I.
Fünfzehn Jahre für die europäische Vereinigung
Bericht
über die Tätigkeit des Europa Institutes Budapest
2004–2005
Die Struktur des Berichtes über die wissenschaftliche Tätigkeit des Europa Institutes Budapest wurde seit 1998 unverändert beibehalten und dem Stiftungsrat, sowie dem Wissenschaftlichen Beirat vorgelegt. Bei der Zusammenstellung des Berichtes über das akademische Jahr 2004–2005 haben wir uns an die gleiche Inhaltsstruktur gehalten. Bestimmte Änderungen mussten jedoch eingeführt werden. Diese sind die Folgenden:
1. Das akademische Jahr 2004–2005 ist eine bedeutende Wende in der Geschichte des Institutes: Ungarn wurde am 1. Mai 2004 Mitglied der Europäischen Union. Im Rahmen der Sitzung des Stiftungsrates am 7. Juli 2004 legte der Direktor die folgende Frage zur Diskussion vor: inwiefern sollte nach dem Beitritt in die Europäische Union das Programm der wissenschaftlichen Tätigkeit des Europa Institutes geändert werden. Im Einklang mit dem Standpunkt der Mitglieder des Stiftungsrates stellte der Direktor den diesjährigen Bericht so zusammen, dass ein Rückblick auf das fünfzehnjährige Bestehen des Institutes gegeben wird mit Hinblick auf die bisher eingeführten Änderungen des bei der Gründung festgelegten Programms. Zum Teil werden ebenfalls Vorschläge für das neue Programm der kommenden Jahre nach 2004–2005 unterbreitet. Die Schlussfolgerung lautet folgenderweise: die bei der Gründung des Institutes verlauteten Zielsetzungen bedürfen keiner Änderung, weil das Grundprinzip der Förderung der „europäischen Vereinigung” weiterhin im Interesse des Kontinents und Ungarns liegt. Die Erweiterung der Europäischen Union, wodurch diese vereinigende Tendenz weiterhin beibehalten wird, verlangt aber, dass im Programm weitere Änderungen durchgeführt werden. Aus diesem Grund konzentriert sich Kapitel I. (Fünfzehn Jahre für die Europäische Vereinigung) auf die bereits ausgearbeiteten neuen Aufgaben.
2. Unter den Stipendiaten des Institutes wurden bereits voriges Jahr die „Projektstipendiaten” aufgezählt. Sie bewerben sich nicht von sich aus mit ihren eigenen Forschungsplänen am Institut, sondern werden „rekrutiert” um an den großen Projekten des Institutes mitzuarbeiten, sie sind meistens Forschungsmitarbeiter an verschiedenen Instituten oder Universitätsprofessoren. Die Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirates und des Stiftungsrates haben bereits während der Sitzung am 11. Juni, bzw. am 7. Juli des vorigen Jahres festgestellt, dass sich bei der Ausarbeitung von den großen Projekten die Vergabe von Projektstipendien sich am effektivsten erweist.
3. Der diesjährige wissenschaftlicher Bericht geht nicht im Einzelnen auf das Institutsleben ein. Der Grund dafür ist, dass der Alltag im Leben des Instituts seit 1990 zum größten Teil unverändert abläuft: die Stipendiaten nehmen regelmäßig an den Seminaren, den Kaffeerunde-Veranstaltungen teil, die von einer Assistentin und zwei Professoren des Institutes organisiert werden. Der Vorstand setzt sich weiterhin wöchentlich donnerstags zusammen um die Bewerbungen für ein Stipendium am Institut zu besprechen und die Veranstaltungen vorzubereiten.
4. Das Institut hat dieses Jahr zwei großen Projekte abgeschlossen: „Die Zukunft der kleinen Nationen” und „Der Systemwandel”. Beim Projekt zu den kleinen Nationen war das Institut verantwortlich für die Organisation, und war gleichzeitig Hauptvertragspartner. Am Systemwandel-Projekt beteiligte sich das Institut als Mitarbeiter. Die Zusammenfassung der beiden Projekte wurde vom Institut – vom Direktor selber – angefertigt. Da diese großen Projekte den Großteil der Tätigkeit des Institutes zwischen den Jahren 2002 und 2005 in einen Rahmen fassen, haben wir die Schlussberichte als Anhang zum Bericht gelegt.
Historischer Überblick und die Programmänderungen des EuropaInstitutes, 1999–2005
Am 7. Mai 1990 verfassten wir, die Begründer, das Statut und das mit dem Titel „Zielsetzungen” herausgegebene Programm des Europa Institutes.1
Der Gedanke ein Europa Institut in Budapest zu gründen, wurde im September des Jahres 1989 gefasst, im Oktober desselben Jahres kam es zu einer Vereinbarung zwischen dem Stifter Senator Dr. Dr. Herbert Batliner und dem ungarischen Kultusminister, und anschließend wurde mit der Ausarbeitung der organisatorischen Struktur des Institutes begonnen.
Die Reihe der Ereignisse, die zur Gründung des Institutes führten, wurde bereits zum zehnjährigen Jubiläum des Europa Institutes im Jahre 2000 beschrieben und in der Reihe „Begegnungen” publiziert.2 Jetzt, zum Anlass des fünfzehnjährigen Jubiläums des Institutes, haben wir die Möglichkeit uns über die Gründungsgeschichte, die Änderungen der Zielsetzungen und des Programms in den vergangenen Jahren zu überblicken.
Die Geschichte des Institutes verbindet sich mit dem Abzug der sowjetischen Besatzungstruppen aus Ungarn, mit dem Weg, den Ungarn in Richtung der Europäischen Union beschritten hat. Die Abweichungen der bei der Gründung formulierten Zielsetzungen und des Programms haben wir jeweils an die verschiedenen Phasen der europäischen Integration angepasst. Die Geschichte des Institutes verbindet sich mit der erneuten Integration Ungarns in Europa. Ein Rückblick ist aber auch deshalb wichtig, weil im Jahre 2004 Ungarn Mitglied der Europäischen Union wurde, und damit, ob wir es wahrnehmen wollen oder nicht, ein wichtiger Abschnitt in der Geschichte des Institutes abgeschlossen wurde. Der neue Abschnitt beginnt mit dem Beitritt zu der Union. Es muss untersucht werden: kann die bei der Gründung formulierte Zielsetzung auch für die folgenden Jahre beibehalten werden, und es muss im Weiteren untersucht werden, welche Korrektionen bei den konkreten, einzelnen Programmen vorgenommen werden müssen. Im Rahmen der Sitzung des Stiftungsrates am 7. Juli 2004 haben wir versprochen, dass wir für die nächstjährige Sitzung, also für das Jahr 2005, die fünfzehnjährige Geschichte des Institutes durchdenken, und wenn es sich als nötig erweisen sollte, bestimmte neue Modifizierungsvorschläge unterbreiten werden. Vorschläge, die wir (im akademischen Jahr 2004-2005) versuchsweise bereits in die Praxis umgesetzt haben.
Betrachten wir nun die bei der Gründung festgelegten Zielsetzungen, bzw. die Änderungen im Programm der letzten 15 Jahre, anschließend wenden wir uns dann den Modifizierungsvorschlägen zu.
