I.
BERICHT
über die Tätigkeit des Europa Institutes Budapest
1998–2002
1. Zielsetzungen unter den neuen internationalen
und heimischen Verhältnissen
„An der Schwelle zur Europäischen Union” – mit dieser Feststellung leiteten wir den vorangehenden zusammenfassenden Bericht des Europa Institutes ein, als wir dem Wissenschaftlichen Beirat und dem Kuratorium Rechenschaft über die Jahre 1994–1998 ablegten. Jetzt, im Jahre 2002 berichten wir über das Geleistete in der Zeit von 1998–2002, wobei wir uns auf die jährlich verfertigten und veröffentlichten Berichte stützen. Heutzutage zeigt sich bereits, dass wir den Jahresbericht 1998 zu Recht mit dem obigen Satz einleiteten. Am 1. Januar 1998 setzten die Verhandlungen der Europäischen Union mit Ungarn ein, was heißt, dass das Jahr 1998 in der Geschichte Ungarns einen historischen Wendepunkt darstellt, eine wichtige Station auf dem Wege zum Beitritt in die Europäische Union (unseren Hoffnungen gemäß 2004).
Seit seiner Gründung (1990) war das Europa Institut Budapest darum bemüht, seine Tätigkeit in den Prozess der europäischen Integration einzubetten. Von Anfang an erachtete man es als seine Aufgabe, mit den eigenen bescheidenen Mitteln zur Vorbereitung des Beitritts Ungarns in die Europäische Union bzw. zur Annäherung des ungarischen geistigen Lebens an die europäischen Kulturzentren beizutragen. An dieser Stelle sei an nur einige Fakten aus der Zeit zwischen 1990 bis 1998 erinnert: von 1994–1997 war das Europa Institut Budapest Organisator jener Erhebungen und Debatten über die Union, die im Auftrage Brüssels betreffs der Europa-Fähigkeit Ungarns stattfanden. Darüber hinaus gewährte das Europa Institut jenen wissenschaftlichen Disputen eine Heimstatt, welche auf ethnische sowie wirtschaftliche Konflikte der ostmitteleuropäischen Region eingingen und die wir bereits vor 1998 als ein großes Hindernis der Erweiterung der Union erachteten. 1995 riefen wir unsere Buchreihe mit dem Titel „Begegnungen” ins Leben, die sich nun bis 2002 bereits als bedeutendste und anerkannteste Buchreihe hinsichtlich der Angelegenheiten der Europäischen Union erwies. Es war also logisch, dass wir in Vorbereitung der Sitzungen des Wissenschaftlichen Beirates bzw. Stiftungsrates im Juli 1998 schrieben: In der Geschichte Ungarns und für die Festlegung der Programme der Europäischen Union hat der 1. Januar 1998 einen Wendepunkt dargestellt. Unsere Jahresberichte, die übrigens in den einzelnen Bänden der „Begegnungen” auch publiziert wurden, trugen folgende Titel: An der Schwelle zur Europäischen Union (1994–1998); Übergangsjahre (1998–1999); Hin zu neuen Zielen (1999–2000); Das Europa Institut nach 10 Jahren (2000–2001). Mit anderen Worten: in den einzelnen Jahresberichten waren wir darum bemüht, unsere Zielsetzungen in ausgedehntere, internationale und heimische politische sowie wirtschaftliche Zusammenhänge einzubetten. Wenn wir jetzt über die Jahre 1998– 2002 berichten, gestatten wir uns zunächst selbstverständlich einen kleinen Rückblick auf das, was in den vergangenen vier Jahren in Ungarn bzw. unserem unmittelbaren internationalen Umfeld und in der Europäischen Union geschah.
Am 1. Januar 1998 also setzten die Vorverhandlungen der Union mit Ungarn ein und wir konnten zu Recht behaupten, dass in den Themenschwerpunkten des Europa Institutes der Europäischen Union bzw. Europa eine größere Rolle als bisher zukommen müsse.
Im Mai 1998 trat in Ungarn eine neue Regierung ihr Amt an, die auf die Geltendmachung ungarischer Interessen im Verlaufe der Verhandlungen mit der Union größere Betonung als je zuvor zu legen wünschte und die im Interesse der Unterstützung des in der mitteleuropäischen Region lebenden Ungartums eine außerordentlich entschlossene politische Aktion initiierte. Also hat das Europa Institut – sagten wir im Juli 1999 – wiederum die Konflikte des Miteinanders kleiner Völker Mitteleuropas in den Vordergrund zu stellen, weil wir davon überzeugt sind, dass jene Konflikte nur von den politischen und geistigen Führungskräften der hier lebenden Völker gelöst werden können. Die ungarische Minderheitenfrage kann nicht unabhängig vom Problembereich der Zukunft kleiner Nationen Mitteleuropas betrachtet werden. (An dieser Stelle soll kurz darauf verwiesen werden, dass das Europa Institut 1990–1994 in seinen Zielsetzungen die ethnischen Konflikte kleiner Nationen Mitteleuropas präferierte und im Institut wurde 1992 der Vorschlag eines Verhaltenskodex zum Minderheitenproblem in Mitteleuropa verfasst, welcher dann in englischer, deutscher, rumänischer, slowakischer und ungarischer Sprache anlässlich der Verhandlungen mit Minderheiten der Region bis zum heutigen Tage als Handbuch diente. Von 1994 bis 1998 haben wir diese Thematik ein wenig in den Hintergrund gestellt, um sie dann nach 1998 erneut in den Vordergrund zu rücken.)
