III.
Forschungsprojekte
5. Wasserbewirtschaftung im Karpatenbecken
Im Rahmen des diesjährigen Programms des Projekts „Wasserbewirtschaftung im Karpatenbecken” wurden Konferenzen organisiert bzw. es wurde ein Abschlussbericht erstellt. Im Folgenden werden die zusammenfassenden Beschreibungen zu den Veranstaltungen sowie ein Auszug der von Prof. Ferenc Glatz verfassten Abschlussstudie bzw. ein Lagebericht über die Wasserbewirtschaftung in Ungarn herangeführt.
a.) Veranstaltungen
Expertensitzung des Projekts „Wasserbewirtschaftung im Karpatenbecken” (30. September 2009)
(Mit den Vertretern des Amtes des Ministerpräsidenten, der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, mitunter des Sozialforschungszentrums der UAW, und des Europa Instituts Budapest)
Das im Rahmen der Vereinbarung zwischen der Ungarischen Akademie der Wissenschaften und dem Amt des Ministerpräsidenten mit Einbeziehung des Sozialforschungszentrums der UAW und des Europa Instituts Budapest laufende Projekt zu den strategischen Forschungen organisiert in regelmäßigen Zeitabständen Werkstattkonferenzen, zu denen die Vertreter der im Projekt beteiligten Institutionen eingeladen werden, um gemeinsam den Projektverlauf und die fachspezifischen Fragenkreise zu diskutieren sowie mögliche neue Ansätze zu finden. Bei der Sitzung wurden die Zielsetzungen des kommenden Projektjahres zusammenfassend erläutert. Diese sind die Erfassung der Mängel und Rückständigkeiten in der Wasserbewirtschaftung (Wasserrückhaltung, Wasserbewirtschaftung in den ländlichen Gebieten usw.), perspektivischer Ausschau nach grenzüberschreitenden Projekten in Ostmitteleuropa mit besonderer Hinsicht auf den Karpatenbecken, das Monitoring der Durchführung der EU-Wasserrahmenlinie und für den Themenkreis Mensch und Wasser die Einbeziehung von Sozialforschungsinstitutionen und individuellen Experten in das Projektteam, das gegenwärtig vorwiegend aus Ingenieuren, Fachexperten des Bereichs Wasserbewirtschaftung und Ökologen besteht.
(30 Teilnehmer)
Präsentation der Ergebnisse des Projekts „Wasserbewirtschaftung im Karpatenbecken”
(1. Oktober 2009)
(Gemeinsame Veranstaltung des Amtes des Ministerpräsidenten, der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, bei der das Sozialforschungszentrums der UAW, das Zentrum für Balkanforschung und das Europa Institut Budapest vertreten waren)
Im Rahmen der am 1. Oktober 2009 organisierten Konferenz wurden die Ergebnisse der bisherigen Forschungen des im Rahmen der Vereinbarung zwischen dem Amt des Ministerpräsidenten und der Ungarischen Akademie der Wissenschaften laufenden Projektes „Wasserbewirtschaftung im Karpatenbecken”, das vom Europa Institut Budapest gefördert wird, präsentiert. Das Projekt wünscht die Vorbereitungen auf die EU-Präsidentschaft Ungarns in 2011 zu strategischen Fragenbereichen der Wasserbewirtschaftung zu unterstützen, insbesondere, da das prioritäre Thema der ungarischen EU-Präsidentschaft voraussichtlich das Wasser und die Bewirtschaftung der zur Verfügung stehenden Wassermengen in Europa sein wird. Es soll eine zusammenfassende Analyse der Oberflächen- und Grundwasserbestände erarbeitet werden. Die nachhaltige Wasserrückhaltung ist ein weiteres ernst zu nehmendes Thema, das näher untersucht werden soll. Hierbei gilt es die oft gegensätzlichen Interessen der Verbraucher (Gesellschaft, Landwirtschaft, Industrie usw.) in Betracht zu ziehen, aber auch auszusöhnen. Ebenfalls die Durchführung der EU-Wasserrahmenrichtlinie in Ungarn bedarf näherer Untersuchungen, und es müssen die Mängel aufgedeckt und die Lösungsansätze gefunden werden. Ebenfalls soll das Donau-Projekt neu belebt werden, bei der Ungarn eine Schüsselrolle übernehmen könnte. Ein weiterer wichtiger Themenbereich ist das Monitoring der Trinkwasserversorgungs- und der Abwasserentsorgungssysteme. Mit Bezug auf den Tourismus sollen die Potentiale der reichen Wasserbestände (Seen, Flüsse, Thermalquellen usw.) gut genutzt werden, und dies erfordert eine bewusste und wohl fundierte Planung. Nicht zuletzt soll das von Prof. Ferenc Glatz initiierte Programm zum Thema Wasser und Gesellschaft ausgearbeitet werden. Die Gesellschaft soll bewusst zum verantwortungsvollen und nachhaltigen Gebrauch des Wassers angeregt werden, wobei den Menschen ein historischer Rückblick auf das Verhältnis von Wasser und Gesellschaft vermittelt werden soll. Es soll sich ein Verhalten in der Gesellschaft ausbilden, das der Umwelt gegenüber fürsorglich und dem Wasser gegenüber freundlich erweist.
(80 Teilnehmer)
Expertensitzung des Projekts „Wasserbewirtschaftung im Karpatenbecken” (26. Januar 2010)
(Mit den Vertretern des Amtes des Ministerpräsidenten, der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, mitunter des Sozialforschungszentrums der UAW, und des Europa Instituts Budapest)
Die zweite Expertensitzung des Jahres 2009/2010 zum Projekt „Wasserbewirtschaftung im Karpatenbecken”, das im Rahmen der Vereinbarung zwischen der Ungarischen Akademie der Wissenschaften und dem Amt des Ministerpräsidenten mit Einbeziehung des Sozialforschungszentrums der UAW und des Europa Instituts Budapest läuft, überblickte die Programme der kommenden Monate. Es wurde ein Plan für die Vorbereitung einer Konferenz zum Thema „Wasser – Landschaft – Gesellschaft” diskutiert. Im Rahmen der Veranstaltung sollen die vielseitigen Aufgaben und Tätigkeitsfelder in Verbindung mit der Rolle des Wassers in der Gesellschaft (Trinkwasser, Wasserversorgung, Agrarwirtschaft, Wasserkunstbauten, Industrie, Klimawandel usw.) präsentiert werden, wobei das Wasser als wichtiger Bestandteil der Landschaft dargestellt werden soll. Hierbei geht es nicht in erster Linie um den Umweltschutz, sondern um das beständige Zusammenleben mit dem Wasser, sowohl in den Städten als auch in den ländlichen Gebieten. Im Weiteren soll die Vorbereitung einer Konferenz unternommen werden zur Untersuchung der Durchführung der Wasserrahmenrichtlinie in Ungarn. Dies wäre zu einem ein Monitoring der bisher unternommenen Schritte, aber es sollte ebenfalls zur Diskussion zwischen den Vertretern der Fachverwaltungen und den Fachexperten anregen, wobei die Zivilgesellschaft ebenfalls angesprochen werden sollte. Prof. Ferenc Glatz präsentierte seinen Vorschlag hinsichtlich der Vorbereitung einer Ausstellung über die Geschichte des Wassers im Karpatenbecken. Letztendlich sollen die Ergebnisse der Forschungen der Gesellschaft unterbreitet werden. Denn es ist die Gesellschaft, die ein Wasser freundliches, bewusstes, dem Wasser gegenüber verantwortliches Verhalten aneignen muss.