A)
Zielsetzung: Beitrag zur „europäischen Einheit” (1990)
Die Zielsetzung des Institutes hat sich seit den ersten Gesprächen im Jahre 1989, später der ersten Sitzung des Stiftungsrates am 7. Mai 1990 nicht geändert. Und, so meinen wir, wird die ursprüngliche Zielsetzung auch in den nächsten Jahren unverändert beibehalten. Diese Zielsetzung lautet wie folgt: „Das Ziel des Europa Institutes Budapest besteht in der wissenschaftlichen Erforschung der Probleme der europäischen Einheit”, d.h. das Ziel des Europa Institutes Budapest ist die Förderung der europäischen Einheit.3
Die „europäische Einheit” ist eine langfristige Zielsetzung, welche die Vereinheitlichung der Wirtschaft, der politischen Annäherung und der politisch- administrativen Struktur der auf dem halben Kontinent lebenden Nationen bedeutet. Die erste Institution mit ähnlicher Zielsetzung war die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, dann wurde im Jahre 1992 die Europäische Union ins Leben gerufen. Diese Institutionen waren ebenfalls Helfer der Einheit, bzw. sind – die Europäische Union – bis heute. Wie wird aber die europäische Vereinigung in der Zukunft vorangehen?
Heute, im Jahre 2005 sehen wir nur so viel im Voraus: die Festlegung der Grenzen der Union und als dessen Teil die östliche Erweiterung wird voraussichtlich bis 2016 abgeschlossen werden. Der zeitliche Ablauf der Erweiterung: im Jahre 2007 Rumänien, Bulgarien, (Kroatien?), dann in einer weiteren Runde die Aufnahme des gesamten Balkans und der Türkei. Aber heute, im Jahre 2005, sehen wir bereits: auch um die innere Umstrukturierung der Union führt kein Weg vorbei. Zu einem Teil zwingen die Osterweiterung, und zum anderen Teil die neueren Tendenzen der Weltpolitik die Union zu dieser strukturellen Umgestaltung. Eines der Kapitel dieser Umgestaltung ist – bekanntlich – die Ausarbeitung der Europäischen Verfassung. Wie sich aber die innere Struktur der Union in Folge der Integration der neueren Kandidaten weiter gestalten wird, können im Moment nur die Futurologen voraussagen. Eins ist sicher: die neuen Mitgliedstaaten, so auch Ungarn, müssen sich aktiv an der Umgestaltung der Europäischen Union beteiligen. Unsere voreinstige Schlussfolgerung kann also so formuliert werden: die wichtigste Zielsetzung des Europa Institutes Budapest in den kommenden 10 Jahren ist: die Erkundung dessen, welche Position Ungarn in den gesamteuropäischen Prozessen einnehmen kann, und gleichzeitig die Bekanntmachung und Erläuterung der gesamteuropäischen Prozesse im Land.
Jetzt, im Jahre 2005 können wir nur eins mit Bestimmtheit sagen, nämlich, dass die Europäische Union der 15 mit dem – seit 2004 – Europa der 25 nicht gleichgesetzt werden kann. Und wir sehen bereits, dass der Beitritt der Staaten auf dem Balkan (also die Union der 30), die innere Struktur der Union und ihre Stellung in der Weltpolitik grundlegend verändern wird.
Heute, im Jahre 2005 meinen wir, dass die Erweiterung der Union in 2004 nicht nur in der Geschichte der Europäischen Union, sondern in der Geschichte des gesamten Kontinents eine bedeutende Wende darstellt. Wir sind zum letzten Abschnitt der 1000-jährigen Entwicklung angelangt. Die östliche Expansion des westlichen Christentums, die 900 v. Chr. begann, kommt jetzt zum Abschluss. Die gegenseitige Anpassung des östlichen und westlichen Teils des Kontinents ist zu einem neuen Abschnitt angelangt. Ein Teil der neuen Gebiete steht seit tausend Jahren unter dem Einfluss der westlichen Kultur (so des Christentums): Polen, die Tschechische Republik, die Slowakei, Ungarn, Slowenien und die baltischen Staaten. Diese Gebiete galten als Vermittler zwischen den westlichen und östlichen Gesellschaften. Auf diesen sog. „vermittelnden Gebieten” vermischten sich die östlichen und westlichen Gesellschaftsformen/sozialen Strukturen, abhängig auch davon in wie weit die östlichen Reiche (Russland, die Türkei) diese Gebiete besetzt hielten. In unserer Zeit war es die Sowjetunion, die die „vermittelnden Gebiete” (1945–1992) besetzt hielt. Und die sowjetische Besatzung dieser „vermittelnden Gebiete” (1945–1992) brachte solche wirtschaftliche, politische und verhaltensspezifische Tendenzen zur Geltung, die vom westeuropäischen abwichen. Das bedeutet, dass in Folge der Aufnahme dieser Gebiete in die Union im Jahre 2004 noch nicht voraussehbare Konfliktquellen mitimportiert werden. Es ist anzunehmen, dass in 2007 diese Konfliktquellen weiter anwachsen werden, da die Völker der Union beitreten, die seit Jahrtausenden dem östlichen Religions- und Kulturkreis angehören. Mit Bezug auf die Tätigkeit des Europa Institutes nach 2005 kann dementsprechend unsere voreinstige Schlussfolgerung lauten: nach 2005 muss das Europa Institut Budapest den von uns aus gesehen östlicheren Nationen, den Völkern des Balkans, besondere Aufmerksamkeit widmen.
Der Gedanke der „europäischen Einheit” wird noch jahrzehntelang nichts von ihrer Aktualität einbüßen. Zumindest im nächsten – vorsehbaren – Jahrzehnt. Sofern die Begründer das Institut in den kommenden zehn Jahren weiterführen wollen, können sie beruhigt dem Gründungsgedanken treu bleiben, also – somit wiederholen wir es erneut – der Förderung der „europäischen Einheit”.
B)
Erster Abschnitt: Öffnen nach Europa (1990–1998)
Das Programm des Institutes in den ersten 15 Jahren seines Bestehens beruht auf den historischen Gegebenheiten und auf den Ereignissen, die zur Veränderung dieser Gegebenheiten beitrugen.
Über die europäische Einheit in 1989
Der Gedanke das Europa Institut Budapest zu gründen, wurde in Oktober des Jahres 1989 gefasst. Dies war noch die Zeit als die sowjetischen Truppen in Ungarn stationiert waren, und es fiel kein Wort darüber, dass die Politik Gorbatschows die ostmitteleuropäische Besatzungszone aufgäbe und die Truppen abgezogen werden würden. Ein Monat war seit der Öffnung der ungarischen Grenze (10. September 1989) vergangen, als die ungarische Regierung den deutschen Flüchtlingen erlaubte, die Staatsgrenze nach Österreich zu passieren, und somit zum ersten Mal die Grenzsperre der sowjetischen Zone durchbrach. Wenn man im Oktober des Jahres 1989 über die „europäische Einheit” sprach, war dies gleichzusetzen mit dem Gedanken, dass das sowjetische System im ostmitteleuropäischen Raum früher oder später abgesetzt werden muss, und es zu einer Wende kommen wird, wobei hierzu der Abzug der sowjetischen Truppen als Voraussetzung galt. Damals konnte man sich auch die Möglichkeit vorstellen, dass die militärische Besatzung durch die Sowjetunion bestehen bleibt, gleichzeitig aber das politische Mehrparteiensystem und die Institutionen der westlichen Demokratie eingerichtet werden. Die sowjetische Besatzungsmacht war ja auch nicht blind. Die Wiederbestattung der Revolutionäre und Freiheitskämpfer von 1956 (16. Juni 1989), die Absetzung des Russischen als Pflichtsprache aus dem Lehrplan der Schulen (Juni 1989) spielten sich vor ihren Augen ab, und sie waren genauestens informiert, darüber dass die regierende Partei einen Vorschlag zum Ausbau des Mehrparteiensystems ausgearbeitet und diesen im Rahmen von Besprechungen unterbreitete.4 Mit Hinsicht auf die politischen Ereignisse wirkte die Förderung der „europäischen Einheit”, die Vergabe von Forschungsstipendien an ausländische Forscher aus aller Welt und die Einladung von international anerkannten Professoren nach Ungarn zur Auflockerung des politischen Systems und zur Demokratisierung bei.
