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Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 14:73–87.

ÁGNES DÁVID

Englische Elemente in der gesprochenen deutschen Gegenwartssprache

Soziolinguistische Ergebnisse einer korpusbasierten Analyse

 

1. Vorbemerkungen

Die deutsche Sprachgemeinschaft erlebt seit über 50 Jahren eine durchaus progressive Phase des deutsch-englischen Sprachkontakts. Der Anfang dieser Progression ist auf die Nachkriegsjahre datiert, als das Angloamerikanische, die Sprache der wirtschaftlich, politisch-ideologisch und kulturell für Westeuropa ausschlaggebenden Großmacht Vereinigte Staaten immer stärkere Akzeptanz in der Sprachverwendung des deutschsprachigen europäischen Raumes erfuhr. Obwohl dieser Prozess weder in der Geschichte des Deutschen, noch in der parallelen Sprachentwicklung des europäischen Sprachraumes etwas Einmaliges darstellt, sorgte und sorgt er im traditionell monolingualen (geteilten bzw. wiedervereinigten) Deutschland bis heute für Furore. Pate für diese Spracheinstellung stand ein recht verzweigter Ursachen-Komplex, von dessen Komponenten hier, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, folgende hervorgehoben werden sollen: a) die Rivalität der Weltsprachen Deutsch und Englisch1, aus der das Englische als Lingua franca des ausgehenden 20. Jh. hervorging; b) die von Zeit zu Zeit in der öffentlichen wie auch in der wissenschaftlichen Sprachbetrachtung aufkommende, teils puristisch-nationalistisch gefärbte Befürchtung des Sprachverfalls2 ; c) die lange Zeit vornehmlich historisch-etymologische Prägung der deutschen Sprachwissenschaft, innerhalb derer eine neue Generation erst in den 60er Jahren eine Lanze für die synchronische Untersuchung der Gegenwartssprache brach und u. a. auch die Fremdwort-Lehnwort-Problematik ins modernere Licht rückte (den Auftakt dazu bildete von Polenz (1967)); und nicht zuletzt d) die monolinguale Fixierung der deutschen Linguistik, die zur Folge hatte, dass Ergebnisse kontaktlinguistischer Untersuchungen, die seit den 50er Jahren in verschiedenen bilingualen Sprechgemeinschaften der Welt durchgeführt worden sind, in Deutschland so gut wie unreflektiert blieben und erst seit etwa zehn Jahren ansatzweise Eingang in die Analyse des Deutschen im Kontakt mit anderen Sprachen gefunden haben (Pfaff 1991; Pütz 1994; Androutsoupoulos 1998). Angesichts obiger Tatsachen erfüllen synchrone, empirische Untersuchungen des Deutschen im Kontakt mit anderen Sprachen trotz des in der Öffentlichkeit abgedroschenen Themas „sprachlicher Einfluss” in wissenschaftlicher Hinsicht eine wichtige Funktion, indem sie zur Deckung eines Nachholbedarfs an Arbeiten beizutragen vermögen, die Sprachwirklichkeit unter dem Aspekt des Sprachkontakts möglichst unvoreingenommen präsentieren.

 

2. Beschreibung der eigenen empirischen Untersuchung

Im Interesse des zuletzt erwähnten Zieles wurde auch die vorzustellende Analyse eines Teilbereichs der gesprochenen deutschen Sprache durchgeführt. Der gewählte Untersuchungsrahmen dient u.a. dem Zweck, auf sprachkontakttypische Erscheinungen innerhalb des „Mediendeutsch” detaillierter einzugehen. Das Korpus bilden 150 auf Video aufgezeichnete Talkshowsendungen aus dem deutschen Fernsehen, von denen demnächst das Sprachmaterial der ersten 100 Einheiten ausgewertet wird. Die Idee zur Untersuchung des Anglizismengebrauchs3 in deutschen Talkshows wurzelt in der Annahme, dass gewisse Typen dieses kommerziellen Genres einen geeigneten Querschnitt des gesprochenen Standarddeutsch bieten, um bei der Analyse ihres sprachlichen Materials über die Ermittlung spezifischer Eigenschaften des „Mediendeutsch” hinaus auch auf allgemeine gemeinsprachliche Charakteristika schließen zu können, von denen hier soziologische Komponenten des Anglizismengebrauchs in den Mittelpunkt gestellt werden. Darüber hinaus werden in diesem Rahmen die Ergebnisse nach Möglichkeit mit den Angaben der ebenfalls das Fernsehdeutsch untersuchenden 18-stündigen Erhebung von Glahn (2000) verglichen, sofern es die unterschiedlichen Forschungsinteressen zulassen.

Für die Untersuchung wurden zwei Showtypen ausgewählt. Die größere Gruppe bilden 82 sog. Laien-Talkshows (Steinbrecher & Weiske [1992]), die von den Privatsendern RTL und SAT1 zwischen 30. 09. 1996 – 8. 10. 1998 ausgestrahlt wurden (bei RTL moderiert von Ilona Christen, Hans Meiser und Bärbel Schäfer, in SAT1 von Johannes Kerner/Jörg Pilawa und Sonja Zietlow). Alle sind rund einstündige Sendungen, die ohne Werbeblöcke 45 Minuten moderiertes Studiogespräch über ein im Voraus bestimmtes Thema mit 6–10 Podiumsgästen und einigen Wortmeldungen aus dem Studio-publikum enthalten. (Podiumsgäste und Teilnehmer aus dem Studio-publikum werden im Weiteren „Medienlaien” genannt.) Die angesprochenen Themen sind in ihrer Alltäglichkeit nicht zu überbieten (Partnersuche, problematische Familienverhältnisse, Karriere, Arbeitslosigkeit, besondere Hobbys, Übergewicht, merkwürdige Ess-, Trink- und Liebesgewohnheiten etc.), so dass sie unabhängig von Bildungsniveau und sozialem Status der Teilnehmer keinen an der Meinungsäußerung hindern – vorausgesetzt, dass die Teilnehmer keine Hemmungen haben, über ihr Privatleben vor der breiten Öffentlichkeit zu sprechen.

