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Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 6:47–55.

GÁBOR BONA

Die ungarische Honvéd-Armee im Jahre 1848/1849

 

Im Frühling 1848 brachen in ganz Europa Revolutionen und bewaffnete Aufstände aus.

Die revolutionäre Welle erreichte und überhäufte die aus vielen Nationalitäten bestehende Habsburger Monarchie, wo bürgerliche, bürgerlich-demokratische, nationale und sozialistische Losungen in deutscher, ungarischer Sprache, in den slawischen Sprachen, italienisch und rumänisch nebeneinander existierten.

Die Staatsmacht der Habsburger wurde in ihren Fundamenten erschüttert.

Der den absolutistisch-bürokratischen Staat verkörpernde Kanzler Metternich war gezwungen, zu gehen, die bunte Kavalkade, das Durcheinander hörte aber damit nicht auf. In den italienischen Provinzen war bereits ein bewaffneter Kampf zwischen den offen für die Einheit Italiens, für die Lostrennung von der Monarchie kämpfenden Aufständischen und den kaiserlichen Truppen im Gange.

Das Wiener Volk wurde zwar vorübergehend durch das Versprechen der Einführung der Verfassung beruhigt, in der Kaiserstadt erschien jedoch sofort die Deputation des ungarischen Landtages, welche die Gutheißung der die bürgerliche Umgestaltung sichernden Gesetzesvorlagen forderte.

Durch die allgemeine Situation war der Hof gezwungen, nachzugeben. Im April 1848 erhob Ferdinand V. – als ungarischer König – die bürgerliche Verfassung zur Gesetzeskraft und ernannte gleichzeitig die erste verantwortliche ungarische Regierung, welche die inneren Angelegenheiten des Landes vollkommen selbständig zu erledigen befugt war.

Die führende Kraft der ungarischen Revolution betrachtete die Revolution damit als beendet. Der liberale Adel ist zu seinem Ziel gelangt: die Habsburgermonarchie hat sich durch die April-Gesetze de facto zu einem Bipol-Reich umgewandelt.

Mehr noch, die Lostrennung Ungarns von der Monarchie wünschte derzeit, im Frühling 1848, die überwiegende Mehrheit noch nicht.

Auch Ungarns Bevölkerung bestand aber aus vielen Nationalitäten. Die Mehrheit der Einwohner, die nicht der ungarischen Nationalität angehörte, war mit den Veränderungen nicht zufrieden.

Die Serben, später auch die Rumänen und die Slowaken, stellten an die das Amt antretende ungarische Regierung nationale Forderungen. Sie wollten als politische Nation anerkannt werden und eine ebensolche oder ähnliche Stellung erreichen, welche sich die Ungarn der Monarchie gegenüber erkämpft hatten.

Aufgrund des historischen Rechts – „seit tausend Jahren existiert in Ungarn nur ein staatsbildendes Volk, das ungarische” – lehnte die ungarische Regierung diese Forderung ab.

Anfang Sommer 1848 manifestierten sich in Ungarn die Gegensätze in Form eines Bürgerkrieges. Zuerst griffen die Serben und die serbischen Grenzsoldaten der Militärgrenze zu den Waffen, um ein selbständiges, unmittelbar unter der Herrschaft des Kaisers stehendes Territorium, die Woiwodschaft, zu schaffen.

Um den Aufstand niederzuschlagen, beorderte die ungarische Regierung Militär. Das war durch den Umstand möglich, dass im Sinne der Aprilgesetze über den in Ungarn stationierenden Teil der kaiserlich-königlichen Armee der ungarische Kriegsminister disponierte.

Um die Linientruppen zu verstärken, traf die Regierung zwei wichtige Maßnahmen. Einerseits verordnete sie die Mobilisierung eines Teiles der Nationalgarde, die seit April nach dem Beispiel der Französischen Revolution organisiert war. Andererseits begann sie ein aus zehntausend Männern bestehendes Defensiv-Heer aufzustellen.

Diese, zwischen Ende Mai und Mitte Juli organisierten Bataillone bildeten die Basis der späteren Honvéd-Armee.

In Verbindung mit der Organisierung dieser Bataillone sind verhältnismäßig viele archivarische Dokumente erhalten geblieben. Aufgrund dieser ist es möglich, auch die Fragen zur Zusammensetzung dieser Truppenkörper zu beantworten.