Personenbezogene Voraussetzungen
Die persönlichen Treffen, denen letztendlich die Gründung des Institutes zu verdanken ist, standen unter einem glücklichen Stern. Senator Dr. Batliner war bereits in Mitteleuropa dafür bekannt, dass er zivile Organisationen aus seinem eigenen Vermögen unterstützt, vor allem auf dem Gebiet der Kultur.5 Dr. Erhard Busek war nicht nur als einer der führenden Persönlichkeiten der österreichischen Politik bekannt, sondern als bedeutender und anerkannter politischer Vertreter des ostmitteleuropäischen Gedankens. Der ungarische Kultusminister – der Autor dieser Zeilen – rief eine im Bereich der Kulturpolitik bewanderte Truppe zusammen, die aus tiefer Überzeugung daran glaubte, dass – wenn nötig – auch unter sowjetischer Besatzung die Europäisierung der ungarischen Kultur vorangetrieben werden muss. Zu einem rekrutierte er neue, europäisch gesinnte Fachleute ins Ministerium (unter ihnen vorwiegend Universitätsprofessoren), zum anderen wünschte er durch die Aufstellung von Gremien bestehend aus hervorragenden Mitgliedern der Akademie, sowie Universitätsprofessoren Projekte im Bereich der Kulturpolitik zu verwirklichen. Das Ergebnis der persönlichen Treffen war es, dass eine Handvoll Experten sich dem Vorschlag des Ministers und Senator Dr. Herbert Batliners anschlossen, und Großteils bis heute Mitglieder des Stiftungsrates und des Wissenschaftlichen Beirates blieben.6
Europa-Kenntnisse
Die in Richtung Westeuropa ausgerichteten Beziehungen der ungarischen Elite waren bis 1949 traditionell fest verankert. In den Jahren des Kalten Krieges kam es verständlicher Weise zu einer Auflockerung dieser Beziehungen, aber nach 1963 wurden sie wiedererweckt. Die kulturpolitische Reform von 1989 wünschte unter anderem die Position der westeuropäischen Sprachen und der westeuropäischen Kultur zu institutionalisieren. Das Europa-Kenntnis Programm des Europa Institutes Budapest wurde auf Grund dieser traditionellen westeuropäischen Orientierung zusammengestellt. Es waren westeuropäische Fachleute, die an unseren Konferenzen Vorträge hielten. Es waren westeuropäische Studenten, die in unserem Wohnheim zusammen mit osteuropäischen Studenten wohnten. Wir waren damals (ab 1992) besonders bestrebt, die Europäische Union und ihre institutionelle Struktur im breiten Kreis vorzustellen. Es war ein „glücklicher” Umstand, dass durch die persönliche Verbindung des Direktors, sowohl persönliche Kontakte wie auch eine institutionelle Zusammenarbeit zwischen der Bertelsmann Stiftung und dem Europa Institut Budapest zustande gekommen sind. Der Direktor des Institutes nahm ab November 1991 am „Osterweiterungsprojekt” teil, das von der Bertelsmann Stiftung finanziert und von Professor Werner Weidenfeld geleitet wurde. Fachexperten, die Mitglieder der über die Osterweiterung der Europäischen Union beratenden Gremien waren, wurden regelmäßig als Gäste des Instituts eingeladen. Alle Vorstellungen und Pläne, die in Westeuropa über die Zukunft Europas gebildet wurden, wurden im Rahmen der vom Europa Institut Budapest veranstalteten Konferenzen und Arbeitsgespräche vorgestellt. Der erste Band der jährlich erscheinenden Buchreihe des Europa Institutes (Begegnungen) bekam auch den Titel: Europäische Visionen.7 Der Band enthält die Studien der Mitglieder des Wissenschaftlichen Rates und des Stiftungsrates des Institutes über das zukünftige Europa, bzw. über die Zukunft Mitteleuropas. Die Bände „Europa und Ungarn”8, bzw. „Die kleinen Nationen Europas”9 befassten sich ebenfalls damit, welche Stellung Ungarn und die mitteleuropäische Region in Europa einnehmen kann, auch in diesen Bänden sind Studien von international anerkannten Professoren und leitenden ungarischen Politikern (unter ihnen der Staatspräsident der Ungarischen Republik) enthalten.
Ostmitteleuropa
Die politische Wende von 1989–90 bot sich uns nicht nur als eine Gelegenheit zur Auflehnung gegen die Institutionen des sowjetischen Systems und der sowjetischen Denkweisen, sondern als eine Chance dem nun mehr seit 150 Jahren gespeisten gegenseitigen national-ethnischen Hass ein Ende zu setzen. Unsere These lautete: die „europäische Einheit” kann nur so zustande kommen, wenn wir die unterliegenden Gründe für die mitteleuropäischen national-staatlichen Konflikte aufheben. Aus diesem Grund war das Thema der Programme des Institutes zwischen 1990 und 1998 stets die Integration von Ostmitteleuropa, so nannten wir die Veranstaltungsreihe auch „Ungarn und seine Nachbarn”.
Es gab ebenfalls einen praktischen Grund dafür, warum wir zwangsweise ostmitteleuropäische Themen auf unser Programm setzten. Das spürbar größte Interesse an den Programmen und Stipendien des Europa Institutes zeigte sich in den benachbarten Ländern. Für die ehemaligen sozialistischen Länder war Ungarn auch vor 1990 ein „westliches” Land, und die ungarische Politik wurde ebenfalls eher als eine westlich gesinnte Politik eingestuft. (Nebenbei bemerkt war in diesen Jahren der Lebensstandard in Ungarn höher, somit „lohnte” es sich nach Ungarn zu kommen.) Das Europa Institut hatte in den Augen der Studenten und Professoren der Nachbarstaaten einen besonderen Anreiz, nämlich dass dem Institut auf regelmäßiger Basis „Wiener Stipendien” zur Verfügung standen. Dies bedeutete, dass russische, rumänische, bulgarische, südslawische, sowohl wie slowakische Stipendiaten ein bis zwei Monate in Budapest verbringen, und dann als Stipendiaten des Europa Institutes Budapest ihre Forschungen im weiteren in Wien fortsetzen konnten. Es war nur natürlich, dass die aus den benachbarten Ländern angereisten Studenten und Professoren bei den Kaffeerunde-Veranstaltungen und auch im Rahmen der Konferenzen zu Wort kamen und zu ihren Forschungsthemen Vorträge hielten. Ihre Forschungen konzentrierten sich in erster Linie auf die historischen, wirtschaftlichen, politischen Beziehungen zwischen Ostmitteleuropa und Westeuropa. Einen weiteren Ansporn in Richtung der ostmitteleuropäischen Themen erhielten wir durch das anwachsende Interesse sowohl in Ungarn wie in den Nachbarländern an den Möglichkeiten zur Auflösung der zwischen den Ländern der Region bestehenden Konflikte. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Nachbarn in Europa” wurden jahrelang die lebhaftesten Diskussionen geführt.