Im August 1998 bricht die russische Wirtschaft zusammen, was derzeit, (d. h. 1998–99) mit den vorerst unüberschaubaren Folgen nicht nur fernöstliche Märkte bedrohte, sondern ebenso die mit Russland benachbarten mitteleuropäischen Staaten (Polen, Tschechien, Ungarn), welche begannen, zu erwartende Auswirkungen von Normativen der Europäischen Union auf ihre Wirtschaft zu erkunden.
1. Januar 1999. Die ungarische Wissenschaft wird vollberechtigtes Mitglied der Gemeinschaft der Europäischen Union, d. h. ungarische Forschungsstätten konnten sich gleichberechtigt an in Rahmenprogrammen der EU veröffentlichten Ausschreibungen bewerben. Dies wiederum bedeutete, dass sich die Wissenschaftspolitik in der ungarischen Politkultur zum ersten „Unionsbereich” entwickelt hat. Aus diesem Anlass schrieb Ferenc Glatz die Monografie „Wissenschaftspolitik um die Jahrtausendwende. Beispiel Ungarn”, die im Herbst 1998 in Ungarn und 1999 dann zur Frankfurter Buchmesse in deutscher Sprache erschien.
24. März 1999. Der Krieg in Jugoslawien bricht aus, der die Konflikte erzeugenden Mächte und das Weiterbestehen von ethnischen und Glaubenskonflikten auf lange Frist aufzeigt. Das Europa Institut Budapest hat sowohl in Anbetracht der russischen wirtschaftlichen als auch der jugoslawischen politischen Krise seine Aktivität mit wirtschaftspolitischen Vorträgen bzw. Debatten über die Zukunft der kleinen Nationen Mitteleuropas erweitert.
1. Januar 2000. Es beginnen die Millenniumsfeierlichkeiten der Gründung des ungarischen Staates. Inmitten der angespannten ethnischen Konflikte Mitteleuropas hat die Feier des Millenniums den Schatten neuerer Probleme in der Region vorausgeworfen. Der historische ungarische Staat erfasste die gesamte heutige Slowakei, ein kleines Gebiet der Ukraine, bedeutende Territorien des heutigen Rumäniens, Jugoslawiens und Kroatiens, so dass unsere Nachbarländer das Jubiläum der Heiligen Krone und der Gründung des ungarischen Staates auch als Bedrohung ihrer nationalstaatlichen Identität auffassen konnten. Das Europa Institut Budapest hatte deshalb vorgeschlagen, gemeinsam mit den Historikern der mitteleuropäischen Nachbarstaaten (in englischer oder deutscher Sprache) eine wissenschaftliche Tagung zur ungarischen Staatsgründung zu veranstalten. (Dies ist am 8. Dezember 2000 auch geschehen und das Material der internationalen Konferenz wird in der Reihe „Begegnungen” des Europa Institutes publiziert, der Band kommt in diesen Tagen aus der Druckerei.)
1. Januar 2001. Die Europäische Union deklarierte das Jahr zum Jahr der europäischen Sprachen. Die erste Veranstaltung des Jahres zu dieser Thematik war die internationale Konferenz „Die deutsche Sprache und die Europäische Union”, die das Europa Institut gemeinsam mit dem Germanistischen Institut der ELTE organisierte. Den Einführungsvortrag hielt Ferenc Glatz, das abschließende Resümee Károly Manherz – beide Professoren des Institutes.
Jene, die Zielsetzungen des Institutes betreffenden internationalen und heimischen Ereignisse aufführend kann gesagt werden, dass Wissenschaftlicher Beirat und Kuratorium des Institutes eine gute Entscheidung trafen, als sie im Juni 1998 Veränderungen bei der Schwerpunktbestimmung der Themen empfahlen. Die Präferenz dreier Themen wurde vorgeschlagen: 1) Die Europäische Union; 2) Die Geschichte Europas; 3) Die Zukunft der kleinen Nationen Mitteleuropas. Darüber hinaus bezog man dahingehend Stellung, sich neben den Themen von Marktwirtschaft, deutscher Sprache sowie innerhalb dessen der Kleinstaaten Mitteleuropas auch weiterhin mit der Erörterung des Minderheitenproblems zu befassen. Jetzt, da ich einen kurzen Überblick über die Tätigkeit in den vergangenen Jahren zu gewähren wünsche, möchte ich nun darauf eingehen, was hinsichtlich Forschung in diesen drei Themen geschah.
2. „Europäische Union", „Europa-Geschichte”, „Ostmitteleuropa”
(Themenschwerpunkte 1998–2002)
1. Erster Themenschwerpunkt: Die Europäische Union
Ungarn mit der Europäischen Union vertraut zu machen und gleichzeitig die sich aus der Osterweiterung der EU ergebenden und zu erwartenden Auswirkungen auf Ungarn zu formulieren – um diese beiden Zielsetzungen haben wir das Thema unserer Veranstaltungen im Zusammenhang mit der Europäischen Union gruppiert.
1/a Bekanntmachung der Union in Ungarn
Publikationen. Das Europa Institut hat 1999 den Band „Die europäische Integration. Fakten und Daten” publiziert, beruhend auf dem „Europalexikon A–Z”, das auch im Westen das bisher umfassendste Lexikon über die Institutionen der Europäischen Union ist. Die Stipendiaten des Institutes beteiligten sich an der Übersetzung sowie dem Redigieren des Bandes (teilweise Germanisten von Prof. Károly Manherz bzw. Redaktionsschüler von Ferenc Glatz). Die Ausgabe wurde in 2 Auflagen mit 6.000 Exemplaren von Parlamentsabgeordneten, den Führungskräften größerer Selbstverwaltungen, von Persönlichkeiten der Kirche und Zivilorgane erworben.