(30 Teilnehmer)
Konferenz „Wasser, Landschaft und Gesellschaft”
(2. März 2010)
(Gemeinsame Veranstaltung des Programmkomitees für Nationale Strategische Forschungen der UAW, des Ungarischen Nationalen Netzwerks Ländlicher Raum und des Europa Instituts Budapest)
Alle drei Themen an sich stehen seit Jahren im Fokus der Forschungstätigkeit des Europa Instituts Budapest. Mit der Beteiligung an dieser gemeinsamen Konferenz des Programmkomitees für Nationale Strategische Forschungen der UAW, des Ungarischen Nationalen Netzwerks Ländlicher Raum und des Europa Instituts Budapest wünscht unser Institut sich betont einem neuen Schwerpunkt seiner Tätigkeit, dem Themenkreis „Wasser und Gesellschaft” zuzuwenden. Die Konferenz erweckte ein großes Interesse sowohl bei den Vertretern der Fachverwaltung, den Fachleuten für Wasserwesen als auch bei Forschern der Sozialwissenschaften.
Die Konferenz wurde mit dem einführenden Vortrag von Prof. Ferenc Glatz begonnen, in dem er das Verhältnis zwischen dem uns zur Verfügung stehenden Wasser und den damit verbundenen Ansprüchen in der Gesellschaft erörterte. Er sprach über die soziale und historische Rolle des Wassers, die eine entscheidende Voraussetzung für die Entwicklung der Populationen in Europa war. In seinem Vortrag fasste er die bisherigen Ergebnisse im Fachbereich Wasserwesen zusammen, wobei er auf die diesbezügliche Zusammenarbeit des Europa Instituts Budapest, des Programmkomitees für Nationale Strategische Forschungen der UAW, des Ungarischen Nationalen Netzwerks Ländlicher Raum und der weiteren Forschungsinstitute sowie Fachexperten verwies. Dem Eröffnungsvortrag von Prof. Glatz folgend sprachen amtierende und ehemalige hochrangige Beamten der Fachadministration für Wasserwesen sowie international anerkannte ungarische Fachexperten über die Möglichkeiten der bedachten und nachhaltigen Wasserbewirtschaftung sowie über die Herstellung einer Balance zwischen den Wasseransprüchen der Gesellschaft und der Agrarwirtschaft und der Industrie zu betreiben sowie über die Rolle und Funktion des Wassers in der Gesellschaft, somit für die in den Städten und auf dem Land lebenden Menschen. Der Staatssekretär des Ministeriums für Umweltschutz und Wasserwesen, László Kóthay, bot einen Überblick zu den bisherigen Ergebnissen der Donau Strategie und sprach über den aktuellen Stand der Planung zur Bewirtschaftung der in den Wasserreservoirs aufgestauten Wassermengen. Hierbei ist die Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Union maßgebend, laut der bis 2015 in den EU-Mitgliedstaaten der gute Zustand der Oberflächen- und Untergrundgewässer sowie ihre Nachhaltigkeit gewährleistet werden müssen. Hinsichtlich der infrastrukturellen Voraussetzungen, den bereits funktionsfähigen Wasserbauten und den zukünftigen Möglichkeiten in diesem Bereich hielten Ferenc Ligetvári, Minister für Umweltschutz a.D., ebenfalls früherer Minister Miklós Varga und der Direktor des Direktorats für Wasserwesen und Umweltschutz, József Váradi, Vorträge. Staatssekretär des Ministeriums für Umweltschutz und Wasserwesen, László Haraszthy, betonte, dass bei der Wasserrückhaltung zur Deckung der Wasserbedürfnisse ein Gleichgewicht erreicht werden muss, um die Umwelt nicht zu stark zu belasten. Prof. István Láng sowie die Klimaforscher, Miklós Zágoni und Béla Nováky sprachen über die Gründe des Klimawandels und die zu erwartenden extremen Wetterbedingungen.
Bei der Konferenz waren auch die Leiter der Wasserversorgungswerke vertreten und József Ángyos, Generaldirektor des Wasserversorgungswerkes der Stadt Debrecen, verwies auf die Notwendigkeit der weiteren Förderungen dieser Werke. Prof. Glatz äußerte sich in seinem Schlusswort positiv über die Tatsache, dass die politischen Entscheidungsträger die Tätigkeit der Fachexperten anerkennen und ihnen die Ausarbeitung von langfristigen strategischen Plänen überlassen, was wiederum ein Beweis für die Rolle der Kontrolle der Zivilgesellschaft ist.
