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I.
Die Interessen Ungarns in der Europäischen Union
Die Zeit zwischen der Unterzeichnung und dem Vertragsabschluss

 

Bericht
über die Tätigkeit des Europa Institutes Budapest
2003–2004

 

1.
Das wissenschaftliche Programm im Zeichen der Effektivität

 

„Jetzt, nach der Unterzeichnung des EU-Beitrittsvertrages, beginnt für die ungarische Gesellschaft die „schwere Aufgabe” des europäischen Projekts. Dem Beitritt zur Union wird ein langer, von gesellschaftlichen Erschütterungen beladener Prozess von ein bis zwei Jahrzehnten folgen, in dessen Verlauf die verschiedenen Schichten der Gesellschaft, die unterschiedlichen Sektoren der Produktion, der Verwaltung gezwungen sein werden, sich an die westeuropäischen Normen anzupassen, und ihre neuen Lebensstrategien zu gestalten. Im Leben des Europa Institutes Budapest beginnt also eine neue Phase: in den Details des Alltagslebens muss die Anerkennung der westlichen Normen in Ungarn durchgeführt werden, zugleich muss die Stelle der ungarischen Gesellschaft, der ungarischen Wirtschaft auf dem europäischen Markt gesucht werden.”

So haben wir im vergangenen Jahr den ungarischen Stand des „Europa-Projektes” im Jahresbericht des Europa Institutes Budapest beschrieben. Und so sehen wir es heute noch: der Erfolg unseres Beitrittes in die Europäische Union hängt davon ab, ob die ungarische Gesellschaft fähig ist im alltäglichen Leben ihre Interessen nun mehr im Rahmen eines Kontinenten großen Verwaltungswesens zu vertreten. Der Beitritt in die Europäische Union wird kein Hilfsprogramm sein, wie das ein Teil der Politiker verkündete, sondern ein erbitterter Wettkampf, bei dem die Teilnahmebedingungen von Seiten einer mit uns verglichen fortgeschrittenen westeuropäischen Agrarwirtschaft, bzw. Banksphäre festgelegt werden. Die Menschen müssen in den Monaten nach dem Beitritt mit Erstaunen feststellen, dass man nicht so leben kann wie im Westen, und so arbeiten wie im Osten. Und es wird eine lange Zeit verstreichen bis die einzelnen Bürger ihre individuellen Lebensziele den neuen Voraussetzungen anpassen. Weil der Staat nur formell der Europäischen Union beitritt, aber der Beitritt geschieht in Wirklichkeit auf der Ebene der einzelnen Individuen. Während aber der „Beitritt” des Staates zur Schau gestellt werden kann und gut sichtbar vor sich geht – im Rahmen von Zeremonien zur Vertragsunterzeichnung, vor der Öffentlichkeit des Fernsehens und des Radios –, so geht der „Unionsbeitritt” des Einzelnen auf den unbemerkten Schauplätzen der individuellen Schicksale – der Öffentlichkeit abgewandt – vor sich. Nur nach Jahren können wir die Änderungen auf der Ebene der einzelnen Individuen beschreiben. Nur nach Jahren können wir an Hand von statistischen Daten feststellen: Konnte die ungarische Gesellschaft die von der Union gebotenen Vorteile nutzen oder nicht? Und nach Jahren können wir auch nur beurteilen: Ob die ungarischen Intellektuellen zum besseren Erkennen der von der EU gebotenen Vorteile beigetragen haben?

Bei der Zusammenstellung des Jahresberichtes 2003 des Europa Institutes Budapest für die Sitzungen des Stiftungsrates und des Wissenschaftlichen Beirates haben wir uns als wichtigste Aufgabe gestellt: Die Erforschung, die Suche nach den Möglichkeiten zum Wohlergehen der im Karpatenbecken wohnenden Menschen innerhalb der Europäischen Union.

Setzen wir zum einen das Verbreiten von Kenntnissen über die Europäische Union fort, erklären wir wozu die Union gut ist und welche Vorteile die Mitgliedschaft in der EU mit sich bringt. Zum anderen das Offenlegen der sich bietenden Vorteile auf den einzelnen Gebieten der Produktion, des Handels, des Verwaltungswesens und die Präsentation dieser Vorteile den Medien, den wissenschaftlichen Fachexperten, den Lehrern und anderen Intellektuellen, d.h. für die Öffentlichkeit.

 

Fernsehserie, Konferenzserie

Einer der Schwerpunkte der Tätigkeit des Institutes im akademischen Jahr 2002/2004 war die Organisation einer Konferenzreihe und einer Fernsehserie, welche das Verhältnis der Union und Ungarns auf einer alltäglich verständlichen Weise diskutierte. Der Titel sowohl der Konferenzreihe, wie auch der Fernsehserie wurde von einem bereits herausgegebenen Band der Schriftenreihe des Institutes „Begegnungen” übernommen: „An der Schwelle der Europäischen Union”. Das Zielpublikum der Konferenzreihe waren Experten und die Presse, während die Fernsehserie sich an mehreren hunderttausend einfachen Menschen richtete.

Die Mitglieder des Stiftungsrates und des Wissenschaftlichen Beirates müssen die Bedeutung der Fernsehserie erkennen, denn sie ist das bisher größte Unternehmen des Europa Institutes Budapest vor der Öffentlichkeit. Die Serie erreicht bis zu 300.000 Menschen: Sie wird im Europa Institut aufgenommen und zeigt jeweils eine Diskussion auf einer alltäglich verständlichen Weise über die Chancen des ungarischen Agrarwesens, des Verkehrs, des Bankwesens, der ungarischen Industrie, über das Dasein der kleinen Nationen in der Union.