Minderheitenfrage
Eine der Auswirkungen der national-staatlichen Konflikte in Ostmitteleuropa ist – bekanntlich –, dass die Staatsgrenzen und die Grenzen der von den einzelnen Nationen bewohnten Gebiete sich nicht decken. Es gibt auf der Welt keine andere Region, wo die Bevölkerung auf den von den einzelnen Nationen bewohnten Gebieten so gemischt ist wie in Ostmitteleuropa. Um genauer zu sein: das Nationalitätenbewusstsein aller hier lebenden ethnischen Minderheiten manifestiert sich in einer hochentwickelten Literatursprache. Gerade das macht die Region zu der – auf besondere Weise – vielfältigsten kulturellen Landschaft in der Weltgeschichte, aber gerade diese Vielfältigkeit war der Grund für die zahlreichen Konflikte im 20. Jahrhundert. Wir haben dies mehrere Mal so formuliert: Die Reihe der Minderheitenkonflikte im ostmitteleuropäischen Raum kann die Osterweiterung der Europäischen Union gefährden. Die Konflikte führen nicht allein zu einem Zustand der Instabilität in der ostmitteleuropäischen Politik, sondern können ebenfalls Auswirkungen auf die Instabilitätsfaktoren in Westeuropa haben. Es ist nachweisbar, z. B., dass die Zusammenstöße von Minderheitengruppen in den Ländern, die von der sowjetischen Besatzung befreit wurden, die westeuropäischen nationalen Minderheitenbewegungen aufleben ließen: sowohl in Spanien, wie auch in Südtirol und Frankreich, und sogar in Großbritannien flammten die Minderheitenkonflikte auf. Welche positiven Folgerungen lassen sich auf Grund dieser Umstände und Entwicklungen der Ereignisse schließen? Mitteleuropa kann zu einer Werkstatt der Ausarbeitung der neuen europäischen Minderheitenpolitik werden – so sagten wir. Das Europa Institut Budapest hat seit seinem Bestehen die ungarischen und mitteleuropäischen Minderheitenexperten in die Diskussion miteinbezogen.
Das Ergebnis dieser Werkstattgespräche zur Minderheitenpolitik war ein „Politischer Verhaltenskodex zur Behandlung des Minderheitenproblems” (1992), der in deutscher, englischer, slowakischer, rumänischer, und selbstverständlich in ungarischer Sprache in 50.000 Exemplaren herausgegeben wurde.10 Und der in den 1990er Jahren als Handbuch bei minderheitenpolitischen Beratungen der Region benutzt wurde. Im Institut wurde ebenfalls das Programm zu den nationalen Minderheiten mehrerer Nachbarstaaten ausgearbeitet, ebenso wie das Institut sich aktiv an der Ausarbeitung der Grundprinzipien des ungarischen Minderheitengesetzes von 1993 beteiligte. (Das erste minderheitenpolitische Gesetz Europas.)
Geschichte
Die seit der Gründung stark historisch veranlagte wissenschaftliche Tätigkeit des Institutes, richtete sich auf die Erforschung der Wurzeln der nationalen und gesellschaftlichen Konflikte. Bei den Sitzungen des Wissenschaftlichen Beirates und des Stiftungsrates trat immer wieder eine Frage in den Vordergrund der Diskussionen: warum ist unter den Stipendiaten und Professoren des Institutes eine so hohe Anzahl an Historikern. Die Antwort auf diese berechtigte Kritik war jedes Mal: es sind in erster Linie Historiker, die sich mit Themen der europäischen und mitteleuropäischen Projekte des Institutes befassen. Der Grund dafür ist, dass die Quellen der Konflikte in der Geschichte der Region zu suchen sind, und zur Zeit des sowjetischen Systems die „ehrliche und offene” Aussprache über diese Fragen nicht möglich war.11 Wie auch ein weiteres Argument sich als richtig erweist: nach einiger Zeit wird sich dieses lebhafte historische Interesse legen – so sagten wir. Und so war es auch. In den Jahren nach 2000 ist das einseitige Interesse an der Geschichte in der gesamten Region – so auch in Ungarn – abgeflacht, und heute – besonders unter den Jungen, der neuen Generation – wendet man sich größtenteils eher Themen aus den Gebieten der Zeitgeschichte, Wirtschaft, Politik und den Rechtswissenschaften zu, als dies in den Jahren nach dem Systemwandel der Fall war.
C)
Zweiter Abschnitt:
Auf der Schwelle der Europäischen Union (1998–2004)
In März 1998 wurde das Monitoring Ungarns von Seiten der Europäischen Union begonnen, zur gleichen Zeit wie in den anderen Kandidatenländern.
EU-Fähigkeit
Das Europa Institut Budapest beteiligte sich an der Vorbereitung des Monitorings in den Kandidatenländern. Zwischen 1995 und 1997 war der Direktor Mitglied des internationalen Komitees, das in den Kandidatenländern im Rahmen von jeweils zweitägigen Konferenzen sich über die EU-Fähigkeit der einzelnen Länder beriet. Die Vertreter der Regierungs- und Oppositionsparteien nahmen an diesen Konferenzen teil, das Komitee führte Verhandlungen mit dem Staatspräsidenten und analysierte im Rahmen von wissenschaftlichen Konferenzen mit den führenden Politologen, sowie Ökonomen die Wirtschaft, politische Institutionen, die sozialen und ethnischen Konflikte der Länder. Es wurden zu jedem Land auf Grund der von den Mitarbeitern der Bertelsmann Stiftung, als Veranstalter dieser Konferenzen, sowie den Mitgliedern des Monitoring-Komitees zusammengestellte Materialien, schriftliche Beurteilungen angefertigt. Die Mitarbeiter des Europa Institutes, neben dem Direktor, nahmen aktiven Anteil an der Vorbereitung der schriftlichen Materialien, zu der Slowakei und zu Polen. (Vor allem bei der Bearbeitung der Minderheitenkonflikte.) Die in Ungarn zu der Vorbereitung des Monitorings abgehaltenen Konferenzen, bzw. die an die Konferenzen anlehnenden Treffen (mit Beamten der Regierungsbehörden, Politikern der Opposition, den Staatspräsidenten) wurden selbstverständlich vom Europa Institut organisiert.12 Der über den Parteien stehende Position des Institutes ist es zu verdanken, dass die in Ungarn abgehaltenen Konferenzen und Diskussionen erfolgreich verliefen.
Ein Teil des im Frühling 1998 begonnenen Monitorings war eine Zusammenstellung der hiesigen Pressemitteilungen. In jedem Land wurde ein Institut beauftragt die wichtigsten über die Europäische Union und Europa erschienenen Artikel zusammenzufassen. Das Monitoring der ungarischen Presse wurde vier Jahre lang vom Europa Institut durchgeführt.
