Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 10:187–196.
KORNÉLIA BURUCS
Das „Jahr der Wende” und die „werktätige Frau”
Ungarn, 1948–1956
Nach 1945 hat das gesellschaftliche Gewicht der Frauen wahrnehmbar zugenommen. Wegen der Menschenverluste im Weltkrieg kam nicht nur ihre zahlenmäßige Überlegenheit zur Geltung (1941 entfielen auf 4,56 Millionen Männer 4,75 Millionen Frauen, 1949 kamen auf 4,42 Millionen Männer 4,78 Millionen Frauen), doch konnte man auch die Beteiligung des „schwächeren Geschlechts” an der Wiederaufbauarbeit des Landes nicht entbehren.*
Nach 1945 waren nicht nur die Frauen der Proletarierfamilien, sondern auch die der den Boden unter den Füßen verlorenen mittleren Schichten gezwungen, im Interesse des Unterhalts ihrer selbst und ihrer Familien die Geborgenheit ihres Zuhauses zu verlassen. (Aus der Fachliteratur ist bekannt, dass vor 1945 die überwiegende Mehrheit der beschäftigten Frauen in der Landwirtschaft gearbeitet, bzw. sich ihr Brot als Haushaltsangestellte verdient hatte, während sie in der Industrie, im Verkehrswesen und im Handel – wegen ihrer niedrigen schulischen Bildung – vor allem nur als angelernte Arbeiterinnen oder Hilfsarbeiterinnen eine Arbeitsstelle gefunden hatten.)
Anschauungen über die Frauenarbeit
In den ersten Jahren nach 1945 ließen sich noch abweichende Stimmen über die Beschäftigung der Frauen außerhalb des Zuhauses vernehmen. Die Anhänger der fortlebenden traditionellen Auffassungen über die Rolle der Frau und der Familie hielten es für die wichtigste Aufgabe der Frau, für die Familie zu sorgen. Zur Illustration dieses Umstandes reicht es hier aus, die Worte von Endre Hamvas, Bischof von Csanád, auf einer katholischen Festveranstaltung des Jahres 1946 zu zitieren: „Wir können auf keinen Fall jene »Gleichberechtigung« akzeptieren, die nicht die spezifische Konstitution, den Zweck des Körpers und der Seele der Frau berücksichtigt und bestrebt ist, die Unterschiede zwischen den Frauen- und Männerberufen zu verwaschen. Die Frau wird nur unglücklich, wenn sie ihrer wahren Berufung entzogen und auf eine Männerlaufbahn gelockt wird, weil sie hier im Wettbewerb unterliegen wird, weil sie von der Minderwertigkeit geplagt wird, ja weil sogar auch ihre Moral gefährdet ist.” In kirchlichen Kreisen bekannten sich viele zu der Auffassung, dass das Eintreten der Mütter in den Arbeitsprozess die Ehen erschüttert, den Zerfall der sowieso schon zerrütteten Familien beschleunigen wird, deshalb wird die Berufstätigkeit nur für die ohne Mann gebliebenen Mädchen und Witwen für eine (notgedrungene) Lösung gehalten.
Die linksgerichteten Parteien aber bekannten sich entsprechend der mehrere Jahrzehnte umfassenden Tradition der Arbeiterbewegung dazu, dass die Emanzipation der Frau über die Welt der gesellschaftlich organisierten Arbeit führt. Auch diese Auffassung erklärt es, dass nach „dem Jahr der Wende” in der Periode der extensiven Industrialisierung der zunehmende Bedarf an Arbeitskräften und die die Gleichberechtigung der Frau verkündenden Bestrebungen einander verstärkend die Erweiterung der Beschäftigung der Frau unterstützten. Und so gelangte die „Frauenfrage” in die ideologische Maschinerie des sowjetischen Regimes.
