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I.
Die Herausforderungen
der EU-Mitgliedschaft im Jahre 2008

 

Bericht
über die Tätigkeit des Europa Institutes Budapest
2007–2008

 

Das Europa Institut Budapest wurde zur Erforschung des europäischen Integrationsprozesses, zur Förderung der europäischen Integrationsfähigkeit Ungarns gegründet. Und zwar 1989/1990, bei der ersten sich bietenden Möglichkeit dafür, dass in Folge des Zerfalls des sowjetischen Besatzungssystems das Land erneut in den weltkulturellen Kreislauf integriert werden könne. Es bot sich die Chance dafür, dass der in den Jahren zwischen 1945 und 1989 zwangsweiser eingeschlagener Kurs der einseitigen osteuropäischen Integration gewechselt werden konnte, und das Land in Richtung der gesamteuropäischen Integration bewegt werden konnte. 2004 erfolgte dann der Beitritt Ungarns zur Europäischen Union. Der Beitritt war im Grunde genommen ein diplomatisch-politischer Schritt, der langfristig die Förderung des europäischen Integrationsprozesses anzielte. Somit die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Integration. Das Institut soll somit in den kommenden Jahrzehnten mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln bestrebt sein, innerhalb der Grenzen dieser nunmehr gemeinsamen Heimat die Aufstellung der Institutionen, die die Integration anzielen, zu fördern sowie den Abbau der entlang national-staatlichen Linien bestehenden Grenzen in den wirtschaftlichen-kulturellen Institutionen zu unterstützen. Ebenso im öffentlichen Denken. Gleichzeitig nahm die Europäische Union Stellung zur Erweiterung ihrer Grenzen in Richtung Südosteuropas. Dies bedeutet für Ungarn und das Ungarntum aber auch, dass sie sich gemeinsam mit ihren südosteuropäischen Nachbarn in einem neuen Verwaltungsrahmen wieder finden. Die neuen Rahmenbedingungen innerhalb der Europäischen Union bieten den ungarischen Staatsbürgern und der Gemeinschaft der ungarischen Nation neue Möglichkeiten. Die 1989–1990 formulierten Zielsetzungen des Europa Institutes Budapest wurden im Jahre 2004 ergänzt. Weiterhin soll der europäische Integrationsprozess erforscht werden, somit die innere Umstrukturierung der Union und ihre Stellung in der Weltpolitik. Es soll weiterhin die europäische Integration Ungarns und des Ungarntums gefördert werden. Aber das Umfeld seiner kulturbezogenen Außenpolitik soll ausgedehnt werden. Die zuvor überwiegende westeuropäische Orientierung der Interessenschwerpunkte soll ausbalanciert werden, und mit gleicher Intensität den osteuropäischen Regionen zugewandt werden. Insbesondere der südosteuropäischen (Balkan) Region. (Das Institut hat sich auch zuvor nicht von den russischen und den südosteuropäischen Nachbarländern abgewandt.)

Im Rahmen der Diskussionen über die konkreten Zielsetzungen des Institutes wurde in den Unterbreitungen des Direktors stets von der Analyse des Voranschreitens des europäischen Integrationsprozesses ausgegangen. Und von der Stellung der Europäischen Union in der Weltpolitik. Und von der Position Ungarns und des Ungarntums in Europa. Vor uns liegt der Bericht über die Leistungen des Institutes im akademischen Jahr 2007–2008. Hierin enthalten sind die auf die Konferenzen, Seminare, Publikationen bezogenen Fakten. Diese werden dem Wissenschaftlichen Beirat und dem Stiftungsrat zur Diskussion vorgelegt. Als Einleitung unterbreiten wir die nunmehr jährlich vorgelegte Analyse des Direktors, die zeigt, an welchen Grundrichtlinien der Direktor bzw. der regelmäßig einberufene Vorstand, der die Arbeit des Direktors unterstützt, bestrebt waren die tägliche Arbeit des Institutes anzupassen.

Das Vorjahr 2007 erscheint als ein wichtiges Datum in der Geschichte der Europäischen Union. Aus welchem Grund? Weil in diesem Jahr der gesamten Welt bewusst wurde, welche Bedeutung die neuen Zeitfaktoren (Klimawandel, die durch die Informatik angespornte politisch-wirtschaftliche Globalisierung) haben und der Positionsverlust der Europäischen Union gegenüber den außerhalb von Europa liegenden Weltteilen klar zum Vorschein kam.

 

A) Über die bestimmenden Faktoren der Epoche

 

Die bestimmenden Faktoren einer Epoche, welche unser Leben langfristig prägen, erscheinen dem Einzelnen selten als relevant. – Wir wissen zwar viel, dennoch wäre es unwahr, zu behaupten wir seien „allwissend”. Wir können immer noch mehr Fragen stellen als beständige, für die Zukunft geltende Aussagen machen. Wir müssen unsere Urteile behutsamer fällen, und dem, was unsere Diskussionspartner sagen, besser zuhören. Wir sollten mehr Konsensbereitschaft zeigen, anstatt diejenigen, die anders denken, fortwährend zu bekriegen. Und dies sowohl im Bereich der Politik als auch in unserer unmittelbaren Umgebung, in den Kleingesellschaften, in denen wir leben. Auch das gehört zu den bestimmenden Faktoren einer Epoche …

 

1. Eine neue Epoche der Erdgeschichte?

Im Zeitraum zwischen Februar und Juni 2007 wurden im zwischenstaatlichen Ausschuss für Klimaveränderungen die großen Diskussionen über den gegenwärtigen Zustand und die mögliche Zukunft der Erde ausgetragen. Das Ergebnis dieser Verhandlungen war die „Juni-Erklärung”: Das Treibhauseffekt wächst weiter an, wodurch die seit 12 000 Jahren stabilen klimatischen Bedingungen maßgebend beeinflusst werden können, und diese Veränderungen können sich grundlegend auf das Leben auf der Erdoberfläche, d.h. auf die Lebensbedingungen des Menschen auswirken. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Klimawandel durch menschliche (anthropogene) Faktoren ausgelöst wird, und zwar in Folge der Verbrennung von fossilen Energieträgern. In den kommenden zwei Jahrzehnten muss somit für die Menschheit eine neue Energiestrategie entwickelt werden. Dies kann zu einem Wandel der Produktionsstruktur (z.B. grüne Energie) führen.

Es ist gleich, ob der Mensch oder ein von der Erdkugel initiierter Vorgang zur Selbstkorrektion die Auslöser des Klimawandels sind. Eins ist sicher, wir leben in einer von bestimmten Eigenarten geprägten erdgeschichtlichen Periode: in einer Periode des Klimawandels. Wir müssen lernen, uns den Begebenheiten der Gegenwart und der Zukunft anzupassen. Dies bestimmt unser Verhalten gegenüber der nicht-menschlichen Umwelt: Wir müssen uns entschiedener unserer natürlichen Umwelt zuwenden, den Grundsätzen zur Bewirtschaftung des ländlichen Raumes und der Umwelt muss ein vorrangiger Platz eingeräumt werden, sowohl bei der Festlegung der diesbezüglichen Regierungspolitik als auch bei den Zielsetzungen der intellektuellen-zivilen Initiativen. Wir, langwierige Umweltschützer, müssen lernen selber Programme zu erarbeiten, die wir „bejahen” können, anstatt eine stets negierende und ablehnende Position einzunehmen. Wir müssen die folgenden Fragen beantworten: Woher bekommen wir die von uns benötigte Energie, wie sollen wir die uns zur Verfügung stehende Wassermengen bewirtschaften; wir müssen zu Fragen der Lebensmittelproduktion und der Bewirtschaftung des ländlichen Raumes Stellung nehmen, und zwar so, dass wir die Bedürfnisse der ländlichen Regionen und der Städte in Betracht ziehen. Wir müssen mit Verantwortung Politik betreiben, nicht nur die professionellen Politiker, sondern auch die Intellektuellen und die Zivilen. Weil auch wir einmal zur Verantwortung gezogen und gefragt werden können, wer denn für die durch uns verursachten Schäden aufkommen wird, sei es die Rede von Wasserkraftwerken, grüner Energie oder Atomenergie. Wir müssen uns noch mehr der Analyse der Fragen zuwenden, wir sollten uns weit weniger benehmen als gehörten wir einer messianistischen Sekte an, wir müssen uns viel offener gegenüber den Fachexperten – den Chemikern, Wasseringenieuren, Landwirten – zeigen, und wir sollten seltener unserer all so typischen Großstadtarroganz freien Lauf lassen. Und jetzt wiederhole ich die Frage, die wir möglicherweise einmal beantworten müssen: Sind wir dessen bewusst, dass die Rechnung letztendlich von jemandem beglichen werden muss? Und dann wird die Beteuerung des guten Willens, der unschuldige Verweis auf unsere mangelnde Kenntnisse, die Formel „ich-habe-es-nicht-gewusst”, die Last der Verantwortung nicht von den Schultern der Vertreter der zivilen Initiativen nehmen.