(110 Teilnehmer)
Präsentation der Ergebnisse des Projekts „Wasserbewirtschaftung im Karpatenbecken”
(4. März 2010)
(Gemeinsame Veranstaltung des Amtes des Ministerpräsidenten, der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, bei der das Sozialforschungszentrums der UAW, das Zentrum für Balkanforschung und das Europa Institut Budapest vertreten waren)
Im Rahmen des vom Amt des Ministerpräsidenten und der Ungarischen Akademie der Wissenschaften organisierten Konferenz zur Präsentation der Ergebnisse der im Rahmen dieser Vereinbarung laufenden Projekte, wurde der Stand der Forschungen des Projekt „Wasserbewirtschaftung im Karpatenbecken”, das von Prof. Ferenc Glatz initiiert wurde, in Form einer Präsentation vorgelegt. Miklós Varga, ehem. Minister und Fachexperte für Wasserbewirtschaftung, bot eine Zusammenfassung zu den bisherigen Ergebnissen des Projekts. Es wurde die erste Fassung einer Chronologie der Wasserbewirtschaftung in Ungarn nach dem Zweiten Weltkrieg erstellt (Prof. Ferenc Glatz, Kornelia Burucs). Die ersten Pläne für eine Homepage zu „Wasser und Gesellschaft”, die sowohl auf Ungarisch als auch Englisch zugänglich sein wird, liegen bereits vor. Hier soll auf die zu ähnlichen Themenkreisen veröffentlichten internationalen Internetseiten und Konferenzen sowie auf die neuesten Forschungen im Bereich nachhaltige Wasserbewirtschaftung reflektiert werden, von denen dann eine Datenbank erstellt wird. (Prof. Ferenc Glatz, Kornélia Burucs). Es stehen Studien zu den folgenden Themen zur Verfügung: 1.) Ungarns Politik für Wasserwesen mit besonderer Hinsicht auf die Grenzregionen (Miklós Varga); 2.) Wasserbewirtschaftung in den ländlichen Gebieten mit Berücksichtigung der Auswirkungen des Klimawandels (Miklós Varga, Prof. István Láng). Im Rahmen des Projekt wurde eine Konferenz mit dem Titel „Wasser – Landschaft – Gesellschaft” (2. März 2010) organisiert. In den Vorträgen wurden die folgenden Themen behandelt: Wasserverbrauch und Gesellschaft (Prof. Ferenc Glatz); Agrarwirtschaft und Wassernutzung (Ferenc Ligetvári); Möglichkeiten und Grenzen der Wasserrückhaltung (Miklós Varga); Wasserregelung und territoriale Regelung (József Váradi); Wasserregelung und Umweltschutz (Staatssekretär für Umweltschutz László Haraszthy); Niederschlagswerte und extreme Wetterereignisse (Prof. István Láng); Klimawandel und Wasserbewirtschaftung (Klimaforscher Miklós Zágoni und Béla Nováky); Förderung der Wasserversorgungswerke (József Ányos). Unter den weiteren Plänen des Projekts sind die Vorbereitung einer Werkstattkonferenz über das Monitoring der Durchführung der Wasserrahmenrichtlinie in Ungarn und einer Ausstellung über die Geschichte und Rolle des Wassers im Karpatenbecken zu nennen.
(80 Teilnehmer)
b.) Beiträge zum Thema „Wasserbewirtschaftung im Karpatenbecken”
Programm zur Wasserbewirtschaftung im Karpatenbecken
(Auszug aus der Programmschrift von Ferenc Glatz „Wasserbewirtschaftung
im Karpatenbecken im 21. Jahrhundert”)
Jetzt im Jahre 2009 sind wir folgender Meinung: Es soll ein neues, regionales Programm zur Wasserbewirtschaftung im Karpatenbecken entwickelt werden. Das Programm soll sich nicht ausschließlich auf die Wasserprozesse im Karpatenbecken beziehen, sondern auch auf alle Details beim Verhältnisses der Gesellschaft zum Wasser (auf das so genannte „Leben mit dem Wasser”), sowie auf die Vorstellung der Organisationen und Institute, die im Bereich der Wasserbewirtschaftung tätig sind. Eines der Ziele des Programms soll die Formulierung und Ausgestaltung von miteinander kompatiblen nationalen Rechtsvorschriften und fachspezifischen Leitungsorganisationen sein. Ein weiteres Ziel lautet: Die Einfügung des Programms zur Wasserbewirtschaftung im Karpatenbecken in die Naturbewirtschaftungspolitik der Europäischen Union, die sich nunmehr in südöstliche Richtung ausdehnt. Als Grundlage des Programms für Wasserbewirtschaftung im Karpatenbecken (PWK) dienen kontinentale Wasserbewirtschaftungsprogramme, die unsere Region erfassen: Teilweise die Wasserrahmenrichtlinie der EU (als ein politisches Grundprinzip, das die internationale Normen und Mittel der Wasserbewirtschaftung festlegt), sowie die Donau-Programme. Die bereits aktive Donaukommission und das Übereinkommen über die Zusammenarbeit zum Schutz und zur verträglichen Nutzung der Donau. (Donauschutzübereinkommen). Sowie auch die Donaustrategie, die gegenwärtig erarbeitet wird. Diese erfassen das gesamte Gebiet der Region, mitsamt allen Staatsgebieten der Region, und benötigen und ermöglichen eine auf gemeinsame Prinzipien beruhende Kooperation. (Was die Organisationsstruktur betrifft, ist diese Zusammenarbeit jedoch nur teilweise möglich, und erreicht nicht den Integrationsgrad der Wasserbewirtschaftung, der vor 1918 zu beobachten war.) Zu diesen Themen sollen wir ausführliche Informationen sammeln. Es soll wiederholt werden: Die Erfüllung dieser Ziele ist umso dringender, weil Ungarn 2011 für ein halbes Jahr die Präsidentschaft der Europäischen Union übernehmen wird, und eines der prioritären Themen dieses Halbjahres voraussichtlich „das Wasser” sein wird. Ungarn kann mit einer taktisch geschickten internationalen Diplomatie regionale Wasserbewirtschaftungspläne vorlegen – deren nationalpolitische Auswirkungen ebenfalls bedeutend sein können.