Die Mannschaft bestand zu etwa 75 % aus Bauern – in erster Linie aus jenen Schichten, die mit dem modernen Wort Agrar-Proletariat gekennzeichnet werden könnten. Weitere 10–15 % bildeten die städtischen Besitzlosen. Schließlich betrug ähnlich 10–15 % das Verhältnis der Adeligen und der bürgerlichen Honoratioren. Was die nationale Zusammensetzung betrifft, so bestand die Mannschaft dieser Bataillone zu fast 90 % aus Ungarn. Die übrigen 10 % entstammten der deutschen und der slowakischen Minderheit. (Diese ersten Truppen wurden aus Freiwilligen und in Innerungarn, in von Ungarn bewohnten Gebieten rekrutiert.)

Die Offiziersstelle erreichten bei diesen Bataillonen ausschließlich ehemalige oder im Aktiv-Dienst stehende k. k. Offiziere beziehungsweise Kadetten und Unteroffiziere.

Sie waren fast alle in Ungarn gebürtig, mehr als 20 % von ihnen gehörten aber nicht der ungarischen Nationalität an. Fraglich ist, inwieweit der oben erwähnte Abriss allgemeingültig ist, wenn wir die ganze spätere Honvéd-Armee betrachten. Um auf die Frage eine richtige Antwort zu geben, müssen wir die Entwicklungsgeschichte der Armee kurz überblicken.

Bis zum Herbst 1848 wurde das kleine, aus 10 Bataillonen bestehende Honvéd-Heer kaum durch neue Teile ergänzt. Die Regierung stellte bloß eine Batterie auf, und in Siebenbürgen begann die Werbung vier neuer Bataillone.

Die Massenerrichtung der Honvéd-Truppenkörper begann erst im Oktober. Die Organisierung war bis Mitte Dezember verhältnismäßig ungestört. Es gab Kämpfe nach der Niederlage von Jellačić im September, nur am Rande des Landes, in Südungarn gegen die Serben, dann ab November in Siebenbürgen gegen die Rumänen. Das bedeutete, dass die Organisation im größten Teil Ungarns unter friedlichen Umständen verlief.

Jedes Komitat, jede Stadt musste eine bestimmte Zahl von Rekruten bereitstellen, und zwar je 127 Einwohner 2.

Nach der Bevölkerungszahl des Landes bedeutete dies theoretisch etwa 50 Tausend Rekruten. Das wirkliche Resultat der Rekrutierung belief sich aber auf 60 Tausend.

In Verbindung mit der Herbst-Musterung sind leider nur wenige Dokumente erhalten geblieben. Aufgrund dieser sowie der damaligen Presse, ferner späterer Erinnerungen können wir feststellen, dass die numerisch guten Resultate Ungleichmäßigkeiten decken.

Die absolute Mehrheit der neuen Soldaten entstammte der Bauerschaft. Logisch, machte doch diese Klasse mehr als 80 % der Bevölkerung des Landes aus. Die Lastenverteilung innerhalb der Bauernklasse jedoch war gar nicht gleichmäßig.

Die Verwaltungen befreiten sich bei den Rekrutierungen in erster Linie von den gesellschaftlich gefährlichen Elementen. Im Vergleich zu ihrer Verhältniszahl wurden so viel mehr Besitzlose als Besitzende für diensttauglich befunden, und das bezieht sich nicht nur auf die Dörfer, sondern auch auf die Städte.

Die Massenmobilisierung wurde durch gesellschaftliche und nationalistische Schlagwörter unterstützt. „Man muss verhindern, dass der Wiener Hof die altertümliche Leibeigenschaft und das absolutistisch-bürokratische Regierungssystem wiederherstelle” – verlautete einerseits. „Wir müssen unser Vaterland beschützen, das Vaterland, welches die Slawen und die Rumänen untereinander aufteilen wollen!” Das ist der Augenblick, da die nationalistische Idee in die ungarische Gemeingesinnung tief eingedrungen ist.

Die Wahrheit dieser Losungen erfasste am ehesten die junge ungarische Intelligenz – die Generation der Juristen, Studenten, junger Advokaten, Ingenieure, Beamten, Theologen usw.