 

2. Ein neuer Abschnitt der industriell-technischen Revolution?

Zugleich sind wir aber auch die, die diese neue Epoche der industriell-technischen Revolution mit gestalten und miterleben – als Vertreter der Informationsgesellschaft. Wir müssen lernen mit den im Bereich der Informations-Kommunikationstechnik entwickelten Instrumenten zusammenzuleben und innerhalb der durch diese Technologie geprägten globalen und lokalen Gesellschaft unser Leben aufzubauen und unseren Lebensunterhalt zu verdienen. (Wir müssen unsere Beziehungskultur neu gestalten, eine auf die Welt hin offene soziale Denkweise entwickeln, und wir müssen lernen, unsere Kultur für die nach uns kommenden Generationen zu bewahren bzw. zu modernisieren.) Die Informationsgesellschaft erwartet von uns, dass wir von dem uns zur Verfügung stehenden technischen Inventar Gebrauch machen, was nicht alleinig die Benutzung des Computers bedeutet, sondern ebenfalls die Fähigkeit uns die nötigen Kenntnisse im Bereich der Elektronik und der Digitalisierung anzueignen. Die Informationsgesellschaft ist eine globale Gesellschaft. Dies müssen wir zur Kenntnis nehmen. Wir sollen nicht gegen die Globalisierung ankämpfen, sondern lernen, die Interessen der kleinnationalen Kulturen im globalen Raum zu vertreten. Das erfordert die Modernisierung des lokalen Kulturmaterials und die Aneignung der nötigen Kenntnisse zur Vermittlung dieses Kulturmaterials an die Welt um uns herum. Um es eindeutiger zu formulieren: Jede(r) Intellektuelle muss eine Weltsprache beherrschen. Und lesen, und sich große Mengen an Informationsmaterial aneignen. Die ungarische Kultur muss nicht vor der Weltkultur geschützt werden, sie muss modernisiert werden, und wir müssen lernen, sie in den „Weltsprachen” (und nicht einfach in einer der gegenwärtig gesprochenen Sprachen) zu vermarkten. Der Bewegungs- und Betrachtungsradius der Menschen dehnt sich aus. Nicht nur in dem Augenblick, wenn er oder sie vor dem Fernseher sitzt, sich mit Gegenständen aus dem Fernen Osten umgibt, südamerikanische und südafrikanische Weine trinkt, Reisen unternimmt, sondern auch dann, wenn diese Menschen die Zukunft ihrer Kinder planen. Anstatt abzuwägen, betrauern wir lieber, wenn unsere jungen Leute, von der Neugier getrieben, ihr Leben in einem fremden Land einrichten. (Natürlich klagen sie, dass sie zu Hause nicht ihren Lebensunterhalt verdienen können. In der Geschichte war dies schon immer das erste Zeichen für die Ausströmung der Kultur.)

 

B) Europa und die Europäische Union im globalen Wettbewerb

 

1. Die Rolle der EU im Leben der innerhalb ihrer Grenzen lebenden Völker

Jetzt, beim Vergleich der in der EU und in der Weltpolitik bzw. Weltwirtschaft gegenwärtig geltenden Tendenzen kommt die Einsicht: Die Europäische Union ist eine territorialorganisatorische Einheit, die ihre Funktion dann erfüllt, wenn die auf ihrem Gebiet lebenden Bürger ihre vorhandenen Fähigkeiten erfolgreicher zu nutzen vermögen als dies im nationalstaatlichen Rahmen möglich wäre. Die mit der EU-Mitgliedschaft verbundenen Vorteile sind die Folgenden: a) Es gibt keine Kriege auf den von der EU erfassten Gebieten (dies hätten wir vielleicht auch ohne die EU erreicht?); b) Die große territoriale Einheit, die Großregion, bietet dem Individuum im ökonomischen und geistigen Bereich ein effektiveres Wirtschafts-Handelspotential und mit Hinsicht auf die Wettbewerbsfähigkeit bessere Voraussetzungen; c) Die Ausbalancierung bestimmter sozial-kultureller Unterschiede wird gefördert. (Die Frage lautet, ob somit das Niveau gesenkt oder eher „angehoben” wird?)

Erst jetzt als die Zeit gekommen ist, Bilanz zu ziehen, wenden wir uns den wirklichen Ursachen zu, die zur Gründung der EU führten. Bis jetzt haben wir den Vorereignissen zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht genügend Achtung geschenkt. Die Vorgeschichte der EU führt uns nämlich nicht nur in die Zwischenkriegszeit zurück, und ihr Vorgedanke ist auch nicht alleinig die Paneuropäische Union (1920er Jahre). (Hierbei sei vermerkt, dass die europäischen Volksparteien zu Recht ihre historischen Wurzeln in der Paneuropäischen Union verankert sehen.) Nein. Nein, nicht eine „Idee” ist die Ursache, sondern eine „Interessenerkenntnis”: die Erkenntnis der Vorteile, die eine Großregion zu bieten hat. Die Furcht vor dem Bahnbrechen der USA in Bereichen der Wirtschaft, Politik und Technik. Das Bahnbrechen der USA führt zur Erkenntnis, dass die Vereinigten Staaten von Europa ins Leben gerufen werden sollen (1910). Die Begründung lautet: Die USA gelangt aus dem Grund so rapide an die Weltspitze, weil sich der große Binnenmarkt als vorteilhaft für die Produktionssysteme des Maschinenzeitalters erweist. – Der Erste Weltkrieg wirkte aber gerade diesem Bestreben entgegen: Das Europa der Nationalstaaten wurde nur noch standfester. Es kam zur Herausbildung von zwei Ideen, die die europäische Integration anzielten und bestrebt waren dem Europa der Nationalstaaten entgegenzuwirken. Die eine war die Idee der Paneuropa-Bewegung aus dem Jahre 1922, die ein auf dem christlichen Universalismus und Ethik beruhendes Europa zu errichten wünschte. Die andere Idee entstand nach 1932 in Verbindung mit Hitlers Vorstellungen für ein „Neues Europa”, die eine auf weltanschauliche Grundlage gestellte Integration vorsah. – Nach dem Zweiten Weltkrieg, um genauer zu sein nach 1950, wurde in der westlichen Besatzungszone mit Unterstützung der USA dem Integrationsgedanke immer mehr Beachtung geschenkt. Die Grundlage hierfür bildet die Wirtschaftsgemeinschaft bzw. die Anerkennung der Eigenarten der in den vergangenen 2800 Jahren erfolgten europäischen Entwicklung. Zwischen 1950 und 1992 wird die wirtschaftliche Einigung nur langsam mit integrativen Elementen aus Politik und Kultur aufgefüllt. Nach 1990, dem Rückzug der sowjetischen Truppen folgend gibt es keine andere Alternative: Der östliche Teil Europas muss in den Integrationsprozesses einbezogen werden und die Integration muss in Richtung einer politischen und kulturellen Integration fortgesetzt werden. Für die ehemaligen sowjetischen Besatzungsländer bedeutet dies sowohl eine Zwangsmodernisierung als auch einen Schock (Maastricht, 1992).

 

2. Die südöstliche Erweiterung im Jahre 2007

Im Jahre 2007 wurde die südöstliche Erweiterung der EU begonnen, somit begann die EU die Integration der Balkanregion. Die südöstliche Erweiterung wird in der europäischen Geschichte der kommenden 30 Jahre aus zwei Gründen maßgebend sein: a) Die Frage lautet in wie weit eine Region, die nicht durch Verkehrsrouten angegliedert ist, von dem Verwaltungswesen der EU erfasst werden kann – eine Verwaltung, die über begrenzte Vorkenntnisse über die wirtschaftlich-demographisch-ethnisch-politischen Begebenheiten der Balkanregion verfügt. Und die bestehende Bindung (Verkehr, Marktkontakte) der in dieser Region befindlichen Staaten an Westeuropa ist weit schwächer, verglichen mit den zuvor beigetretenen Staaten des Baltikums und Mitteleuropas. b) Die Grenzen der EU haben jetzt die äußeren Grenzen der Staaten erreicht, die der sog. westeuropäischen (westliche Christenheit) Kultur – den Traditionen des Römischen Reiches folgend – angehören und in den vergangenen 2 700 Jahren ausgebaut wurden. Es beginnt die Integration der Gebiete, die Teile des früheren oströmischen (byzantinischen) Reiches bildeten. Der Gebiete, die seit 395 auch offiziell vom weströmischen Reich abgetrennt wurden, und deren Hauptstadt Konstantinopel wurde. Der Gebiete, die von einer Verwaltungseinheit erfasst wurden, welche zwar ebenso bis 1453 die christlichen (griechischen) Lebensprinzipien als maßgebend anerkannte, die aber dennoch mit der Zeit dem wirtschaftlichen-militärischen Kraftfeld Kleinasiens angegliedert wurde. (Die türkisch-persischen Völker beriefen sich bis 1453 auf das oströmische Reich als „römisches” Reich, als den Nachfolger des Römischen Reiches.) Nach 1453 beginnt aber die 450-jährige Herrschaft des Islams, die die politisch-ethischen Grundlagen der in der Region lebenden Völker vollends verändert. Nach 1918, dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches folgend beginnt die Angliederung der Region an die westeuropäische Welt, und auch die sowjetische Besatzung (1945) führt eine Diktatur ein, die eine Modernisierung nach westeuropäischem Muster vorsieht (bis 1990). Dennoch, die Lebensprinzipien, die Glaubenswelt der Völker der Balkanregion zeigen drastische Unterschiede zu den Lebensprinzipien der Völker, die westlich der Karpaten leben. Die Frage lautet: Welchen Einfluss die Errichtung der Institutionen der Mehrparteiendemokratie auf das Staatsleben haben wird; inwieweit der Einzug des internationalen Kapitals, der Ausbau der zu diesem Kapitaleinzug benötigten marktwirtschaftlichen Institutionen die gesamte Gesellschaftsstruktur verändern werden? Diese Fragen werden wir erst in den kommenden 20–30 Jahren beantworten können. Eine weitere Frage lautet: Inwieweit wird die Integration der Balkanregionen die Europäische Union verändern? Die gegenwärtig bestehende Verwaltungsstruktur? Die bisher geltenden Präferenzen? Der Historiker verweist zugleich auf Parallelen in der Geschichte: Die Integration der Balkanregion durch das Römische Reich im Zeitraum zwischen dem 1. Jahrhundert v.Ch. bis 4. Jahrhundert n.Ch. hatte deutliche Auswirkungen auf die Struktur (das Verwaltungswesen) des gesamten Römischen Reiches, und zeigte einen Einfluss auf die Entwicklung der neuen staatlichen Religion der Christenheit. Inwieweit wird diese Wiedervereinigung der östlichen Gebiete mit den in den westeuropäischen Regionen befindlichen Staaten Einfluss auf die bestehenden Grundlagen der westeuropäischen Staatsorganisation, Kultur, Wirtschaft haben?