Das Programm soll von einer Organisation verwaltet, erfasst und gelenkt werden. Budapest sollte es auf sich nehmen, die Struktur und Arbeitsmechanismen dieser Organisation auszubauen, das Programm selbst vorzubereiten und die diesbezüglichen Diskussionen zu veranstalten. (Genauer formuliert: Budapest soll sich für diese Aufgabe melden.) In Budapest könnte auch das Programmbüro sein. Die jetzige Situation ist günstig: Ungarn wird im Jahre 2011 die Mitpräsidentschaft der EU übernehmen. Eine der zwei internationalen Donau-Organisationen, die Donaukommission, hat ihren Sitz seit 1954 sowieso in Budapest. (Der Bürositz des Donauschutzübereinkommens befindet sich in Wien.) Wenn die oben erwähnte Donaustrategie „aktiviert” wird, muss auch für deren Administration ein Zentrum gefunden werden. Budapest wäre auch diesbezüglich eine Option, und könnte als eine Organisationskraft gerade bei der EU-Erweiterung in Richtung Balkan in fachspezifischen Bereichen, wie die Wasserbewirtschaftung auftreten. (In Klammern sei bemerkt: Dieses Programm haben wir bereits 2006 vorgeschlagen - und schriftlich vorgelegt -, unser Vorschlag „passte” jedoch damals nicht in das sog. Flaggenschiff-Programmpaket. Letztendlich wurde daraus sowieso nichts. Die Regierung hatte Angst, dass ein Wasserbewirtschaftungsprogramm im Karpatenbecken schon am nächsten Tag das Thema des Wasserkraftwerks von Gabčíkovo–Nagymaros auf die Tagesordnung setzen würde, sowie die slowakisch-ungarischen Debatten, bzw. die Auseinandersetzung der Umweltschützer und der noch übrig gebliebenen Experten der Wasserbewirtschaftung in Ungarn. Da das Ministerium alle Pläne mit fachlichen Vorurteilen zusammenstellen ließ – die Schiffbarkeit der Donau durfte nicht auf die Tagesordnung gesetzt werden –, widmete die Regierung dem Wasserbewirtschaftungsprogramm im Karpatenbecken keine Aufmerksamkeit. Der „kalte Krieg der Politik” begünstigte ohne hin nicht die fachpolitischen Diskussionen zwischen den Parteien.)
Wir sprechen über und hoffen auf den Aufbau eines neuen politischen Regimes in der EU („Vertrag von Lissabon”, 2007) – wie es auch schon in der Einleitung erwähnt wurde. Ein Regime, wo die Politik der Empfehlungen durch eine Politik von Maßnahmen und Verpflichtungen, sowie die Politik der Rechenschaftsforderungen abgelöst wird. Sowohl im Bereich der Finanzen, als auch im Bereich der Naturbewirtschaftung. Wir vertrauen auch darauf, dass die beiden großen europäischen Programme die Staaten der Region in diese Richtung zwingen werden. (Sowohl die Durchführung der Donau-Programme, als auch die der Wasserrahmenrichtlinie, deren Durchführungsperiode in diesen Jahren – zwischen 2010–2014 – erfolgen wird.)
Vor der Vorlegung des Programms zur Wasserbewirtschaftung im Karpatenbecken soll eine Situationsanalyse, und – als Teil dieser Analyse – eine historische Rechenschaft erfolgen, d.h. die Übersicht der regionalen Traditionen der Wasserbewirtschaftung, bzw. der historischen Organisationen. Vor allem muss die Übersicht der Traditionen der Wasserbewirtschaftung der Nationalstaaten in den vergangenen 90 Jahren erfolgen. Ich schlage die Durchführung von historischen Vorstudien aus drei Gründen vor. Der erste Grund lautet: Die selbe Generation muss die grenzüberschreitenden Programme der Naturbewirtschaftung – und der Wasserbewirtschaftung – zustande bringen und durchführen, die in der Administration der Nationalstaaten aufgewachsen, geschult und geübt wurde. Für uns kann alles als eine Reihe von primär „zwischenstaatlichen” Aktionen erscheinen. Die historische Rechenschaft kann die Überlegung unserer eigenen früheren Vorstellungen, und die nötigen Korrektionen unterstützen. Der zweite Grund: Wir erleben einen Weltanschauungswechsel und einen Wertordnungswechsel. Nicht zuletzt was den in hundert Jahren uns anerzogenen technokratischen Optimismus bezüglich der Nutzung der natürlichen Kraftquellen betrifft. Auf der anderen Seite wurde uns als Gegenfaktor eine allgemeine Technikfeindlichkeit auferlegt. Die Naturbewirtschaftung (Umweltschutz) und die Technokraten (die die Natur bezwingen) sollen gegenseitig voneinander lernen. Beide Seiten sollen sowohl die eigenen Verdiensten als auch die anfänglichen Kinderkrankheiten in Betracht ziehen. Der dritte Grund: Neue Institutionen können nur auf die Grundlagen der alten Institutionen gebaut werden. Weder die alte Expertengarde der Nationalstaaten, noch die Institutionen können „abgelöst werden”. Die Diskussionen der folgenden Jahre werden – das sieht man schon an den nationalen-staatlichen Debatten bezüglich der Wasserrahmenrichtlinie – die Periode der historischen Gegenüberstellung, des Lernens und das Klären der Wertordnungen mit sich bringen. Die nächsten vier Jahre, d.h. die Periode, die dem nächsten siebenjährigen Plan der EU vorangeht, soll von Diskussionen, Diskussionen und abermals Diskussionen gekennzeichnet werden.
Die Geschichte der Wasserbewirtschaftung zur Zeit des politischen Systemwechsels erlaubt die Behandlung von sechs Themenkreisen auch „aus historischer Perspektive”, diese sollten baldmöglichst – bis 2011 – auf die Tagesordnung gesetzt werden.
Der erste Themenkreis: Trinkwasser- und Abwasserprogramme vom Beginn des Jahrhunderts bis zur Gegenwart. (Bekannt ist, dass bei der Trinkwasserversorgung und der Abwasserentsorgung in Verbindung mit den öffentlichen Werken die Öffnung der Schere nicht in den 1960er Jahren, und nicht einmal zwischen den zwei Weltkriegen, sondern bereits zur Wende des 19-20. Jahrhunderts begann. Man findet dieses Phänomen in allen europäischen Staaten, in denen eine langfristig geplante, kontinuierliche Entwicklung bei der Wasserversorgung der Bevölkerung fehlte, oder in denen der Staat, die Gemeinde, oder die Privatinvestoren an Kapitalmangel litten. Der Ausbau eines Leitungstrinkwassersystems ist viel billiger, als die Abwasserentsorgung. Entsorgung und später Abwasserreinigung. In der ersten Hälfte des Jahrhunderts erschien die Trinkwasserversorgung als vorrangig, während die Überlegungen zum Umweltschutz (die Entsorgung von Abwasser) nur als zweitrangig angesehen wurde. Noch dazu ist die Definition des Begriffs des gesunden Trinkwassers innerhalb der EU das Thema zahlreicher Diskussionen. Eine gleichfalls oft diskutierte Frage lautet, was moderner ist: Die Abwasserentsorgung, oder die lokale Abwasserreinigung. (Besonders in einem Raum wie Ostmitteleuropa, wo in Folge der zerstreut liegenden Kleinsiedelungen die Abwasserentsorgung kaum finanzierbar erscheint.)
