung eines eigenen, selbständigen Haushalts, geholfen. Als im Dezember 1881 das Ringtheater abbrannte, wurden viele bei diesem Brandunglück verwaiste Kinder in das Asyl aufgenommen und gleichzeitig wurde mit großem Erfolg an viele Logen in Europa ein Appell mit der Bitte um finanzielle Unterstützung gerichtet.

Besonders während der Amtsperiode des Stuhlmeisters Ludwig Praetorius (1880 – 1884) trat die Loge mit großer Energie der drohenden Gefahr des Antisemitismus entgegen. Die „Großloge von Ungarn” wurde mit Erfolg aufgefordert, gleichartige Aktionen durchzuführen und die „Humanitas” hat Opfern der russischen Judenverfolgung auch praktische Hilfe angedeihen lassen.

 

Koordination der Grenzlogen

 

Ohne größere interne Streitigkeiten hat die „Humanitas” bis zum Ersten Weltkrieg gearbeitet, es ist immer gut gelungen, den Hammer in die Hand solcher Brüder zu geben, die in der profanen Welt großes Ansehen genossen. Jeder Meister vom Stuhl könnte hier angeführt werden, aber wegen Zeitmangels möchte ich nur Bruder Hugo Warmholz nennen, der zwischen 1900 und 1904 mit der Ausstrahlungskraft seiner Persönlichkeit die Kohäsion der Loge und der ganzen österreichischen Freimaurerei besonders gefestigt hat. Zur Zeit seiner Hammerführung tauchte zuerst die Idee eines „Zentralausschusses” für die Koordination der Tätigkeit aller Grenzlogen auf und am Ende des ersten Jahrzehntes des zwanzigsten Jahrhunderts, zur Zeit der Stuhlmeisterschaft von Bruder Simon Popper, wurde die Idee verwirklicht. Es wurde vereinbart, dass die Stelle des Leiters dieses Ausschusses turnusgemäß von den Meistern vom Stuhl aller Grenzlogen eingenommen wird. Als der Rechtsanwalt Siegfried Norbert Rumpler 1912 in der „Humanitas” nach der Reihe in diese Position gelang, hat es ihm erleichtert, die Tätigkeit der Loge in die Richtung aktueller sozialer Fragen zu lenken. Im Zentralausschuss hat er die Gründung einer profanen Organisation angeregt, die sich im freimaurerischen Geist mit aktuellen Problemen beschäftigen möge. Diese Organisation, die „Bereitschaft”, hat er Anfang 1914 gegründet und bis 1927 geleitet. Zur Zeit des Ersten Weltkriegs gab es kein regelmäßiges Logenleben, es ist aber gelungen, das Kinderasyl ununterbrochen aufrechtzuerhalten und mit der „Bereitschaft” mehrere Wohltätigkeitsaktionen durchzuführen.

Die Gründung der Ersten Republik ermöglichte die Errichtung der legalen „Großloge von Österreich” in den Räumlichkeiten des Vereines „Humanitas” in der Wiener Dorotheergasse und mit diesem Tag, den 8. Dezember 1918, wurde die Grenzlogenzeit abgeschlossen. Die Situation hatte sich völlig verändert, denn bald waren die ungarischen Freimaurer auf die Hilfe der österreichischen Brüder angewiesen. Das ist aber schon eine neue Geschichte.

Freimaurer und Modernisierung

Zum Abschluss möchte ich noch einmal die in der Einführung erwähnte These in Erinnerung rufen: Die Freimaurerei hat in beiden Hälften der dualistischen Monarchie einen bescheidenen, aber unersetzlichen Beitrag zu dem Prozess der bürgerlichen Umwälzung, zum Fortschritt der Zeit geleistet. Die Grenzlogen im Allgemeinen und die „Humanitas” im Besonderen haben dabei eine wichtige Rolle gespielt und gleichzeitig auch ein Beispiel der Möglichkeiten der Zusammenarbeit progressiver Kräfte diesseits und jenseits der Leitha geboten.

Ein Angebot auch für heute…

 

Anmerkungen

1 Zum Überblick der Literatur über die Geschichte der ungarischen Freimaurerei siehe Attila Pók: Quellen und Bearbeitungen zur Geschichte der ungarischen Freimaurerei. In: Helmut Reinalter (Hrsg.), Aufklärung und Geheimgesellschaften. Freimaurer, Illuminaten und Rosenkreuzer: Ideologie – Struktur und Wirkungen. Bayreuth, 1992. 123–125.

2 Freimaurertum und Katholizismus. In: Adam Wandruszka und Peter Urbanitsch (Hg.): Die Habsburgermonarchie 1848–1918. Bd. IV: Die Konfessionen. Wien, 1985. 152–154.

3 Alle zitierten primäre Quellen liegen in einem Fond des Ungarischen Nationalarchivs (Magyar Nemzeti Levéltár) P1081, Bündel 4. Es liegt eine sehr gründliche anonyme Zusammenfassung der Geschichte der „Humanitas” von 1951 vor. (Die Geschichte der ger. u. vollk. Loge „Humanitas” im Orient Wien aus Anlass ihres 80-jährigen Bestandes im Jahre 1951. Wien, 1951.)