Gemeinsam mit dem Programm Nationale Strategische Forschungen hat das Europa Institut in der Zeitschrift „Ezredforduló” (Jahrtausendwende, mit einer Auflage von 56.000 Exemplaren) eine Rubrik mit dem Titel „Die Osterweiterung der Europäischen Union” ins Leben gerufen. Die Zeitschrift hat auf unsere Initiative (1999) eine Sonderausgabe unter dem Titel „Die Europäische Union und Ungarn” veröffentlicht, die ständige Rubrik blieb weiterhin erhalten. (Unter anderem berichtet die Zeitschrift regelmäßig von den Europa Foren in Organisation der Bertelsmann Stiftung.)
Mit dem Titel „Europa ohne Grenzen. Die Union nach Nizza” haben wir in ungarischer Sprache den 13. Band der „Begegnungen” herausgegeben, in dem die Studien von R. Prodi, G. Schröder, J. Delors anlässlich des Europa Forums vom 19.–20. Januar 2001 publiziert wurden, darüber hinaus Artikel namhafter westeuropäischer Europaexperten (W. Weidenfeld, D. von Kyaw, W. Wessels) als Analysen des Gipfeltreffens von Nizza. Veröffentlicht ist darin auch die Nizza-Analyse von Ferenc Glatz.
Konferenzen, Vorträge. Unter dem Titel „Die Zukunft Europas” veranstalteten wir gemeinsam mit dem Deutsch-Ungarischen Forum am 10. September 1999 im Gebäude der Ungarischen Akademie der Wissenschaften eine internationale Konferenz. Zusammen mit uns haben der Ungarische Atlantikrat und das Forschungsinstitut für Weltwirtschaft der Akademie die Konferenz „Die Globalisierung, die europäische Integration und Ungarn” (28. Februar 2002) organisiert. Th. Jansen (Europäische Kommission Brüssel) hielt den Vortrag „Die Entwicklung des politisch-institutionellen Systems der Europäischen Union und die Herausforderung durch die Erweiterung” (21. März 2000), V. Berghahn (Columbia University) jenen mit dem Titel „Europäisch-amerikanische kulturelle Beziehungen in historischer Perspektive” (9. November 2001).
1/b Die Osterweiterung der Europäischen Union
Publikationen. Das vom ungarischen Parlament unterstützte Programm der Nationalen Strategischen Forschungen hat sich unter anderem das Ziel gesetzt, an der Schwelle der Integration mit Europa die Interessen Ungarns auf den Gebieten von Wirtschaft, Technik, Umweltschutz und Humanpolitik zu konzipieren. Das Europa Institut hat einen Vertrag mit dem Programmausschuss der Strategischen Forschungen abgeschlossen, im Sinne dessen in der Publikationsreihe des Institutes jene Studien in englischer oder deutscher Sprache veröffentlicht werden, welche sich mit der Harmonisierung der Interessen von Union und Ungarn befassen. So publizierten wir in den letzten vier Bänden der „Begegnungen” Vorträge bezüglich Bahnverkehr, Wasserwirtschaft, Sozialpolitik, Agrarwesen, Energetik und Rechtswesen. (Vgl. hierzu die Bände 11, 12 und 15)
Konferenzen, Vorträge. Veranstaltungen und Publikationen des Europa Institutes haben seit 1998 konsequent hervorgehoben: beim Beitritt in die Union handelt es sich in erster Linie nicht um einen diplomatischen Akt, sondern um die wirtschaftlich-gesellschaftliche Anpassung an das sich in Westeuropa seit einem Jahrtausend herausbildende Wertesystem. Jetzt, 2002 hat sich nach den Wahlen im Frühjahr herausgestellt, dass weder Politiker noch Vertreter der Presse auf die mit der Erweiterung der Europäischen Union verbundenen wirtschaftlichen sowie gesellschaftlichen Konflikte eingehen. Dabei ist ein in Westeuropa wohlbekannter Fakt, dass die gegenwärtigen Staaten der Europäischen Union aus drei Gründen die Osterweiterung fürchten:
a) Man fürchtet sich vor der nach der Erweiterung der Union eintretenden Migration, davor, dass die verhältnismäßig billigen ostmitteleuropäischen Arbeitskräfte den westeuropäischen Arbeitskräftemarkt überschwemmen, dort Arbeitslosigkeit verursachen oder eine unerwünschte Konkurrenz zwischen heimischen Arbeitnehmern und ostmitteleuropäischen „Einwanderern”.
b) Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union fürchten eine eventuelle Eskalation ethnisch-sozialer Konflikte aufgrund der Osterweiterung.
c) Am meisten aber fürchten sich die westeuropäischen Bauern davor, dass die schwachen – jedoch über ein ausgedehntes Agrarwesen verfügenden – Beitrittskandidaten einen nicht unbedeutenden Anteil des Agrarbudgets der Europäischen Union entziehen.
All diese Probleme wurden anlässlich der Konferenzen und Vorträge des Europa Institutes 1998–2002 artikuliert. Einige davon sollen nachfolgend aufgeführt werden.
Einer internationalen Veranstaltung gaben wir am 10. Juli 2001 eine Heimstatt, als wir gemeinsam mit der englischen Ditchley Foundation und mit der Bertelsmann Wissenschaftsstiftung die dreitägige Konferenz „Deepening the Enlarged European Union” in Budapest für herausragende Persönlichkeiten von Wirtschaft und Politik veranstalteten. Ebenfalls 2001 organisierten wir mit Beteiligung der Brüsseler Verwaltung sowie verschiedener Botschafter und Staatssekretäre die internationale Konferenz „Sprachenpolitik in Ungarn und Europa” und 2002 dann am 17. April betreffs der zu erwartenden Auswirkungen der Normen des Umweltschutzes der Europäischen Union, jene mit dem Titel „Civil Involvement in the Environment”. Vorträge zum erwähnten Themenbereich waren: S. Lámfalussy (University of Louvain): „Europa und die finanzielle Globalisierung” (24. November 1999); Th. Fischer (Sektion Ostmitteleuropa, Bertelsmann Wissenschaftsstiftung): „Föderalismus als Strukturprinzip für Europa” (23. März 2001); György Surányi (Minister a. D.): „Die Einführung des Euro und die zu erwartende Auswirkungen in Ungarn” (30. Januar 2002); Attila Chikán (Minister a. D.): „Die ungarische Wirtschaft in der Zeit der Globalisierung” (26. April 2000).