Der zweite Themenkreis: Die Umgestaltung der Eigentumsverhältnisse in den Jahren der Wende. (Es ist bekannt: Beinahe alle Experten, die sich mit Wasserbewirtschaftung beschäftigen, halten die gegenwärtige Situation in der Wasserversorgung für unhaltbar. Die etwa vierhundert Dienstleistungswerke können die Zuverlässigkeit der Wasserversorgung nicht garantieren. Aber wie entstand die gegenwärtige Situation, welche politischen Programme und Besitzerwechsel können dahinter aufgefunden werden? In wieweit dürfen in der Wasserbewirtschaftung die Forderungen des Marktes geltend gemacht werden?)
Der dritte Themenkreis: Naturschutz – Naturbewirtschaftung – Wasserbewirtschaftung. Das Gesetz vom 1992, das Programm vom 1992, sowie der Parlamentsbeschluss vom 1995. (Dazu gehört auch die Untersuchung der diesbezüglichen Bewegungen und der Naturschutzpolitik von Ungarn und der Europäischen Union. Das „Wasser” in den Rahmenprogrammen der EG zum Umweltschutz. Naturschutz stellt nur einen Aspekt des „Lebens mit dem Wasser” dar. Warum wird von den Naturkraftquellen „nur” das Wasser in der staatlichen Administration dem Naturschutz untergeordnet? Wie entstand das feindliche Verhalten der Naturschützer gegenüber der Wasserbewirtschaftung? Warum steht neben der Wasserbewirtschaftung die Lebensmittelproduktion im Mittelpunkt der Kritik der Naturschützer, wenn es die Industrie ist, die die größten Wassermengen verbraucht? (In den entwickelten westeuropäischen Staaten 75–77%, in Ungarn 70%.) Das System der Nationalparks, das in Ungarn bekanntlich in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre ausgebaut wurde, soll auch behandelt werden.)
Der vierte Themenkreis: Die politischen Parteiprogramme und das Wasser in den Regierungsprogrammen. (Die Regierungs- und Parteiprogramme müssen analysiert werden: Unter den natürlichen Kraftquellen – aufgrund der ersten diesbezüglichen Studien zumindest – war das „Wasser” seit 1985 Gegenstand der Politik und ein Mittel dazu, Wahlstimmen zu gewinnen.)
Der fünfte Themenkreis: Flussregelung, Schifffahrt, Gewinnung von Wasserenergie. Die Diskussion über Gabčíkovo–Nagymaros im europäischen Vergleich. (Die Geschichte des Wasserkraftwerks in Gabčíkovo–Nagymaros ist allgemein bekannt, von den ersten Plänen von 1911 bis zu unseren Tagen. Neue Aspekte könnten die gründlichere Untersuchung der Vorgeschichte und den Überblick der ähnlichen internationalen Diskussionen erleichtern. (Die damit verbundenen Emotionen können sowieso nur durch den Austritt der Gruppen und Generationen beruhigt werden, für die die Diskussion um die Staustufe in Gabčíkovo–Nagymaros den Höhepunkt ihrer politischen Aktivität bedeutete.) Ich persönlich schlage vor, eine vergleichende Analyse des an der oberen Strecke der Donau entstandenen ähnlichen Konfliktes durchzuführen. Die Rolle der erwähnten Donaukommission (1856) und des Berliner Friedens von 1878 (Balkankrieg) in der Geschichte der Schifffahrt auf der Donau soll auch untersucht werden: Man wollte – vor allem die Engländer - die Donau unbedingt schiffbar machen. Die Folge war später die erste Flussregelung auf der oberen Strecke in Oberungarn, sowie die Flussregelung beim Eisernen Tor (Vaskapu) auf der unteren Donau. (Mit deren Durchführung die Österreichisch-Ungarische Monarchie, bzw. Ungarn beauftragt wurden.) Noch früher – ebenfalls im Interesse der Schifffahrt – begann der Ausbau der europäischen Wasserroute Rhein-Main-Donau (1836–46). Nach dem Ersten Weltkrieg ermöglichte die neue leistungsfähige und effektive Technik in Europa, in Amerika und sogar in Afrika den Bau von großen Schleusen, die mit der großen „Erfindung” der Periode, mit der Verwendung der Wasserenergie verbunden wurde. (Die zu dieser Zeit ausgebauten elektrischen Verbrauchersysteme – Industrie, Bevölkerung – verbrauchen riesige Energiemengen.) Die Wasserroute Rhein-Main-Donau entwickelt sich langsam. Auf der unteren Strecke übergaben zuerst Ungarn, Rumänien und Serbien im Jahre 1896 gemeinsam den Kanal beim Eisentor für die Schifffahrt, dann bauten Jugoslawien und Rumänien zwischen 1964–72 als gemeinsames Unternehmen das moderne Wasserkraftwerk, das gegenwärtig 37% des Strombedarfes von Serbien und 27% des Strombedarfes von Rumänien deckt. Auf der oberen Strecke der Donau wurden zwischen 1921 und 1985 33 Schleusen gebaut. Österreich – nicht unabhängig davon, dass es seine Neutralität in 1955 erlangte und dass die sowjetischen Truppen das Land verließen – schloss sich 1959 den Bauarbeiten der Donau-Schleuse, bzw. des Wasserkraftwerkes an. Gleichzeitig begannen 1958 die tschechoslowakisch-ungarischen Verhandlungen über ein zu errichtendes Wasserkraftwerk. (In Österreich gibt es auf der Donau zurzeit 9 Wasserkraftwerke, die 20% des Energiebedarfs des Landes decken.) Seit 1992 ist das Rhein-Main-Donau-System vollständig schiffbar, ausgenommen die Donaustrecke in Ungarn.