Die andere Gruppe besteht aus im gleichen Zeitraum in SAT1 ausgestrahlten 18 Sendungen der Harald-Schmidt-Show.4 Sie können in gewisser Hinsicht als Kontrollgruppe zu den Laien-Talkshows betrachtet werden, da in diesen – ohne Werbung – ebenfalls 45-minütigen Sendungen neben dem Entertainer Schmidt nur Medienprofis auftreten, mit denen er im zweiten Teil der Sendung zwei Interviews führt. Seine Gäste sind lauter Prominente aus der Showbranche, Schauspieler, Journalisten, Pop- und Rockmusiker usw., die ganz bewusst mit dem Medium Sprache umgehen. Obwohl die Gespräche in erster Linie Werbezwecken dienen, und die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf Neuerscheinungen (Bücher, CDs), Fernsehsendungen, Filme und Konzerte lenken wollen, treten Imagearbeit (im Sinne von Holly (1979)) und verbale Prestige-Duelle zwischen Moderator und Gast/Gästen deutlich in Erscheinung, was sich auch im häufigen Gebrauch von Anglizismen niederschlägt.

Die Auswahl der Sendungen erfolgte nach dem Zufallsprinzip, wobei die rund hundert Aufzeichnungen (gemessen an der für die Arbeit vorgesehenen Zeit) in den möglichst größten Zeitabständen aufeinander folgend, in vier Etappen stattfanden: Im Herbst 1996, im Frühling 1997, im Winter 1997/98 und im Herbst 1998. Bei der Untersuchung des Anglizismengebrauchs im ersten, 45 Stunden langen Teil des Korpus wurde folgendes Raster verwendet:

a) Der ohnehin viel zu weit gefasste Begriff „Anglizismus” wurde auf Ein- und Mehrworteinheiten evident englischen Ursprungs reduziert, d. h. auf solche Sprachdaten, die wenigstens ein im Englischen ebenfalls existentes lexikalisches Morphem enthalten. Ausgeklammert wurde durch diesen Schritt zum einen fast gänzlich das breite Feld des sog. „latenten Lehnguts”, das zwar nach englischem Muster, jedoch mit deutschen Lexemen gebildet wird, zum anderen die auf die Interferenz des Englischen zurückzuführenden, morphosyntaktischen Erscheinungen im Deutschen, pauschal formuliert: solche deutschen Sprachelemente, die in Analogie zum Englischen verwendet werden (Kalter Krieg, Erdnussbutter, Pille für die Frau bzw. Sinn machen, in 2001, mehr und mehr usw.). Diese Entscheidung will keineswegs die Berechtigung der im engeren Sinne genommenen Transferenz- und Interferenzforschung in Frage stellen. Sie wurde viel eher im Interesse des Operationalisierbarkeitsprinzips getroffen, das im Bereich der Lehnprägungen bzw. der Grammatik wegen Mangel an zuverlässigen Kriterien mehr als erwünscht von Vermutungen und Annahmen abgelöst wird.

b) Unbeachtet blieb bei der Auszählung eine verhältnismäßig große Zahl von Lexemen englischer Herkunft innerhalb der evidenten Anglizismen, bei denen allein aufgrund des sozialen Integrationsfaktors (hohe Frequenz und allgemeine Verbreitung) über eine bereits erfolgte Eingliederung ins Deutsche gesprochen werden kann. Diese Art Eingliederung fällt nicht immer mit dem vollständigen Grad der sprachlichen Integration (dem herkömmlichen Lehnwortstatus) zusammen. Lexeme wie Computer, Videorecorder, Fan, sexy usw. unterscheiden sich zwar von den auf allen sprachlichen Ebenen integrierten Lehnwörtern wie antörnen, bluffen, Film, Partner, Sport, Reporter, Tipp, Trend und tricksen, trotzdem werden sie unsererseits nicht mehr als markierte Einheiten des deutschen Lexikons betrachtet (vgl. Eisenberg & Baurmann (1984) u. Eisenberg (2001)). Solche Lexeme wurden in die Datensammlung nur in der Hoffnung aufgenommen, dass ihre Wortformen im Laufe der Untersuchungszeit neue Integrations-merkmale aufweisen werden. Für frequentiell nicht genau erfasste Sprachdaten wurde die Kennzeichnung [Computer] eingeführt. Nicht uninteressant scheint allerdings die Tatsache zu sein, dass das Gros dieser Lexeme zu den Internationalismen gehört.