Die Frauen als Arbeitskräftereservoir
Vom II. Parteitag der Partei der Ungarischen Werktätigen (MDP) (25. Februar – 2. März 1951) wurden die Planziffern des Fünfjahrplanes bedeutend angehoben. Anstelle der für das Jahr 1954 ursprünglich vorgesehenen Zuwachsrate in der Industrie von 86,4 % erwarteten die Führer des Landes einen Anstieg von mindestens 200 %, und setzten sich auch die baldmöglichste Beseitigung der „landwirtschaftlichen Rückständigkeit” zum Ziel. Die Anhebung der Planziffern war auch mit Konsequenzen in Bezug auf die Arbeitskräftewirtschaft verbunden: neben der Verbesserung der Arbeitsproduktivität, der Arbeitsdisziplin usw. wurde für die Industrie innerhalb von 5 Jahren vorgeschrieben, statt der ursprünglich vorgesehenen 480 000 weitere 650 000 neue Arbeiter und Angestellte in den Arbeitsprozess einzubeziehen.
Vom modifizierten Plan wurden als ein Reservoir des Arbeitskräftebedarfs der Volkswirtschaft die hunderttausenden Frauen und Mädchen bezeichnet, die bisher nicht an der Produktionsarbeit teilnahmen. In ihren Ansprachen auf dem Parteitag wurde auch von Mátyás Rákosi und Ernõ Gerő die Einbeziehung der Frauen in den Arbeitsprozess behandelt. Gerő betonte: „Die massenhafte Einbeziehung der Frauen in die Produktion, in einem bedeutenden Maße ihre Fort- und Ausbildung zu Facharbeiterinnen ist nicht nur das Interesse der Volkswirtschaft, ist nicht nur eine wichtige Quelle der für uns so wichtigen Sicherstellung der Arbeitskräfte, sondern diese stellen zugleich auch den Wert der restlosen Realisierung des wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Aufstieges und der Gleichberechtigung der Frauen dar.”
Im Interesse der praktischen Verwirklichung der Parteitagsbeschlüsse wurde im Mai der Ministerratsbeschluss Nr. 1 011/1951 MT. bekanntgegeben, der es im Interesse der Deckung des steigenden Arbeitskräftebedarfs sichern wollte, dass „die Frauen die ihnen von unserer Volksdemokratie gesicherten Rechte nutzen” und in einer größeren Zahl als bisher an der Produktionsarbeit teilnehmen sollen. Im Sinne des Regierungsbeschlusses soll der im Jahre 1951 auftretende Bedarf an Arbeitskräften „auf dem Gebiet der Fabrikindustrie zu 50 %, auf dem Gebiet des Tief- und Hochbaues zu 47 %, des Verkehrswesens zu 80 %, auf dem Gebiet der staatlichen Landwirtschaft zu 40 %, dem der Verwaltung zu 40 % durch die Einstellung von Frauen abgedeckt werden.” Der Beschluss hob die Notwendigkeit der Anhebung der Berufsbildung der Frau und den Umstand der Beförderung der „fachlich entwicklungsfähigen” Frauen auf der Rangleiter hervor. Deshalb schrieb der Beschluss es vor, dass an den Kursen zur Facharbeiterausbildung der Anteil der Frauen von 30 auf 50 % anzuheben ist, und dass an die Lehrgänge zur Ausbildung von Maschinisten und Traktoristen in der Landwirtschaft mindestens zu 50 % weibliche Lehrlinge aufzunehmen sind. Auch der Anteil der weiblichen mittleren und oberen Kader muss erhöht werden. In diesem Interesse gilt es, die Zahl der Frauen unter den Auszubildenden an den industriellen und landwirtschaftlichen Technischen Lehranstalten, an den Kursen mit Abiturausbildung und an der Technischen Universität zu erhöhen. Unter den Leitprinzipien des Beschlusses war enthalten, dass wegen Umorganisation oder aus anderen Gründen „weibliche Arbeitnehmer nur in außerordentlichen Fällen entlassen werden dürfen”. Es wurde auch fixiert, dass die Frauen mit Familie im allgemeinen an Arbeitsplätzen in der Nähe ihres Wohnortes angestellt werden müssen, und bei ihrer eventuellen Versetzung die Arbeitgeber bestrebt sein müssen, sie nicht für längere Zeit von ihren Familien, von ihrem Mann zu trennen.