Die Fernsehserie wurde in Mitarbeit mit der Fernsehgesellschaft ‘Duna-Televízió’ zusammengestellt.

Der Misserfolg der Volksabstimmung über die EU-Erweiterung (12. April 2003) – die äußerst niedrige Teilnahme – kann damit erklärt werden, dass die große Masse der Bevölkerung nicht im Klaren über die Europäische Union ist. Die politische Elite hat ein „Europa-Propaganda” geführt, anstatt „Europa-Kenntnisse” vermittelt zu haben. Es wurde keine Fernseh- oder Rundfunkserie, keine Artikelserie zusammengestellt, die die Union auf einer allgemein verständlichen Weise vorgestellt hätte. Die Wissenschaft hat riesige Summen für ein Ermunterungspropaganda ausgegeben und das Ergebnis war der Bumerang-Effekt.

Diese Tatsache haben wir im Rahmen der Sitzung des Wissenschaftlichen Beirates und anschließend in der Sitzung des Stiftungsbeirates im vorigen Jahr diskutiert. Darauf folgend stellte der Direktor einen Programmplan für eine zwölfteilige Fernsehserie und eine sechsteilige Konferenzreihe zusammen. Der Programmplan der Fernsehserie gestaltete sich folgender Weise:

1. Die Europäische Union und Ungarn

2. Das ungarische Agrarwesen in der Europäischen Union

3. Ethnische und nationale Minderheiten

4. Unser Verkehrssystem mit Hinblick auf Ostmitteleuropa und die Union

5. Sicherheitspolitik

6. Europäische Normen im Bereich der Umweltschutz

7. Migration, Arbeitsstellen in der Union

8. Die Politik Ungarns gegenüber den Nachbarstaaten: an der Grenze zwischen Osten
und Westen

9. Die Aussichten der ungarischen Industrie

10. Kirchen, Gemeinden, Religion im Europa der Zukunft

11. Unterrichtswesen, Bildung, Fachausbildung

12. Die Zukunft der kleinsprachigen Kulturen

Programmplan der Konferenzreihe:

1. Die Europäische Union und Ungarn

2. Doppelte Staatsbürgerschaft in der Union

3. Staatliche und nationale Symbole in den europäischen Ländern

4. Die „Hungarica” in der Europäischen Union

5. Aussichten der ungarischen Industrie in der Union

6. Europa-Strategie der Banken in Ungarn

Als Veranstaltungspartner für die zwei Serien bot sich das Sozialwissenschaftliche Forschungszentrum der Ungarischen Akademie der Wissenschaften. Für die Fernsehserie haben wir ein Referententeam von Mitgliedern der Akademie angeworben, die jeweils einen Vortrag hielten. Die Vortragsreferenten für die Konferenzreihe waren zu einem Teil Mitglieder der Akademie, zu einem anderen Teil (beim Themenbereich „doppelte Staatsbürgerschaft” und „europäische Symbole”) junge (zwischen 35-50 Jahren) Universitätsprofessoren und wissenschaftliche Forschungsmitarbeiter.

Die Fernsehstation „Duna Televízió” ist der einzige Sender in ungarischer Sprache der überall auf der Welt empfangen werden kann. Eine Fernsehstation, die ein volles Programm – Nachrichten, Unterhaltungsprogramme, wissenschaftliche Sendungen – ausstrahlt. Dem Ton nach richtet sich die Station an „konservative Normen”, grenzt sich also ab von der auch die ungarischen Fernsehsendungen überschwemmenden amerikanischen Schmutzliteratur, bei der Auswahl der Filme lehnt sie sich an die klassischen Produkte der europäischen Filmkunst (französische, englische, deutsche, italienische, russische, rumänische, ungarische Filme), bei der Themenwahl der Programme wird regelmäßig die ungarische Kultur über den Landesgrenzen hinaus angesprochen.

Die Fernsehserie des Europa Institutes Budapest startete schließlich – nach einer langen Vorbereitungsphase – in April 2004, und bis jetzt wurden zwei Programme ausgestrahlt. (Am letzten Donnerstag des Monats wird jedes Programm neu gesendet, dann im Laufe der folgenden zwei Wochen zweimal wiederholt, dabei wird die Sendung zeitlich an die amerikanischen Zuschauer angepasst.) Der Gastgeber der Serie ist der Direktor des Institutes, und neben ihm erscheinen auf dem Bildschirm als Gesprächspartner 2–3 Experten des angesprochenen Fachbereichs. Die Fernsehstation „Duna Televízió” plant – bei Erfolg–eine extra Videoherausgabe der Serie.

Die Fernsehserie wird voraussichtlich bis April 2005 fortgesetzt.

Die Konferenzreihe haben wir in Oktober 2003 gestartet. Es wurden bisher 4 Themenbereiche behandelt. Wir planen die Herausgabe der im Rahmen der Konferenzen angesammelten Materialien in der Reihe „Begegnungen”. (Voraussichtlich werden die Bänder im Winter 2004, bzw. im Frühjahr 2005 erscheinen.)

Im Weiteren präsentieren wir den Mitgliedern des Stiftungsrates und des Wissenschaftlichen Beirates einige der wissenschaftlichen Ergebnisse der Fernsehserie und der Konferenzreihe.

 

Wozu die Europäische Union?

Die Europäische Union ist eine Verwaltungseinheit, deren Grenzen niemals mit dem geographischen, niemals mit dem kulturellen Grenzen Europas zusammenfallen werden – dies hielten wir am 28. Oktober 2003 vor der Öffentlichkeit der Wissenschaftler und der Presse im Laufe einer Veranstaltung über das Verhältnis zwischen der Union und Ungarn fest. Die Vorteile der EU können – so setzten wir fort – in vier Punkten zusammengefasst werden.