Ebenfalls ausgegrenzt wurden Eigennamen jedweder Art (bis auf appellativierte), Warenbezeichnungen, Titel von Büchern, Platten, Filmen, Veranstaltungen, Institutionen und Organisationen, sowie jegliche Zitate aus diesen mit Prowort-Charakter (Johannes Big Kerner, Rocky Horror Picture Show, The mans world, Take the money and run, Christopher-Street-Day, Love Parade, Cola light, Extasy). Ungeachtet blieben auch Initialwörter, unabhängig davon, ob sie analytisch oder synthetisch artikuliert werden (Dink („double income, no kids“), WAP, AIDS, PR), des Weiteren Komposita oder Mehrworteinheiten, die Initialwörter enthalten (ATP-Weltmeisterschaft, Kanzler Records, PR-Tour, Welt-Dart-Verband etc.). Ein generelles Kriterium für die Aufnahme war, dass die Sprachdaten in keiner schriftlichen Form von dem Zuschauer mitgelesen werden können, indem sie als Aufschrift oder als Einblende auf dem Bildschirm erscheinen.

c) Das Analyseraster arbeitet mit einer modifizierten Version der Type-Token-Relation. Tokens referieren nicht, wie in der Sprachstatistik üblich, über das Gesamtvorkommen der einzelnen Types, sondern sie geben Auskunft nur darüber, in wie vielen Korpuseinheiten ein Type (wenigstens einmal) vorkam. Registriert wurde immer das erste Vorkommen eines Belegs in der jeweiligen Sendung. Eventuell weitere Vorkommen desselben Types, bei denen formal-semantische Unterschiede festzustellen waren, wurden zwar für die sprachliche Analyse festgehalten, statistisch gesehen galten sie jedoch nicht als neue Tokens. Der maximale Token-Wert liegt demgemäß in diesem Ausschnitt der Untersuchung bei 100. Ein Token-Wert von 10 bedeutet also, dass der Type in zehn Sendungen registriert wurde, ohne Kennzeichnung dessen, wie oft es zu seiner wiederholten Erwähnung innerhalb derselben Sendung kam. Stichprobenartigen Auszählungen nach (im Fall von fünf Sendungen) verringerte diese statistische Modifizierung die Tokenwerte etwa um ein Drittel im Durchschnitt. Da jedoch die Token-Angaben quantitativ systematisch verringert wurden, erweisen sie sich bei unversehrter, vollständiger Typerfassung für die linguistische Analyse immer noch als aussagekräftig genug.

d) Die Auswertung des Sprachmaterials erfolgte anhand der Videoauf-nahmen. Die Belege wurden mit Minimalkontext aufgezeichnet, was überwiegend in der schriftlichen Festhaltung des vollständigen Satzes bestand. In manchen Fällen war es nötig, auch kürzere Gesprächssequenzen aufzuzeichnen, um den kontextuellen Zusammenhang zu verdeutlichen. Die Überprüfung der Belegerfassung auf Vollständigkeit bei zehn Sendungen ergab, dass für das Gesamtkorpus hochgerechnet eine über 95-prozentige Genauigkeit in der Datenerfassung gilt.

e) Zur schriftlichen Fassung des mündlichen Materials wurde die literarische Transkription gewählt. Diese Methode verlangt viele formal-orthographische Entscheidungen, die teilweise instinktiv getroffen werden müssen (Zusammen- und Getrennt-, Groß- und Kleinschreibung, Verwendung von Bindestrichen, die Wiedergabe/Nicht-Wiedergabe von deutlichen phonetischen Abweichungen im Vergleich zur englischen Aussprache usw.). Als Stütze in dieser Hinsicht dienten die Eintragungen des „Duden Deutschen Universalwörterbuches 2001“, weil es bestrebt ist, eine „aktuelle, umfassende, objektive und zuverlässige Darstellung der deutschen Sprache an der Jahrtausendwende“ (Duden 2001: Vorwort, o. S.) zu geben, und in diesem Sinne auch die semantisch-morphologische Entwicklung des Zeitraumes referiert, den das Sprachmaterial des Talkshowkorpus erfasst.

 

Ergebnisse der Analyse

Bei der nach obigen Kriterien erfolgten Auswertung des 75-stündigen Materials von den 100 Talkshow-Sendungen wurden 724 evidente Anglizismenbelege registriert, die insgesamt 1.304 Mal als ‘limitierte’ Tokens (weil auf einen Maximalwert von je 100 beschränkt) realisiert vorkamen. Dies bedeutet, dass alle 6,2 Minuten ein neuer Type bzw. alle 3,45 Minuten einer von den 724 registrierten Anglizismen erwähnt wurde. Der statistische Type-Durchschnitt, etwa sieben Anglizismen pro Sendung, ergibt sich aus folgender Verteilung: 19 Sendungen enthalten 5 oder weniger Types, 6–10 Types kommen in 35, 11–20 Types in 28 Talkshows vor. Bei 10 Prozent der Sendungen gibt es Typewerte von 21–30, und in den restlichen acht Sendungen lag die Zahl der Types zwischen 31 und 48.

 

Zahl der Types

Sendungen in %

1–5
6–10

19
35

11–20

28

21–30

10

31–40
41–

5
3

Tabelle 1: Types pro Sendung.