Diese gesellschaftlichen Schichten, die gemäß dem Geist des Zeitalters die Bücher über die Französische Revolution lasen, haben vor 1848 die Liberalen aktiv unterstützt. Sie waren es, die am 15. März die Revolution in Pest-Buda ausführten. Und sie waren die ersten, die sich schon im Mai unter die Honvéd-Fahne stellten. Ab Oktober meldeten sich dann Tausende aus diesen Gesellschaftsschichten freiwillig zum Dienst in der Honvéd-Armee.

Ihr Schicksal war so abwechslungsreich. wie die damalige ungarische Geschichte. Ein bedeutender Teil von Ihnen wurde während des Freiheitskampfes zum Offizier, stufenweise zum Leutnant, Oberleutnant eventuell zum Hauptmann befördert. Nach dem Krieg traf sie die Rache: mehrere Jahre Zwangsdienst als Gemeiner Soldat in der k. k. Armee. Es erwartete sie nach dem Abschied das große Nichts, die allgemeine Unterdrückung, Arbeitslosigkeit, in besserem Falle ein geringes Amt mit niedrigem Lohn. Dann kam 1867, der Ausgleich. Nun war diese Generation an einem Scheidepunkt angelangt, wo sich ihr Weg verzweigte. Die Mehrheit nahm den Ausgleich an, obwohl sie im Jahre 1849 noch die Unabhängigkeitserklärung von Kossuth begeistert hatte. Doch der Misserfolg des Freiheitskampfes sowie ihr eigenes Schicksal überzeugte sie davon, dass dieser Kompromiss im Interesse des Landes liegt. Durch die Annahme des Ausgleiches öffneten sich auch ihnen neue Perspektiven. Nach 1867 spielten diese einstigen Honvéd-Offiziere im Bereich der Politik, des Gesellschaftslebens usw. eine wichtige Rolle.

Die im Laufe des Oktobers beginnende Rekrutierung wurde permanent bis zum Ende des Freiheitskampfes fortgesetzt. Die Honvéd-Armee erreichte Mitte Juli ihre größte Zahl, was 170 Tausend Soldaten bedeutete. Damit hat sich auch die nationale Zusammensetzung der Armee wesentlich verändert. In dieser Hinsicht haben wir leider nur fragmentarische Angaben. Aufgrund der letzteren zeigt die Zusammensetzung der Honvéd-Armee nachfolgendes Bild:

Slowaken: etwa 30 Tausend 15 %, Rumänen: etwa 30 Tausend 15 %, Deutsche: etwa 20 Tausend 10 %, Ruthenen: etwa 5 Tausend, 2,5 %, Polen: etwa 4 Tausend 2 %, Italiener: etwa 1,6 Tausend 0,8 % – als die wichtigsten. (Während des Freiheitskampfes dienten etwa 200 Tausend Soldaten zusammen, aber nie gleichzeitig in der Honvéd-Armee. Diese Zahl bildet also die Basis des obigen Vergleiches.)

Diese geschätzten, aber der Wirklichkeit sicherlich nahestehenden Daten werfen wieder neue Fragen auf. So zum Beispiel: was ist die Ursache dessen, dass die Slowaken in Hinsicht auf ihre Bevölkerungszahl mehr Soldaten für den ungarischen Freiheitskampf gaben, als die Ungarn? Weil die mit der Rekrutierung beauftragten ungarischen Komitatsbeamten ihre Aufgabe mit Gewalt ausführten? Solche Fälle sind auch bekannt. Wie aber erklären wir dann den Fakt, dass das Komitat Árva, ein fast ausschließlich von Slowaken bewohntes Gebiet, im Jänner 1849 seine Rekruten nach Debrezin schickte, wo doch, wenn es das Komitat nicht tut, die große Entfernung und die Annäherung der kaiserlichen Truppen genügend Ausflüchte sichern.

Ähnliche gegensätzliche Momente kann man im Falle aller anderer in Ungarn lebender Völkergruppen beobachten, einschließlich der Ungarn.

Jetzt kehren wir zum Oktober 1848 zurück. Da muss man einen Moment unbedingt hervorheben. Im Laufe des November haben sich 23 Bataillone, 9 Husarenregimenter und 2 Grenzinfanterie-Regimente der k. k. Armee den Honvéds angeschlossen.

Darunter auch etwa 1500 Berufsoffiziere, die die Honvéd-Armee organisiert und später geleitet haben.