 

3. Die EU und Europa

Jetzt, zu Beginn der südöstlichen Erweiterung der EU muss festgehalten werden: Die zukünftige Erweiterung der Grenzen der EU wird voraussichtlich auch weiterhin nicht bewirken können, dass die Grenzen der EU die geographischen Grenzen Europas abdecken. – Jetzt kommt erst der „schwierige Teil” der Arbeit: Mit Bezug auf den kulturellen Bereich hat die EU jetzt, 2007, die westeuropäischen Grenzen überschritten. Inwieweit wird sie diese Gebiete integrieren können? Inwieweit werden diese Gebiete zwangsläufig die gesamte EU zu einer Umstrukturierung bewegen? – Seit 1972 war ich ein kampfeifriger Befürworter der Integration. Sowohl in der sowjetischen Zeit als auch nach 1990. Und zwar bis 2003, dem Zeitpunkt als die Entscheidungen zu den Beitrittsbedingungen Ungarns gefällt worden sind. Und bis zu dem Zeitpunkt als ich in den Jahren nach 2000 feststellen musste, dass die EU letztendlich mit dem von den USA und China eingeschlagenen Tempo nicht Schritt halten kann. Zu diesem Zeitpunkt begann ich dazu zu neigen, den Standpunkt „des dritten Weges” zu vertreten: Die Integration wird mehr Zeit in Anspruch nehmen als wir gedacht haben. Die Beschleunigung des globalen Integrationsprozesses ist unerwartet eingetreten, vor allem das Erscheinen des Internets, und damit verbunden eine neue Art der Produktionskontrolle. Ein westeuropäischer Kern muss bestehen bleiben, welcher sich im globalen Raum weiterhin als wettbewerbsfähig erweist; wir dürfen diesen mit unseren sozialen Problemen und unserem leistungsschwächeren Bestand in den Bereichen Technik und Arbeitskraft nicht behindern. Eine Vereinbarung soll mit uns getroffen werden, die uns als eine „Sonderzone” einstuft. Diese Vereinbarung soll für 10–15 Jahre gültig sein. Gleichzeitig hätte ich den Kreis der EU 25 auf die folgenden Länder ausgedehnt: Rumänien, Kroatien, Serbien, Bulgarien bzw. meiner Meinung nach auf die gesamte Balkanregion (die Lehren von Kosovo vor den Augen haltend). Der Einzug des Kapitals und die sich spontan bildenden Beziehungen zu den Nachbarländern hätten ihre entsprechende Wirkung auf diese „Zone” ausgeübt. Ich bezweifle auch weiterhin die Geltung meines Standpunktes aus dem Jahr 2004 nicht. In einem gewissen Sinn ist es sowieso nicht anders geschehen: Sowohl die Arbeitskraft als auch die Produkte strömen ungehindert ins Land ein, wobei aber unseren Produkten und unserer Arbeitskraft Hindernisse in den Weg gestellt werden. Die örtlichen Beschaffenheiten hätten sich in Folge eines langsam voranschreitenden Integrationsprozesses besser entfalten mögen. Weniger, übrigens langfristig Erfolg versprechende Industrie-Lebensmittelproduktionsbasen wären niedergegangen. (Die beim Wettbewerb mit den westlichen Produkten nicht Schritt halten konnten.) Das Gegenargument aber lautet: Zwischen 2007 und 2013 kann die ostmitteleuropäische Region Förderungssummen in solcher Höhe beanspruchen, und diese gezwungenermaßen für solche Modernisierungsmaßnahmen verwenden, die letztendlich zur Modernisierung in den örtlichen Gemeinschaften beitragen. Es kann gut sein, dass die Optimisten Recht behalten werden. Die Zukunft wird entscheiden.

 

4. Die globale Wettbewerbsfähigkeit der EU

Heute sehen wir, dass die EU den Erwartungen der Erklärung von Lissabon (2000) über ihre zukünftige welthistorische Stellung – vorerst – nicht gerecht werden kann. Das bedeutet, dass sie im wirtschaftlichen Bereich bis 2010 die USA nicht einholen wird, und sie ihren Vorsprung zu Asien nicht vergrößern kann. (Inzwischen zählt neben China und Japan auch Indien zu den Teilnehmern des Wirtschaftswettbewerbs in Asien. Im Vergleich mit der EU wird China mit Sicherheit bis 2010 aufholen können.)

Die statistischen Daten und Indikatoren des Zeitraumes 2000–2007 verweisen auf das Folgende: Die EU entwickelt sich auch im Vergleich mit ihren eigenen Leistungen langsamer, als wir erwartet haben. Die Indikatoren verweisen aber auch darauf, dass sich die EU im Vergleich mit den USA, China, Indien weit langsamer entwickelt als erwartet. Lissabon 2000: Bis zum Jahr 2010 wird sich die EU zur größten Macht in Bereichen der Wirtschaft, Wissenschaft und Technik entwickeln. Sie holt die USA ein und vergrößert ihren Vorsprung zu China. Die Realität konnte bereits 2004 vernommen werden: Der Vorsprung der USA wuchs an, und China holte langsam auf.

Die Frage lautet: Wird sich die Wirtschaft und Kultur der Welt an solch eine territorialorganisatorische Einheit richten wollen. Das glaube ich kaum. In jeder territorialorganisatorischen Einheit gibt es mit Hinsicht auf die Entwicklung Unregelmäßigkeiten: Bestimmte Regionen Chinas springen mit einem Satz an die Weltspitze (z.B. Südostchina), andere Regionen verbleiben in ihrem ursprünglichen Zustand (Tibet). Die Ostküste der USA und der Süden werden sich noch schneller entwickeln als bisher, die westlichen Gebiete dagegen langsamer. Dies trifft auch auf Europa und Indien zu. Der Grund hierfür ist die globale Integration, was die Philosophen der EU vor 1998 nicht umsichtig genug bedacht haben. Meiner Meinung nach ist diese neue Tendenz in der regionalen Entwicklung mit der Verbreitung des World Wide Webs verbunden. Das Sprengen des nationalstaatlichen Rahmens in Bereichen der Wirtschaft, Kultur, Verkehrswesen bedeutet, dass die Tendenzen der Entwicklung sich nicht an die bestehenden nationalstaatlich-territorialorganisatorischen Einheiten richten werden. – Somit können wir nicht ermessen, ob die Menschheit nicht einer neuen Entwicklungsperiode der „Stadtstaaten” entgegensieht. Einem Zeitalter, in dem in Folge der Lockerung der nationalstaatlichen Grenzen die großen Metropolen praktisch von der regionalen Entwicklung ihrer näheren Umgebung losgerissen werden. Die den Großstadtbewohnern von Budapest, Paris, Berlin, Wien, London, Peking, New York eigene Lebensform, weist bereits heute mehr Ähnlichkeiten auf, als was diese Großstädte mit der Kultur ihrer näheren Umgebung, dem sie umgebenden ländlichen Raum, verbindet... Die Lebensform der Bewohner der deutschen, französischen oder englischen Kleinstädte weist größere Ähnlichkeiten auf als die Lebensform der Bewohner ihrer eigenen nationalstaatlichen Hauptstadt. – Somit sollten wir damit rechnen, dass wir in den kommenden 10–15 Jahren die Kriterien der Erhebung von statistischen Daten und unsere Betrachtungsweise neu überdenken müssen. Wir werden in den Bereichen Wirtschaft und Kultur keine so entschiedenen Trennlinien zwischen die USA, China, die EU ziehen können. Vielleicht nur auf dem Gebiet des Verwaltungswesens. Weltweit kann all dies zur Herausbildung eines neuen territorialen Verwaltungsnetzwerkes führen. – Im Bereich der Kultur kann dies zu einer Aufteilung entlang sozial-beruflichen Linien führen. Es kann sich eine neue Klassenkultur nach mittelalterlichem Muster herausbilden. Die Mittelklassen werden untereinander ähnliche weltkulturelle Züge aufweisen können, hierbei werden Elemente der lokalen Verbundenheit bestehen bleiben, aber dennoch werden die Ähnlichkeiten überwiegen und stabiler präsent sein. Weil einfach diese Anforderungen von Seiten der Internationalisierung der Produktion und des Verwaltungswesens (Verkehrswesen, Naturbewirtschaftung usw.) gestellt werden. Dieser Prozess wird sich ebenfalls auf die Sprache auswirken. Unter den im Verwaltungswesen und in der Wirtschaft tätigen Menschen werden sich das Englische und die regionalen Lingua franca (Spanisch, Französisch, Chinesisch, Russisch, Deutsch, Arabisch, Japanisch usw.) über die anderen Sprachen erheben. Die Traditionen der einzelnen Ethnien werden in diese gemeinsame Bildung einsickern, bis hin zu den Mittelklassen. Dennoch wird diese Bildung vorwiegend im Kreise der in der lokalen Produktion und Verwaltung Beschäftigten verbleiben. Gleichzeitig werden sich aber auch diese ethnischen Traditionen verändern. Wahrscheinlich überleben sie die staatlich-bürgerliche Identitätsbildung, die Staatverwaltungseinheiten, aber in Folge der umfassenden Vermischung der Zugehörigkeit werden neue kulturelle Identitäten entstehen. Identitäten, für die wir heute noch keine Namen haben, nicht zu sprechen von ihrer Definierung. (In der Europäischen Union leben heute bereits 20 Millionen Muslime, wir können nichts Sicheres über die Auswirkungen der lateinamerikanischen Welle in den USA voraussagen, in China leben mehr als 40 uns kaum bekannte ethnisch-nationale Minderheiten, die jeweils mehrere Millionen zählen. Die Vermischung dieser diversen Bevölkerungsgruppen wird sich voraussichtlich im 21. Jahrhundert beschleunigen.)

 

5. Das Erscheinen Russlands

Im Jahre 2007 erschien Russland erneut als Großmacht in der Weltpolitik (und auf dem Weltmarkt). Eine Entwicklung, mit dem die Politiker in Lissabon (im Jahre 2000) nicht gerechnet haben. Den Energiedurst der Völker der Erde sowie seine eigenen riesigen Ressourcen an fossilen Energieträgern, seine kraftvolle Energieindustrie ausnutzend. Die militärischen Traditionen der ehemaligen Sowjetunion – immerhin des größten Staatsgebildes des 20. Jahrhunderts – wurden wiederbelebt. Es festigte seine Staatsorganisation, und wuchs somit zum größten – bis jetzt zu Unrecht unterschätzten – Rivalen der EU empor.