Die Konferenzen und Publikationen des Institutes haben wir mit Bezug auf die Themenwahl ebenfalls auf die Vorbereitung des EU-Beitritts zugespitzt. Zwischen den Jahren 1997 und 2004 warnten wir öfters im Rahmen unserer Konferenzen über die Europäische Union und Ungarn die jeweiligen Regierungsparteien: man sollte sich mehr der Vorbereitung des Landes auf den Beitritt alleinig Europäische Union einsetzen. Wir übten Kritik an dem von Seiten der Politik vertretenen Standpunkt, dementsprechend die Vorbereitung auf den Beitritt alleinig als eine das Außenministerium, die Diplomatie betreffende Angelegenheit zu betrachten sei. Wir betonten: die einzelnen Ministerien sollten es als ihre Aufgabe empfinden, die Bevölkerung, ihre eigenen Beamten umfassend über die Europäische Union zu informieren: mittels fachspezifische Fernseh- und Radiosendungen, Informationsblätter. Wir betonten: die Europa-Kenntnisse der ungarischen politischen Elite sind recht lückenhaft, unter ihnen sowohl die Parlamentsabgeordneten, wie die in der politischen Administration tätigen Beamten, die sich nur begrenzt das nötige Wissen über die Union angeeignet haben. Wir betonten: innerhalb der Bevölkerung sollten die Leiter der Selbstverwaltungen bewusst auf den Beitritt zu der Union vorbereitet werden, man sollte ihnen beibringen, wie sie bei Ausschreibungen erfolgreich Projektgelder beantragen können, sie sollten daran gewöhnt werden, dass sie sich innerhalb der Union frei bewegen können. Unsere Diskussionen zu diesen Themen wurden anerkennend gewürdigt, doch folgten den Worten keine Taten. Unsere Publikationen zur Europäischen Union haben ebenfalls Anerkennung gefunden (über die Reaktionen und konkrete Auswirkungen können wir aber nicht berichten.) Der in mehreren tausend Exemplaren herausgegebene Band „Az európai integráció: Tények és adatok” (Die Europäische Integration: Fakten und Daten),13 welches die übersetzte und erweiterte Herausgabe des deutschsprachigen Handbuches über die Europäische Union war, wurde vergriffen. Die Bänder der Reihe Begegnungen enthalten in erster Linie Studien zur Beziehung zwischen Ungarn und der Europäischen Union in den Bereichen Wirtschaft und Politik.14
Wir starteten einen neuen Teil mit dem Titel „Ungarn der Jahrtausendwende”, worin die einzelnen Bereiche der Wirtschaft, die Zukunft der politischen Institutionen behandelt wurden, mit Hinsicht auf den kommenden Beitritt. (Es wurden Sonderdrucke der einzelnen Studien angefertigt, damit die Autoren ihre auf Englisch und Deutsch erschienenen Texte den ausländischen Kollegen zuschicken können, um auch so über die EU-Fähigkeit oder Unfähigkeit Ungarns Nachricht zu geben.)15
Wir haben über die Ergebnisse von Nizza einen eigenständigen Band herausgegeben, um die ungarischen Leser mit dem Strukturwandel der Union vertraut zu machen und über die in Folge dieses Strukturwandels entstandenen Möglichkeiten der kleinen Nationen nach dem Beitritt zu berichten.16
2001 war das Jahr der Sprachen in der Europäischen Union. Das Europa Institut Budapest veranstaltete eine internationale Eröffnungskonferenz am 30. März 2001 mit dem Titel „Die Europäische Union und die Sprachen” über die zu erwartenden Konflikte des Sprachgebrauchs innerhalb der Union.17 Die Konferenz hatte eine Sektion, die sich damit beschäftigte welche Rolle die deutsche Sprache voraussichtlich in der Union einnehmen wird. Hierzu wurden Germanisten aus Deutschland, Österreich, sowie aus den benachbarten Ländern eingeladen. Es zeigte sich gerade bei dieser Veranstaltung welchen Vorteil das Europa Institut Budapest genießt, als das prägnanteste deutschsprachige Institut außerhalb der deutschsprachigen Gebiete.
Die EU-Fähigkeit Ungarns wurde in zwei Bänden vorgestellt,18 in deutscher und in englischer Sprache. Der erste Band enthält Studien zu den Themen europäische Staatsmodelle, EU-Recht, Europageschichte, die Geschichte der europäischen Integration, sowie die Situation Ungarns. Der zweite Band erscheint gerade jetzt, als dieser Text verfasst wird mit dem Titel „Ungarn in der Europäischen Union”. Dieser Band wurde bereits auf Grund des sich neu gestaltenden Programms des Institutes (S. unten)19 redigiert.
Die Zukunft der ostmitteleuropäischen kleinen Nationen
Seit seiner Gründung behandelt das Institut die Möglichkeiten, die sich den kleinen Nationen im Zeitalter der Globalisierung bieten. Das Programm wurde im Jahre 1995 zum 75. Jubiläum des Friedens von Versailles in 1920 gestartet. Unsere Fragen lauteten: welche Vorteile, wenn überhaupt, hat der Zerfall der Österreichisch-Ungarischen Monarchie und des Osmanischen Reiches und die Herausbildung der kleinen Staaten für die ostmitteleuropäischen Völker gebracht? Wo haben die kleinen Nationen größere Überlebensmöglichkeiten? Ist es wirklich wahr, dass der Nationalstaat die Interessen der kleinen Nationen am besten wahrt? Diese Fragen behandelte der mit dem Titel „Die kleinen Nationen Europas” erschienene Band der Reihe Begegnungen.20
Im Jahre 2000 haben wir ein Projekt im Rahmen des „Széchenyi-Plans” gestarteten landesweiten wissenschaftlichen Forschungs- und Förderungsprogramm mit dem Titel „Die Zukunft der kleinen Nationen” eingereicht. Im Rahmen dieses Projekts erhielt das Institut zur Erforschung des Themas über vier Jahre insgesamt 40 Millionen HUF. Wir berichten im Anhang des Berichtes 2004–2005 über dieses Programm in Detail, den Schlussbericht auch beilegend. Hier soll nur vermerkt werden (in den vergangenen Jahren haben wir jedes Mal im Bericht hierrüber berichtet), dass das Institut jährlich mehrere Veranstaltungen und Publikationen diesem Thema gewidmet hat. Die wichtigsten Themen, die ausgearbeitet wurden: die kulturelle Diversität Europas und die Aussichten der ostmitteleuropäischen kleinen Nationen21 (dieses Thema wurde ausführlich im Band „Europäische und nationale Interessen” behandelt); nationale Minderheit und Mehrheitsnation, die Nationalitätenfrage in der Europäischen Union; die mitteleuropäischen kleinen Sprachen und die regionalen Lingua franca (Englisch, Deutsch, Russisch); die Beziehung zwischen den politischen Parteien und den ethnischen Gruppen; Minderheitenautonomie; doppelte Staatsbürgerschaft, usw. Der Wissenschaftliche Beirat des Projektes schlug vor, den „Politische(n) Verhaltenskodex zur Behandlung des Minderheitenproblems” von 1992 zu aktualisieren, mit weiteren Studien zu ergänzen um ihn erneut herauszugeben.
Systemwandel
Das Institut schlug 1996 vor, ein internationales Programm zu starten zur vergleichenden Geschichte des sowjetischen Systems. Das gemeinsam mit deutschen Historikern gestartete Projekt wurde nur zum Teil ausgeführt. Im Jahre 2000 machten wir den Vorschlag, dieses historische Projekt fortzusetzen mit der Untersuchung der Geschichte der Absetzung des sowjetischen Systems. Das Sozialforschungszentrum der Ungarischen Akademie der Wissenschaften arbeitete ein großangelegtes Projekt aus, an dem Historiker, Ethnographen, Juristen, Soziologen, Politologen, Ökonomen teilnahmen. Es schlossen sich insgesamt 7 Forschungsinstitute zu diesem Projekt zusammen, unter ihnen das Europa Institut Budapest. Das Institut diskutierte im Rahmen von Veranstaltungen, Vorträgen, internationalen Konferenzen, die gemeinsam mit dem Institut für Geschichtswissenschaften der UAW organisiert wurden, die ungarische, aber vor allem die mitteleuropäische Geschichte des Systemwandels. Eines der Ergebnisse dieses Projektes ist der in ungarischer Sprache bereits erschienene Studienband mit dem Titel „A proletárdiktatúrából a politikai demokráciába” (Von der Proletardiktatur in die politische Demokratie). Im Band wird der Systemwandel in den einzelnen ehemaligen sozialistischen Ländern systematisch behandelt.22 Im Jahre 2006 wünschen wir diesen Band auf Englisch in der Reihe Begegnungen zu publizieren, weil dieser als einmalig betrachtet werden kann, zumal in der einschlägigen internationalen Literatur kein Werk erschienen ist, das die Ereignisse des Systemwandels zwischen 1989 und 2004 systematisch und chronologisch mit statistischen Daten gestützt aufarbeitet. (Den Schlussbericht des Systemwandel-Projekts – welcher gleich dem Schlussbericht des Projekts „Die kleinen Nationen” von dem Direktor verfasst wurde – legen wir dem Anhang bei.)