Besonders hervorgehoben werden sollte, dass das Institut die Organisation der ersten internationalen Konferenz europäischer Sprachen im Jahre 2001 auf sich nahm. Als einziges deutschsprachiges Institut außerhalb des deutschen Sprachgebietes haben wir die Situation der deutschen Sprache in den Mittelpunkt gerückt. Das Einführungsreferat (gehalten vom Direktor Ferenc Glatz) bezeichnete die Emanzipation der deutschen Sprache als erstrangige Bedingung einer Emanzipation des Deutschtums nach dem Zweiten Weltkrieg – und er erachtete diese Emanzipation des Deutschtums als die Voraussetzung der Emanzipation einer Globalpolitik Europas. (Das Europa Institut Budapest war übrigens einer der Finanzierer jener Aktion, die anlässlich der Wissenschaftlichen Weltkonferenz im Jahre 1999 empfahlen, das Deutsche als siebente Weltsprache anzunehmen. Die UNESCO hat dem Antrag zugestimmt, die Kosten der Finanzierung des Dolmetschens aber auf das Veranstaltungsland, d. h. auf Ungarn abgewälzt.) Das Material der Konferenz wird übrigens dieser Tage im Band 16 der „Begegnungen” publiziert. (Siehe Inhaltsverzeichnis in der Anlage.)
2. Zweiter Themenschwerpunkt: „Die Geschichte Europas”
Es gibt ohne eine europäische Identität keine effektive Europäische Union und keine europäische Identität ohne ein europäisches historisches Bewusstsein. Und es existiert kein europäisches historisches Bewusstsein ohne Arbeiten auf dem Gebiet der Europageschichte – sagten wir anlässlich der Sitzung des Stiftungsrates im Juli 1998. Derzeit beschloss das Kuratorium, die bis dahin in der Mehrzahl befindlichen historischen Themen auf die Europageschichte (und innerhalb jener die komparative ostmitteleuropäische) zu konzentrieren. Am 13. Januar 2000 hielt der Direktor des Institutes, Ferenc Glatz auf dem Europa Forum einen Vortrag mit dem Titel „Mensch und Gesellschaft im künftigen Europa”. In jenem formulierte er die sich aus obiger Behauptung ergebende Schlussfolgerung – die Notwendigkeit der Schaffung eines populären Handbuches zur Geschichte Europas. Auf diese Weise kam es zur Übereinkunft, dass Ferenc Glatz auf 60 Bogen eine historische Zusammenfassung der „Chronik Europas” in der weltweit verbreiteten Chronik-Reihe von Bertelsmann verfasst. (Ebenfalls in der Bertelsmann-Reihe hat Ferenc Glatz mit seinen Mitarbeitern im Jahre 1995 den Band „Chronik Ungarns” fertiggestellt, welcher sowohl in Ungarn als auch im Ausland einen bedeutenden fachlichen und Publikumserfolg verzeichnete.)
Im Jahre 2001 hat Ferenc Glatz als scheidender Präsident der Ungarischen Akademie der Wissenschaften gemeinsam mit dem Europa Institut die Arbeitsgruppe Europageschichte gegründet, deren Ziel es ist, europahistorische Arbeiten in Ungarn zu koordinieren bzw. in Budapest eine internationale Stätte der Europa-Geschichte zu gestalten. (Über die Entwicklung der Arbeitsgruppe berichtete der Direktor auf der Sitzung des Wissenschaftlichen Beirates im September 2001, auf welcher dessen Mitglied A. Suppan bzw. Stiftungsratsmitglied H. Haselsteiner ihre Absicht einer Mitarbeit bekundeten.) Die Werkstatt hat ihr Programm gestaltet: zwischen 2002 und 2004 die Fertigstellung der Chronik Europas in deutscher Sprache (der Herausgeber meldete bereits seinen Anspruch auf die Publikation in englischer, französischer, polnischer und tschechischer Sprache) und für 2003–2005 ist die Fertigung einer repräsentativen Synthese der Geschichte Europas in ungarischer Sprache in drei Bänden geplant.
Einen Überblick zur Geschichte Europas bieten bisher die beiden in der Zwischenkriegszeit verfassten bedeutenden Monografien von Seignobos und Fisher bzw. die zahlreichen, nach 1945 von bedeutenden Verlagen redigierten Handbücher. Die beiden Monografien aus der Feder der Historiker N. Davies (Großbritannien) und M. Salewski (Deutschland) stießen in Expertenkreisen auf kein zu gutes Echo. Es existiert bisher ein Lehrbuch zur Geschichte Europas (1995), welches einen äußerst korrekten und traditionellen kurzen Überblick verschafft. Zielsetzung des Europa Institutes und der Arbeitsgruppe der Akademie ist es, im kommenden Jahrzehnt in Budapest Koordinator europahistorischer Forschungen zu sein und die ersten modernen, auch für das breite Publikum „genießbare” Synthesen der Geschichte Europas zu erstellen. Das erste größere Unterfangen des Projektes ist die Überarbeitung der in ungarischer Sprache erschienenen Arbeit „Die Geschichte der Europäischen Union” von Jenő Horváth und deren Publikation im Band 17. der „Begegnungen” (A History of the EU).