Dieser Massenanschluss jedenfalls ist interessant und bedarf einer Erklärung.

Diese Frage kann in Kenntnis der Situation, der inneren Verhältnisse der österreichischen Armee beantwortet werden. Hier muss in erster Linie die innere soziale Spannung erwähnt werden, die für die Armee nach den napoleonischen Kriegen bis 1848/49 so charakteristisch war.

Zwischen 1812 und 1848 nahm Österreich an keinem ernsthaften europäischen Krieg teil. Während der längeren Friedensperioden erfolgen die Beförderungen im Allgemeinen seltener und der Lebensstandard der Armee bleibt auf einem minimalen Niveau. Das war in Österreich ebenso der Fall, wo diese Situation auch Folge finanzieller Umstände – Verschuldung während der napoleonischen Kriege – war. In dieser Periode – 1820-er, 1830-er, 1840-er Jahre – nahm das Interesse für die Offizierslaufbahn sprunghaft zu. In der ganzen Monarchie erschienen neue, junge Generationen, die ihren Platz nicht fanden. Das waren die Kinder des infolge der Industrialisierung zustande gekommenen und immer kräftiger werdenden Bürgertums, die gebildeten Honoratioren. Andererseits meldete sich die aus mehreren Tausenden Mitgliedern bestehende junge Generation des Klein- und des deklassierten Mitteladels, in erster Linie in Ungarn, wo der Anteil des Adels an der Gesamtbevölkerung, ähnlich wie in Polen, den europäischen Durchschnitt weit überstieg. Für diese Schichten der Mittelklasse – zumindest für ihre Mehrheit – konnten die traditionellen feudalen Verhältnisse keine ihrer Abstammung und Ausbildung entsprechende Existenz sichern. Die Aufnahmefähigkeit der staatlichen – fiskalischen und administrativen – Berufe und die der Privatbeamten war ebenso beschränkt wie die jener zwei Laufbahnen: Priester und Offizier. Die sich im Laufe der bürgerlichen Entwicklung eröffnenden neuen Möglichkeiten – Advokat, Ingenieur, Lehrer, freischaffende Intelligenz – waren vorläufig noch begrenzt, sie wurden erst 1848/49, nach dem Sieg der bürgerlichen Revolution, erweitert. Die Fabrikindustrie, die Eisenbahnen, Banken, die großen Bauarbeiten und die Einführung des allgemeinen Volksunterrichts boten für Beamte, Produktionslenker, Pädagogen gewisse Möglichkeiten. Das ergab sich aber erst später, die gegenwärtige Studie behandelt die österreichische Armee der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Regimenter füllten sich mit Kadetten, die auf den Offiziersrang und das mit ihm verbundene bescheidene Gehalt Jahre, manchmal Jahrzehnte lang, oft vergeblich warteten. Und für jeden neuen Dienstgrad mussten sie lange Jahre hindurch tadellos dienen. Ihr ganzes Leben war von strengen – manchmal finanziell sogar unerfüllbaren Vorschriften umgrenzt. Es genügt hier, die zwei wichtigsten unter den sich auf die Verheiratung beziehenden zu erwähnen. Die erste war die Vorschrift, laut der in einem Regiment nur ein Drittel des Offizierskorps verheiratet sein durfte, die zweite betraf die viele Tragödien verursachende Kaution.

Am Vorabend der Revolution von 1848 herrschte im Offizierskorps der k. k. Armee – wie bereits erwähnt in erster Linie unter den jüngeren Offizieren – von der nationalen Zugehörigkeit unabhängig eine Spannung, der Anspruch dessen war fühlbar, dass die Verhältnisse innerhalb der Armee reformiert werden müssen.

Trotz dieser Spannung war aber die ausschlaggebende Mehrheit des aus vielen Nationalitäten bestehenden Offizierskorps auch weiterhin ergebener Anhänger der Habsburger Herrscherfamilie. Anders konnte das auch nicht sein, da diese Offiziere meistens selbst Söhne von k. k. Offizieren waren und so eine dynastietreue Mentalität mit sich brachten. An den Militärschulen, wo ihnen über den Beruf hinaus in erster Linie die Geschichte der Habsburger Herrscherfamilie und Treue beigebracht worden war, erwarben sie eine ähnliche Mentalität. Die Person des Herrschers, des Kaisers, war auch vor denjenigen sakrosankt, die wegen der sozialen Probleme unzufrieden waren. Wegen dieser Probleme wurde nicht der Kaiser, sondern die Regierung beschuldigt. Und obwohl die zwei grundlegenden Gedanken der Epoche, die bürgerliche und nationale Ideologie, selbst die Armee nicht verschonten, konnten sie sich im Offizierskorps vor 1848 kaum Bahn brechen.