 

6. Die innere Struktur der Europäischen Union

Über die zukünftige Gestaltung der inneren Struktur der Europäischen Union lässt sich kaum etwas mit Bestimmtheit aussagen. Ich halte die innerhalb der EU entstandenen Debatten über den Textinhalt der Verfassung, welche eher ideologisch-historisch veranlagt ist, für unproduktiv. Darüber, ob wir die „christlichen” Traditionen in der Verfassung festhalten sollen oder nicht. Meiner Meinung nach sollten wir bei unseren Diskussionen die Aufmerksamkeit nicht auf das Vergangene, sondern viel mehr auf die Zukunft lenken. Hier seien einige Beispiele angeführt:

a) Die wirtschaftliche Grundlage der Union sollten die Einzahlungen der jeweiligen Staaten bilden, keine Direktsteuer sollte bezahlt werden. Die EU ist die erste territorialorganisatorische Einheit in der Geschichte, innerhalb deren Grenzen die Bürger keine direkten, also unmittelbaren, Steuerabgaben zu leisten haben.

b) Es sollten weiterhin keine gemeinsamen Sicherheitskräfte, keine gemeinsame Armee aufgestellt werden. Wir, die in der sowjetischen Besatzungszone aufgewachsen sind und das gemeinsame Militärgeschwader mit der sowjetischen Armee beanstandeten, können nur schwer hinnehmen, dass die EU militärisch Teil eines von den USA dominierten internationalen militärischen Konstrukts sei. Solange der EU kein eigenes Militär zur Verfügung steht, ist der Zweite Weltkrieg nicht zu Ende – heute betrachten nur wenige die gegenwärtige militärpolitisch-strategische Lage aus dieser Perspektive, doch morgen – so denke ich – werden viele die Richtigkeit dieser Feststellung einsehen.

c) Ob es wohl richtig ist, dass das Parlament der EU die politische Kultur der Aufteilung nach Parteizugehörigkeit unterstützt. Mit der Zeit ist in Europa das Parteileben an Stelle des öffentlichen Lebens getreten. Die Bedeutung und Rolle, die einst die zivilen Organisationen spielten, nämlich die Rolle der griechisch-römischen Öffentlichkeit im klassischen Sinne, die einst das Gesellschaftsleben Europas kennzeichnete, ist inzwischen verloren gegangen. Wäre es nicht sinnvoll ein Parlament mit zwei Kammern zu errichten, wo neben dem Haus der Parteien ein weiteres aufgestellt würde, wo die zivilen Organisationen – die Organisationen der Großsiedlungen, der Wissenschaft und Bildung, der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, der Kirchen usw. – vertreten wären?

d) Mit Hinsicht auf die Verrichtung der täglichen Verwaltungsaufgaben ist das Verhältnis zwischen den Nationalstaaten, den Regionen ungeklärt. Die Euroregionen stehen nicht mehr auf der Tagesordnung. Da doch jeder Intellektuelle, der nur ein wenig in der Geschichte Europas und in der Weltgeschichte bewandert ist, weiß, dass das im 19. Jahrhundert aufgestellte Verwaltungs-Administrationssystem die örtlichen Initiativen verbürokratisiert und hindert, so dass diese nicht frei an die Oberfläche gelangen können. Wo bleibt die Rolle der Autonomien? Ich denke hierbei an die Rolle der Autonomien mit Bezug auf das Verwaltungswesen, die ethnische religiöse Zugehörigkeit.

e) Innerhalb der EU sind weder das System der Steuerpolitik, noch die Sozialpolitik, die Krankenkassendienstleistungen geklärt. Es kann allgemein festgestellt werden, dass die Union nicht auf der freien Mobilität der Arbeitskraft vorbereitet ist. Wobei sie sich seit 1992 hierauf vorbereitet. Trotz der Tatsache, dass sie diese Mobilität als einen ihrer Vorteile deklariert. Dennoch... — Es gibt kein einheitliches Steuersystem, und dies führt zu enormen Komplikationen. Die Unternehmen sehen sich gezwungen, ihre Investitionen zu zerstückeln: Bestimmte Unternehmenstypen werden in einem, andere Unternehmensformen wiederum in einem weiterem Staat angesiedelt. – Es gibt kein einheitliches sozialpolitisches System, und somit sehen sich die Verwaltungen der einzelnen Staaten gezwungen, im Zeitalter der freien Arbeitskraftmobilität unzählige zwischenstaatliche Abkommen abzuschließen – ein Vorgang, der für die Bürger undurchschaubar ist.

f) Die Realisierung des Prinzips der Subsidiarität schreitet allgemein nur langsam voran. (Die Verbreitung der Praxis der Parteilisten ist nur eines der Zeichen hierfür, wobei dem Bürger der Einfluss auf seine politische Vertretung entzogen wird.)

Den einzelnen Zivilorganisationen, den Vereinigungen, die sich auf Grund der gemeinsamen Interessen, der kleingesellschaftlichen Zugehörigkeit ihrer Mitglieder bilden, sollte – so meinen viele von uns – ein weit größerer Platz eingeräumt werden. Man sollte nicht nur bestrebt sein, die Initiativen zu unterstützen, die zur Freizeitgestaltung oder zur Pflege der lokalen Traditionen gegründet worden sind, sondern auch die zivilen Vereinigungen, deren Mitglieder darauf bedacht sind, zur Verschönerung der Umwelt beizutragen, sollten am Leben erhalten werden – wenn nötig, auch mit Hilfe von staatlichen Zielförderungen (Rentnerklubs, Gartenbau-Sportlergemeinschaften, Singvereine, Theatergruppen usw.). Es sollte den Bürgern auch das Mitspracherecht in das lokale öffentliche Leben, in die Politik gewährleistet werden. Die großartigen Institutionen, die der griechisch-römischen Tradition folgen, sollten aufleben. Es sollten solche Körperschaften aufgestellt werden, die den Bürgern die Möglichkeit geben, bei der Festlegung der örtlichen Förderungen (Infrastruktur, kulturelle Institutionen usw.) mitzureden. Wodurch die Distanz zwischen der örtlichen Verwaltung, der örtlichen Parteipolitik und dem Bürger abnehmen würde. Es sollten Körperschaften – auch landesweit – gegründet werden, in denen die örtlichen Zivilorganisationen vertreten sind. Die große Erfolgsgeschichte im Verwaltungswesen der vergangenen 150 Jahre in Europa ist die Herausbildung der Schicht von Berufspolitikern. Das große Defizit der vergangenen 150 Jahre in Europa ist dagegen, dass diese Politikerschicht das öffentliche Leben ausschließlich für den Eigengebrauch nutzt. In Europa ist das Parteileben anstelle des öffentlichen Lebens getreten.

Es sollte den einzelnen lokalen Autonomien im Leben der Kleingesellschaften eine weit größere Bedeutung zukommen. Ich denke nicht an eine Autonomie der Verwaltung in den Ortschaften, sondern an die sonstigen Autonomien der Bürger, somit an die ethnisch-nationalen und weltanschaulichen (Religion bezogenen) und sonstigen (z.B. Grünen) Autonomien. Im europäischen öffentlichen Leben ist allein die Stellung der Religion bezogenen Autonomien gesichert, im Rahmen der Kirchen. Aber ihre Teilnahme (Vertretung) im öffentlichen Leben ist dennoch öfters ungeklärt. (Die Trennung von Staat und Kirche an sich gewährleistet nicht die Teilnahme der Religion bezogenen Autonomien im öffentlichen Leben. Dies ist zumindest meine Meinung.)

Es sollte zur Kenntnis genommen werden: Die einzelnen Autonomien verstärken das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer größeren Einheit – Staatsgebiet, Kontinent. Meiner Meinung nach kann in den kommenden Jahrzehnten in den europäischen Demokratien die Herausbildung eines Vertretungssystems auf zwei Ebenen nicht umgangen werden. Auf der einen Ebene erscheint der Bürger als Wähler der politischen Parteien (seine politische Identität auslebend). Auf der anderen Ebene wird dann die sonstige Identität (kulturelle, weltanschauliche, ethnische usw.) erlebt. Zweifellos ist dies eine Frage, die zur Diskussion steht. Meiner Meinung nach muss dem Bürger im 21. Jahrhundert das institutionelle Erleben des Identitätspluralismus gewährleistet werden. Dies bedeutet nicht allein, dass das individuelle Bekenntnis dieses Identitätspluralismus „erlaubt” sei (laut dem großartigen Prinzip des klassischen Liberalismus), sondern auch, dass diesem Identitätspluralismus ein institutioneller Rahmen gewährleistet wird.