1. Die Union bringt endgültig Frieden auf dem Kontinent, sofern die östliche Ausdehnung der Union auf dem Balkan fortgesetzt wird. Eine der Gründe für den „Zerfall” Europas im 20. Jahrhundert waren die zwei Weltkriege, die das Leben von 20 Millionen Menschen auslöschten und die technisch-technologische Basis des Kontinents vernichteten, wobei eine Reihe bis heute unauflösbarer, massenpsychischer Konflikte verursacht worden sind.

2. Eine solche ausgedehnte Verwaltungsregion bietet dem Kapital, der Arbeitskraft und den geistlichen Produkten freie Bewegung, was den Anforderungen der Massenproduktion angepassten Verwaltungsrahmen ermöglicht und die durch die Grenzen der Nationalstaaten bestehende Barrieren allmählich auflöst.

3. Die Europäische Union steigert die Wettbewerbsfähigkeit der auf dem Kontinent lebenden Menschen mit Hinblick auf den globalen Wettbewerb. (Sollte dies nicht zutreffen, hat die Europäische Union ihren Sinn verloren.) Die Union ist besser geeignet die europäischen Werte im globalen weltwirtschaftlichen und weltpolitischen Wettbewerb (USA, Asien) zu präsentieren als die einzelnen Nationalstaaten.

4. Die freie Bewegung der Menschen schafft neue kulturelle Werte.

Doch wir setzten – sowohl während der Konferenz am 28. Oktober 2003, wie auch im Laufe der Fernsehsendung am 29. April 2004 – hinzu: Die Vorteile sollen allein als bestehende Möglichkeiten gedeutet werden, wie weit sie genutzt werden, hängt von den europäischen Politikern und Intellektuellen ab.

Die Europäische Union birgt aber sowohl „reale Gefahren” in sich. Diese wurden von unserer Seite im Laufe der Veranstaltungen aufgelistet, und hier seien nur einige der während der Diskussionen aufgezählten Gefahren erwähnt:

1. Das politische System der Europäischen Union ist nicht vorbereitet auf die Aufgabe eine so ausgedehnte Verwaltungseinheit zu umfassen. Brüssel verfügt nicht über den nötigen Personalbestand in Fach- und Verwaltungsbereichen mit angemessenen Kenntnisse über die Weltpolitik, und ist so nicht fähig eine europaweite Strategie auszuarbeiten. Die Verwaltungsadministration der einzelnen Nationalstaaten verfügt nicht in ausreichendem Maße über Europa-Kenntnisse. So können leicht „Kontinent übergreifende” Fehler begangen werden. Das Prinzip der Subsidiarität kann nicht angewandt werden, weil eine zu große Entfernung zwischen der Administration in Brüssel und der Wirklichkeit besteht und all zu leicht falsche Entscheidungen auf Unionsebene gefällt werden.

2. Die Bewahrung der kulturell-sprachlichen Vielfalt Europas ist vorerst nur ein schön klingendes Programm. Doch werden weder bezüglich einer gemeinsamen Verwaltungssprache, noch bezüglich der Ausarbeitung eines Programms zur Bewahrung der kleinsprachigen Kulturen Lösungsvorschläge verlautet. (2001, das „Jahr der Sprache” verstrich ohne einen funktionsfähigen Vorschlag erbracht zu haben.)

3. Es hat sich kein prägendes Zukunftsbild über die Union gebildet. Im welchen Maße wird die Europäische Union eine Verwaltungseinheit bilden, die eine unabhängige Außenpolitik, bzw. Militärpolitik befolgt? „Die Errichtung eines Gebäudes ohne einen Bauplan und nur mit Grundzügen als Vorlage, die in den 1960er Jahren gezeichnet wurden und seit dem nur hier und da neu gezogen, geflickt werden.” – wurde die Kritik verlautet. „Die Vorbereitungen für die Erhebung von Steuern, das finanzielle System zur Auferlegung der gemeinsam getragenen Lasten sind nicht angelaufen. Ohne EU-Direktsteuer gibt es keine tatsächliche Union” – stellten wir kritisch fest. Es liegt kein funktionsfähiger Vorschlag über eine eventuelle Armee der Europäischen Union vor.

Die Kritik wird – besonders nach der Vertiefung des Irak-Konfliktes – nur noch lauter... (In den Fernsehsendungen waren die Außenminister der vorherigen und der gegenwärtigen Regierung die eingeladenen Gäste des Gastgebers, was natürlich bedeutete, dass die Argumente und Gegenargumente in schneller Folge sich wechselten. Der Gastgeber – der Verfasser dieser Zeilen – mahnte: die Ungeduld darf nicht die Oberhand gewinnen. Das einheitliche Deutschland war eine viel kleinere Verwaltungseinheit mit einer einsprachigen Bevölkerung, und doch dauerte seine Errichtung von 1815 bis 1871 an, dabei sei bemerkt, dass die letzten lokalen Zölle erst in 1888 aufgehoben wurden. Eine noch längere Zeit nahm die Errichtung der Vereinigten Staaten in Anspruch. Verglichen damit sind wir nur in den Anfangsjahren der EU-Geschichte... Doch die Möglichkeit zur Korrektion muss aufrecht gehalten werden...

 4. Die Europäische Union hat keine Weltstrategie. Sie hat weder ihr Verhältnis in Richtung der USA, noch in Richtung von China klar formuliert. Sie hat auch kein Programm mit Bezug auf die großen Umgestaltungen in der Natur aufgestellt.