In den 1830-er, 40-er Jahren wurden innerhalb der Armee einige kleinere revolutionäre – polnische, panslawistische und italienische – Organisationen enthüllt, an ihnen waren aber bloß einige Dutzende junge Offiziere beteiligt.

Aufgrund des Gesagten kann also festgestellt werden, dass die Existenzbedingungen eine ausschlaggebende Rolle dabei spielten, dass im Mai 1848 mehrere Hunderte aktive k. k. Offiziere um Versetzung in die sich gestaltende ungarische Armee baten. Eigentlich gestaltete sich mit Einwilligung des Herrschers unter der Oberhoheit der ungarischen Regierung eine neue Armee, in welche sie – eine höhere Rangstufe bekleidend und mit einem viel höheren Gehalt – mit Erlaubnis des Wiener Kriegsministeriums hinübertreten konnten. Das Beispiel war übrigens nicht alleinstehend, da sich gerade zu dieser Zeit in Wien und überall in Österreich freiwillige Schützenbataillone gestalteten, deren Offiziere früher ebenfalls in der k. k. Armee gedient hatten. Die in die Honvéd-Truppen übertretenden Offiziere dachten wahrscheinlich, der Unterschied würde bloß in der Person des Feindes bestehen: während die früheren sich auf dem italienischen Kriegsschauplatz auszeichnen und avancieren können, werden sie den auch vom Hof als Aufruhr qualifizierten serbischen Aufstand niederschlagen.

Nach einigen Monaten gestaltete sich die politische Situation völlig anders. Der italienische Aufstand wurde von Radetzky, die Prager Revolution von Windisch-Grätz unterdrückt. Den Sieg der Konterrevolution wollte der Wiener Hof dazu verwenden, die im April erworbenen Rechte Ungarns zu schmälern. Selbst für den Hof war klar, dass die Abschaffung des feudalen Systems bereits endgültig war. Die verhältnismäßig umfassenden bürgerlichen Freiheitsrechte und die weitgehende Unabhängigkeit Ungarns wollte er jedoch begrenzen. Um das restlos, nach der eigenen Konzeption verwirklichen zu können, entschloss sich der Hof zu einem militärischen Schritt. Von der die tatsächliche Macht ausübenden Kamarilla – von der aus den Erzherzogen des Herrscherhauses, aus den leitenden Generälen und Beamten bestehenden Junta – wurde Jellačić, der Banus von Kroatien, beauftragt, mit den zur Verfügung stehenden Truppen nach Ungarn einzudringen und die Herrschaft der „revolutionären Partei” abzuschaffen.

Mitte September überschritt Jellačić an der Spitze von ungefähr 40 000 Soldaten des in Kroatien stationierten Teiles der k. k. Armee die ungarische Grenze. Die ungarische Regierung schickte gegen ihn kaiserlich-königliche Truppen, 2 Honvéd-Bataillone und Nationalgardeeinheiten. So kam die eigenartige Situation zustande, dass kaiserlich-königliche Truppen gegen kaiserlich-königliche Truppen, die Offiziere derselben Monarchie gegeneinander kämpften. Am 29. September erfolgte die Schlacht bei Pákozd, die mit der Niederlage von Jellačić endete.