 

Die Themen der Talkshows stehen mit der Anglizismenfrequenz in einem interessanten Zusammenhang. Bekanntlich gibt es Bereiche des gesellschaftlichen Lebens, die sprachlich besonders „anglizismenfreundlich" sind, wie Sport, Mode, Informationstechnik, Unterhaltungsindustrie (Film- und Musikbranche, Fernsehen), sowie gewisse Wirtschaftsbereiche (vor allem Werbung, Marketing und Unternehmensführung) und Presse. Für die Sendungen, die thematisch den einen oder anderen Teilbereich berühren, ist meistens der Einbezug der betroffenen anglizismenträchtigen Sondersprache charakteristisch, was zur Frequenzsteigerung englischer Ausdrücke auch in gemeinsprachlicher Kommunikation führt. Tabelle 1a illustriert diesen Zusammenhang durch die Anordnung der Talkshowthemen zu den jeweiligen Pro-Sendung-Typewerten:

 

Zahl der Types

Thema der Sendung

1–10

„Tiere sind meine besten Freunde“/„Fette Tiere“
„In meinem Hause spukt’s!“/„Und es gibt sie doch. Unerklärliche Phänomene“
„Ich muss mich über Leben und Tod entscheiden“/„Begegnung mit dem Tod“/„Männer sind die besseren Mütter“
„Vom Frauenhaus zurück zu ihm“
„Raucher raus!“/„Ich hasse Nichtraucher“
„Schwarzarbeit“
„Ich liebe Dich, heute sag ich’s Dir“/„Liebe in Deinem Alter? Schäm Dich!“
„Traumpartner“/„Kontaktanzeigen: Liebe auf den ersten Blick“

11–20

Bärbel sucht für dich den Richtigen/„die Richtige“/„Meine Tochter ist noch zu haben!“
„Vergiss das Kleid – dafür bist du zu dick“
„Meine Serie ist schöner als mein Leben“
„Extremsport – Hör auf damit, ich habe Angst um Dich!”/„Wilde Eltern, brave Kinder“/„Ich schleppe gern Männer ab!“
„Karrierefrauen – erfolgreich ohne Penis“/„Chefs, die zu sehr lieben“

21–30

„Heiße Südländer wollen sich verlieben“/„Deutsche Verkäufer sind doch das Letzte“
„Twiggy – das Schönheitsideal der 90er?“

31–40
41–

„Ich will vor die Kamera. Fernsehstars gesucht“

Tabelle 1a: Talkshowthemen und Anglizismenfrequenz.

 

Die kleine, proportionale Verhältnisse aber durchaus beachtende Kostprobe an Talkshowthemen, verbunden mit der Zahl der innerhalb der Sendung belegten Types untermauert meiner Meinung nach den angesprochenen Zusammenhang recht deutlich. In der ersten Kategorie mit dem niedrigsten Typewert ist keiner der überdurchschnittlich anglizismenträchtigen Bereiche vertreten. Typisch für das Gros der Themen in dieser Kategorie sind die starke emotionale Betroffenheit der Gesprächsteilnehmer und die betont affektive Prägung, die auch in der Formulierung der Sendungstitel zum Ausdruck gebracht wird. Das an letzter Stelle angeführte, im Korpus häufig vorkommende Thema Partnersuche hat jedoch einen Doppelcharakter: Einerseits ist es stark emotional geladen (Liebe, Ehe usw.), andererseits funktionieren Sendungen mit diesem Thema auch als eine Art „Homeshopping" – mit dem Unterschied, dass dabei statt zu erwerbender Waren zu umwerbende Personen präsentiert werden. Das Schlüsselwort Werbung überführt in die zweite Kategorie, in der schon einige anglizismenträchtige Themen (Werbung, Mode, Fernsehunterhaltung, Unternehmensleitung) erscheinen, die eine Frequenzsteigerung der Anglizismen in den Talkshows bewirken. Unter den 18 Sendungen, die in die letzten beiden Kategorien mit den höchsten Typewerten gehören, sind 14 Harald-Schmidt-Shows zu finden. Abgesehen von teilweise bereits erwähnten Merkmalen, die diesen Showtyp von den Laientalkshows unterscheiden, trägt zur überdurchschnittlich hohen Zahl der Anglizismen-Types auch die Tatsache bei, dass der monologische Teil der Show überwiegend aus Kommentaren des Moderators zu Nachrichten und Pressemeldungen besteht, wodurch einer der markierten sprachlichen Bereiche – die Pressesprache – auch in die Harald-Schmidt-Shows Einzug hält. Die vier Sendungsthemen in der letzten Kategorie, bei denen die höchste Anglizismendichte zu beobachten war, sind Partnersuche, Service im Handel, Mode und Fernsehunterhaltung.

Auch bezüglich der Tokens erweist die Kontrollgruppe der Harald-Schmidt-Shows höhere Werte. Laientalkshows und Kontrollgruppe stehen zueinander in einem Verhältnis 10:26 Tokens pro Sendung. Da in der Harald-Schmidt-Show nur Medienprofis auftreten, kann vermutet werden, dass sie deutlich mehr Anglizismen benutzen als Alltagsleute bei ihren Talkshow-Auftritten – Prestigearbeit und Imagepflege gehen demzufolge auch mit der Frequenzsteigerung von Elementen des heute als Prestigesprache geltenden Englischen einher. Um diese Behauptung nuancieren zu können, ordnen wir nun die 1.304 Tokens danach, ob der Datenvermittler Medienlaie oder Profi war.

 

Laien-Talkshow 831

Harald-Schmidt-Show 473

ModeratorInnen (5)    317
Gäste                     514
davon Medienprofis   26

Moderator                  401
Gäste                          72

Tabelle 2: Tokens insgesamt in den beiden Talkshow-Gruppen.

 

Die Teilstatistik zeigt, dass die Laien-Talkshows 64 % und die Schmidtsche Kombination von One-Man-Show und Prominenten-Show 36 % der Gesamtbelege lieferten. Die mit Abstand meisten Belege stammen vom Moderator Harald Schmidt selbst (etwa 30 % aller Tokens). In der ersten Gruppe haben Moderatoren und Moderatorinnen bzw. die Medienprofis unter den eingeladenen Studiogästen 38 % der Anglizismen als erste im Laufe der Sendung erwähnt, in der zweiten Gruppe stammen alle Belege von Medienprofis. Im Endergebnis bedeutet dies, dass nur 37 % der Gesamtbelege von der um ein Vielfaches größeren Gruppe der Medienlaien in die Diskussion einbezogen wurden.