g) Im Weiteren sollen die national-ethnischen Autonomien behandelt werden. Eines der am meisten Aufmerksamkeit erregenden Ereignisse des Jahres 2007 war der Ausgang der Verhandlungen über den zukünftigen Status Kosovos. Ein lehrreicher Vorgang erreichte die Endphase. Innerhalb eines multinationalen Staates, Serbien, wollte eine nationale Minderheit (die Albaner) seit Jahrzehnten ihre Autonomie erreichen. Der Staat zeigte diesen Bestrebungen gegenüber wenig Verständnis, somit wurde das Verhältnis zwischen der Mehrheits- und der Minderheitsnation immer gespannter, was letztendlich dazu führte, dass der Teil dem serbischen Staatskörper entrissen wurde, in dem die Minderheit die Mehrheit bildete (Kosovo). – Dieser Vorfall ereignete sich zwar außerhalb den Grenzen der EU. Dennoch gilt dieser auch für die europäischen Staaten als lehrreich. Hierdurch gewinnt eine seit mehreren Jahrzehnten geführte europäische Debatte wieder an Aktualität. Über die Autonomiebestrebungen der Minderheiten in Südtirol, Spanien, Frankreich und England. Über die Italiener in Österreich, die Basken in Spanien, die Okzitanen in Frankreich, die Südwalisen in England. Die westeuropäischen Minderheitendebatten der vergangenen 15 Jahre belegten: Die Furcht der europäische Politik vor den nationalen und ethnischen Autonomien ist unbegründet. Die Autonomie der Südtiroler oder die kulturelle Autonomie der Okzitanen hat weder Italien noch Frankreich geschwächt. Und die Autonomie der Albaner hätte ebenso wenig die territoriale Integrität Serbiens geschwächt, wäre sie in den 1990er Jahren verwirklicht worden. – Eines der Lehren des Jahres 2007 lautet: Sollte die nationale und ethnische Autonomie nicht gewährleistet werden, so gewinnen die radikalen Elemente innerhalb einer ethnisch-nationalen Minderheit an Kraft, und dies kann letztendlich die territoriale Integrität des Staates gefährden. Betrachten wir die Geschichte der Jahre 1992–2007, so lässt sich das Folgende erkennen: Das wirkliche Hindernis der kulturellen Autonomiebestrebungen der ethnisch-nationalen Minderheiten ist sozial-wirtschaftlicher Art. Die Mittelklassen der Mehrheitsnation fürchten nicht allein um ihre nationale „Prestige” in Verbindung mit der Errichtung der Institutionen der Minderheit, sie bangen auch um ihre Arbeitsplätze. Sie befürchten, dass nachdem die national-ethnischen Minderheiten ihre sprachlich-kulturelle Autonomie in Bereichen der örtlichen Verwaltung, Bildung, des kulturellen Lebens erhalten, sie ihre Arbeitsstellen in den Gebieten des Landes, wo die Minderheitenautonomie aufgestellt wird, verlieren werden. Ihre Arbeitsplätze als Lehrer, als Bedienstete in der Verwaltung, als Angestellte bei Rundfunk- und Fernsehstationen, vielleicht sogar ihre kirchlichen Funktionen. Weil diese – nach Anerkennung der Autonomie – von Lehrern und Intellektuellen übernommen werden, die der ethnisch-nationalen Minderheit angehören. Die Ereignisse des Jahres 2007 lenken unsere Aufmerksamkeit auf das Folgende: Heute müssen wir die Geschichte der Minderheitenfrage des 20. Jahrhunderts mehr als zuvor als einen Interessenkampf der nationalen Mittelklassen betrachten. Auch die Hintergründe der Minderheitenkonflikte des Jahres 2007 in Verbindung mit der außerhalb den Grenzen lebenden ungarischen Minderheit lassen sich meiner Meinung nach hiermit erklären: Die nationale Mittelklasse der Slowakei und Rumäniens fürchten um ihre Interessen, die sie in den überwiegend von Ungarn bewohnten Gebieten durch die Intellektuellen der in der Slowakei und Rumänien lebenden ungarischen Minderheit gefährdet sehen. Natürlich dürfen die in Folge der Jahrhunderte langen nationalen Konflikte gespeisten Emotionen und die gegenseitig zugefügten Wunden nicht unterschätzt werden. Und es darf nicht vergessen werden: Die Emotionen konnten hundertfünfzig Jahre lang nicht an die Oberfläche gelangen, vor allem nicht in den vergangenen 80 Jahren. Erst dem Systemwandel folgend (1990), nach Einführung eines demokratischen Systems brechen diese ungehindert aus den einzelnen Menschen heraus. Das Befreien der Gefühle, die Gefühlsausbrüche sind Ausdrucksformen eines positiven sozial-massenpsychologischen Phänomens. Zwangsläufig. Eine Erscheinung, die mit Geduld gehandhabt werden muss. Wir dürfen aber nicht vergessen: Gegenwärtig, im Zeitalter der europäischen Integration, der Globalisierung haben die Mehrheits- und die Minderheitsnationen – alle, die im Karpatenbecken leben – mehr gemeinsame, als gegensätzliche Interessen. Und dies trifft auch auf die Mittelklassen zu. Während der 150 Jahre der Nationalstaaten waren die gegensätzlichen Interessen maßgebend; jetzt, innerhalb der Europäischen Union sind es aber die gemeinsamen Interessen, die entscheiden…

Sei es mir erlaubt, mir die Aufzählung hier zu unterbrechen. Die bestehenden Unsicherheiten – zumindest die in mir bestehenden Unsicherheiten –, so glaube ich, konnten somit zum Ausdruck gebracht werden. Doch das bedeutet nicht, dass es eine Alternative zur EU als territorialorganisatorische Einheit geben würde. Es gibt keine solche Alternative. Aber über die innere Gestaltung der EU sollten wir als Mitgliedstaaten und europäische Bürger, dennoch gescheitere Diskussionen führen. Stattdessen beschäftigt man uns damit, wie die Politiker und die Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens mit Schlamm beworfen werden, wie sie sich gegenseitig mit Schlamm bewerfen, in welche kleinlichen Angelegenheiten sie verwickelt sind. Schuld daran sind die zwei leistungsschwächsten Sphären des Systemwandels, die Medien und die Politiker, aber auch wir, Intellektuelle sind schuld. Wir sind schuld, weil wir uns bereit erklären, in der Rolle des schlimmsten Agitprop an Seite der Parteianführer auf dem politischen Podium zu agieren, oder die heldenhaften Züge des einen oder anderen Parteianführers zu besingen. Und erklären uns bereit auch im Familienkreise mit vorgezogenem Besteck, Messer und Gabel, an das eine oder andere Thema mit politischem Belang heranzugehen... so viel also über uns, Intellektuelle...

 

C) Die Veranstaltungen des Europa Institutes Budapest

 

Die Veranstaltungen des Europa Institutes folgen seit der Gründung des Institutes dem Verlauf des europäischen Integrationsprozesses. Sie bieten eine Analyse des Integrationsprozesses und behandeln Themenkreise, welche für die ostmitteleuropäische Region von Belang sind. Und sie sind bestrebt, den Intellektuellen in Ungarn angemessene Europa-Kenntnisse zu vermitteln. Mit Hinsicht auf die Programmgestaltung des Institutes kam es in den Jahren zwischen 2004 und 2007 zu einem Richtungswechsel, zu dem Zeitpunkt als Ungarn und seine Nachbarn Mitglieder der Europäischen Union wurden. Als Erste die Slowakei und Slowenien, und dann 2007 Rumänien. (Bedauerlicher Weise waren die südslawischen Kriege und die Kriegszustände der Jahre 1992–1999 – bestreitbar – ein Hindernis für den Beitritt Kroatiens und Serbiens.)

Die südosteuropäische Erweiterung der EU war ausschlaggebend für das Starten unseres Balkanprojektes – eine internationale wissenschaftliche Aktion, die dem Institut vielleicht die bisher größte Anerkennung einbrachte. Uns schwebten ebenfalls die Lehren der südosteuropäischen Erweiterung vor den Augen als wir im Herbst des Vorjahres die Minderheitenfrage im Karpatenbecken auf unsere Agenda setzten. (Die Konflikt beladene Situation der ungarisch-slowakischen und ungarisch-rumänischen Beziehungen mitinbegriffen.) Ebenfalls im letzten Jahr wurde eine Änderung der Schwerpunkte des zuvor angenommenen Programms mit dem Titel „Wasserbewirtschaftung im Karpatenbecken” vorgenommen: Die komplexe Erforschung des Donautals – das sog. Bitó-Projekt – erhielt Vorrang. (Mit Bezug auf die Begründung, siehe unten.)

Mit Hinsicht auf die Einführung der EU-Studien setzten wir die Ausarbeitung der Themen fort, die mit dem europäischen Integrationsprozess verbunden das Ungarntum betreffen. Die gemeinsam mit der Eötvös-Loránd- Universität ausgearbeitete MA-Fachrichtung mit dem Titel „Einführung in die Geschichte und die Institutionen der europäischen Integration” wurde im April 2007 eingereicht. Den Anmerkungen der Universität folgend wurde der Antrag im Herbst 2007 modifiziert. Das Ungarische Akkreditierungskomitee wird voraussichtlich im Juni 2008 über die Fachrichtung entscheiden. Im Rahmen mehrerer unserer kleinen Veranstaltungen wurden historisch-sprachliche Themenkreise behandelt. Im Folgenden legen wir den Veranstaltungsplan des Institutes im akademischen Jahr 2007–2008 dar. (Zu einer detaillierten Beschreibung der Veranstaltungen siehe Kapitel IV. – Konferenzen, Werkstattgespräche usw.).

 

1. Veranstaltungen

13. September 2007 – Sitzung des Stiftungsrates und des Wissenschaftlichen Beirates

14. September 2007– CORVINUS PREISVERLEIHUNG an Pál Csáky

14. September 2007 – KONFERENZ – Die südöstliche Erweiterung der EU.

Vorträge über den Balkan 9. (Gemeinsame Veranstaltung des Europa Institutes Budapest und des Programmkomitees der Nationalen Strategischen Forschungen der Ungarischen Akademie der Wissenschaften)

4. Oktober 2007 – BUCHPRÄSENTATION – „A Balkán és Magyarország”

(Der Balkan und Ungarn) und „The European Union, the Balkan Region and Hungary”

11. Oktober 2007 – WERKSTATTKONFERENZ

Slowakisch-ungarisches Historikertreffen in Budapest (Gemeinsame Veranstaltung des Institutes für Geschichte der UAW, der Redaktion der Zeitschrift „História” und des Europa Institutes Budapest)

18. Oktober 2007 – KAMMERVERANSTALTUNG

Prof. em. Dr. Peter Waldmann: Die Herausforderung des Terrorismus

8. November 2007 – BUCHPRÄSENTATION

Buchpräsentation des Bandes von Bertalan Andrásfalvy mit dem Titel „Die Donauvölker und die Bewirtschaftung der Überschwemmungsgebiete” (A Duna mente népének ártéri gazdálkodása)

15. November 2007 – KAMMERVERANSTALTUNG

Prof. Dr. Andreas Oplatka, Georg Kastner: Die Bildungsreform und ihre Perspektiven an der Andrássy Gyula Deutschsprachigen Universität

6. Dezember 2007 – KAMMERVERANSTALTUNG

Univ. Prof. Dr. Arnold Suppan: Jugoslawien, die Slowakei und Ungarn im Zweiten Weltkrieg

14. Dezember 2007 – KONFERENZ

Kosovo – dem Konflikt folgend, dem Konflikt voran. Vorträge über den Balkan 10. (Gemeinsame Veranstaltung des Europa Institutes Budapest und des Programmkomitees der Nationalen Strategischen Forschungen der Ungarischen Akademie der Wissenschaften)

13. März 2008 – KONFERENZ

Treffen der Leiter des Dekanats und der Institutsvorstände der Eötvös-Loránd-Universität: Das Europa Institut Budapest stellt sich vor

18. März 2008 – VORTRAG

Prof. Mark Kramer: Neueste Forschungsergebnisse zu der Geschichte der 1940er und 1950er Jahre (Gemeinsame Veranstaltung mit dem Institut für Geschichte der UAW)