Der zweite Abschnitt des Beschlusses zählte auch eine Reihe von Maßnahmen auf, die dazu dienten, im Interesse der Förderung der Arbeit der Frau die Lebensbedingungen zu erleichtern. So wurde auf die Erweiterung des Netzes von Kinderkrippen, Kindergärten und Schulhorten gedrängt, zur Erleichterung der Haushaltsarbeit der Frau und zu ihrer Entlastung soll „durch die Organisation von Wäschereien, durch die gesteigerte Produktion und den Verkauf von kleinen Haushaltsmaschinen und -geräten, durch die Erweiterung der Betriebsspeisung und auf andere Art und Weise” Sorge getragen werden.
Die Propaganda
Zur Durchführung der Partei- und Regierungsbeschlüsse wurde die Propagandamaschinerie in Gang gesetzt. In der Tätigkeit der 1948 vereinheitlichten Frauenbewegung, des Demokratischen Verbandes der Ungarischen Frauen (MNDSZ), gelangten die Fragen der Produktion in den Mittelpunkt. Die Generalsekretärin des MNDSZ, Frau Istvánné Vass, gab schon auf dem II. Parteitag der MDP das Versprechen ab, dass durch eine gute Aufklärungsarbeit die Bequemlichkeit und das Zögern der Frauen und auch der Widerstand der Männer bekämpft werden. „Wir müssen darauf verweisen”, sagte sie, „dass die Frauen ihr Heim, die Zukunft ihrer Kinder und den Frieden nicht durch ihren Rückzug in das Zuhause, sondern durch die produktive Arbeit verteidigen können”.
In den in diesen Jahren verlegten Broschüren des Frauenverbandes wurde es den Frauen eingebläut, dass die in die Produktionsarbeit eingetretene Frau aus einer Unterhaltenen endlich zu einer selbständigen Brotverdienerin wird, und dies bedeutet ihre wirkliche Befreiung und die Möglichkeit des gesellschaftlichen Aufstiegs. „Nur jene Frau kann in jeder Hinsicht gleichberechtigt sein”, steht in einer anderen Broschüre zu lesen, „die ihre schöpferischen Kräfte zum Aufblühen unserer Heimat, zum Aufbau des sozialistischen Ungarns einsetzt, die ... eine wichtige Voraussetzung für die Gleichberechtigung, sich die materielle Unabhängigkeit erkämpft.” An einer anderen Stelle verlautbart die Frauenorganisation den „offiziellen” Standpunkt, dass „das Familienleben der werktätigen Frau schöner und gehaltvoller wird. Die Beziehung zu ihrem Mann, zu ihren heranwachsenden Kindern wird tiefer und wahrer sein, sind doch ihre Probleme, ihre Freuden und Sorgen schon gemeinsam. Nur die werktätige Frau wird zum wahren Lebensgefährten ihres Mannes, zur klugen, gebildeten Erzieherin ihrer Kinder. Die Arbeit eröffnet ihr den Weg hin zur höheren Bildung, zum größeren Selbstbewusstsein.”
Auch im Wochenblatt der Organisation, dem „Blatt der Frau” (Nők Lapja), wird eine umfassende Anwerbung der Arbeitskräfte propagiert. „Bei uns ist die Gleichberechtigung der Frauen kein leeres Wort, sondern die lebendige Wirklichkeit”, verkündet der Autor des Artikels. „Die Frauen haben die Möglichkeit damit aufzuhören, Sklaven ihres engen kleinen Haushalts zu sein, damit sie genau so arbeiten, Geld verdienen, zur Geltung kommen können wie die Männer. Sie bekommen den gleichen Lohn und können genauso zu Bestarbeitern und zu Stachanowisten werden In tausenden und aber tausenden Familien steigt der Lebensstandard, denn es wird danach in der Familie nicht mehr einen, sondern zwei Verdiener geben.”