Die im ungarischen Lager befindlichen Offiziere standen zu dieser Zeit bereits seit fast einem halbem Jahr unter der Oberhoheit des ungarischen Kriegsministers, leisteten auf die ungarische Verfassung ihren Eid und erfüllten ihre Pflicht nach bestem Wissen: sie kämpften gegen die serbischen Aufständischen und gegen Jellačić. Sie wurden verwundet, erwarben Auszeichnungen, nach langen Jahren konnten sie schließlich auf der Dienstleiter avancieren. sie glaubten, dass sie die Rechte des Herrschers und Ungarns verteidigen werden. Meistens waren sie apolitische Soldaten und ahnten nicht, dass das Wiener Kriegsministerium Jellačić und die serbischen Aufständischen im geheimen seit Monaten mit Geld und Ausrüstung unterstützte. Um eindeutig zu formulieren – der einfache, naive ehrliche Soldat konnte sich nicht vorstellen, dass ein solches niederträchtiges Spiel in der Politik möglich war. Während eines halben Jahres bis Oktober gestaltete sich ein Waffenbruderverhältnis zwischen ihnen und den Offizieren der unterschiedlichen ungarischen Nationalgardisten-, Honved- und Freiwilligentruppen, da größtenteils auch diese ehemalige k. k. Offiziere waren. Gleichzeitig verachteten und hassten sie den Feind, besonders die serbischen Freiwilligen, die auch die Zivilbevölkerung brutal behandelten. Und nach alldem entriss ihnen eine kaiserliche Proklamation die Fahne mit dem Doppeladler, es stellte sich heraus, dass der Feind für die Rechte des Herrschers kämpfte, und sie der Fahne folgend in das Lager des Feindes von gestern und des gegenwärtigen Verbündeten hinübertreten müssen, was mit der Ehre schwer vereinbar war. Hätten die Ereignisse in Ungarn eine ernsthafte Wendung nach links gemacht, hätten die Offiziere diesen Befehl klaglos befolgt. Auf dem ungarischen Landtag war aber nicht von Dethronisation, von Republik, von Lostrennung von der Monarchie die Rede. Selbst Kossuth beschuldigte wegen des Konfliktes nicht den Herrscher, sondern die Kamarilla.

Für den Entschluss der bei der Honvéd-Armee bleibenden Offiziere konnte auch das Verhalten der Führer eine Rolle gespielt haben. Selbst der ungarische Kriegsminister, Generalmajor Lázár Mészáros, blieb nach der Wendung im Oktober auch weiterhin im Dienst, so auch zwei von den vier Kommandanten des Generalkommandos von Ungarn und zahlreiche Divisions-, Brigade- und Truppenkommandanten.

Die in der Politik weniger Bewanderten wurden auch durch andere Umstände irregeführt, wie zum Beispiel dadurch, dass Mitte Oktober der Herrscher an den „Lieben ungarischen Kriegsminister” noch Reskripte ergehen ließ, ihn damit als legal anerkennend. Die ungarische Presse veröffentlichte selbstverständlich gleich den Brief des Herrschers, da ja wenn Mészáros „legal” ist, es die gesamte ungarische Regierung ebenfalls ist. Aus diesen und ähnlichen Zeichen konnten sie den Schluss ziehen, ein friedliches Übereinkommen sei immer noch möglich. Dann hat es aber keinen Sinn, die durch die in der ungarischen Honvéd-Armee eingenommene Position gewährte Sicherheit aufzugeben.

Die Organisierung der Honvéd-Armee eröffnete für sie neue Perspektiven.

Die ungarische Honvéd-Armee war also auf regulärer Grundlage organisiert und wurde von ehemaligen kaiserlich-königlichen Offizieren geleitet. Das Problem der Fachkenntnisse, das sich bei der Organisierung jeder neuen revolutionären Armee meldet, löste sich 1848 in Ungarn günstig. Allgemein bekannte These ist auch, dass jede für neue gesellschaftliche oder nationale Ziele kämpfende Armee damit rechnen muss, dass die Offiziere der ehemaligen Armee – deren Fachkenntnisse für sie unentbehrlich sind – ihre Auffassungen, Ansichten nur stufenweise verändern werden. Um konkret zu formulieren: die ungarische Revolution wurde von den Schichten des ungarischen liberalen Mitteladels geleitet. Ihr Ziel, die bürgerliche Umgestaltung mit dem möglichst geringsten finanziellen und Machtverlust des Adels und innere Unabhängigkeit Ungarns innerhalb der Monarchie, erreichten sie im Wesentlichen mit den Aprilgesetzen. Die Mehrheit war damit zufrieden, beharrte aber steif darauf. Den mit dem Angriff von Jellačić im September, dann von Windisch-Grätz im Dezember begonnenen Kampf betrachteten sie nicht als Revolution oder Freiheitskampf, sondern als Notwehrkampf für die bereits vorhandenen Errungenschaften. Sie nahmen den Fehdehandschuh auf und wollten siegen, nicht aber, um sich nach dem Sieg von der Monarchie loszutrennen, sondern um den Hof dazu zu veranlassen, die Aprilgesetze endgültig und unwiderruflich anzuerkennen. Mit dieser Auffassung konnten sich die ehemaligen k. k. Offiziere leicht identifizieren.