Bei der Bearbeitung des Themenbereichs Systemwandel haben wir besondere Aufmerksamkeit auf die Umstrukturierung der Wirtschaft gelenkt: die Errichtung der marktwirtschaftlichen Institutionen, die Beziehung zwischen Wirtschaft und Staat, die Probleme der einzelnen Wirtschaftszweige. (Agrarwesen, Verkehr, Handel, usw.) Dieses auf den Bereich der Wirtschaft bezogene Projekt hat Senator Dr. Batliner, der Stifter des Institutes, bei der Sitzung des Stiftungsrates im Jahre 1997 vorgeschlagen. Im Rahmen dieses Projektes sind bei den Konferenzen des Institutes jährlich zwei-dreimal ungarische und ausländische Ökonomen zu Gast.
Geschichte
Bei der Osterweiterung der Europäischen Union bekam das Jahr „2000” als Millennium-Jubiläumsjahr eine besondere Betonung. Der ungarische Staat feierte in 2000 sein tausendjähriges Bestehen, weil wie bekannt, das tausendste Jubiläumsjahr der Krönung Sankt Stephans auf die Jahrtausendwende fiel. Das Europa Institut Budapest beteiligte sich an den Feierlichkeiten mit einem gezielten Programm: Die Darstellung der Geschichte des ungarischen Staates und insbesondere der Geschichte der ungarischen Nation aus einer mitteleuropäischen, bzw. europäischen Perspektive. Die wissenschaftliche Abschlusskonferenz des Millennium-Jubiläumjahres wurde am 8. Dezember 2000 vom Europa Institut gemeinsam mit dem Institut für Geschichtswissenschaften der UAW organisiert. Das Thema der Konferenz war: die ungarische Staatsbildung und die ostmitteleuropäischen Staatsbildungen.23 In den amerikanischen Rezensionen wurde die Konferenz und der daran anlehnende deutschsprachige Band als eine der am besten gelungenen geschichtswissenschaftlichen Abhandlungen der Region bezeichnet, und wir bekamen zahlreiche Buchbestellungen aus allen Ländern der Region.
Zusammengefasst kann man das Folgende über die Geschichte des Institutes in den Jahren zwischen 1998 und 2004 aussagen: im Einklang mit der Gründungsurkunde setzte das Institut stets die aktuellen Fragen der europäischen Vereinigung auf sein Agenda, es nahm mit all den begrenzten Mitteln, welche es zur Verfügung hatte, an der Vorbereitung Ungarns auf den Beitritt in die Europäische Union teil und vermittelte Informationen über die Union und Europa im eigenen Land. Im Rahmen der Sitzung des Wissenschaftlichen Beirates vom 11. Juni 2004 und der Sitzung des Stiftungsrates am 7. Juli des gleichen Jahres wurde der Vorschlag des Direktors einschlägig angenommen, dass ab 2005 das Programm des Institutes mit Hinblick auf die bereits erlangte EU-Mitgliedschaft gestaltet werden soll. Bereits im Jahre 2004–2005 soll das Institut die sich neu bietenden Programmmöglichkeiten einer Probe unterziehen.
D)
Dritter Abschnitt:
Ungarn innerhalb der Europäischen Union (2004–)
Über das letzte Jahr und das Programm 2005–2010
Die Entstehung der Europäischen Union und ihre Erweiterung sind nur eine der Abschnitte der europäischen Vereinigung. Und die Union ist nur eine der Organisationseinheiten und nur eine der Gestalter dieser europäischen Vereinigung. Dieser Vereinigungsprozess – wie wir darauf in unserer Einführung bereits verwiesen haben – wird sich mit der weiteren nach Osten ausgerichteten Erweiterung der Union fortsetzen, welche anderen – möglicherweise gegensätzlichen – Vorgänge aber sich auf dem Kontinent entwickeln werden, können wir momentan mit Bestimmtheit nicht voraussagen. Auf jeden Fall betrachtete der Wissenschaftliche Beirat und der Stiftungsrat bei der Sitzung im vorigen Jahr die in der Gründungsurkunde festgelegten Forschungsziele auch im Weiteren als aktuell und gültig. Der Direktor machte in dem Sinne den Vorschlag zur Erweiterung der Zielsetzungen, dass das Institut sich als Aufgabe stellen sollte über seine wissenschaftliche Forschungstätigkeit hinaus den Europa-Gedanken zu vertreten.
Im vergangenen akademischen Jahr, Juli 2004–Mai 2005, versuchten wir bereits bei der Gestaltung des Programms eine über 2005 hinausblickende Perspektive zu öffnen.
Mitglied der Europäischen Union
Die Voraussichten Ungarns innerhalb der Union hat das Institut bereits in den vergangenen Jahren diskutiert. Ab 2004 betrachten wir es als unsere wichtigste Aufgabe, die durch Ungarns Beitritt hervorgerufenen Konflikte und Möglichkeiten zu behandeln. Damit soll der ungarischen politischen Elite und den Intellektuellen geholfen werden, sich an die europäischen Normen zu richten, gleichzeitig sollen die eigenen Interessen des Landes innerhalb der Union und in der neuen, schnell globalisierenden Welt vorgezeigt werden.
Sammelband. Wir haben einen Band zusammengestellt mit dem Titel „Ungarn in der Europäischen Union”, der folgende Studien enthält: Die Lage der Landwirtschaft und unsere Aussichten in der EU (Gyula Varga); Der Beitritt der ungarischen Wirtschaft zu der Europäische Union (András Inotai); Umweltschutz in Ungarn und die Normen der EU (Sándor Kerekes); Staatssystem, politisches System und die Europäische Union (József Bayer); Unsere Gewässer, Wasserwirtschaft und die Europäische Union (László Somlyódi, Zoltán Simonffy); Bildung, Unterrichtswesen in Ungarn (Iván Vitányi); Sicherheitspolitik (Ferenc Gazdag); Informationsgesellschaft (László, Karvalics Z., Róbert Pintér); Verkehrswesen in Ungarn (Pál Michelberger); Die institutionelle Struktur der Markwirtschaft und die Europäische Union (Tamás Sárközy); Minderheiten diesseits und jenseits der Grenzen zur Zeit des Beitritts zu der Europäische Union (László Szarka); Die ungarische Industrie in der Europäischen Union – der Beitritt zu der EU, die EU-Mitgliedschaft (Miklós Losoncz.) Unser Ziel war es, den ausländischen Lesern ein Bild über die EU-Fähigkeit Ungarns zu geben. Wir widmen diesen Band den Parlamentsabgeordneten, dem diplomatischen Corps in Ungarn, und für die Finanzierung nehmen wir öffentliche Mittel in Anspruch.
TV-Serie. Am 26. April 2004, also als Ungarn Mitglied der Europäischen Union wurde, starteten wir eine zwölfteilige Serie bei der Fernsehstation „Duna Televízió”. Die Serie behandelte im Einzelnen die EU-Fähigkeit Ungarns in Bereichen der Diplomatie, der Wirtschaft, bis hin zu den Kirchen, dem Klimawechsel. (Über die Vorbereitung dieser Serie haben wir bereits an den Sitzungen des Stiftungsrates und des Wissenschaftlichen Beirates berichtet. Die zwölfte Sendung der Serie wurde am 26. Mai gesendet.) Die Serie hat dem Europa Institut großes Ansehen gebracht, da unter den Teilnehmern der Rundtischgespräche Persönlichkeiten der ungarischen Politik, aus Regierungskreisen und aus den Reihen der oppositionellen Parteien, sowie Mitglieder der UAW, Universitätsprofessoren waren.