3. Dritter Themenschwerpunkt: „Ostmitteleuropa”
Zum Teil hat uns die Jugoslawienkrise, teilweise die aktive ungarische Minderheitenpolitik in jener Überzeugung bestärkt, dass wir aus den mitteleuropäischen Themenbereichen die Erforschung der Zukunft der kleinen Nationen herausgreifen und präferieren müssen – sagten wir zuvor. Das „Organisationsteam” der Europageschichte hat bereits in den 90er Jahren jene Gelehrten und Politiker der ostmitteleuropäischen Region angezogen, die lokale Konflikte mit Debatten und Aktionen an Ort und Stelle zu lösen wünschen. Mit deren Vereinigung und gemeinsam mit dem inzwischen gegründeten Zentrum für Minderheitenforschung der Akademie wurde die Ausarbeitung des Themas in Angriff genommen.
Konferenzen, Vorträge. Zu diesem Themenbereich wurden folgende bedeutendere Konferenzen und Vorträge organisiert: „Das Selbstverwaltungsmodell der europäischen Minderheit an der Schwelle des 21. Jahrhunderts” (10.–11. September 1999), gemeinsam mit dem European Centre for Minority Issues in Flensburg; „Die Zukunft der Sprache kleiner Nationen in Europa” – Einführungsvortrag von G. Brunner (Köln) (21. November 2001); „Sprachenpolitik und die nationalen Minderheiten” (4. Dezember 2001).
Mit diesem Themenbereich haben wir die zentrale wissenschaftliche Ausschreibung der Regierung gewonnen und dem Europa Institut werden für 3 Jahre 45 Millionen Forint zur Ausarbeitung der Thematik gewährt. (Das Europa Institut Budapest war die einzige Privatinstitution, welche einen Regierungsauftrag erhielt, und zwar mit einem auf dem Gebiet der Gesellschaftswissenschaften herausragend hohen Betrag.) Beendet wurde der Programmdisput, den wir im Band 16. der „Begegnungen” veröffentlichen.
In den Themenbereich der kleinen Nationen Mitteleuropas entfällt auch unsere Veranstaltung zum Jubiläum der ungarischen Staatsgründung mit internationaler Beteiligung. Das Institut hat 1999 und 2000 jene Arbeitsgespräche abgewickelt, im Laufe derer wir vor allem mit den österreichischen, ebenso aber auch mit polnischen, slowakischen, rumänischen und kroatischen Historikern übereinkamen, die mitteleuropäischen Staatsgründungen ausschließlich im europäischen Zusammenhang zu erörtern. Die erste Welle des westeuropäischen Christentums strömte zunächst im 10.–11. Jahrhundert nach Osten und infolge dessen wurde erst der kroatische, dann der tschechische, polnische sowie ungarische christliche Staat gegründet. Wir kamen überein, dass eine neuartige Zusammenarbeit auf dem Gebiet der mitteleuropäischen Historiographie erforderlich ist, wobei im Rahmen der Kooperation über die Geschichte einzelner Staaten und Nationen hinausgehende regionale Themen in den Vordergrund zu stellen sind. Träger dieser regionalen Harmonisierungsrolle wünscht das Europa Institut Budapest zu sein, und zwar in enger Zusammenarbeit mit dem Wiener ÖOSI, der Slowakischen Akademie der Wissenschaften sowie der Babeş-Bolyai Universität Klausenburg bzw. der Universität Zagreb. Anscheinlich geht es um die Geschichte, tatsächlich jedoch um Politik. Im Jahre 2000 ist es (seit 1920) erstmals gelungen, die Historiker der Region hinsichtlich eines nationalen wunden Punktes auf einen Nenner zu bringen: die Beurteilung von Vergangenheit und Gegenwart der Gesellschaft muss von der Basis des Nationalstaates weggerückt werden.
Publikationen. Das Material der gemeinsam mit dem Institut für Minderheitenforschung veranstalteten Konferenz publizieren wir in ungarischer Sprache in der Zeitschrift „Ezredforduló” (Jahrtausendwende). In deutscher Sprache hingegen werden die Vorträge der sich mit dem Thema der ungarischen Staatsgründung im mitteleuropäischen Kontext befassenden Konferenz im Band 14 der „Begegnungen” veröffentlicht. (S. Inhaltsverzeichnis in der Anlage)
3. Schwerpunkte der Aktivitäten
Das Institut ist auf den 1990 festgelegten wissenschaftlichen Gebieten aktiv. Es werden Konferenzen und Vorträge organisiert, Seminare veranstaltet und man widmet sich der Publikationstätigkeit.
a) Konferenzen, Vorträge, Seminare
Die Sitzung des Stiftungsrates 1998 beschloss neben der Beibehaltung der ursprünglichen Zielsetzungen gewisse Veränderungen hinsichtlich der Präferenzen in den Tätigkeitsbereichen. Das Kuratorium deklarierte: man sollte darum bemüht sein, eher wenigen Personen längere Stipendienaufenthalte zu gewähren und diese Stipendiaten in die wissenschaftsorganisatorische Tätigkeit des Institutes mit einzubeziehen. Gleichzeitig beschloss der Stiftungsrat, die Monatsanzahl der Stipendien zu senken sowie publikations- und konferenzorganisatorische Tätigkeit zu steigern. Der Grund hierfür: in der Zeit von 1990–1998 wurden in Ungarn verschiedenste postgraduale Stipendiensysteme geschaffen, welche den sich für Ungarn interessierenden ausländischen Jugendlichen den Aufenthalt in Ungarn und hiesige Forschungen gestatten. Unter anderem hat die Ungarische Akademie der Wissenschaften, mit dem Direktor des Institutes Ferenc Glatz ab 1996 als ihrem Präsidenten, nach seinem Amtsantritt solche Stipendiensysteme ermöglicht. Gleichzeitig aber ist 1990 in Ungarn das fremdsprachige Publikationssystem zusammengebrochen und konnte seither nicht wieder richtig Fuß fassen. Gering ist auch die Anzahl jener Institutionen, welche regelmäßig Konferenzen in anderen Sprachen abhalten. Es stimmt zwar, dass in vielen spezifischen Instituten (in denen für Weltwirtschaft, Sprachwissenschaft, Literaturwissenschaft) Europaforschungen betrieben werden, doch existiert bisher ein einziges Institut, das sich in Budapest die synthetisierende Europaforschung zum Ziel gesetzt hat, und das ist unseres – das Europa Institut Budapest. Aus diesem Grunde haben Kuratorium bzw. Wissenschaftlicher Beirat dahingehend Stellung bezogen (mit den Worten A. Suppans): das Europa Institut sei das „Kommunikationszentrum” von Konferenzen und Publikationen.