Da die Talkshows in Form von Bildschirmaufschriften dem Zuschauer auch zusätzliche Informationen über die Gäste vermitteln, war es oft möglich gewesen, Alter und Beruf der Podiumsgäste zu erfahren. Bei sich spontan zu Wort meldenden Gästen konnten diese Daten nur eingeschätzt oder anhand indirekter Informationen festgelegt werden. Tabelle 3 zeigt, wie sich die 488 von Medienlaien stammenden Anglizismen-Belege auf Altersgruppen und Geschlechter verteilt haben.

Altersgruppe

Tokens (insg. 488)

 

Frau

Mann

Gr. 1: unter 20

37

31

Gr. 2: 21–40

117

167

Gr. 3: 41–60

42

73

Gr. 4: über 60

7

9

Tabelle 3: Tokens nach Altersgruppen5.

 

Obige Angaben legen die Vermutung nahe, dass Männer bis auf die Altersgruppe der Jugendlichen häufiger Anglizismen verwenden würden als Frauen – bei Männern liegt ja die Gesamtzahl der Belege um etwa 16 % höher. Das Ergebnis relativiert jedoch, dass die Zahl der insgesamt zu Wort gekommenen Personen (inklusive derjenigen, die keine oder nur innerhalb der jeweiligen Sendung bereits registrierte Anglizismen benutzt haben) weder nach Alter noch nach Geschlecht notiert wurde. Es ist demzufolge nicht auszuschließen, dass die angeführten Angaben schlichtweg mit der statistischen alters- und geschlechtsmäßigen Repräsentanz der sich Äußernden zusammenfallen, d.h., dass die meisten bzw. die wenigsten Anglizismen deswegen junge erwachsene Männer bzw. ältere Damen gebraucht haben, weil diese beiden Gruppen unter den Gesprächspartnern verhältnismäßig über- bzw. unterrepräsentiert waren.

Ein in den bisherigen Korpusanalysen noch nicht ermitteltes Ergebnis brachte die Auszählung, welchen Anteil diejenigen Anglizismen an den Gesamtbelegen haben, die nur oder durchaus überwiegend in Äußerungen von Medienprofis vorkamen.6 Beinahe ein Drittel der Types (190 von 724 Belegen) gehören hierher. Die untenstehende Zusammenfassung stellt dar, wie sich dieser Belegbereich zusammensetzt.

Die Angaben sind folgenderweise geordnet: Die erste Spalte enthält einige Beispiele für den Belegtyp, die Spalte „Zahl der Personen“ gibt Auskunft darüber, wie viele Datenvermittler das jeweilige englische Sprachelement benutzt haben bzw. die Spalte „wiederholtes Vorkommen“ gibt an, wie oft dieses Element als Ersterwähnung innerhalb der 100 Sendungen vorkommt, also in wie vielen Sendungen präsent war. Dementsprechend wurde z. B. Happyend nur von einer Person und in einer Sendung benutzt. Solche Types gibt es 131 im Korpus (s. Spalte 4), die logischerweise genauso viele Tokens ausmachen (s. Spalte 5). Die zweite Zeile benennt Beispiele für Belege, die von nur einem Medienprofi, jedoch öfter, zwei bis sieben Mal verwendet wurden. Beispiele wie President oder Groupie in der dritten Zeile sind – wie Belegtyp 1 – von je einer Person und nur einmal erwähnt worden, die Zahl der Datenvermittler beträgt jedoch insgesamt zwei oder drei. Die vierte Zeile informiert über die frequentesten Anglizismen unter den Medienprofis, von denen z. B. Hit und Boygroup von zwei Personen in vier Talkshows, Fan (exkl. Komposita) aber von sechs Medienprofis in 17 Sendungen benutzt wurden.

Bei der Interpretation der Angaben ist es wichtig, zu betonen, dass sie höchstens ausreichen, um Tendenzen abzustecken, und keineswegs zu unbegründeter Verallgemeinerung verlocken dürfen. Angesichts der Tatsache, dass die in die Analyse einbezogenen 100 Sendungen nur einen Bruchteil (2 Prozent) der in der gleichen Periode in RTL und SAT1 ausgestrahlten Talkshows ausmachen, kann ja auch ein noch so umfangreiches Korpus nicht als repräsentativ gelten. Tabelle 4 erfasst eigentlich den Teil der Anglizismen, der mit gewissen Einschränkungen in den passiven Wortschatzbereich des Alltagssprechers gehört und 26 % der Gesamtbelege betrifft. In Wirklichkeit mag dieser Anteil niedriger ausfallen, da die korpusspezifische Erhebungsmethode nur auf die Ersterwähnungen innerhalb der 100 Einheiten abgezielt war. Es lässt sich anhand dieser Erhebung nicht nachvollziehen, ob und wie in den weiteren Verlauf der Diskussion diese englischen Elemente von den Studiogästen eingebaut wurden. Auch unter den als Beispiel zitierten Belegen gibt es solche, über die schwer zu vermuten ist, dass sie von Medienlaien nicht aktiv verwendet werden (Cowboy, Hit, Softie etc.). Andererseits kann aber auch nicht genau bestimmt werden, inwiefern dieser 26-prozentige Anteil von den Studiogästen und dem -publikum tatsächlich auch passiv beherrscht wird. Aufgrund indirekter Hinweise (Missverständnisse, hinzugefügte Erklärungen, Rückfragen, Falschverwendungen usw., auf die an dieser Stelle nicht näher eingegangen wird) kann man mit Sicherheit darauf schließen, dass auch in den Allerwelt-Talkshows nicht alle von Medienprofis gebrauchten Anglizismen „ankommen“. Der korpusspezifisch hohe Wert von 26 % der nur von Medienprofis gebrauchten Anglizismen mag zwar bei der herkömmlichen Token-Erhebung etwas niedriger ausfallen, er vermittelt relational doch zuverlässig die hohe Zahl von Anglizismen, mit denen Medienleute durchs Fernsehen die Gemeinsprache überschütten. Die hier nicht besprochene Analyse der weiteren 50 Sendungen aus dem Jahr 1999 bestätigt, dass etwa 5 % der „Fernsehanglizismen“, d. h. derjenigen Ausdrücke, die in den ersten zwei Dritteln des Korpus nur im Sprachgebrauch von Medienprofis aufgetaucht sind, im chronologisch gesehen letzten Drittel auch schon durch Talkshowgäste als Ersterwähner in die Gespräche einbezogen werden.