 

„Europäische” und „nationale”, „Unions-” und „staatsbürgerliche” Identitäten

„Ohne eine europäische Identität gibt es keine Europäische Union” – dieser Satz wirkt heute bereits als ein Allgemeinplatz. Ebenso ist es aber auch ein Allgemeinplatz, dass eine Unionsidentität nicht gleichzusetzen ist mit einer europäischen Identität (wie wir bereits früher darauf hingewiesen haben: die Union wird sich voraussichtlich niemals auf das geografische oder kulturelle Europa ausdehnen). Das heißt, dass es auch außerhalb der Union ein „europäisches Dasein”, eine „europäische Denkweise”, eine Reihe von „europäischen Gewohnheiten” existieren. Kann man davon ausgehen, dass die Trennung zwischen der „staatsbürgerlichen” Identität von der „nationalen” Identität” genauso zur Trennung zwischen der „Unionsidentität” und der „europäischen Identität” führen wird? Wenn wir über die Geschichte Europas schreiben, schreiben wir über die Geschichte der Nationen, die sich in der Europäischen Union vereinigen oder über die Geschichte der einzelnen Nationen des Kontinents? (Über das sich bis zum Ural ausstreckende geografische Europa oder über die Geschichte der jüdisch-christlichen Kulturgemeinde, die sich bis Wladiwostok und bis in die Türkei erstreckt? Überhaupt: warum wird die Türkei als Teil der europäischen Geschichte behandelt?)

Warum hat die Europäische Union keine ausgebildete Symbolik? Die Symbole sind doch die wichtigsten Requisiten, die zur Markierung der Identität herangezogen werden! Die Bürger haben die europäische Fahne anerkannt; die europäische Hymne ist ein „Kompromiss”, für viele eine allzu „deutsche Musik”; der Europa-Tag (am 9. Mai) weist auf die Beendigung des Weltkrieges hin, ein Datum, das von den im Weltkrieg eine Niederlage erlittenen Nationen nicht eindeutig als ein „Freudenfest” betrachtet wird. Werden sich solche Unionsfeiertage herausbilden, welche sich im Laufe der Jahrhunderte in den Nationalstaaten festgesetzt haben? Wird man ein „Unions-Kalender” zusammenstellen können? Werden sich in den zwei christlichen Feierlichkeiten – Weihnachten und Ostern – europäische Elemente festsetzen können, wie im Laufe der Jahrhunderte diese Feierlichkeiten mit Elementen der Geschichte der einzelnen Nationen gefüllt worden sind? Sollte man nicht auf einer „europäischen Ebene” die Feste der verschiedenen Gewerbe Beachtung schenken und feiern?

Solche und ähnliche Fragen wurden im Rahmen der Konferenz zum Thema „Staatliche und nationale Symbolik in Europa” diskutiert. (Als Vorbereitung für die Konferenz wurde eine monografische Übersicht der Symbolik der europäischen Länder in Form eines Bandes zusammengestellt: Wappen, Fahne, Hymne, Überblick der öffentlichen Institutionen. Diesen Band werden wir in der Reihe „Begegnungen” auf Englisch veröffentlichen.)

 

Doppelte Staatsbürgerschaft

Ein wesentlicher Fragenbereich der europäischen Identität – der Unionsidentität ist die Herausbildung eines staatsbürgerlichen Bewusstseins, sowie die Frage des Interessenschutzes der Staatsbürger und die Pflichten, die ihnen auferlegt werden. Wir können leichten Herzens aussagen: das Bewusstsein des „Unionsbürgers” wird stärker sein als das nationalstaatliche „Bewusstsein”, aber so lange die Verwaltung, die Rechtsprechung auf der Ebene des Nationalstaates behandelt wird, so lange bleibt „die Staatsbürgerschaft” und natürlich die Gemeinschaft der Staatsbürger bestehen. Woraus wird sich unsere „Unionsbürger”-Dasein herausbilden? Wir können auch leichten Herzens aussagen, dass die „nationale Identität” sich eines längeren Bestehens erfreuen wird als die „staatsbürgerliche Identität”, aber wie wird sich die Frage der Identität in der Europäischen Union gestalten bezüglich der Zugehörigkeit zur gleichen Nation, aber nicht zur gleichen Staatsbürgerschaft? Wie gestaltet sich die Frage der doppelten Staatsbürgerschaft in der Europäischen Union?

Für Ostmitteleuropa, also für die neuen Mitgliedstaaten und für die Kandidatenländer ist dies eine „heikle Frage”. Die Slowakei, Polen, aber auch Kroatien haben großzügig die Staatsbürgerschaft (die doppelte Staatsbürgerschaft) auf die im Ausland lebenden Slowaken, Polen, Kroaten ausgedehnt. Das Ziel ist die große Anzahl der in Emigration lebenden, bzw. die dem Heimatland entrissenen Teile der Nation ans Vaterland zu binden. In Ungarn ist gleichwohl ein starkes Bestreben von Seiten der Politik mit Bezug auf die Ausdehnung der Staatsbürgerschaft auf die einst auf dem historischen Gebiet Ungarns lebenden und jetzt in den Nachbarstaaten angesiedelten 2,5 Millionen Ungarn.

Was bedeutet aber die doppelte Staatsbürgerschaft? Kann der in Ungarn lebende Slowake in der Slowakei die Leistungen des Gesundheitswesens in Anspruch nehmen, die mit Hilfe der Steuergelder der slowakischen Staatsbürger finanziert werden? Nicht zu sprechen vom Folgenden: Sollte die ungarische Staatsbürgerschaft den in Siebenbürgen lebenden Ungarn gesichert werden, wird das staatliche Gesundheits- und Sozialwesen in Ungarn zusammenbrechen. Und ist die Europäische Union der Vergabe der doppelten Staatsbürgerschaft gewachsen?