10. April 2008 – KAMMERVERANSTALTUNG

Prof. Dr. András Masát: Die Stellung der Andrássy Universität im ungarischen und europäischen Hochschulwesen

17. April 2008 – KAMMERVERANSTALTUNG

a.o. Prof. Andrea Seidler und Zsolt K. Lengyel: Die Stellung und Rolle der Hungarologie im deutschen Sprachraum

25. April 2008 – KONFERENZ

Die Schiffbarkeit der Donau. Vorträge über den Balkan 11.
(Gemeinsame Veranstaltung des Europa Institutes Budapest (sog. Bitó-Projekt) und des Programmkomitees der Nationalen Strategischen Forschungen der Ungarischen Akademie der Wissenschaften)

19. Mai 2008 – WERKSTATTKONFERENZ

Die Donau und die Wettbewerbsfähigkeit der Region

(Gemeinsame Veranstaltung mit der Budapester Corvinus Universität)

22. Mai 2008 – WERKSTATTKONFERENZ

Die Donau als Förderungsachse der Region

(Gemeinsame Veranstaltung mit dem Zentrum für Regionale Forschungen Institut für Westungarn der UAW)

23. Mai 2008 – KONFERENZ

Rumänisch-ungarisches Historikertreffen in Bukarest

(Gemeinsame Veranstaltung des Institutes für Geschichte der UAW, der Redaktionen der Zeitschriften „História” und „Magazin Istoric” und des Europa Institutes Budapest)

24. Juni 2008 – REGIERUNGSFORUM

Regierungsforum zum Thema „Wasserbewirtschaftung im Karpatenbecken”

(Gemeinsame Veranstaltung des Amtes des Ministerpräsidenten, der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, bei der das Sozialforschungszentrum der UAW, das Zentrum für Balkanforschung und das Europa Institut Budapest – sog. Bitó-Projekt – vertreten sind)

 

2. Schlussfolgerungen

a) Balkanprojekt

1. Die Bedeutung der Kapillaren im west- und osteuropäischen Alltag

Weder die Administration der EU noch die (südosteuropäischen) Intellektuellen vor Ort haben sich auf die südosteuropäische Erweiterung der EU vorbereitet. Dies waren unsere „Schlussfolgerungen” im Vorjahr. In den an die Konferenzen anlehnend erarbeiteten Studien wird darauf hingewiesen, dass das schwerste Versäumnis den örtlichen Intellektuellen und Politikern zuzuschreiben sei, da die Gewährleistung der Kompatibilität der Institutionen nicht ausgeführt wurde. In den Bereichen des Wirtschaftsrechts, der Arbeitsplätze ebenso als auf dem Gebiet des Agrarwesens oder der regionalen Förderung. All dies kann zur Folge haben, dass der „Segen” der EU nicht realisiert werden kann. Insbesondere ist zu befürchten, dass die neuen Staaten die Vorteile, welche den Neuankömmlingen durch die Budgetperiode der EU in den Jahren 2007 und 2013 zukommen würde, ungenutzt lassen. In diesem Zeitraum von sieben Jahren wird ihnen auf Grund der Derogationen eine besondere Behandlung zu Teil: Es werden den jeweiligen Staaten mehrere Milliarden Euro aus einem separaten finanziellen Fonds zur Verwirklichung von Projekten vor Ort zugeteilt. Die diesjährigen Konferenzen führten zur Feststellung: Die Pläne zur Erweiterung waren allzu optimistisch gestimmt. Sollten die Bedingungen dafür gegeben sein, dass dem Kapital freier Einlass gewährt wird und die demokratischen Institutionen von den neuen Mitgliedschaften anerkannt werden, so können auch in kürzester Zeit die „Rückständigkeit” bzw. die „andere Organisationsstruktur” aufgehoben werden. Hierfür benötigt man aber in der Region viel mehr Zeit und ebenfalls eifrige „Kleinarbeit”. Um genauer zu formulieren: Der Ausbau der Kapillaren im Beziehungssystem der Region und Westeuropas ist eine Aufgabe, die mehrere Jahrzehnte in Anspruch nehmen wird. Und hierzu sollte die EU-Administration vorrangig beitragen, die von Osten nach Westen verlaufenden kulturellen Beziehungssysteme vorrangig fördern. Vor allem unter den Kindern und Jugendlichen im Schulalter. (Diese waren unsere Schlussfolgerungen in Verbindung mit den im September zur Behandlung von allgemeinen Fragen und dann in Dezember über die juristische und sozialpolitische Lage in Kosovo organisierten Konferenzen.)

2. Landeskunde und die Vermittlung von Kenntnissen über die einzelnen Ländern

Die EU verfügt über keine angemessenen Kenntnisse über die neu beigetretenen Staaten, somit über die neuen Nationen. Dieses Versäumnis belastet die Vertreter der Kulturdiplomatie der neuen Staaten. Aber es sind nicht allein die westeuropäischen Staaten, die die Neuankömmlinge nicht kennen, auch die Bürger der Nachbarstaaten kennen sich nicht. Dies Letztere ist als besonders tragisch zu werten. 150 Jahre lang kam es unter den Völkern der Region, im Zeitalter der Errichtung der Nationalstaaten zur Anhäufung einer Reihe von Gegensätzen. Dann 1945 wurden innerhalb der sowjetischen Zone diese Gegensätze unter den Teppich gekehrt. Es wurden sogar Propagandamittel eingesetzt, um die nur schwer auffindbaren „positiven Traditionen und Gemeinsamkeiten” zu forcieren. Währenddessen konnten sich die Völker gegenseitig nicht kennen lernen, da doch das Reisen in die Nachbarländer nicht erleichtert wurde. (Sowieso, unternahmen die Völker der Region, wenn sich ihnen die Möglichkeit bot, lieber eine Reise nach Westen.) Somit wurde die Chance für ein gegenseitiges Kennenlernen verpasst. Gerade in dem Zeitraum – zwischen 1945 und 1990 – als in Westeuropa die neue Welle des internationalen Tourismus einsetzte und in der Erziehung der neuen Generation bald zahlreiche internationalen Bezüge Anwendung fanden. Aus diesem Grund nahm der Wissenschaftliche Beirat des Institutes bereits im September 2007 Stellung dazu, dass die „Vermittlung von Kenntnissen über die einzelnen Länder” in der Programmgestaltung des Institutes eingebaut werden sollte. (Somit sollten über die üblichen wissenschaftlich-analysierenden Konferenzen hinaus sog. popularisierende Veranstaltungen in das Programm des Institutes eingebaut werden.)

 

b) Wasserbewirtschaftung im Karpatenbecken

1. Die Planung der Wasserbewirtschaftung im Karpatenbecken ist ausschließlich mit Hilfe einer internationalen Zusammenarbeit möglich. Mit dem EU-Beitritt von Rumänien kann die Ausarbeitung eines den gesamten Karpatenbecken erfassenden Wasserbewirtschaftungsplanes beginnen. (Das Amt des Ministerpräsidenten sowie das Programmkomitee für Strategische Forschungen der UAW hat eine Zielförderung für drei Jahre in Aussicht gestellt, in dessen Rahmen die Grundprinzipien eines solchen Wasserbewirtschaftungsplanes ausgearbeitet werden sollen. Parallel hierzu hat auch die Regierung ein Programm mit ähnlichen Zielsetzungen gestartet. Im Mittelpunkt dieses Programms steht die Implementierung der Wasserrichtlinie der EU im Karpatenbecken.) Die Veranstaltungen des Institutes richteten sich auf die Förderungsmöglichkeiten mit Bezug auf die Donau sowie auf die Analyse der Beziehung der Wasserbewirtschaftung und des Umweltschutzes (ausgehend von der Schifffahrt bis hin zu den aktuellen Fragen der Wasserbenutzung). Das Projekt wird in Anlehnung an die Forschungsinitiative „Die möglichen Auswirkungen des Klimawandels auf die ostmitteleuropäische Region” ausgeführt, da doch die Dürreperioden und der weltweite Wassermangel grundlegend die Wasserpolitik der einzelnen Regionen der Erde – somit auch das Karpatenbecken – beeinflussen werden. Unsere Schlussfolgerung lautet: Die Wasserrichtlinie der EU ist ausgezeichnet, aber die strategischen Richtlinien der Wasserbewirtschaftung müssen sehr wohl regional Anwendung finden. Hierbei sollen die unter der Oberfläche befindlichen Wasserressourcen, die geomorphologischen Gegebenheiten und die Niederschlagswerte, die Fließrichtung der Oberflächengewässer und die Bodenzusammensetzung mit bedacht werden.

2. Die Donau – Wasserbewirtschaftung, Schifffahrt, Regionalplanung (sog. Bito-Projekt)

Mit dem EU-Beitritt Rumäniens und Bulgariens wurde das folgende Vorhaben erneut auf die Agenda gesetzt: Es soll ein einheitlicher Schiffbarkeit- und Wasserbewirtschaftungsplan ausgearbeitet werden, der die Gesamtstrecke der Donau erfasst. Sowohl die angemessene Bewirtschaftung der uns zur Verfügung stehenden Gewässer (die nachhaltige Nutzung der Zuflußgebiete) als auch die in regelmäßigeren Zeitabständen einfallenden Flutgewässer und die Hochwassergefahr machen dies erforderlich. (In den vergangenen zehn Jahren hat in Folge des Klimawandels in beiden großen „Ableitungskanälen” des Karpatenbeckens, die Zuflußgebiete der Donau und der Theiss, der Abfluss der Schmelzgewässer zur gleichen Zeit eingesetzt. Zuvor setzten bei der Theiss die Wasserstandhöchstwerte ungefähr einen Monat später ein als bei der Donau. Dies bedeutete, dass erst nachdem die von der Flutwelle getragenen Wassermengen der Donau abgeflossen sind, das Hochwasser bei der Theiss einsetze. Aber jetzt „fällt das Wasser” zur gleichen Zeit ein, wodurch wiederholt Hochwassergefahr entsteht.)