Im Laufe der vergangenen Jahre haben wir die Anzahl der Konferenzen erhöht (innerhalb des akademischen Semesters wurden praktisch alle zwei Wochen Konferenzen, Arbeitsgespräche und Vorträge organisiert. Siehe hierzu auch die Angaben betreffs 2001–2002 in der Anlage). In den letzten zwei Jahren stieg außerdem nicht nur die Zahl der Seminare sondern deren Qualität gleichermaßen. Ihre Anzahl betrug im Winter- und Sommersemester 2001–02 insgesamt 33 und oftmals haben aus diesem Anlass namhafte Gastprofessoren einführende Vorträge gehalten. Wir können behaupten, dass die Seminare im Laufe der letzten drei Jahre dieses Niveau und Format erreichten, welches uns, den Gründern des Institutes vorschwebte. Und das ist nicht zuletzt der einstigen Stipendiatin des Institutes Dr. Lilla Krász bzw. dem die Stipendiaten betreuenden Professor Zoltán Szász zu verdanken.
b) Nachwuchsseminar
1998 haben wir gemeinsam mit unseren slowakischen und österreichischen Kollegen beschlossen, ein Forum junger mitteleuropäischer Gesellschaftswissenschaftler zu schaffen, um die heute 25–35-jährigen Jugendlichen am Beginn ihrer Laufbahn zum Thema Gesellschaftswissenschaften in Mitteleuropa zusammen zu bringen, und zwar in einem Konferenzzentrum auf dem Lande, in dem man 3–4 Tage gemeinsam verbringt, Vorträge hält, sich an Debatten beteiligt und sich im Rahmen der Freizeitprogramme gegenseitig kennen lernt. Der Grundgedanke: die jungen Forscher haben persönliche Beziehungen zu gleichaltrigen Erforschern derselben Thematik in den Nachbarländern auszubauen. Dies vermag künftig eine Basis der Zusammenarbeit der Intelligenz der mitteleuropäischen Region zu sein.
Die erste derartige Konferenz wurde vom Europa Institut Budapest vom 12.–14. September 2000 in Zebegény, einem kleinen Ort im Donauknie mit Einwohnern verschiedenster nationaler Herkunft, veranstaltet. Publiziert wurde das Material der Konferenz im Band 12 der „Begegnungen” (Jahrtausendwende 2000, S. 189–355). Im Rahmen der Konferenz wurde der nach dem ehemaligen Professor des Institutes – Péter Hanák – benannte Preis verliehen, den ein das 35. Lebensjahr noch nicht vollendender junger Forscher erhält, der sich der Gesellschafts- und Kulturgeschichte Mitteleuropas widmet oder gesellschaftliche Konflikte der Gegenwart in historischem Licht betrachtet. Anlässlich der feierlichen Übergabe hielt der Preisträger einen Festvortrag. (Das Nachwuchsseminar 2001 wurde vom Wiener ÖOSI im österreichischen Payerbach veranstaltet.)
c) Publikationstätigkeit
Stiftungsrat und Wissenschaftlicher Beirat des Institutes haben 1995 den Beginn der Publikation der „Begegnungen” beschlossen. Zwischen 1995 und 1998 sind 5 Ausgaben erschienen (in einem Gesamtumfang von 825 Seiten), zwischen 1998 und 2002 dann jedoch 12 Bände (mit insgesamt 2700 Seiten). Das heißt, wir haben den Beschlüssen von 1998 Geltung verschafft und wie bereits zuvor erwähnt, handelt es sich beim Institut gegenwärtig um die bedeutendste fremdsprachige Publikationsstätte in Ungarn und das wichtigste, in Fremdsprachen publizierende Europa Institut Mitteleuropas. (In letzter Zeit konnte die Distribution stark verbessert werden und großen Erfolg haben die Sonderdrucke, welche die besten „Propagandisten” des Institutes sind.)
d) Corvinus-Preis
Einer der Stifter unseres Institutes, Dr. Dr. Herbert Batliner schlug 1995 die Gründung des Corvinus-Preises vor und stiftete 30.000 SFR, die vom Kuratorium alle zwei Jahre vergeben werden können. Verliehen werden kann der Preis an solche ungarischen und europäischen Persönlichkeiten des kulturellen und politischen Lebens, die eine aktive Rolle beim Brückenschlag zwischen ungarischem und europäischem geistigen Leben spielen. 1997 wurde der Preis dem Filmregisseur und Oscarpreisträger István Szabó verliehen. In den Jahren des Berichtzeitraumes 1998–2002 wurde der Corvinus-Preis fristgemäß zweimal vergeben: 1999 an den derzeitigen rumänischen Außenminister, den Philosophen und Schriftsteller Andrej Pleñu bzw. 2001 an den Intendanten des ORF, Paul Lendvai. Beide Veranstaltungen standen im Mittelpunkt des Budapester geistigen Lebens. Zu beiden Anlässen war der Staatspräsident anwesend und hielt eine Rede. Außenminister, Presse, Rundfunk und Fernsehen haben in weiten Kreisen zur Popularisierung des Namens des sich bescheiden zurückhaltenden Stifters sowie des Europa Institutes Budapest beigetragen.