Im Rahmen der Konferenz des Europa Institutes, die einen großen Widerhall verursachte, haben wir mit Bestimmtheit verlautet: Wo der Bürger Steuern zahlt, dort kann er die Leistungen in Anspruch nehmen. Die doppelte Staatsbürgerschaft darf nicht dazu führen, dass sich jemand auf Grund seiner nationalen Identität die Staatsbürgerschaft der Europäischen Union aneignet. Die nationale Zugehörigkeit kann nicht mit der Vergabe der Staatsbürgerschaft gelöst werden...

Diese Thesen haben nicht nur an der Tagung, sondern auch im Fernsehprogramm auf einen großen Widerhall gefunden.

 

Landwirtschaft, Lebensmittelproduktion, die Zukunft des Karpatenbeckens

Ostmitteleuropa war acht Jahrhunderte lang die Speisekammer und die Rohstoffbasis Westeuropas. Dies bildete vom 11. bis zum 20. Jahrhundert die Grundlage einer auf gegenseitige Angewiesenheit aufgebaute Beziehung zwischen der ostmitteleuropäischen Region und Westeuropa. Jetzt, nach 1990 hat sich dieses Verhältnis grundliegend geändert.

Ostmitteleuropa – besonders die in den Gebieten des heutigen Polens und des Karpatenbeckens, sowie in den nördlichen Regionen des Balkans, aber ebenso in der tschechischen Schlesien oder im ungarischen Teil von Siebenbürgen auffindbare Rohstoffe – hatte nicht nur eine besondere Anziehungskraft für Arbeitskräfte, sondern nahm gleichzeitig einen bedeutenden Platz beim westeuropäischen Lebensmittelimport und zum Teil beim Rohstoffimport ein. Jetzt, nach 1990 hat sich dieses seit nahezu tausend Jahren bestehende historische Situation grundlegend geändert. In Westeuropa gibt es einen Lebensmittelüberschuss, bzw. die neuen Vertriebssysteme (mit Hilfe der Transportmöglichkeiten, wie Eisenbahn, Flugzeug, Schiffe) importieren billige Lebensmittel von anderen Kontinenten. Somit wird die gegenseitige Angewiesenheit zwischen Ostmitteleuropa und Westeuropa in Frage gestellt. Es ist überhaupt zu klären: in wie fern kann das Übergewicht der Landwirtschaft im Wirtschaftsbereich der ostmitteleuropäischen Region aufrechterhalten werden. Es ist wohl bekannt, dass einige westeuropäische Staaten gerade deshalb eine Widerwillen gegen den Beitritt der ostmitteleuropäischen Länder entgegen brachten, weil sie zu einem Teil befürchteten, dass die hiesigen riesigen Agrarmärkte einen all zu großen Wettbewerb für Westeuropa bedeuten. Andererseits befürchteten sie, dass die Ausdehnung des im Westeuropa errichteten Agrarsubventionssystems auf die ostmitteleuropäische Zone die Finanzierung der Europäischen Union gefährdet.

In den Kandidatenstaaten – vor allem in Polen und Ungarn – gab es und gibt es bis heute angeheizte Debatten darüber, ob die gesamte Bevölkerung dieser Länder durch den Beitritt nicht benachteiligt wird. Denn ein bedeutender Teil der hiesigen Bevölkerung – vor allem in Polen – bildet die in der Landwirtschaft oder in Zweigen der Lebensmittelindustrie, die auf die Aufarbeitung von landwirtschaftlichen Produkten spezialisiert sind, benötigte Arbeitskraft. Bedeutet der Beitritt in die Europäische Union und die Einführung der EU-Normen in die Lebensmittelproduktion nicht sowohl in Polen, wie auch in Ungarn und zum Teil auch in der Slowakei eine stark ansteigende Arbeitslosigkeit? Wie kann ein bestmögliches Programm mit Hinsicht auf die Nutzung der klimatischen und bodenspezifischen Bedingungen entwickelt werden?

Diese Fragen standen im Mittelpunkt der vom Europa Institut organisierten und bereits oben erwähnten Fernsehsendung, und diese waren die Fragen die im Rahmen der vom Europa Institut veranstalteten Hungarica-Konferenz gestellt wurden. Die Grundprinzipien, die im Laufe der Fernsehsendung, bzw. der Konferenz klar zum Vorschein kamen, sind die Folgenden:

1. Das Agrarwesen als Begriff bedeutet nicht nur die Produktion von Lebensmitteln, sondern die Gesamteinheit der Umweltwirtschaft. Die Europäische Union unternimmt selber Bestrebungen – wie auch die Beitrittsländer solchen Bestrebungen folgen sollen – eine großzählige Umgruppierung ihrer bisher im Bereich der Lebensmittelproduktion beschäftigten Arbeitskraft zu leisten, und diese somit frei gewordene Arbeitskraft in ein Tätigkeitsfeld zu lenken, das der Aufrechterhaltung der natürlichen Umwelt dient.

2. Ein Umweltschutzprogramm, das auf eine gut organisierte Agrarwirtschaft abgestimmt wurde, ist kostenschonender – auch wenn es einer staatlichen Finanzierung bedarf – als wenn ein großer Teil der auf dem Land lebenden Bevölkerung arbeitslos wird, und somit in Form von Arbeitslosengeldern finanziert werden muss, und gleichzeitig Milliarden für „Umweltschutzprogramme” ausgegeben werden.

3. Es müssen die in den einzelnen Regionen – so in Polen, in der Slowakei, in Ungarn – zur Produktion geeigneten Lebensmittel gefunden werden, welche nur hier oder in erster Linie hier, in Anbetracht der örtlichen, seit langer Zeit angesammelten klimatischen und historischen Erfahrungen hergestellt werden können.