Die folgenden Teile der Serie wurden ausgestrahlt:
29. April 2004 – Die Interessen der Europäischen Union und Ungarn. (János Martonyi, Außenminister a.D.; László Kovács, Außenminister)
27. Mai 2004 – Lebensmittelproduktion in Ungarn und die Agrarpolitik der Europäischen Union. (Péter Horn, Universitätsprofessor, Mitglied der UAW; Gyula Varga, Universitätsprofessor, Institutsdirektor)
24. Juni 2004 – Die Lage der in den Nachbarländern lebenden Ungarn und die Minderheitenpolitik der Union. (Pál Csáky, Stellv. Ministerpräsident der slowakischen Regierung; Béla Markó, Präsident des Ungarnbundes in Rumänien – UDMR)
30. September 2004 – Umweltschutz und Umweltwirtschaft in Europa und in Ungarn. (István Láng, Mitglieder der UAW, Universitätsprofessor; Sándor Kerekes, Universitätsprofessor, Dekan der Corvinus-Universität; Tibor Faragó, Stellv. Staatssekretär des Ministeriums für Umweltschutz)
28. Oktober 2004 – Das Verkehrswesen in Ungarn und die großen Verkehrssysteme in Europa. (Pál Michelberger, Mitglied der UAW, Universitätsprofessor, Vizepräsident der UAW a.D.; Frau Tánczos, Universitätsprofessor; István Magyar, Universitätsprofessor)
25. November 2004 – Nationalwirtschaft Ungarns, die wirtschaftliche Entwicklung in Europa und die Weltwirtschaft. (Attila Chikán, Minister a.D., Universitätsprofessor; Béla Kádár, Minister a.D, Universitätsprofessor; Tibor Palánkai, Mitglied der UAW, Universitätsprofessor)
23. Dezember 2004 – Unsere Kirchen in der Europäischen Union. (Péter Erdő, katholischer Primas, Kardinal, Bischof der Katholischen Gemeinden Esztergom-Budapest; Gusztáv Bölcskei, Leitender Bischof der Ungarischen Reformierten Kirche; Imre Szebik, Bischof der Lutherischen Kirche in Ungarn; József Schweitzer, Oberrabbiner)
27. Januar 2004 – Sicherheitspolitik Ungarns in der Europäischen Union. (András Gálszécsy, Minister a.D.; Péter Deák, Sicherheitspolitischer Experte; Miklós Szabó, General, Mitglied der UAW)
3. März 2004 – Regionalentwicklung in der Europäischen Union und die Aussichten der Siedlungspolitik in Ungarn. (György Enyedi, Vizepräsident der UAW, a.D.; Bálint Csatári, Universitätsprofessor, Institutsdirektor; Gyula Horváth, Universitätsprofessor, Institutsdirektor)
24. März 2005 – Klimawechsel auf dem Kontinent und im Karpatenbecken mit Hinsicht auf die Auswirkungen. (Attila Meskó, Generalsekretär der UAW; Rudolf Czelnai, Mitglied der UAW, Universitätsprofessor; László Haszpra, Institutsdirektor; Miklós Zágoni, Dozent.)
5. Mai 2005 – Die Wasserwirtschaft im Karpatenbecken und die europäischen Normen. (László Somlyódy, Mitglied der UAW, Universitätsprofessor; László Alföldi, Universitätsprofessor i.R., Institutsdirektor.)
Konferenzen. Im Rahmen der Konferenzen in 2004 diskutierten wir bereits über die gemeinsamen Themen der Europäischen Union und Ungarn.
Iván T. Berend sprach in seinem Vortrag über die europäischen Wirtschaftssysteme und über die Alternativen der heutigen Wirtschaftsmodelle in Europa (7. September 2004) Die Auswirkungen des EU-Beitritts auf die ungarisch-ungarischen Beziehungen (die Beziehungen zwischen dem Mutterland und den in den Nachbarländern lebenden Ungarn) wurden im Rahmen einer Konferenz diskutiert (8. Oktober 2004), die einen großen Widerhall in der Presse verursachte. Die Konferenz über die Auswirkungen des Klimawechsels auf die europäische und ungarische Landwirtschaft (22. März 2005) war ein großer Erfolg. Die lebhafteste wissenschaftliche Diskussion des Jahres im Institut entstand im Laufe der Konferenz über die Energieversorgung und Energiepolitik in Ungarn und in Europa (26. April 2005). Gedenktagen haben wir ebenfalls bewusst eine europäische Perspektive gegeben. So das Jubiläum zum Ausbruch des ersten Weltkrieges wurde mit einem Ausblick in Richtung der drei großen Kriege Europas veranstaltet (der dreißigjährige Krieg, 1618–1648; der zweite große Krieg zwischen 1914–1918; und der dritte große Krieg zwischen 1939– 1945). Genauso wie in einem Vergleich zwischen der Habsburger Monarchie und dem russischen Reich untersucht wurde, welche Erfahrungen auf dem Gebiet des Verwaltungswesens die über viele Nationen herrschenden Staatsbildungen sammeln konnten, die für das 21. Jahrhundert lehrreich sein können.
Monitoring-Programm. Das Institut hat ein Forschungsprogramm über die Auswirkungen des EU-Beitritts auf Ungarn ausgearbeitet. Wir hatten es vor, zwischen 2005 und 2008 die Auswirkungen des EU-Beitritts auf den ungarischen Arbeitsmarkt, auf die Migration, die kleinen und mittelgroßen Unternehmen, die Handelspolitik, das Schulwesen, die soziale Umstrukturierung auf Grund von Presseanalysen und durch die Sondierung der Reaktion der ungarischen Gesellschaft zu untersuchen. Wir haben unsere Projektbewerbung im Nationalen Forschungs-Förderungsbüro eingereicht, aber sie wurde leider zurückgewiesen. Aus eigenen Mitteln können wir dieses Projekt nicht finanzieren, da die jährlich benötigten Mittel ca. 13–16 Millionen HUF betragen würden. Wir sind weiterhin überzeugt, dass dieses Projekt von einem Institut ausgeführt werden sollte, und, dass das Projekt eine herausragende wissenschaftliche und politische Bedeutung hätte. Wenn der Wissenschaftliche Beirat und der Stiftungsrat sich mit unserem Vorschlag einverstanden erklären, würden wir dieses Projekt oder einen Teil des Projektes aus eigenen Mitteln oder durch Einbeziehung von internationalen Quellen finanzieren und in das Programm des Institutes für die nächsten Jahre aufnehmen.
Regionale Probleme Mitteleuropas
Es ist bekannt, dass die nächste Station der Osterweiterung die Balkanstaaten sein werden. Bereits aus diesem Grund besteht innerhalb der Europäischen Union reges Interesse an den Balkankonflikten. Im Rahmen der Sitzung des Stiftungsrates im Juli 2004 war es Dr. Erhard Busek, der mit Nachdruck unsere Aufmerksamkeit in Richtung dieser Region lenkte. Die Leitung des Institutes hat bereits eine Konferenzreihe über die regionalen Themen begonnen. Im Zentrum dieser Konferenzen könnten die Beziehungen Ungarns zu den Balkanstaaten gesetzt werden. Wir haben die ungarischen Balkan-Experten zusammengerufen und zwei Werkstattgespräche veranstaltet zu den Themen: „Die Balkanstaaten und die Europäische Union, sowie Ungarn”. Für den Herbst 2005 haben wir zu diesem Thema eine internationale Konferenz eingeplant, wobei die Ergebnisse der Veranstaltung in einem Band mit dem Titel „Europa, Balkan, Ungarn” in englischer und deutscher Sprache erscheinen würden.