Die Donau muss vorrangig behandelt werden, weil – und dies ist wiederum mit dem Klimawandel verbunden – der Großteil des Niederschlags im Winter fällt, während im Sommer der Karpatenbecken von Dürreperioden heimgesucht wird. Dies führt dazu, dass zurzeit als die Schmelzgewässer abfließen – noch dazu, wie bereits oben beschrieben, nicht wie zuvor nacheinander, sondern jetzt zur gleichen Zeit – in regelmäßigen Zeitabständen extreme Hochwassergefahr entsteht.

Wir müssen uns der Donau zuwenden, auch aus dem Grund, weil wir in Folge des globalen Wettbewerbs immer mehr dazu gedrängt werden, das Verkehrs- und Transportpotential der Donau so gut wie nur möglich zu nutzen. (Es werden Häfen zum Aus- und Beladen von fernöstlichen Produkten gesucht. Da aber die großen Häfen Westeuropas längst überfordert sind, werden die Häfen auf dem Balkan von Chinesen aufgekauft. Die Ware kann dann auf dem europäischen Kontinent in nördliche Richtung auf Achsen oder zu Wasser transportiert werden. Die Schiffbarkeit der Donau liegt im Interesse des Welthandels, und sie liegt auch im Interesse der Völker der Region.) Die ungarische Strecke mit ihren 100 Furten stellt das größte Hindernis für die Schiffbarmachung der Donau dar, da diese die Einhaltung der von der EU vorgeschriebenen Maßstäben (250 cm Wassertiefe) unmöglich machen. Wenn wir zu Schiff fahren wollen, dann muss das Wasser aufgestaut werden – sagten die Fachexperten im Rahmen der Konferenzen des Europa Institutes Budapest. Die Schiffbarkeit der Donau steht aber seit 1989 im Mittelpunkt politischer Debatten. Die Gruppe der Grünen, zu der auch der jetzige Präsident der Republik Ungarn gehört, nehmen gegen die Errichtung von Kunstbauten jeglicher Art Stellung. Diese Haltung kostet dem Land jährlich mehrere zehn Milliarden – sagten die Fachexperten. Entlang der österreichischen und deutschen Strecke der Donau gibt es 19 Stauungen. Es ist wohl bekannt, dass „unterhalb” einer Stauung weitere Staueinrichtungen errichtet werden müssen, sonst wird die Kieselschicht im Flussbett über eine Strecke von 100–150 Kilometern abgetragen. Die Donau befindet sich schon jetzt in einem „lebensgefährlichen” Zustand, weil das Flussbett auf der ungarischen Strecke auf einer mehrere Millionen Jahre alten „Kalkbank” verläuft und nach der Abtragung der Kieselschicht bald Risse in dieser Kalkbank entstehen könnten. Letztendlich sind es die sog. Umweltschützer, die der Bewahrung der Naturwerte keine Achtung schenken. Es bieten sich zwei Möglichkeiten – so wurde bei der Donaukonferenz verlautet –, entweder erklären wir Österreich und Deutschland den Krieg und zwingen sie ihre Staueinrichtungen zu sprengen oder wir müssen das Wasser auch auf der ungarischen Stecke aufstauen. Für Ungarn stellt es eine weitere Herausforderung dar, dass in Rumänien und Bulgarien bereits fertige Pläne zur Nutzbarmachung der Donau erarbeitet wurden. In Ungarn ringen das Europäertum und die nationale Politik miteinander. Die standfeste Haltung der Zivilbewegungen stößt hierbei auf die Expertise der Fachleute. Innerhalb des Umweltschutzes kommt es zum Zusammenprall zwischen der Pubertät und dem Erwachsenwerden: Stauen oder von der Schifffahrt Abschied nehmen.

Wir müssen uns auch deshalb der Donau zuwenden, weil sich in den vergangenen Jahrhunderten im Donautal eine besondere interethnische Kultur herausgebildet hat. Und wenn die Nutzbarmachung des Flusses sich auf Grund unserer heutigen Kenntnisse weiterentwickeln kann, dann wird sie auch weiterhin der vielfältigen Kultur – welche sowohl ethnisch und mit Hinsicht auf das System der Sitten und Gebräuche eine enorme Vielfalt aufweist – im regionalen Raum ein Zuhause bieten können.

Hierbei sei bemerkt: Das Europa Institut Budapest erhielt einen größeren Auftrag – die sog. Bitó-Unterstützung – zur Ausarbeitung und Erforschung einer Konzeption zur Förderung der Bereiche Wasserbewirtschaftung, Kultur und Tourismus im Donautal.

 

c) Das historische Erbe Osteuropas, die Auflösung der national-ethnischen Konflikte

Der slowakisch-ungarische, rumänisch-ungarische Friedensschluss ist die Voraussetzung dafür, dass die neuen Interessen der im Karpatenbecken lebenden Völker von den Völkern der Region tatsächlich erkannt werden. Aus diesem Grund hat das Europa Institut Budapest gemeinsam mit dem Institut für Geschichte der UAW und der Redaktion der Zeitschrift „História” eine Reihe von Aktionen gestartet, die zur Aufhebung der bestehenden, den Friedensschluss hindernden, emotionalen Dämmen beitragen sollen. Unser Grundprinzip lautet wie folgt:

In diesen Jahren beginnt eine neue Epoche in der Geschichte der Völker des Karpatenbeckens. In den vergangenen 150 Jahren standen sich die Völker des Karpatenbeckens kollektiv als nationale Gemeinschaften gegenüber.

Die primäre Bindung der nationalen Gemeinschaften entstand in Folge der Herausbildung der gemeinsamen Sitten und Gebräuche. Dieses Sitten- und Gebräuchesystem entwickelte sich abhängig davon, zu welchen Lebensgewohnheiten diese Gemeinschaften gezwungen wurden, um unter den gegebenen natürlichen und Produktion bezogenen Bedingungen zu überleben und ihren Lebensunterhalt zu verdienen: Ernährung, Fachkenntnis, Behausung, Kleidung. (So entstanden – wie auf der ganzen Welt – die charakteristischen sowie individuellen Züge, die die jeweilige Gemeinschaft kennzeichnen.) Zu diesen Charakteristika kamen die sprachlichen Unterschiede der einzelnen Regionen. Die Herausbildung der einzelnen Sprachen erfolgte im Zeitraum zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert. Die nächste Phase der Entwicklung wird erreicht als die Gemeinschaften, die über ein gemeinsames Sitten- und Gebräuchesystem und eine gemeinsame Sprache verfügen, ihre eigene Verwaltungseinheit aufstellen wollen. Dies war das Zeitalter der Herausbildung der Nationalstaaten. Die auf einem bestimmten Gebiet lebenden Völker wollten eine Schulausbildung in ihrer eigenen Sprache, mit der Verbreitung der Schriftlichkeit wollten sie die Sprache der Verwaltung dem Volk näher bringen, sie für die Menschen verständlicher machen, die Verwaltung sollte in der Muttersprache geführt werden können. Das 19–20. Jahrhundert ist das Zeitalter der Herausbildung der Technik, der Schriftlichkeit, als das Lebensniveau der Menschen davon abhängig gemacht wurde wie gebildet bzw. geschult sie waren, und inwieweit sie sich in der neu errichteten Verwaltung auszukennen vermochten. Alle im Karpatenbecken lebenden Völker wünschten sich eine Schulausbildung und eine Verwaltung in ihrer Muttersprache. Also einen nationalen Staat. Die Kämpfe um die Errichtung von muttersprachlichen Institutionen, und später um die Aufstellung von Staatsgrenzen führten zu kollektiven Interessengegensätzen, wodurch die hier lebenden Völker einander gegnerisch gegenüberstanden. Sie kämpften nicht nur mit politischen Mitteln, sondern führten auch Kriege miteinander. Dieser anderthalb Jahrhunderte andauernde Kampf fügte sowohl auf der Ebene des Individuums als auch des Kollektivs unzählige individuelle und kollektive Wunden zu.

Jetzt, zur Wende des 20. und 21. Jahrhunderts finden sich mit der Erweiterung der Europäischen Union die hier lebenden Völker in einer neuen Verwaltungseinheit wieder, sie haben sich an eine Institution angegliedert, die über den nationalstaatlichen Grenzen und Institutionen steht. In einer gemeinsamen Heimat unterstehen sie der Verwaltung der gemeinsamen Institutionen. Die Berechtigungen der Nationalstaaten werden mit der Zeit aufgehoben, und die Interessen der Nationen müssen einem neuen, größeren Raum angepasst werden. Es entstehen unter den Nationen viele neue Interessengemeinschaften, es entstehen des Öfteren gegensätzliche Interessen zu den in Westeuropa lebenden Nationen oder zu den Völkern, die in einer anderen geographischen Umgebung leben. (Als Beispiel sei eine Frage angeführt: Ob es wohl gelingen wird von Seiten der Union Zielförderungen für die Erhaltung der für das Karpatenbecken charakteristischen Siedlungstypen zu erkämpfen, wie es die im Gebirgsland und entlang den Meeresküsten lebenden Völker bereits getan haben.) In dieser neuen Weltlage entstehen mit Hinsicht auf das Zusammenleben im Karpatenbecken neue Interessengemeinschaften. Das 21. Jahrhundert wird zum Teil vom Wassermangel geprägt sein. Zur Ausarbeitung eines nachhaltigen Wasserbewirtschaftungsplanes und der damit verbundenen Initiativen und Aktionen bedarf es der Zusammenarbeit der hier lebenden Völker. Das große europäische Projekt der nächsten Jahrzehnte wird die südöstliche Erweiterung der Europäischen Union sein, und die Einrichtung von guten nachbarschaftlichen Beziehungen mit der alt-neuen Großmacht Russland. Die Land- und Wasserstraßen, die in Richtung der in Südosteuropa befindlichen neuen Gebiete der EU, dem Balkan, verlaufen, durchqueren das Karpatenbecken. Das Karpatenbecken ist einer der Vermittlungsgebiete nach Russland. Es müssen Handels- und Personentransportrouten, Stammsitze für Investitionen ausgebaut und errichtet werden, was nur in Zusammenarbeit der hier zuvor einander gegenübergestellten Völker möglich ist. In Folge der Unionsmitgliedschaft muss die Infrastruktur modernisiert werden, die Menschen müssen sich neue europäische Verhaltensformen aneignen, sowohl auf der Ebene der Lebensbedingungen des Einzelnen als auch beim Geldverkehr. Gemeinsame Aufgaben, gemeinsame Interessen. Innerhalb der Union kommt es zu einer neuen Migration, die von jedem einzelnen Staat der Region die Ausarbeitung von gemeinsamen Strategien in Bereichen der Arbeitskraft-Wirtschaft und Investition fordert – mal unter gleichen Bedingungen, mal im Wettbewerb. Die Region ist aber überfüllt mit sozialen, nationalen, Religion bezogenen Spannungen, die nach dem Zusammenbruch des sowjetischen Systems an die Oberfläche gelangen konnten. Die Auflösung dieser Spannungen ist auch die Voraussetzung für den Erfolg der Wirtschaftsaktionen auf der internationalen Bühne. Sowohl die Regelung der nationalen Minderheitenfragen als auch die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit sowie die erfolgreiche Gestaltung der regionalen Fachpolitik in den einzelnen Bereichen (Politik für den ländlichen Raum, Gesundheitswesen, Bildung usw.) können nur auf Grund der Zusammenarbeit der hiesigen Staaten erfolgen. Wenn wir die bestehenden Spannungen nicht aufheben können, dann wird sich dies negativ auf jede einzelne Nation, jede einzelne Gemeinschaft von Staatsbürgern auswirken, denn sie werden mit dem Wettbewerb im 21. Jahrhundert nicht Schritt halten können. Somit kann festgestellt werden: In unserer Zeit sind die Interessengemeinschaften und die gemeinsamen Interessen leistungsstärker als die Interessengegensätze. Als in den vergangenen anderthalb Jahrhunderten es unter Rumänen, Ungarn, Südslawen, Deutschen, Slowaken, Slowenen geschah.