e) „Künstler und Künste im Europa Institut”
Von 1992 bis 1998 haben wir zumindest einmal im Jahr, manchmal aber auch zweimal Veranstaltungen im Rahmen der „Künstler und Künste im Europa Institut” organisiert. Sänger, Musiker, Schriftsteller und Filmregisseure waren unsere Gäste als Vortragende und das Stammpublikum des Europa Institutes (regelmäßig zwischen 60–120 Personen) die Zuschauer. Ab 1998 haben wir in der Thematik der kulturellen Veranstaltungen eine Neuerung eingeführt. Das Europa Institut gewährte der Germanistin und Literaturhistorikerin Harriet Nemeskürty ein Stipendium mit dem Ziel, ein deutschsprachiges Drehbuch zwecks Bühnen-Darbietungen bezüglich herausragender Gestalten der modernen deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts zu schreiben. Das Thema: die Vergegenwärtigung der deutschen Kultur und Europas. Auf diese Weise kam das Europa Institut mit dem Deutschen Theater Budapest in Verbindung und organisiert jährlich ein oder zwei Kammervorstellungen im „Vigadó” (Redoute), und zwar unter der Mitwirkung der Dramaturgin Harriet Nemeskürty sowie mittels der organisatorischen Tätigkeit der Stipendiaten des Institutes. An den Kunstabenden beteiligt sich nicht nur der Mitarbeiterstab des Institutes, sondern ebenso regelmäßig das sich um das Institut scharende Pester Stammpublikum. Zu den letzten beiden Anlässen erschienen der Staatspräsident und mehrere Mitglieder des heimischen diplomatischen Korps. Die stadtweit ein Gesprächsthema bildenden und erstrangige Schauspieler präsentierenden Vorstellungen werden allseits als großer Erfolg des Europa Institutes verbucht.
f) 10 Jahre Europa Institut
Im Juli 2000 beging das Europa Institut Budapest den 10. Jahrestag seiner Gründung. Aus diesem Anlass erschienen bei uns außer seinen Stiftern auch einstige und gegenwärtige Professoren des Wissenschaftlichen Beirates des Institutes bzw. ehemalige Stipendiaten. Es wurde eine wissenschaftliche Tagung abgehalten, anlässlich welcher die Stipendiaten aus ihren in den letzten Jahren verfassten Arbeiten Ausschnitte vortrugen. Diese Vorträge sind im Band 11 der „Begegnungen” (Hin zu neuen Zielen, 2002) publiziert worden.
4. Betriebsordnung
a) Leitungsgremien: Kuratorium, Wissenschaftlicher Beirat
In den vergangenen 4 Jahren waren die Führungsgremien des Institutes regelmäßig dem Statut entsprechend tätig.
Zwischen 1998 und 2001 tagte der Stiftungsrat jährlich. 1998 wurde die Mitgliedschaft (anlässlich der Wahlen) um eine Person, und zwar Prof. H. Haselsteiner, Universität Wien, erweitert. In jedem Jahr wurde ein Überblick über die Wirtschaftsführung und Vermögenssituation der Stiftung gewährt. Analysiert wurden die sich aus der Zinssenkung (ab 2000) ergebende Verschlechterung der Positionen, die Schwierigkeiten bei der Finanzierung. Man traf Entscheidungen zur Erhöhung von Stipendien und Honoraren. Zwischen 1999 und 2001 befasste man sich mehrmals auf Anregung von H. Batliner mit dem Plan des Erwerbs einer Immobilie für das Institut. (Von diesem Plan nahm unser Stifter schließlich mit jener Meinung Abstand, dass zwar eine eigene Immobilie die finanzielle Lage des Institutes erleichtern würde, doch es einfacher wäre, derartige Schwierigkeiten mit regelmäßigen Finanzspritzen zu überbrücken, als den Kauf einer bedeutenden Immobilie auf sich zu nehmen. Eine Veränderung bei den Zielsetzungen erfordert sowieso nur ein Institut auf kleinerem Raum. An die Stelle der für kurze Zeit angenommenen nämlich treten wenige, langfristig aufgenommene Stipendiaten bzw. die gesteigerte Herausgabe von Publikationen.) Regelmäßig ging der Stiftungsrat auf die fachliche Leistung des Institutes ein: man nahm den detaillierten Jahresbericht des Direktors über Stipendiaten, Publikationstätigkeit, im Institut organisierte Konferenzen, Seminare usw. entgegen. (Die Berichte werden auch in den Bänden der „Begegnungen” des darauf folgenden Jahres veröffentlicht, auf diese Weise die Tätigkeit des Institutes der breiten Öffentlichkeit vertraut machend.) Schließlich bezog das Kuratorium Stellung zu personellen Fragen: man entschied 1998 und 2000, wer Corvinus-Preisträger des kommenden Jahres sein solle und fasste Beschlüsse zur Zusammensetzung von Stiftungsrat und Wissenschaftlichem Beirat. So wurde zum Beispiel 2001 beschlossen, ab 2002 in den Wissenschaftlichen Beirat des Europa Institutes Budapest in Vertretung des Gründers Peter-Kaiser-Stiftung anstelle des auch in dessen Beirat abgelösten Prof. A. Riklin Herrn Dr. J. Jung aufzunehmen. (Die Verdienste von A. Riklin betreffs der Gründung wurden vom Kuratorium besonders hervorgehoben.) Gleichzeitig nahm der Stiftungsrat zur Kenntnis, dass Prof. F. Mádl, Gründungsmitglied des Wissenschaftlichen Beirates, inzwischen zum Staatspräsidenten gewählt worden war, trotzdem aber Mitglied des Beirates zu bleiben wünschte und regelmäßig Informationen über die Tätigkeit des Institutes erhalten möchte.