Schöne Sätze, in denen die edle Zielsetzung zum Vorschein kommt, den Frauen eine Ausbruchsmöglichkeit aus dem Haushalt zu sichern. In der jedoch auch die Demagogie des sowjetischen Regimes zum Ausdruck kommt: im Geiste der gesellschaftlichen Revolution sollen die Frauen von ihren durch die biologischen Gegebenheiten gesicherten gesellschaftlichen Funktionen losgerissen werden. Sozusagen im Geiste der verzerrt verstandenen Gleichberechtigung das Prinzip unter Beweis zu stellen: die Frauen sind zu allem geeignet.
Vor die Gesellschaft der Frau wurden am zur Produktionsberatung degradierten Frauentage in den Broschüren, die zu Seminarhilfsmitteln im Rahmen der Frauenarbeit gemacht wurden, und in der in einer hohen Auflage erscheinenden Zeitschrift Nők Lapja als Vorbilder hingestellt die an der Front der Arbeit ihren Mann stehenden, den übernommenen Plan zu mehr als 100 Prozent erfüllenden Arbeiterfrauen und –mädchen, die stachanowistischen Heldinnen, die „dem Vorbild der sowjetischen Frauen folgend nacheinander auf allen Arbeitsgebieten erschienen, von denen sie früher vertrieben worden waren”. Von 1951 an tauchten auf den Titelseiten der Zeitschrift regelmäßig die Traktoristinnen auf, wurden zu Figuren des „Ehrenbuches“ die individuell wirtschaftenden Bauersfrauen, die vorbildlichen Bäuerinnen, Drescherinnen, LPG-Mitglieder, die ihr Abgabesoll „genau und rechtzeitig” erfüllten, und die an der Drehbank lernenden und arbeitenden fortgebildeten Frauen, die Weberinnen und Spinnerinnen mit ihren getüpfelten Tüchern, und die Maurerinnen, die die neuen, sozialistischen Städte erbauten.
Als Rákosi dann die Aufmerksamkeit darauf lenkte, dass das schnelle Wachstum der Planwirtschaft ohne die rasche Erhöhung der Kohlenförderung unmöglich ist, gingen weibliche Zugbegleiter, Rampenarbeiter, Bergleute, Waggonbelader, Pumpenbediener, Kohlenausgeber und Motormechaniker unter die Erde. Vom Demokratischen Verband der Ungarischen Frauen wurden im Kreis der Frauen auch die Arbeitsgebiete im Baugewerbe populär gemacht, unter diesen die Eisenbetonmonteure, Stellmacher und Schweißer und sämtliche Gebiete des Baugewerbes.
Die zu Ehren des Geburtstages Stalins angeregte „Bewegung Frauen für den Plan” diente ebenfalls als Gelegenheit, zu größeren Arbeitsleistungen anzuspornen. In den Rákosi-Werken schalteten sich bis zum Dezember 1951 schon sechstausend Frauen in diese Bewegung ein, die Elektroschweißerin Jánosné N. in den Karosserie- und Autobusbetrieben Ikarus steigerte anlässlich dieses erhebenden Tages nicht nur ihre Leistung auf 170 %, doch Ende Dezember 1951 arbeitete sie schon an der Realisierung ihres Planes vom April 1952! Die Arbeiterinnen der Hofherr-Werke „danken unserer Partei und unserer Regierung mit Arbeitswettbewerben für die Abschaffung des Lebensmittelkartensystem”.
Am 16. Dezember 1951 nahmen in der Zentrale des Frauenverbandes auf einer Nationalen Beratung Hausfrauen und Arbeiterinnen Stellung in Bezug darauf, „mit welchen Mitteln höhere Produktionserfolge erzielt werden können und wie noch mehr Frauen in die Produktion einbezogen werden können”. Die Teilnehmer an dieser Beratung wandten sich mit einem Appell „Noch mehr sollen wir an die Maschinen gehen, noch mehr sollen wir unserer Heimat geben!” an die Frauen. In dem Appell versprachen die Hausfrauen öffentlich: „Wir eifern unsere Männer, unsere Familienangehörigen zu noch mehr und zu noch besseren Leistungen, zur Erfüllung des Planes an, wer dazu aber nur fähig ist, geht selbst an die Maschinen oder nimmt die Putzkelle in die Hand!” Im Sommer 1952 wurde der Rahmen für die in den Städten gegründete Bewegung „Hausfrauen für den Plan!” ausgearbeitet.