Besonders interessant ist der Vergleich der Donau-Debatte in Ungarn zwischen 1985 und 1990 mit den Diskussionen in Altmühl zwischen 1977–1992. Die Proteste der lokalen Bevölkerung gegen das Wasserkraftwerk überschneiden sich zeitlich mit der in Deutschland zu dieser Zeit bereits begonnenen sog. Öko-Diskussion. Nach unseren Kenntnissen haben die Ingenieure und Zivile sowie die örtlichen Akteure – Politiker und Intellektuelle – in heftigen, jedoch von der Parteipolitik unabhängigen Diskussionen gemeinsam Kompromisse geschlossen. Bei Altmühl wurden schließlich Objekte gebaut, jedoch zahlreiche Höhlungen und tote Flussarme wurden auch ausgebaut. (Der Anblick ist mehr „technisch” als beim Theiß-See in Ungarn, er erfüllt jedoch alle Ansprüche der Naturschützer und es wird von der lokalen Bevölkerung und von der Fachliteratur als Muster der modernen „Naturwartung” erwähnt.) Aufgrund unserer einleitenden Studien sollen auch die Debatten verglichen werden, die in der Sowjetunion zwischen 1984–86 von Intellektuellen und aufgeklärten Parteiführern über die großen Flussumleitungen, bzw. über die dadurch verursachten Katastrophen geführt wurden. (Die berühmteste und auch in Ungarn bekannte internationale Diskussion wurde über das Zugrunderichten des Aralsees geführt.) Gorbatschow unterstützte die Umweltschutz-Bewegung und in 1986 stand in der Sowjetunion weltweit zum ersten Mal eine Naturschützer-Regierung (grüne Regierung) an der Spitze des Staates. Wie dem auch sei, die Parallelen zu ähnlichen deutschen, oder sowjetischen Diskussionen werden vom ungarischen Donau-Protest nicht anerkannt, doch zeigt der historische Vergleich – aufgrund unserer Forschungen – enge Parallele in der Denkweise. Vielleicht kann dadurch auch eine Erklärung dafür geboten werden, wie die Proteste gegen die Flussregelungen sich in Ungarn (und in der Sowjetunion) zu politischen Bewegungen entwickelten, bzw. warum das im demokratischen Deutschland nicht der Fall war.
Der sechste Themenkreis: Vorstellungen über die Wasserbewirtschaftung 1986–2007. (Bei der politischen Wende 1989-90, und dann in der Politik zwischen 1994 und 1998 erfuhr die Wasserbewirtschaftung erneut eine politische Prägung, die Wasserregelung wurde wieder und wieder mit der diktatorischen Politik verknüpft. Das verhinderte, dass Wasserbewirtschaftungskonzepte und Strategien entwickelt werden konnten, die die eigengesetzliche Entwicklung der Wasserkörper, und gleichzeitig auch das Verhältnis zwischen Wasser und Gesellschaft in Betracht ziehen. Wie auch, zum Beispiel, die Forschungsinstitute der Wasserbewirtschaftung während des Systemwechsels abgebaut wurden. Zweifellos ist ein großer Verlust der Bevölkerung und der Natur im Karpatenbecken, dass die Streitfragen bezüglich des Natur- und Wasserschutzes sowie des Wasserverbrauchs und der Wasserregelung in Ungarn nicht gelöst werden konnten. Unter diesen Umständen hat der Präsident der UAW – der Verfasser der vorliegenden Zeilen – am 22. März 1997, am Welttag des Wassers, ein neues nationales Programm zur Wasserbewirtschaftung verkündet. Innerhalb der Nationalen Strategischen Forschungsprogramme der Akademie – zu Themen wie Landwirtschaft, Verwaltungssystems, Sprachen, Verkehrswesen, Energetik usw. – begann auch ein strategisches Programm zur Wasserbewirtschaftung, dessen Leiter László Somlyódy, Mitglied der UAW war. Als Ergebnis erschien im Jahre 2000 ein Band über das Konzept der nationalen Wasserbewirtschaftung. (Bald wurde im Rahmen der nationalen strategischen Forschungen der Akademie auch die Theiß-Strategie unter der Leitung von György Enyedi und István Teplán fertiggestellt. Diese Ansätze sollten mit den Texten und Analysen verglichen werden, die im Auftrag des Ministeriums für Umwelt und Wasserwesen nach 2000 entstanden sind.
Die Aktivierung der Sozialwissenschaften bei der Gründung des Programms
Die Forschung der heutigen menschlichen Umgebung (der Gesellschaft), die das Wasser benutzt, ist, unserer Meinung nach, die Grundbedingung der Erfolge der Naturbewirtschaftung des 21. Jahrhunderts, und somit auch die Grundbedingung des Erfolgs des Programms zur Wasserbewirtschaftung im Karpatenbecken. (Schon deshalb, weil die ethisch-philosophischen Fragen, sowie die Fragen der Gemeinschaftsbildung und der Fachverwaltung wissenschaftlich untersucht werden müssen.) Die Grundsätze der Naturbewirtschaftung des vergangenen Jahrhunderts müssen überprüft werden. (So auch die Wasserbewirtschaftungsprogramme.) Zuerst muss ein Mentalitätswechsel erfolgen. Wir haben mehrmals gesagt, dass Naturbewirtschaftung, und dadurch auch Wasserbewirtschaftung nicht bloß die Zuständigkeiten von Ingenieuren, Naturforschern und Aktivisten sind, sondern auch potenzielle Forschungsgebiete für Forscher, die die Gesellschaft untersuchen. Zu den Diskussionen über die Programme zur Wasserbewirtschaftung müssen also nicht nur die Zivilgesellschaft, sondern – wie es weltweit der Fall war – auch die Soziologen hinzugezogen werden. Der systematische Überblick der Wasserverwendung kann die Politik und die verschiedenen Bewegungen von großen Irrtürmen bewahren.
Unser Vorschlag ist, dass das Sozialforschungszentrum der UAW zum Thema „Wasser und Gesellschaft” eine Forschungsgruppe gründen sollen. Es soll ebenfalls eine Homepage zu diesem Thema gestartet werden. Die Regierung soll dies – auch als Vorbereitung für die EU-Präsidentschaft in 2011 – unter die prioritären Programme aufnehmen. (Die UAW versucht seit 1998 ein Forschungsnetzwerk für die Wasserbewirtschaftung auszubauen; teilweise zur naturwissenschaftlichen Erforschung der vier großen Zuflussgebiete/Donau, Theiß, Plattensee, Süd-Ungarn/, und teilweise zur Erforschung des Wasserverbrauchs in Ungarn.)
Wasserbewirtschaftung in Ungarn – Lagebericht
(von Miklós Varga)
Der Fachbereich Wasserbewirtschaftung gehört in Ungarn zu einer der ältesten, auch auf Verwaltungsebene repräsentierten Wissenschaftszweigen. Ins besondere, da die Bewirtschaftung der Gewässer eng mit der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes, dem Verkehrswesen und dem Entwicklungspotential der landwirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verbunden ist.