4. Es bedarf einer größeren Zuwendung in Richtung der Außenhandelsbeziehungen; es muss der Typ eines „liberalen Landwirtes”, eines „Bürger-Landwirtes” gebildet werden, der sein Landgut gemäß den europäischen Normen einrichten kann.

5. Das Grundbesitzsystem muss umgestaltet werden. Sowohl in Polen, wie auch in der Slowakei und in Ungarn ist der Grundbesitz in zu kleine Einheiten unterteilt, was eine wettbewerbsfähige Bewirtschaftung von vorn herein unmöglich macht. Im Laufe des Systemwandels galt die Austeilung von Grundbesitz als eine Form der politischen Kompensation, und diese Vorgehensweise trifft vor allem auf Ungarn zu. Das wird aber dazu führen, dass Kleinbesitze in Größe von einigen Morgen massenhaft zu Grunde gehen werden. Diese Gefahr sollte durch eine – marktkonforme – staatliche Grundbesitzpolitik vermieden.

Im Laufe der Konferenz wurden die Tier- und Pflanzenarten genannt, die in der Europäischen Union voraussichtlich erfolgreich vermarktet werden können. Wir haben die größten Lebensmittelvertriebe, sowie die größten Unternehmen zur Verarbeitung tierischer und pflanzlicher Produkte eingeladen. Die Bekanntgabe des ungarischen Graurind-Projektes, sowie der neuen Projekte der Truthahnzüchtung, der Fischerei, der Weinherstellung, und der Herstellung von gebrannten Spirituosen verursachten einen breiten Widerhall bei den Fernseh- und Rundfunkgesellschaften und in der Presse. (Auf Wunsch der Teilnehmer der Hungarica-Konferenz wird im folgenden Jahr, also im Jahr 2004/2005, eine Fortsetzung der Konferenz veranstaltet, und auf Grund der Empfehlung des Europa Institutes und des Sozialwissenschaftlichen Forschungszentrums der Ungarischen Akademie der Wissenschaften wurde auf Regierungsebene das Versprechen geäußert „die Erstellung eines Registers” der als Hungarica identifizierten heimischen Tier- und Pflanzenprodukte zu unterstützen und gegebenenfalls mit einer besonderen staatlichen Subvention zu versehen.

 

Der Corvinus-Preis

Die alle zwei Jahre veranstaltete Verleihung des Corvinus-Preises ist einer der wichtigsten Elemente der öffentlichen, gesellschaftlichen Visibilität des Europa Institutes Budapest.

Der Corvinus-Preis wurde von einem der Begründer unseres Institutes, Herrn Senator Dr. Dr. Herbert Batliner, gestiftet; und wie es wohl bekannt ist, sind die bisherigen Preisträger herausragende in- und ausländische Intellektuelle, Politiker, die eine enge Bindung zu Ungarn, zu der ungarischen Kultur hegen. Ich möchte nur kurz die Liste der Preisträger erwähnen: István Szabó (Oscar-Preisträger Filmregisseur), Andrei Pleşu (Kultur- und Außenminister Rumäniens), Paul Lendvai (Intendant des ORF-Rundfunks), und schließlich Árpád Göncz (der ehemalige Präsident der Republik Ungarns). Der Corvinus-Preis wurde am 8. Juli 2003 von dem Stifter des Preises, Senator Dr. Dr. Herbert Batliner, dem ehemaligen Staatspräsidenten überreicht. Die Preis-Verleihung war „das große Ereignis des Sommers” im politischen und gesellschaftlichen Leben Ungarns.

An der Zeremonie nahmen der Stellvertretende Ministerpräsident Ungarns, mehrere Minister, mehrere Botschafter, der Vorsitzender des Verfassungsgerichtes, der Vorsitzender des Höchsten Gerichtshofes, der Präsident der Ungarischen Akademie der Wissenschaften und zahlreiche Vertreter des Fernseh- und Rundfunkgesellschaften und der Presse teil. Im Laufe der Veranstaltung hielt Árpád Göncz eine feierliche Rede, in der er einen Einblick in die Gedanken eines vom Schriftsteller zum Politiker, einer Person des öffentlichen Lebens gewandelten Menschen über Politik, politische Überzeugung, über Privatsphäre gewährte. Seine Rede, sowie die Laudationsrede von Erhard Busek, dem ehemaligen Vizekanzler von Österreich, wurden von Seiten des Fernsehens und der Presse ausführlich und lange behandelt. Im Mittelpunkt des Geschehens standen natürlich vor allem – auf den Fotos ist es gut sichtbar – der ehemalige Staatspräsident und der Stifter des Preises, Senator Dr. Dr. Herbert Batliner. (In den Würdigungen der Veranstaltung kam es mehrmals zum Ausdruck, dass der Corvinus-Preis des Europa Institutes Budapest zu einem der drei ungarischen Preisen zählt, die wahrhaftig unabhängig von der Politik vergeben werden.) Wir unterbreiten hierbei den Mitgliedern des Stiftungsbeirates und des Wissenschaftlichen Beirates den Vorschlag, dass sie jetzt am 11. Juni 2004 im Rahmen der Sitzung des Wissenschaftlichen Beirates und am 7. Juli 2004 im Rahmen der Sitzung des Stiftungsbeirates Stellung nehmen zur Vergabe des Corvinus-Preises in 2005.

 

2.
Institutsleben

 

Stipendiaten

Das Europa Institut Budapest hat bisher zwei Arten von Stipendien vergeben. Jetzt haben wir eine dritte Art von Stipendien eingeführt. (Während der Sitzungen des Wissenschaftlichen Beirates und des Stiftungsrates haben wir über die Stipendiaten viel diskutiert.)