Die Mitglieder des Kuratoriums gewähren dem Direktor kontinuierlich Unterstützung; Dr. H. Batliner nicht nur mit Ratschlägen sondern ebenso mit persönlicher finanzieller Opferbereitschaft – er hat das Institut auch im Jahre 2001 mit einem bedeutenden Bargeldbetrag unterstützt, darüber hinaus noch den Corvinus-Preis gestiftet. Dr. E. Busek stellt für das Institut den europäischen und mitteleuropäischen „Hintergrund” dar, er hat es u. a. regelmäßig in die von ihm ausgeführten mitteleuropäischen Aktionen einbezogen. István Töröcskei ist ständiger Wirtschaftsberater des Direktors, die Professoren Haselsteiner und Vékás sind ständige Konsulenten des Direktionsrates in personellen, wissenschaftlichen und rechtlichen Angelegenheiten. Prof. Manherz ist darüber hinaus Leiter der konkreten Wirtschaftsführung.
Der Wissenschaftliche Beirat tagte von 1998–2001 dem Statut entsprechend. 1998 trat eine Änderung in der Zusammensetzung ein: Dr. K. O. von Aretin ging in den Ruhestand und an seine Stelle trat A. Suppan, Direktor und dann Obmann des Wiener ÖOSI.
Der Wissenschaftliche Beirat tagte jährlich, man ging auf die Berichte des Direktors ein, nahm Stellung zu den wissenschaftlichen Plänen und gestaltete die wesentlichen Projekte des Institutes. Detailliert wurden die Themenschwerpunkte abgehandelt (Europäische Union, Geschichte, Wirtschaftspolitik, Minderheitenpolitik usw.). Man bezog Stellung zu Konferenzen und fachlichen Leistungen der Stipendiaten, schätzte die Publikationen ein. Der Beirat legte dem Kuratorium 1999 jenen Plan vor, wonach gemäß Stellungnahme des Stiftungsrates aus dem Jahre 1998 Publikationen und Konferenzen bei der Tätigkeit des Institutes in den Vordergrund zu rücken seien und man die Anzahl der Stipendiaten vermindern sollte. Ähnlich wie die Mitglieder des Kuratoriums haben jene des Wissenschaftlichen Beirates gemeinsam beim Brainstorming regelmäßig neueste wissenschaftliche Aktionen beraten. Von besonderer Bedeutung war diese Zusammenarbeit in Bezug auf das Millennium der Staatsgründungen in Mitteleuropa und die Verhandlungen zur Osterweiterung der Union.
b) Der „Alltag” im Institut
Am 4.–5. Juli 2000 hat der Direktionsrat dem Kuratorium und dem Wissenschaftlichen Beirat anlässlich der Jubiläumsfeier einen Bericht über das 10-jährige Wirken des Institutes vorgelegt. Derzeit bot sich die Gelegenheit, erneut detailliert die sich seit 1990 gestaltende Betriebsordnung zusammenzufassen. Einmal wöchentlich (in den letzten vier Jahren mittwochs) findet das gemeinsame Mittagessen statt, und zwar mit Beteiligung der Professoren und ständigen ungarischen Stipendiaten des Institutes. Anschließend tagt der Direktionsrat, der die Veranstaltungen der kommenden Woche bespricht und Stellung zu den Stipendienanträgen bezieht. Danach wiederum folgt die Kaffeerunde bzw. das Seminar – hier beteiligen sich ein-zwei Professoren des Institutes oder Tutoren, der eventuelle Gastreferent und sämtliche Stipendiaten. Selbstverständlich ist die Anwesenheit auf diesen Konferenzen, Arbeitsbesprechungen, Buchpräsentationen für alle obligatorisch.
c) Personalbestand
In der Personalstruktur des Institutes mussten 1999 gewisse Veränderungen vorgenommen werden. Nach dem Tode von György Kovács nach langer Krankheit hat auf Beschluss des Stiftungsrates György Haraszti seinen Platz eingenommen. Im Management des Institutes spielen jene jungen ungarischen Stipendiaten eine immer größere Rolle, die im Rahmen des wissenschaftlichen Programmes des Institutes an ihrer Dissertation arbeiten. Die große Anzahl von Veranstaltungen und die Steigerung bei den Publikationen waren in den vergangenen Jahren nur deshalb möglich, weil die sog. heimischen Stipendiaten unter der Anleitung der Professoren in den eigenen Themenbereichen selbständig Konferenzen organisierten und sich an dem Redigieren der Publikationen beteiligten. Auf diese Weise bietet sich die Gelegenheit, in den Veranstaltungsplänen des Institutes in immer größerem Umfange die Bereiche Rechtswesen, Umweltschutz und Sicherheitspolitik zu berücksichtigen. Mit anderen Worten: mit der Erweiterung des Interessenbereiches und des Kreises der Stipendiaten konnte auch das traditionelle Themenangebot des Europa Institutes angereichert werden.
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Ich bitte die Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirates bzw. des Stiftungsrates, den vorgelegten Vier-Jahres-Bericht anzunehmen und bezüglich der perspektivischen Tätigkeit des Institutes für die kommenden vier Jahre Stellung zu beziehen.
Budapest, 21. Juni 2002
Ferenc Glatz
Direktor