In den Jahren 1951–1952 lag der Akzent auf der Mobilisierung der Arbeiterinnen in den Betrieben. Von 1953 an rückten aber dann auch die werktätigen Frauen der Landwirtschaft in den Vordergrund des Interesses. In ihrem Kreis wurde die „Bewegung für 200 Arbeitseinheiten” propagiert, vom Blatt der Frau wurden Anfang März zwei Appelle veröffentlicht: die Mitglieder des Demokratischen Verbandes der Ungarischen Frauen in der Gemeinde Komádi gründeten eine Bewegung im Landesmaßstab „Für die präzise und rasche Erfüllung des Abgabesolls von Eiern und Geflügel”, die Frauen von Áporka jedoch wendeten sich an die werktätigen Bäuerinnen des Landes mit dem Appell, „Wer wird zuerst frisches Gemüse ernten?”, da sie mit ihrer Arbeit die Erfüllung des Fünfjahrplans, die Versorgung der Werktätigen der Dörfer und Städte unterstützen wollten.
Frauen an der „Front der Arbeit”
Die umfangreiche Propaganda blieb auch nicht ohne Erfolg: in den 1950er Jahren wurde der in den verschiedenen Wirtschaftszweigen auftretende Arbeitskräftemangel zu einem bedeutenden Teil durch die Einbeziehung der billige Arbeitskräfte bedeutenden Frauen ohne Berufsausbildung in den Arbeitsprozess gelöst. (Hinter diesem Prozess stand aber auch die tatsächliche gesellschaftliche Wahrheit, dass der für die Familie „geplante” Lebensstandard nur mit zwei Verdienern gesichert werden konnte.)
Die Quelle des Nachschubes der weiblichen Arbeitskräfte, zwei „Reservoire” waren die in der Landwirtschaft arbeitenden und die im Haushalt tätigen Frauen, während das Zielgebiet vor allem die „traditionellen” weiblichen Industriezweige, die Textil- und die Konfektionsindustrie waren. Doch wurden sie in größerer Zahl auch auf die verschiedensten Arbeitsgebiete gelenkt, so z. B. in die Schwerindustrie, in den Maschinenbau, in die Elektrotechnik, in den Bergbau, auf die Maschinen-Traktoren-Stationen der Landwirtschaft usw. So fanden die Frauen in einer immer breiteren Skala der Beschäftigungszweige Stellen.
Unsere Angaben zeigen, dass der Anteil der Frauen an der berufstätigen Bevölkerung in einem bedeutenden Umfang gestiegen war, hatte der angehobene erste Fünfjahrplan doch die Arbeitsaufnahme der Frauen nicht nur ermöglicht, sondern – im Zusammenhang mit dem Modell von den zwei Verdienern pro Familie – auch erforderlich gemacht. Zwischen 1949 und 1954 traten mehr als 200 000 Frauen in den Produktionsprozess ein.
Infolge der forcierten Industrialisierung stieg die Zahl der berufstätigen Frauen in den verschiedenen Zweigen der Industrie um Größenordnungen, und bedeutend stieg auch der Anteil der im Handel tätigen Frauen (von 35,9 % im Jahre 1949 auf 48,7 % im Jahre 1953), im Hintergrund hiervon stand die Erweiterung des Gaststättengewerbes und der Betriebsküchen, sowie des Handelsnetzes. Im Verkehrswesen und im Nachrichtenwesen stieg die Zahl der weiblichen Beschäftigten beinahe auf das Dreifache: 1949 verdienten 16 200 Frauen, 1953 schon 45 600 Frauen hier ihr Brot. Bedeutend war auch die Zunahme der weiblichen Arbeitskräfte bei den Staatsorganen, vor allen nach der Gründung der Räte der Gemeinden und Städte: die Zahl von beinahe 70 000 im Jahre 1949 stieg bis 1953 auf 125 600. Die Zahl der weiblichen Beschäftigten in der Landschaft nahm jedoch nicht ab, sie stieg sogar weiter. (Unter dem mobilisierenden Einfluss des ersten Fünfjahrplanes verließen überwiegend nur die jungen Frauen die Landwirtschaft.)