1. Langfristige Stipendiaten (die ein oder mehrere Jahre in unserem Institut tätig sind und eine Monographie vorbereiten; im Weiteren nehmen sie an der Vorbereitung der wissenschaftlichen Projekte des Institutes teil.)

2. Kurzfristige Stipendiaten (3–6 Monate), die im Einklang mit den wissenschaftlichen Forschungszielen des Institutes ihr Thema bearbeiten und dazu Material in den ungarischen Bibliotheken, bzw. Archiven suchen.

3. Eine neueingeführte Art der Stipendien ist das sogenannte Projekt-Stipendium. Bisher hat das Institut nämlich nur Themenkreise ausgeschrieben, und innerhalb dieser konnte der Antragsteller selber das Projekt auswählen und sich individuell melden. Jetzt setzt das Institut ein bestimmtes Projekt fest, wählt im Voraus die Personen aus und bietet ihnen ein Stipendium für die Ausarbeitung der vorher festgesetzten Themen. Eine Unterkunft wird nicht in jedem Fall angeboten. Diese Art von Stipendium kann als gezieltes oder projektorientiertes Stipendium bezeichnet werden. Dieses Jahr wurden 16 solche Stipendien verliehen. Die Vergabe von solchen Stipendien erfolgte in folgender Weise:

Das Institut wollte in 2 Themenbereichen etwas „europäisches” leisten. Wir wollten die Praxis der doppelten Staatsbürgerschaft in der Europäischen Union untersuchen, und die staatlichen und nationalen Symbole der europäischen Staaten darlegen, sowie ihren Gebrauch untersuchen. Die Bearbeitung der Themen wurde bei den wöchentlich abgehaltenen Vorstandssitzungen besprochen. Die Professoren nannten Experten, die mit Sicherheit das Thema von Großbritannien bis Estland fachgerecht bearbeiten können. Die empfohlenen Experten wurden vom Direktor ersucht, zur Ausarbeitung des Themas wurde ein genaues Schema angegeben und ein gewöhnliches Stipendium für 1–2 Monate angeboten. (Die Summe wurde daran gemessen festgesetzt wie lange Zeit voraussichtlich die Ausarbeitung des Themas in Anspruch nehmen wird.) Ein Teil des Stipendiums wurde bei Erteilung des Auftrages übergeben und den Restbetrag erhielt der Experte nach Abgabe der Studie. Als Gegenleistung für das Stipendium musste der Experte die Ergebnisse seiner Forschungen nicht nur in Schrift ausarbeiten, sondern auch in Wort vortragen. Es ist zwar wahr, dass dieses Stipendium mehr Risiken in sich birgt als die Auszahlung eines Honorars (ein Honorar wird ja nur dann ausgezahlt – und auch dann gemessen an dem Umfang und an der Qualität der Arbeit – wenn die Arbeit vorliegt), aber der Vorteil des Projekt-Stipendiums ist, dass wir mit dem Experten eine persönliche Beziehung ausbauen können, seine Forschungen steuern können, über den Stand der Forschungen einen Bericht erstattet bekommen – auch dann, wenn das „Ergebnis”, also die Studie schwach ausfällt. Mit dieser Art von Stipendium wurden zwei Konferenzen vom Europa Institut veranstaltet, die einen großen Widerhall fanden, und es wurde das Grundmaterial für zwei einzigartige Bänder mit europäischen Themen – doppelte Staatsbürgerschaft und staatliche-nationale Symbole in der Europäischen Union – angefertigt. (Das Grundmaterial wird für ein angemessenes Honorar zu einem publikationsreifen Studienband verarbeitet.) Ein drittes Vorhaben im Rahmen eines solchen projektorientierten Stipendiums ist zum Thema „Die EU-Fähigkeit Ungarns”, wobei Professorenstipendien für Experten aus Wirtschaft, Sicherheitspolitik, Verkehrswesen, Landwirtschaft, Umweltschutz, Informationstechnologie ausgeschrieben wurden. Ein Teil dieser Studien zu den oben angegebenen Themenbereichen ist bereits eingetroffen, und die Abgabefrist läuft in Juni dieses Jahres ab.

Diese dritte Art von Stipendium ist äußerst effizient und das Institut hat die Möglichkeit eine gezielte Wissenschaftspolitik zu betreiben.

Bei der Themenwahl der Stipendiaten wurden das „Historische” zurückgedrängt, und es melden sich immer mehr Anwärter mit weiteren Themenbereichen aus der Sozialwissenschaft. Laut dem Wunsch der Professoren will unser Grundprinzip im Bericht und für den Wissenschaftlichen Beirat festgehalten werden: bei der Auswahl der Stipendiaten ist die wichtigste Anforderung die Qualität. Wenn die Themenwahl des Anwärters im festgelegten Themenbereich des Institutes liegt, zählt nur die Qualität. Alles andere ist im Grunde genommen ein „Zufall”.

Wir haben mit den Stipendiaten auch bei einer Gelegenheit über die Summe der Stipendien gesprochen. Die Diskussionen bei den Sitzungen des Wissenschaftlichen Beirates und des Stiftungsrates bezüglich der Erhöhung der Stipendien, eventuell über eine Angleichung der „westlichen” und „östlichen” Stipendiaten, sind bekannt. Die Stipendiaten sehen ein, dass das Europa Institut Budapest keinen „Gehalt”, sondern ein „Stipendium” auszahlt. Diese Summe entspricht dem Minimalgehalt in Ungarn, bzw. der Summe, den ein junger Forscher nach Abgabe der Steuern in Ungarn erhält. Das vergebene Stipendium des Institutes geht zusammen mit der Bereitstellung von Unterkunft über diese „Einnahme” hinaus.