Wir sind bestrebt die sog. Nachbarschaftskonferenzen, die zwischen 1990 und 1998 mit großem Erfolg abgehalten wurden, erneut zu starten. Im Oktober 2005 würden wir mit einer slowakisch-ungarischen Konferenz beginnen und mit weiteren rumänisch-ungarischen, serbisch-ungarischen, kroatisch-ungarischen, slowenisch-ungarischen und österreichisch-ungarischen Konferenzen die Veranstaltungsreihe wiedereinführen.
Wir sind bestrebt ein Projekt zu starten mit dem Titel „Europäische ländliche Regionen, mitteleuropäische ländliche Regionen, ungarische ländlichen Regionen” über die Perspektiven der neuen Regionalpolitik für die neuen mitteleuropäischen Beitrittsländer. Innerhalb dieses Projektes sind wir bestrebt, die Regionalentwicklungsprojekte mit besonderer Aufmerksamkeit zu verfolgen, die für Ungarn durch den Beitritt der Nachbarstaaten eine neue Perspektive eröffnet haben: das Donau-Programm, das Theißtal-Programm wünschen wir prioritär zu behandeln.
Wir sind weiterhin bestrebt, die im Rahmen des Projektes „Die kleinen Nationen Mitteleuropas” begonnenen Forschungen, bzw. die Ergebnisse in einer Fremdsprache zu publizieren.
Geschichte
Wir wünschen die Jubiläen aus der Geschichte Ungarns hervorzuheben, die Auswirkungen auf Europa, bzw. die Weltgeschichte hatten. Dazu gehören: die Geschichte von 1956, die Geschichte des Systemwandels in Osteuropa. Wir halten es weiterhin für wichtig die historischen Wurzeln der nationalen und sozialen Konflikte der Region zu diskutieren.
Wirtschaft und Gesellschaft
Seit 1998 stehen die Wirtschaft, die Gesellschaft und die Umweltpolitik im Zentrum unserer Projekte zur europäischen Integration. Dies wollen wir auch in Zukunft fortsetzen, nach den Themen im Bereich des Agrarwesens und der Energetik – an die Donau und die Theiss anknüpfend – wenden wir uns der Wasserbewirtschaftung, der Geltendmachung des Besitzrechts der Union in Ungarn, und auf dem Gebiet der Wirtschaft der Harmonisierung des Rechtssystems zu.
Programmänderung
Somit kann festgestellt werden, dass die Leitung unseres Institutes eine Programmänderung durchgeführt hat. Das Institut passt sich den neuen Herausforderungen der europäischen Integration an.
Budapest, 25. Mai 2005.
Ferenc Glatz
Direktor
Anmerkungen
1 Zielsetzungen und Programm. Mitteilungen des Europa Institutes Budapest, No. 1, Budapest, 1991.
2 Ferenc Glatz: Die Entstehungsgeschichte des Europa Institutes Budapest. In: Hin zu neuen Zielen. Begegnungen, Band 11. Budapest, 2001, pp. 205-208.
3 Zielsetzungen und Programm. Mitteilungen des Europa Institutes Budapest, No. 1, Budapest, 1991.
4 Die Tagebucheinträge des Autors dieser Zeilen zeugen von diesen, damals entstandenen Überlegungen. Diese Tagebucheinträge weisen auch auf die Gespräche hin, die unter anderem mit dem Stifter des Institutes, Senator Dr. Herbert Batliner, und dem anderen Gründungsmitglied, Dr. Erhard Busek geführt wurden.
5 Dies war für uns, die im sowjetischen System lebten, wichtig, weil wir an der Bedeutsamkeit der zivilen Initiativen glaubten, und wir glaubten auch fest daran, dass neben dem Parteileben das zivile, öffentliche Leben die Grundlage der Reformen der Demokratie im 21. Jahrhundert sein wird. Das bedeutet – so behaupteten wir – das Parteileben soll das zivile, öffentliche Leben nicht ersetzen: weder das Einparteiensystem, noch das Mehrparteiensystem. Wir legten uns nicht nur mit unserem Einparteiensystem kritisch auseinander, sondern waren kritisch gegenüber dem westeuropäischen Mehrparteiensystem. Die gleichaltrigen westeuropäischen Kollegen teilten unsere Ansichten nicht und sprachen herablassend über die Zivilorganisationen, sie glaubten – beinahe ausnahmslos –, dass die auf das Mehrparteiensystem beruhende Demokratie die perfekteste politische Einrichtung sei. Sie verstanden unsere Kritik gegenüber dem westeuropäischen Mehrparteiensystem nicht, die wir so formulierten: das Parteileben darf das zivile, öffentliche Leben nicht ersetzen. Das „multi-party system(c) darf das „public life” nicht ersetzen. Dies war übrigens der Punkt, über den eine der heftigsten Diskussionen mit der hiesigen radikalen bürgerlichen Opposition entstand. Wir meinten, dass diejenigen, die das zivile, öffentliche Leben mit dem Parteileben ersetzen, den Staat alleinig als Mittel zur Macht betrachten, und ihre Aufmerksamkeit ausschließlich Machtfragen zuwenden.
6 Herbert Batliner, Erhard Busek, Domokos Kosáry, Ferenc Mádl, Géza Jeszenszky, Lajos Vékás, Károly Manherz, Dušan Kováč, Andrei Pleşu, Arnold Suppan, Horst Haselsteiner, István Töröcskei, Alois Riklin, Karl Ottmar Freiherr von Aretin, Ferenc Fejtő, Ferenc Glatz.
7 Europäische Visionen. Begegnungen, Band 1., Budapest, 1995.
8 Europa und Ungarn. Begegnungen, Band 3., Budapest, 1996.
9 Die kleinen Nationen in Europa. Begegnungen, Band 4., Budapest, 1997.
10 Ferenc Glatz: Minderheiten in Ostmitteleuropa. Bp., 1993. Europa Institut Budapest.
11 Gleich den Aussprachen über die großen weltgeschichtlichen Konflikte in Westeuropa. Denken wir nur an die Regelung des französisch-deutschen Konflikts, die Faschismus-Debatte, usw.
12 In den Wissenschaftlichen Berichten der Jahre 1997 und 1998 wurden diese Konferenzen ausführlich beschrieben.
13 Az európai integráció, Begegnungen, Band 8., Budapest, 2000.
14 Europa und „wir”, Begegnungen, Band 9., Budapest, 2000.
15 Hin zu neuen Zielen 2000, Begegnungen, Band 11., Budapest, 2001.
16 „Európa határok nélkül” (Europa ohne Grenzen), Begegnungen Band 13., Budapest, 2002.
17 Die deutsche Sprache und die EU aus ungarischer Sicht, Begegnungen, Band 14., Budapest, 2002.
18 Europa, Ungarn – heute und morgen, Begegnungen, Band 19, Budapest, 2003.
19 Ungarn in der Europäischen Union, Begegnungen, Band 24, Budapest, 2005.
20 Die kleinen Nationen in Europa, Begegnungen Band 14., Budapest 1997.
21 Europäische und nationale Interessen, Begegnungen, Band 16., 2002..
22 A proletárdiktatúrából a politikai demokráciába, Budapest, 2004
23 Die ungarische Staatsbildung, Begegnungen, Band 15., Budapest 2002.