Bei der sprachsoziologischen Betrachtung des Korpus muss im Weiteren unbedingt auch der oft zu Unrecht vernachlässigte Aspekt der Einsprachigkeit/Mehrsprachigkeit Beachtung finden. Auch wenn Verfasser von Korpusanalysen in der Praxis dazu neigen, sprachkontaktbasierte Belege in mehrsprachigen Sprechgemeinschaften als Ergebnisse von Codeswitching und die gleichen oder ähnliche Belege in einsprachigen Gemeinschaften als Produkte der sprachlichen Entlehnung zu präsentieren, wäre es m. E. durchaus verfehlt, sich dieser Vereinfachung anzuschließen. Anhand des Talkshow-Korpus kann mehrfach nachgewiesen werden, dass bilinguale Sprecher – in unserem Fall also solche, die sowohl zur einsprachig deutschen als auch zur einsprachig englischen Kommunikation fähig sind – teilweise anders mit Anglizismen umgehen als einsprachige Sprachteilhaber. Zunächst sei hier auf die oben geschilderten Unterschiede zwischen Medienlaien und Medienprofis verwiesen. Bei den Starmoderatoren der ausgewählten RTL- und SAT1-Sendungen können wir mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass die Gesprächsleiter kompetente Sprecher des Englischen sind, die den Vorteil, dass sie der Prestigesprache Englisch mächtig sind, in der Image-Arbeit nutzen. Wie bereits festgestellt, kamen 63 % aller Tokens in „professionellen“ Erstverwendungen vor, von denen 26 % nur von den Medienprofis gebraucht wurden. Die Zahl derjenigen Types jedoch, die innerhalb dieser 26 % eine Art Branchenjargon (spezielle Ausdrücke in Fernsehshows, bzw. in der Film- und Musikszene) repräsentieren (z. B. Telepromter, Backstage, Spot, Casting oder Cliffhanger), beträgt nur etwa 25, nach Tokens gerechnet 54, was relativ niedrigen prozentualen Werten entspricht:

 

Bereich

Types

Tokens

Medien-Anglizismen

13 %

16 %

Gesamtkorpus

4 %

4 %

Tabelle 5: Branchenjargon (nur von Medienprofis gebraucht).

 

Diese Auszählungswerte lassen darauf schließen, dass (höchstwahrscheinlich) bilinguale Medienleute wesentlich mehr solche Anglizismen verwenden, die in der Quellsprache gemeinsprachlichen Charakter haben, da der Anteil an Branchenjargon-Elementen sowohl innerhalb der nur von Medienprofis benutzten Anglizismen als auch hinsichtlich der Gesamtbelege überraschend niedrig ausfällt. Dass es so ist, ist sicherlich kein Zufall: Moderatoren, die sorgfältig darauf zu achten haben, dass sie Erklärungen zu den von ihren Gästen verwendeten, nicht geläufigen Anglizismen hinzufügen, dürfen wahrscheinlich auch selbst ihren Branchenjargon nur geringfügig einsetzen. Leider kann bezüglich der Mehrsprachigkeit von Talkshow-Gästen und Studiopublikum nur in Einzelfällen Sicheres ausgesagt werden, was eine vergleichende Untersuchung des ein- und mehrsprachigen Anglizismengebrauchs unter ihnen in den Bereich der vagen Vermutungen überführen würde.