Internationale Kooperation
Die geographischen Begebenheiten und die geopolitische Lage des Landes haben einen entscheidenden Einfluss auf die Nutzung von Wasser als Kraftquelle. Ungarn liegt im unteren Teil des Karpatenbeckens und somit im Einzugsgebiet der aus den umliegenden Gebirgsketten kommenden Fliessgewässer. Lediglich 5% der Quantität des in dem Karpatenbecken fallenden Niederschlags entsteht über dem Landesgebiet, was ebenfalls im internationalen Vergleich zu den unvorteilhaftesten Bedingungen zählt. Daraus folgt, dass der untere Karpatenbecken und somit das gesamte Landesgebiet sensible auf nahezu alle Veränderungen in den mehrere Hunderttausend km2 großen, höher liegenden Wassereinzugsgebieten reagiert, die zwangsweise durch das Wasser – Niederschlag bzw. grenzüberschreitende Gewässer – den umliegenden Gebieten übertragen werden. Die Auswirkungen dieser Veränderungen können die natürlichen Wasserverhältnisse nachteilig beeinflussen (stärkere Flutwellen, niedrigere Tiefwassererträge) und mit der Zeit zur Verschmutzung der Gewässer führen. Zusammenfassend kann also festgestellt werden, dass die Verlässlichkeit der Wasserbewirtschaftung von zahlreichen Aspekten abhängig ist, die wiederum ausschließlich mit Hilfe von internationalen Wasserabkommen behandelt werden können.
Die Kooperation zwischen Ländern, die durch ihre gemeinsamen Wassereinzugsgebiete verbunden sind, entsteht in erster Linie hinsichtlich der Grenzgewässer oder der Fliessgewässer, Seen und unterirdischen Gewässern, die entlang der Grenze verlaufen oder diese durchqueren. Solche Kooperationsbestrebungen können sich ausschließlich auf die Grenzgebiete oder auf die gesamte Ausdehnung des Wassersystems beziehen und werden vertraglich durch zwischenstaatliche, sog. Grenzwasserabkommen geregelt. Solche Abkommen widerspiegeln naturgetreu das politische Kraftfeld der Zeit und geben ein Bild über die zeitgenössischen Ansichten der multilateralen Vertragspartner zur Wasserbewirtschaftung.
Abkommen und Verträge
Die Grenzwasserabkommen Ungarns haben ihren Ursprung in den Friedensverträgen von Trianon. Auf die geographischen Begebenheiten des Karpatenbeckens bezogen erklärten sich die Vertreter der Nachfolgestaaten bereit anzunehmen, dass zur Kontrolle der zukünftig zu verrichtenden Vorhaben in den Bereichen Wasser- und Forstwirtschaft, welche die Interessen des anderen Staates beeinflussen können, ein internationales Komitee aufzustellen sei. Im Artikel 294 des Friedensvertrages wurde das Konzept der gemeinsamen Interessen festgelegt. Und auf Grund des Artikels 293 wurde das für den Donaubecken zuständige Ständige Technische Kommission für Wasserwesen (Comission Technique Permanente du Régime des Eaux du Danube – CRED) aufgestellt. Die voran angeführten Artikel hielten fest, dass die natürlichen Wasserverhältnisse – Wasserführung – ohne das Einverständnis des Komitees nicht verändert werden dürfen. Die CRED beendete ihre Tätigkeit in 1938. Die nach dem Zweiten Weltkrieg abgeschlossenen Pariser Friedensverträge konservierten die Zerstückelung der Wassereinzugsgebiete, ohne über die Fortsetzung der Tätigkeit der Kommission zu verfügen.
Die früheren Erfahrungen und die Verwüstungen der eintretenden Überschwemmungen (1948-1949) verwiesen auf die Notwendigkeit der internationalen Wasserabkommen. In den 1950er Jahren – nunmehr unter veränderten politischen Voraussetzungen – wurden die Grenzwasserabkommen mit den Nachbarstaaten abgeschlossen, die bis heute einen Einfluss auf die Wasserbewirtschaftungstätigkeit in den Einzugsgebieten der Donau und der Theiß ausüben.
Die sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen in den 1990er Jahren machten erneut die Modifizierung der Grenzwasserabkommen notwendig. Zu einem waren die Nachfolgestaaten nicht mehr identisch mit den ursprünglichen Vertragspartnern und zum anderen kamen neue multilaterale internationale Abkommen zustande, die eine neue Sichtweise in das Beziehungssystem der Wasserbewirtschaftung einbrachten. Die Nachfolgestaaten erkannten als Ausgangspunkt die Gültigkeit der mit ihren Vorgängern abgeschlossenen Verträge an, so verhielt sich Serbien und Kroatien hinsichtlich des mit Jugoslawien abgeschlossenen Grenzwasserabkommens von 1955, wodurch die internationalen Beziehungen ohne Zäsur aufrecht gehalten werden konnten.
Im Folgenden seien die multilateralen Abkommen angeführt, die die Einstellung und Sichtweise der heute gültigen Grenzwasserabkommen am meisten beeinflussten: Übereinkommen zum Schutz und zur Nutzung der grenzüberschreitenden Wasserläufe und internationaler Seen (Helsinki-Übereinkommen1992); Übereinkommen über die Zusammenarbeit zum Schutz und zur verträglichen Nutzung der Donau (Sofia 1994); Übereinkommen zum Recht der nichtschiffahrtlichen Nutzung internationaler Wasserläufe (New York 1997).
Es ist das Ergebnis der vergangenen 15 Jahre, dass Ungarn heute mit allen Nachbarstaaten gültige Grenzwasserabkommen abgeschlossen hat, die den zeitgenössischen Zielsetzungen der multilateralen internationalen Verträge entsprechen. Die Zusammenarbeit umfasst Bereiche wie das gemeinsame Monitoring, Datenaustausch, Prognostizierung, Inbetriebhaltung, Schadenersatzfragen, Grenzmonitoring der Oberflächen- und unterirdischen Gewässer sowie Wassernutzung – somit Bereiche, in denen ein gemeinsames Auftreten erforderlich ist.
Zur Verwirklichung der Aufgaben in Verbindung mit den Grenzgewässern müssen zwei Ebenen durchlaufen werden. Auf Regierungsebene kommen die Beschlüsse durch die Regierungsbeauftragten zustande, während die Durchführung auf der Ebene der regional zuständigen Wasserverwaltungsorganisationen und ihrer Zusammenarbeit verwirklicht wird. In diesem Zusammenhang soll hervorgehoben werden, dass die mit Bezug auf die Grenzwasserabkommen geleistete regionale Zusammenarbeit der Nachbarstaaten auch in Zeiten, die mit schweren politischen Gegensätzen oder gar Kriegen belastet waren, stets von der Aufrechterhaltung der guten Beziehungen, der gegenseitigen Anerkennung der Partner sowie der Verbundenheit zum Fachbereich geprägt war, und auch heute noch ist. So konnten viele Notzustände, die durch extreme Naturereignissen, Hochwasser, Wasserverschmutzung oder Dürreperioden entstanden, ohne noch größere Schäden überwunden werden.