Der Anstieg des Anteils der weiblichen Arbeitskräfte war bis 1952 sprunghaft, doch von 1955 an verlangsamte sich die übertriebene Wachstumsrate einigermaßen. Einerseits kam man von dem Prinzip „Frauen auf alle Arbeitsplätze” ab, der die körperlichen Möglichkeiten der Frauen außer Acht gelassen hatte und auch die typischen Männerberufe mit Frauen besetzen wollte. Andererseits hatten schon von 1953 an viele Frauen die schweren, ungesunden Arbeitsplätze verlassen. (Dazu schuf auch der am 1. März 1953 in Kraft getretene Ministerratsbeschluss Nr. 1 004/1953 MT. über die Weiterentwicklung des Mutter- und Kinderschutzes eine Möglichkeit. Der Beschluss schrieb vor, dass die zuständigen Minister wiederholt regeln müssen, welches die für Frauen schädlichen Arbeitsplätze sind, wo nach dem 1. März 1953 keine Frauen mehr angestellt werden dürfen, die hier arbeitenden Frauen jedoch – unter Beibehaltung des kontinuierlichen Arbeitsverhältnisses – spätestens bis Ende Juli auf einen anderen Arbeitsplatz versetzt werden müssen.) Probleme gab es außerdem damit, dass – vor allem in den rückständigen Gebieten, in den Bergbaugebieten, in Gebieten der Schwerindustrie – den Frauen auch gar keine Arbeitsmöglichkeiten gesichert werden konnten, von 1955 an äußerte sich sogar auch ein Überfluss an Männerarbeitskräften. D. h., häufig stimmten das Arbeitskräfteangebot und die Nachfrage territorial nicht überein. Obendrein spielte in der Struktur der Wirtschaft auch weiterhin die Schwerindustrie die führende Rolle, wodurch die den Frauen Arbeitsplätze sichernden Zweige der Leicht- und Nahrungsgüterindustrie, des Verkehrs, des Gesundheitswesens nicht in entsprechendem Maße entwickelt wurden.
Ein weiteres Hindernis für die Arbeit der Frauen war der Mangel an der entsprechenden Berufsausbildung. Obzwar nach 1945 keine juristischen Schranken mehr für die industrielle, handwerkliche Berufsausbildung der Frauen bestanden, engten jedoch der Arbeitskräftebedarf der einzelnen Wirtschaftszweige, die Ausbildungsbedingungen (bei den Frauen war die von der beruflichen Anerkennung aus niedrigerer Berufsausbildung von 1–2 Jahren am häufigsten, seltener war die dreijährige Lehrzeit typisch), und außerdem wurden die Berufsbildungsmöglichkeiten auch durch gewisse fortlebende gesellschaftliche Vorurteile eingeengt.
Die Männergesellschaft
Der massenhafte Eintritt der Frauen in den Arbeitsprozess kam – neben den zweifelsohne vorhandenen positiven Zügen – in der Praxis als ein widersprüchlicher Prozess zur Geltung, mit zahlreichen negativen Folgen. Die mit schematischer Begeisterung über die Erfolge berichtenden „Produktionsberichte” erwähnten manchmal, wenn auch nur vereinzelt, aber doch die Anomalien, die die Aktivierung der weiblichen Arbeitskräfte begleiteten. (Diese waren in Wirklichkeit bedeutend größer, als es in den Berichten erwähnt wurde.)
Die Expansion der Frauen stieß nicht überall auf das Gefallen der Leiter der Betriebe, doch auch nicht der Arbeitskollegen. In vielen Fabriken kam es vor, dass die Frauen, die einen Beruf erlernen wollten, nicht in den für die Fabrik erforderlichen Berufen ausgebildet wurden, oder dass sie nicht in den ihrer Berufsausbildung entsprechenden Arbeitskreisen, sondern auch weiterhin als Hilfsarbeiterinnen angestellt wurden. Viele Frauen beklagten sich auch darüber, dass sie trotz der erfolgreichen Facharbeiterprüfung sozusagen um eine Stelle betteln mussten, so blieben ihre Leistung und ihr Verdienst niedrig.