Konkrete Angaben gewinnen wir jedoch durch die Analyse der sozialen Akzeptanz der Anglizismenbelege. Gestützt auf die Annahme, dass die zeitgemäße Lexikographie bei der Lemmaauswahl unbedingt auch Frequenz und Verbreitung der jeweiligen Ein- und Mehrworteinheiten innerhalb des gegenwartssprachlichen Lexikons in Erwägung zieht, haben wir uns bei der Analyse der sozialen Akzeptanz auf die Einträge einsprachiger deutscher Allgemeinwörterbücher verlassen. Als Maßstab diente im ersten Schritt – über die nachfolgenden wird an dieser Stelle nicht berichtet – das „Deutsche Wörterbuch“ von Wahrig (19863/1987), mit dessen Lemmabestand die Talkshow-Belege verglichen wurden, um festzustellen, welche Anglizismen bereits zehn Jahre zuvor Eingang in die Gemeinsprache gefunden haben und zu Beginn der Korpussammlung schon als sozial integriert betrachtet werden können. Die Analyse ergab, dass 233 Types des Korpus (32 %) im „Wahrig“ registriert sind. Dieses Ergebnis bedeutet jedoch keineswegs, dass die übrigen 68 % der Anglizismen-Types Neologismen im Gegenwartsdeutsch wären. Einen beträchtlichen Teil von ihnen bilden Mischkomposita, bei denen der als Grundwort oder Bestimmungswort fungierende Anglizismus oft als Lemma vorhanden ist, nicht jedoch in allen im Korpus belegten Zusammensetzungen ins Wörterbuch aufgenommen wurde. Fan z. B. ist im „Wahrig“ registriert, wie auch das Kompositum Fanklub, nicht aber Fußball-, Motorrad-, Motorsport-, Handy-, Hunde-, Internet- und Apotheken-Fan bzw. Fan-Post, Fan-Schal, Fan-Dasein und Fan-Bereich. Viele dieser Komposita sind Ad-hoc-Bildungen, die starke Kontextbezogenheit aufweisen und die in der allgemeinen lexikographischen Praxis schon aus diesem Grund generell nicht erfasst werden. Andererseits aber, wenn wir in Erwägung ziehen, dass 29 von den 233 Types (12,4 %) eine Bedeutungsveränderung – im Allgemeinen eine semantische Erweiterung – im Vergleich zu den kodifizierten Sememen erfahren haben (Bingo, cool, Fan, fit, First Lady etc.) schrumpft der Anteil der kodifizierten Korpus-Belege auf 28 %.

Bei der getrennten Betrachtung der nur von Medienprofis verwendeten Anglizismen, die sich auf 26 % der Gesamtbelegzahl belaufen, ergab sich ein Kodifizierungsgrad von 37 % (71 von 190 Types kommen im „Wahrig" registriert vor). Der prozentuale Anteil der kodifizierten Belege sinkt aber auf ca. 30 %, wenn wir auch hier nicht nur die formale Seite, sondern auch die lexikalisierte Bedeutung abwägen; in vielen Fällen spielte sich im Laufe von zehn Jahren auch in dieser Beleggruppe eine Bedeutungserweiterung ab (z. B. bei Charter, Kid, Look, Oldtimer, Rocker, toppen). Aufgrund obiger Angaben kann behauptet werden, dass sich der Anglizismengebrauch der Medienprofis von dem der Medienlaien nach dem generellen Kodifizierungsgrad der Belege nur geringfügig unterscheidet, obwohl bei Mehrsprachigen im Allgemeinen das häufigere Vorkommen von nicht bzw. noch nicht kodifizierten, in ihrer Verwendung jedoch integriert benutzten Äußerungselementen zu erwarten wäre.

Die Zahl der Mehrwortlexeme zeigt in den beiden Gruppen eine wesentlich größere Divergenz. In dieser Hinsicht bedeutet die Abgrenzung von englischsprachigen Ein- und Mehrwortlexemen im Deutschen ein ziemliches Problem, da viele englische Kollokationen infolge der Integrierung als Einwortlexeme im Deutschen benutzt werden. Schriftlich vorhandene Belege spiegeln durch die Wahl einer der möglichen orthographischen Möglichkeiten (Getrennt-, Zusammen-, oder Bindestrichschreibung) in dieser Hinsicht eindeutig die Auffassung des Schreibenden wider, während die diesbezügliche Auffassung des Sprechers bei mündlichen Belegen nicht eindeutig nachvollziehbar ist. Gelten bungee jumping, duty-free shop, First Lady, tracking team usw. im Deutschen als Ein- oder Mehrwortlexeme? Bei der literarischen Transkription des gesprochenen Sprachmaterials richteten wir uns im Fall von kodifizierten Lexemen nach der im „Duden Deutsches Universalwörterbuch“ (2001) angegebenen orthographischen Form, bei nicht kodifizierten Belegen waren die neuen Rechtschreibregeln maßgebend. In nicht eindeutig regulierten Fällen, die mehrere Schreibversionen zulassen, schlossen wir uns der Tendenz der Zusammenschreibung an. Die Einordnung als Ein- oder Mehrwortlexem erfolgte dann nach formalen Kriterien. In diesem Sinn gehören First Lady, American Football, absolutly perfect, Personal Trainer, favorite Star, Training on the job bzw. Präpositional-, Verbal-, Adverbialphrasen und idiomatisierte Wendungen wie not for me, go home, just for fun oder nobody is perfect zu den Mehrwortlexemen, während Super-Latin-Lover, Telefontraining, Cornflakeskrümel, Designerlampe etc. als Einwortlexeme kategorisiert wurden. Die Auszählung der Mehrwortlexeme nach Datenvermittlern ergab, dass der überwiegende Teil – alle bis auf sechs Belege – von Medienprofis gebraucht wurden. Medienlaien neigen durchaus zum Gebrauch von Einworteinheiten, die sie im Deutschen meistens auf der morphosyntaktischen Sprachebene integriert benutzen. Ebenfalls untypisch für Medienlaien ist der Gebrauch von vollständigen englischen Sätzen, es sind höchstens satzwertige Phrasen, die im ersten Teil des Korpus vorkommen. Für die „umgekehrte“ Art von Sprachenmischung in der untersuchten Relation, bei der das Englische die Matrixsprache bildet, in die deutsche Elemente integriert werden, gab es in den ersten 100 Sendungen keine Belege.