Wie lautet also unsere Schlussfolgerung?

Wir müssen mit der Errichtung der gemeinsamen Institutionen der Gegenwart und der Zukunft beginnen. Angefangen mit den großen, grenzüberschreitenden Projekten (Straßennetzwerk und Wasserbewirtschaftung, Arbeitskraftpolitik usw.). Wir müssen mit der Erforschung, der Erfassung der Begebenheiten beginnen, die die Ursache dieser in der Vergangenheit entstandenen Spannungen sind (Minderheitenpolitik, Separationsbestrebungen bei der Aufstellung von nationalstaatlichen Verwaltungseinrichtungen usw.), und wir müssen ehrlich über diese sprechen können. Wir müssen beginnen die emotionsbedingten und die das Bewusstsein prägenden Faktoren, die die hiesigen Völker gegeneinander stimmen zu erfassen und diese ehrlich zu besprechen: über die gegenseitig zugefügten Wunden, die Schmerzen, über den vergessenen Nutzen des Zusammenlebens.

Dem Historiker kommt bei der Untersuchung der Vergangenheit eine wichtige Rolle zu. Somit haben wir mit den slowakischen und rumänischen Kollegen gemeinsam im Oktober 2007 eine slowakisch-ungarische und im Mai 2008 eine rumänisch-ungarische Konferenzreihe gestartet.

 

D) Institutsleben

 

Im vergangenen Jahr ist das Institut in sein neues Zuhause eingezogen, das sich in dem neu umgebauten Flügel der Eötvös-Loránd-Universität befindet. Dies bedeutet nicht nur, dass wir ein neues Zuhause haben, sondern auch, dass das Institut bereits begonnen hat, sich an der universitären Lehrtätigkeit und am universitären Leben zu beteiligen. (Die uns zur Verfügung stehenden neuen Räumlichkeiten sind drei Seminarräume, wobei der eine Raum ein kleiner Vortragssaal ist, zwei Räume für die Administration und ein Direktoren-Professorenzimmer.) Das Einrichten der neuen Räumlichkeiten forderte einen bedeutenden Kostenaufwand, umfassende Organisation und Energie und war mit Opfern menschlich-personeller Art verbunden. Es dauerte 8 Monate bis wir uns in den neuen Räumlichkeiten eingelebt haben. Das Institut unterzeichnete einen Vertrag mit der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Eötvös-Loránd-Universität, dem Institut für Geschichte der UAW sowie der Arbeitsgruppe für die Geschichte Europas der UAW. Diese organisieren gemeinsam Konferenzen, und sie arbeite(te)n gemeinsam an der Aufstellung der universitären MA-Fachrichtung zum Thema „Einführung in die Geschichte der europäischen Integration und ihre Institutionen”. Außerdem beteiligt sich das Institut an dem universitären Unterricht, insbesondere an den Lehrfächern zur Geschichte der Historiographie (mit Akzent auf der Geschichte der europäischen Historiographie) sowie zur historischen Museologie. Die Kosten werden gemeinsam getragen: Das Institut vergibt Stipendien, zahlt die Mietskosten der Räumlichkeiten und stellt die nötige Infrastruktur bereit, die Arbeitsgruppe für die Geschichte Europas der UAW unterhält Arbeitsstellen für die gemeinsame Administration und deckt einen Teil der mit der Infrastruktur verbundenen Kosten, das Institut für Geschichte der UAW wiederum beteiligt sich an den Kosten der gemeinsam veranstalteten Konferenzen und Vorträge.

Die Arbeitsordnung des Institutes ist unverändert geblieben. Die Vorstandssitzungen werden wöchentlich einberufen, zu denen wir regelmäßig die Gastprofessoren einladen. (Die einzige Veränderung hierbei ist, dass die jeweiligen Sitzungen im Rahmen eines Mittagessens stattfinden, und wir hierbei die exquisite Küche der Kantine genießen können.) Alle zwei Monate findet eine Werkstattkonferenz statt. (Die einzige Veränderung bei den Werkstattkonferenzen ist, dass dank unserer Präsenz auf dem Campus der Eötvös-Loránd-Universität die Lehrer, Professoren und die postgraduellen Studenten der Schwesterlehrstühle – Institut für Geschichte, Germanistik usw. – ebenfalls zu unseren Tagungen eingeladen werden. Somit ziehen unsere Veranstaltungen ein breiteres Publikum an.) – Alle zwei Monate werden Konferenzen organisiert. Die große Öffentlichkeit anziehenden Konferenzen finden weiterhin im Zentralgebäude der UAW statt. Die kleineren Veranstaltungen sowie die Vorbereitungsgespräche der Tagungen finden in unseren Räumlichkeiten an der Universität statt.

Die Administration wurde – nach einer Übergangsperiode von einigen Jahren – wieder vereint. (Das Sekretariat wurde zuvor in zwei Zuständigkeiten unterteilt, wobei die wirtschaftlichen Angelegenheiten an der Ajtósi Dürer sor und die wissenschaftlichen Angelegenheiten an der Akademie verwaltet wurden.) Die mit der Wirtschaftsadministration verbundene Stelle wurde aufgegeben, da die an die Stipendiaten erfolgenden Auszahlungen mit der Zeit immer weniger wurden, die Hauskasse wurde umorganisiert, und all dies wurde in den Räumlichkeiten an der Universität untergebracht, neben dem wissenschaftlichen Management.

Der Umzug des Institutes trägt dazu bei, dass die Entscheidung des Stiftungsrates aus dem Jahr 2004 verwirklicht werden kann. Diese lautete wie folgt: Das Stipendiatenprogramm soll gekürzt werden (in Folge des EU-Beitritts ist die Anzahl der für junge Forscher zugänglichen sonstigen Stipendien bedeutend angestiegen.) Das Institut soll sich aktiv am universitären Leben beteiligen. (Hiermit verbunden sei erwähnt, dass im vorigen Halbjahr zwei Mitgliedern unseres Institutes der Ehrentitel der Eötvös-Loránd-Universität verliehen wurde – Zoltán Szász erlangte den Professoren- und Attila Pók den Dozententitel.) Wir organisieren regelmäßig Sitzungen – zu denen die Kollegen von der Universität eingeladen werden –, die die Möglichkeit für einen Meinungsaustausch zu dem Fragenkreis des europäischen Bildungs- und Hochschulsystem bieten. An diesen Sitzungen nehmen die führenden Persönlichkeiten und die Professoren der Fakultät für Geisteswissenschaften teil. Laut unserer Pläne soll pro Semester eine Konsultationssitzung dieser Art zum Thema der europäischen Bildungspolitik einberufen werden, und es sollen ebenfalls Kollegen aus dem Ausland hierzu eingeladen werden. (Im vergangenen Halbjahr fanden zwei solche Veranstaltungen statt.)

Die Aufteilung der Zuständigkeiten und der Aufgaben ist erfolgt. Die Leitung der Administration übernimmt Beáta Kiltz, das Institut hat zwei stellvertretende Direktoren, Ádám Bóday und Attila Pók (eine Arbeitsaufteilung, die wir von früher bereits kennen). Ádám Bóday ist verantwortlich für Wirtschaftliches (gemeinsam mit Kornélia Burucs) sowie für die Abwicklung von bestimmten Europa-Projekten. Attila Pók ist verantwortlich für den wissenschaftlichen Bereich. Zoltán Szász übernimmt mit der Unterstützung von Lilla Krász die Werkstattveranstaltungen. Lilla Krász ist des Weiteren verantwortlich für die Programmgestaltung der Werkstattgespräche sowie für die Vorbereitung des universitären Unterrichtsplans. Andrea Antal – in Zusammenarbeit mit Attila Pók – ist Programmsekretärin des Balkanprojektes und zugleich ist sie verantwortlich für die Betreibung der erfolgreichen Homepage des Balkanprojektes.

Als das zweite bedeutende Ergebnis der Administration, neben dem Einleben der neuen Räumlichkeiten, ist die Betreibung der zwei Homepages – Europa Institut und Zentrum für Balkanforschung – zu nennen. (Die Homepage des Institutes wird in Zusammenarbeit mit Kornélia Burucs von Rita Besznyák und Beáta Kiltz redigiert.)

Die wissenschaftliche Redakteurin der bewährten Jahrbuchserie des Institutes (Begegnungen) ist weiterhin Kornélia Burucs. (Das bekannteste, regelmäßig erscheinende sozialwissenschaftliche Jahrbuch!) Ihre Arbeit wird von Rita Besznyák und Beáta Kiltz unterstützt. Die jährlich zusammengestellten wissenschaftlichen Berichte des Institutes werden von diesem Team vorbereitet.

Ferenc Glatz

Direktor