Natürlich gab es auch Fälle mit entgegengesetztem Vorzeichen in großer Zahl: vielerorts, in vielen Betrieben entsprach – durch die mechanische Erfüllung der zahlenmäßigen Vorschriften in Bezug auf die Beschäftigung, die Berufsbildung der Frauen – der Bildungsstand, die Leistung der „Facharbeiterinnen”, die an einer einige Wochen oder Monate langen Umschulung teilgenommen hatten – wirklich nicht dem erwünschten Ausmaß. So hielten es die älteren Facharbeiter für erniedrigend, wenn sie identische Aufgaben mit den aus Hilfsarbeiterinnen umgeschulten Arbeiterinnen durchführen mussten.
Fallweise hatten es die Frauen auch mit dem „beruflichen Chauvinismus der Männer” aufzunehmen. Hier seien einige Beispiele für die aus dem Frauenblatt stammenden auffallendsten Fällen zitiert, in der Elektrofabrik GANZ verheimlichte der Dreher Sándor N. z. B. eifersüchtig die Berufstricks, ja er behinderte dadurch, dass er die Werkzeuge und Arbeitsgeräte vor seiner Ablösung, die eine Frau war, verschloss, die erfolgreiche Arbeit seiner Kollegin.
Vielleicht mit einem noch größeren Widerstand, ja sogar mit einer größeren Böswilligkeit als die Industriearbeiterinnen hatten es die in der Landwirtschaft tätigen Frauen aufzunehmen. Als ständig wiederkehrendes Problem tauchte in unseren Quellen z. B. auf, dass die meisten Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften die Frauen nicht als Mitglieder aufnahmen, so dass diese nur als mithelfenden Familienangehörigen in der Erntezeit Arbeit bekamen. Vereinzelt nur wurden sie in die Vorstände der Produktionsgenossenschaften aufgenommen. Die jungen weiblichen Agronomen und die Absolventinnen der landwirtschaftlichen Fachschulen wurden von den wie Eispanzer drückenden Vorurteilen, von den die Gesundheit gefährdenden Arbeitsbedingungen ebenfalls gebrochen, doch häufig auch von den verantwortungsvollen Arbeitsbereichen, die häufig ihre Ausbildung überstiegen.
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Die im Laufe der alltäglichen Arbeit erlittenen Fiaskos, die Beschämungen, die sie von Seiten ihrer Arbeitskollegen erdulden mussten, nahmen vielen Frauen die Lust an der Arbeit. Die irrealen produktionspolitischen Maßnahmen, die irrealen Erwartungen bekräftigten nur die verallgemeinernden Stimmen noch, die für die Ungeeignetheit der weiblichen Arbeitskräfte galten, und im allgemeinen das Fortleben der Vorurteile gegen die Frauen.
Der Fakt, dass in den Ländern dieses Raumes, so auch in Ungarn, auch heute noch nicht reale Fragen diskutiert werden, wenn wir von der Gleichberechtigung der Frau sprechen, kann vermutlich auf die falschen Fragestellungen der Jahre nach 1948 zurückgeführt werden.
Es würde sich auch lohnen, mit Aufmerksamkeit zu verfolgen, wie sich die Frauenpolitik des sowjetischen Regimes und die gesellschaftliche Lage der Frau in der Periode der Schwächung der Diktatur des Proletariats in den 1960er Jahren veränderten. Dies wäre schon die folgende Geschichte.
* In dem Artikel verarbeitete Quellen: Protokolle der Ministerratssitzungen im Ungarischen Staatsarchiv Budapest (MOL); Mitteilungen des Zentralstatistischen Amtes; Zitate mit Bezug auf das Propaganda: Broschüren von Magyar Nők Demokratikus Szövetsége; Zitate der Interviews über einzelne Fälle: Zeitung für Frauen (Nők Lapja), Jahrgang 1950–1956