Im abschließenden Teil des Beitrags soll ein kurzer Vergleich mit den sprachstatistischen Angaben aus der Analyse von Richard Glahns Arbeit (2000) stehen. Glahn untersuchte ein 18-stündiges Korpus im Bereich des Fernsehdeutsch, das sich nicht auf einen Sendungstyp konzentrierte, sondern innerhalb eines Zeitraums von sechs Wochen (01.09.1998 – 15.10.1998) alle repräsentativen Sendungsarten – Informations-, Kinder- und Musiksendungen, Serien, Sportübertragungen, Talkshows und Werbe-sendungen – im öffentlich-rechtlichen Fernsehen (ARD, ZDF und SWR) berücksichtigte (Glahn 2000: 18ff). Jede Sendungsart ist dabei gleichmäßig, mit einer Sendezeit von 135 Minuten vertreten. Da Glahn mit der traditionellen Type-Token-Relation arbeitete, weiterhin das durch englische Beeinflussung entstandene evidente und latente ,Lehngut‘ in seine Analyse einbezogen hatte, gibt es – bei der Ausklammerung der systemlinguistischen Merkmale – leider nur einige Stellen, wo man parallele Angaben vergleichen kann.

In Glahns Korpus, das einen repräsentativen Querschnitt der Genres darbietet, kommen insgesamt 629 Types und 1.146 Tokens vor. Davon fallen auf das Genre Talkshow 8,2 % aller Belege, 52 Types bzw. 94 Tokens. Der Anglizismenfrequenz nach stehen die von ihm aufgezeichneten Talkshows im mittleren Bereich, auf dem vierten Platz unter den acht untersuchten Sendebereichen. Vor allem Werbesendungen und Sportübertragungen, aber auch Musik- und Informationssendungen mit politischem und wirtschaftlichem Inhalt weisen eine höhere Anglizismenfrequenz als Talkshows auf. Der dargebotene Untersuchungsausschnitt unseres Talkshow-Korpus steht, zeitlich gesehen, mit dem betreffenden Teil in Glahns Analyse in einem Verhältnis 100:3, Glahns Talkshow-Korpus macht also drei Prozent der hier behandelten Talkshow-Sendezeit aus. (Es gab leider keine näheren Informationen darüber, auf welche Talkshowtypen sich Glahns Angaben konkret beziehen.) Das wichtigste Ergebnis, das meiner Meinung nach auch dieser Vergleich bestätigt, ist, dass sich die Zahl der Types keineswegs exponentiell erhöht. Angesichts des quantitativen Verhältnisses 100:3 zwischen den beiden Korpora wäre es falsch, zu erwarten, dass das große Talkshow-Korpus dem obigen Verhältnis entsprechend mehr, also 1.733 verschiedene Anglizismen enthält. Auch wenn wir Glahns Talkshow-Belegzahl auf die von ihm aufgezeichneten 46 evidenten Anglizismen reduzieren (Glahn 2000: 197f) – die übrigen sechs gehören zu den latenten – kommen wir dem tatsächlichen Typewert auch nicht wesentlich näher: Statt 1.533 verschiedener Anglizismen kommen nämlich im großen Talkshow-Korpus nur 724 Types vor. Der aus der Sprachstatistik bekannte Zusammenhang, dass mit zunehmender Textlänge die Type-Token-Relation sinkt (Glück 1993: 658), beweist das größere Talkshow-Korpus überzeugend: Bei einem 33-fachen Umfang zeigt die Zahl der Anglizismen-Types bloß einen 46,2-prozentigen Anstieg.

Zusammenfassend kann über die Untersuchung des Talkshow-Korpus gesagt werden, dass sprachsoziologische Aspekte einen durchaus wichtigen Teil bei der Auswertung des mündlichen Textmaterials darstellen, und helfen, Erscheinungen in der gesprochenen Gemeinsprache facettenreich zu beschreiben. Bewusst wurde bei dieser kurzen Erörterung ein wichtiger Aspekt der sprachsoziologischen Untersuchung nicht behandelt. Es kam nicht zur Erwähnung, welche pragmatisch-funktionalen Rollen Sprachenmischung bzw. der Gebrauch anderssprachiger Elemente bei der Kommunikation in mono- und bilingualer sprachlicher Umgebung einnehmen können. Die Besprechung dieses Themenkreises benötigt meiner Ansicht nach unbedingt einige kontakttheoretische Klärungen, die den Rahmen dieses Aufsatzes gesprengt hätten.

 

Anmerkungen

1

Diese Bezeichnung wird im Weiteren stellvertretend für alle diatopischen Varietäten des Englischen benutzt.

2

Es soll in diesem Zusammenhang auf eine von Andreas Gardts exzellenten Analysen zum Thema hingewiesen werden (Gardt 2001).

3

Der Begriff „Anglizismus” wird von uns in seiner weitesten Bedeutung benutzt, als (kürzestes) Synonym für englischsprachige lexikalische Elemente, die in deutschen Kontexten gebraucht werden.

4

Im Gesamtkorpus sind alle fünf Laien-Talkshows bzw. auch die Harald-Schmidt-Show mit jeweils 25 Sendungen vertreten.

5

Zu den Angaben der Person der Datenvermittler gab es einen Datenverlust von 0,76 %.

6

D. h. bei Vielfachvorkommen höchstens von 1–2 Personen benutzt, die zu den Medienlaien gehören.

 

Literaturhinweise

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