Die Probleme zeigten sich, als es so schien, dass der revolutionäre linke Flügel die Oberhand gewinnen wird. Nach dem Angriff von Windisch-Grätz vermehrten sich in der Presse und auf den Volksversammlungen die Losungen, die weitere soziale Reformen, die Dethronisation der Habsburger, eine Republik und die völlige Lostrennung von der Monarchie forderten. Für die aufgrund ihrer Erziehung und ihres Vorlebens dynastiegetreuen ehemaligen k. k. Offiziere waren diese Losungen abschreckend. Die Angst vor einer eventuellen Wendung nach links und die anfängliche militärische Erfolgslosigkeit bewirkten schließlich, dass Ende Dezember 1848, Anfang Januar 1849 ein Drittel der ehemaligen kaiserlichen Offiziere der Honvéd-Armee, ungefähr 500 Mann, die Armee verließ. Um die weiteren Schritte, die eine unvermeidliche Auflösung der Armee herbeigeführt hätten, zu vermeiden, war General Görgey, Oberbefehlshaber der ungarischen Hauptarmee, schließlich gezwungen, einen Tagesbefehl zu erlassen. Um seine Offiziere zu beruhigen, erörterte er in diesem Befehl die Berechtigung des ungarischen Notwehrkampfes, andererseits stellte er sich steif jeder darüber hinausgehenden „unreifen republikanischen” Bestrebung entgegen.

Vorwiegend dem war es zu verdanken, dass die 1000 ehemaligen k. k. Berufsoffiziere, die in der Honvéd-Armee dienten, dem Freiheitskampf bereits bis zum Ende treu blieben.

Es ist kein terminologisches Durcheinander, wenn hier statt Notwehrkampf Freiheitskampf erwähnt wird. Die oktroyierte Olmützer Verfassung vom März 1849 bedeutete im Vergleich zu der Situation vor 1848 einen Rücktritt, diese Verfassung wollte Ungarn auf das Niveau der Provinz der einheitlichen und unteilbaren Gesamtmonarchie senken, diese Verfassung beantwortete der ungarische Landtag mit der Dethronisation der Habsburger und der Proklamation der Unabhängigkeit des Landes. Der aus Notwehr geführte Kampf wurde also zum Unabhängigkeitskampf. Nicht nur die Revolution verlor dadurch die bisher betonte „Legalität”, auch der aus der k. k. Armee stammende Teil des Offizierskorps die Rechtsgrundlage. Der auf den Herrscher und die ungarische Verfassung geleistete Eid war endgültig zweigetrennt, war einander gegenübergestellt. Die innere Logik der Ereignisse, die „Zeiten der seelischen Wandlung” veränderten die Auffassung dieser Offiziere, als ob einige Jahrzehnte vergangen wären. Die Mehrzahl konnte sich aber mit der Dethronisation nicht abfinden. In der extrem zugespitzten Situation gab es für sie keine andere Möglichkeit, als den Kampf fortzusetzen.

*

Es ist eine klassische Feststellung, dass im Frühling 1849 auf dem ungarischen Kriegsschauplatz „das alte Österreich von dem jungen Österreich niedergeschlagen wurde”. Teils ist diese These wahr, teils nicht. Wahr ist sie insofern, dass die kaiserlichen Truppen von älteren, 60–70 Jahre alten, die ungarischen dagegen von jüngeren, 20–30, eventuell 40 Jahre alten Generälen, ehemaligen kaiserlich-königlichen Offizieren geleitet wurden. Es ist aber auch wahr, dass sich die letzteren in ihrer Auffassung, ihren politischen Ansichten von den Prinzipien der Offiziere der kaiserlichen Armee bereits entfernten. Sie wurden keine Revolutionäre – von einigen Ausnahmen abgesehen. Der Umstand aber, dass sie sich auf die Seite einer für revolutionäre Ziele kämpfenden Armee stellten, hatte gewisse Folgen.