 

Kaffeerunde-Veranstaltungen

Seit 1990 sind die Kaffeerunde-Veranstaltungen unverändert geblieben. Die ausländischen und ungarischen Stipendiaten, sowie die Professoren und die Tutoren der Stipendiaten finden sich wöchentlich einmal (dienstags um 16.00 Uhr) zusammen zu einem Kaffee (Tee). In den ersten acht Jahren boten diese Kaffeerunde-Veranstaltungen den Teilnehmern die Möglichkeit für ungezwungene Diskussionen zu keinen festgesetzten Themen. Bei Gelegenheit wurden Gäste eingeladen, und es galt als Regel, dass jeder Stipendiat sich zu Beginn seines Aufenthaltes einmal „vorstellte” und vor seiner Abreise „einen Berichtsvortrag” über seine Forschungen gab. Seit 1999 führt Lilla Krász die Kaffeerunde-Veranstaltungen. Die Kaffeerunde wird seit diesem Zeitpunkt nach einem vorher bestimmten thematischen Programm abgehalten. Die kurze „Vorstellungs-” und der „Berichtteil” sind unverändert geblieben, aber es werden von Lilla Krász (unter der Mitwirkung der Professoren, Zoltán Szász und Attila Pók, die an jeder Kaffeerunde-Veranstaltung teilnehmen) auch „aktuelle Themen” auf die Tagesordnung gesetzt oder anerkannte ausländische Professoren eingeladen. Es ist mittlerweile zur Gewohnheit geworden, dass die eingeladenen Gäste auf ihre Vorlesung folgend auch ein oder anderes Thema der Kaffeerunde übernehmen.

Bei den Kaffeerunde-Veranstaltungen sind natürlich auch die Gastprofessoren des Institutes jeweils anwesend und halten auch selber gelegentlich Vorträge. An den mit den Kaffeerunde-Veranstaltungen verbundenen organisatorischen Aufgaben nimmt selbstverständlich auch Tibor Dömötörfi aktiv teil. Er bewohnt eines der Zimmer im Gästehaus des Institutes, und erreicht – nach der Verteidigung seiner Dissertation in Deutschland – gemeinsam mit Lilla Krász mittlerweile allmählich „das Professorenalter”.

Die den Kaffeerunde-Veranstaltungen zur Verfügung stehenden sachlichen Ausrüstungen und Umstände können den Wettbewerb mit jedem westlichen Institut aufnehmen. (Das ist das Ergebnis von langjährigen – oft kleinlichen – lokalen Kämpfen.)

 

Gastprofessoren

Im vergangenen Jahr hatte das Institut 7 Gastprofessoren (die Liste mit Angabe der Projekte ist auf Seite 49 zu lesen).

Den Gastprofessoren wurde – auf Grund einer Vereinbarung mit dem Institut für Geschichtswissenschaften – in den Räumlichkeiten des Institutes im Burgviertel ein „Arbeitszimmer für Professoren” bereitgestellt. So konnten die Herren Professoren jeden Morgen (wenn sie wollten) „zur Arbeit gehen”, sie haben ein Arbeitszimmer, wohin sie Gäste einladen können, und sie können die vom Forschungszentrum für Sozialwissenschaften gebotenen Vorteile nutzend am „gesellschaftlichen Leben” der akademischen Institute, bei der sich Ökonomen, Juristen, Historiker, Politologen, Ethnographen zusammen finden, teil haben.

 

Vorstandssitzungen

Der Direktor des Instituts, der Stellvertretende Direktor, die Professoren, die Tutoren der Stipendiaten, sowie der Programm-Manager finden sich jeden Donnerstag zwischen 12.00 und 15.00 Uhr zu der wöchentlich angesetzten Vorstandssitzung zusammen. (Wenn es für nötig gehalten wird, werden auch bei Gelegenheit Gäste eingeladen.) Das seit 1990 bestehende System ist funktionsfähig:

1. Gemeinsames Mittagessen (mit ein wenig Rotwein gewürzt).

2. Die Vorbereitung für die Aufnahme von Stipendiaten (die Anwärter werden von Lilla Krász und Beáta Kiltz vorgestellt auf Grund der schriftlichen Gutachten von Zoltán Szász und Attila Pók).

3. Die Vorbereitung der Konferenz-Veranstaltungen (diese werden von Andrea Antal und Beáta Kiltz vorgeführt nach Absprache mit Attila Pók).

4. Die Druckvorbereitungen der einzelnen Bänder der Reihe „Begegnungen”, sowie der zu bestimmten Konferenzen zusammengestellte Begleitbänder (diese werden von Kornélia Burucs vorbereitet, sie führt auch die damit verbundenen Aufgaben aus.)

5. Die Vorbereitung der wissenschaftlichen Projekte (im Rahmen des Széchenyi-Programms, Aktion Österreich-Ungarn, usw.), dies ist die Aufgabe von Ádám Bóday.

Außerdem verschaffen sich der Direktor gemeinsam mit der Wirtschaftsmitarbeiterin (Buchhalterin) und Ádám Bóday einmal im Monat einen Überblick bezüglich die „Wirtschaftung” des Institutes. Dabei wird ein aktuelles schriftliches Stand-By über die finanzielle Lage des Institutes und über die anlaufenden und bereits laufenden Verträge zwischen den Instituten erstellt. Bei Gelegenheit nehmen an solchen Treffen Károly Manherz, der Professor des Institutes verantwortlich für finanzielle Angelegenheiten, und Ferenc Henrik Glatz, verantwortlich für die Wertpapiere und die internationalen finanziellen Beziehungen des Institutes teil.

Budapest, 4. Juni 2004

Ferenc Glatz

Direktor