In der Europäischen Union
Mit dem Beitritt zur Europäischen Union, und bei den Vorbereitungen auf die EU-Mitgliedschaft, öffnete sich in den Beziehungen entlang den Grenzgewässern für die ostmitteleuropäischen Staaten eine neue Dimension. Um die Beitrittsvoraussetzungen besser erfüllen zu können, stellte die EU bereits nach Abschluss der Partnerschaftsverträge bedeutende Mittel (PHARE) für die Steigerung des Wasserbewirtschaftungsniveaus in den Grenzregionen und zur Aufdeckung und Lösung der Problembereiche der Grenzgewässer bereit. Heute gelten nunmehr für die EU-Mitglieder im Bereich Wasserpolitik die von der „Wasserrahmenrichtlinie” deklarierten Zielsetzungen und Aufgaben. Der erste Schritt zur Umsetzung der Richtlinie war die Einstufung der Gewässer der einzelnen Länder; hinsichtlich der Grenzgewässer war es erforderlich, dass die Nachbarstaaten sich untereinander abstimmten.
Gegenwärtig läuft die Planung der Einzugsgebietsbewirtschaftung. Hierzu werden, entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip die Erwartungen der Menschen zusammenfassend formuliert, die in den einzelnen Teilen der Einzugsgebiete leben. Nach der öffentlichen Diskussion der Befunde werden diese in die Wasserpolitik des jeweiligen Landes inkorporiert. Im nächsten Schritt wird dann der Landesplan ausgearbeitet. Dieses Dokument beschreibt die Aufgaben, die in den einzelnen Wassereinzugsgebieten der Donau (z.B. Rumänien, die Slowakei) unternommen werden sollen, und bis Ende 2010 werden diese von den jeweiligen Mitgliedstaaten der EU vorgelegt. Diese Dokumente bilden zugleich die Grundlage für den Plan der Einzugsgebietsbewirtschaftung des gesamten Donaueinzugsgebietes. Im kommenden Jahr soll dann mit den Nachbarstaaten gemeinsam die Harmonisierung der Aufgaben in den Teileinzugsgebieten entlang den verschiedenen Grenzen vorbereitet werden. Ein wichtiges Grundprinzip bei der Planung der Einzugsgebietsbewirtschaftung ist, dass die bereits bewilligten und von der EU geförderten Programme in den Plan eingearbeitet werden müssen. Die EU fördert prioritär die entlang den Grenzen befindlichen Oberflächengewässer und die unterirdischen Gewässer, die durch Grenzen unterteilt sind, sowie die Eingriffe, die an diesen Grenzgewässern unternommen werden.
Ungarn hat gegenwärtig 37 laufende Projekte, die aus den Mitteln der verschiedenen EU-Fonds (INTERREG, ERFA, usw.) finanziert werden. Nahezu alle Fachbereiche der Wasserbewirtschaftung sind in diesen Projekten repräsentiert (Hochwasserschutzprojekte, Förderung von Grundwassersystemen, Entwicklung des Wassertourismus, Altarmrehabilitation, Förderung der institutionellen Beziehungen, Modellierung von Maßnahmen zum Schutz der Wasserqualität, Förderung der öffentlichen Beziehungen). Diese gemeinsamen Entwicklungen öffnen neue Horizonte für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, und sie helfen die Deformitäten der Wassersysteme, die in den vergangenen Jahrzehnten entstanden, abzubauen.
Das Land der Gewässer
Die Naturbegebenheiten, die bei der Gestaltung der Wasserbewirtschaftung entscheidend sind, können in drei Gruppen eingeordnet werden: 1.) die geomorphologische und geologische Struktur; 2.) das Klima, die Strahlung und der Niederschlag; 3.) der Boden und die Pflanzendecke.
Alle bedeutenden geomorphologischen Strukturenelemente entstanden in der vorgeschichtlichen Zeit. Die mit Sedimenten bedeckten Tiefebenen bilden den Großteil des von den hohen Gebirgsketten der Alpen und den Karpaten umgebenen unteren Beckens, während die Erosionsgesteinhügel und -gebirge sich über einen weit kleineren Teil des Beckens erstrecken. Die meisten Tiefebenegebiete befinden sich unterhalb des Hochwasserpegels der Fließwasser, wodurch Ungarn zu dem von Überschwemmungen meistgefährdeten Land Europas ernannt wurde.
Das Wassersystem in Ungarn gilt aus erdgeschichtlicher Sicht als verhältnismäßig jung. Die in den Becken und Betten der früheren Meere, der Seen und Flüsse befindlichen Sedimentschichten, die zahlreiche Formen annehmen und in den verschiedenen Teilen des Landes verteilt sind, bilden die Basis für die reichen unterirdischen Wasserressourcen.
Die territoriale Verteilung der Wasserressourcen an der Oberfläche zeigt ebenfalls bedeutende Unebenheiten: 90% der Oberflächengewässer konzentrieren sich in den Flussbetten der drei großen Fließgewässer, die Donau, die Drau und die Theiß. 95% unserer Fließgewässer entspringen im Ausland und strömen somit über die Grenzen ins Land ein. Es gibt stets bedeutende Unterschiede bei den Hoch- und Niedrigwasserstandswerten unserer Fließgewässer. Betrachtet man den Gesamtbestand der sich erneuernden Oberflächenwasserressourcen, so verfügt das Land über 172 m3 Wasser pro Jahr.
Die unterirdischen Wasserbestände lassen sich nach den folgenden Kriterien typologisieren: ufergefilterte Gewässer; Grundwasser; Schichtenwasser; Karstwasser; Thermalwasser. Die ufergefilterten Gewässer sind von einer Schlammschicht überdeckte Schotter- oder Sandgemische, die sich über eine Breite von 50-100 Metern entlang den Ufern der Fliessgewässer erstrecken. Die regional auffindbaren Schichtenwasserreservoire liegen über Zweidrittel der Gebiete Ungarns verteilt. Diese Reservoirs stehen in einer Wechselbeziehung mit den unter der Oberfläche befindlichen Grundwasserbeständen. Der Grossteil unserer Schichtenwasser eignet sich somit direkt für den menschlichen Konsum und zählt zu den wertvollen Wasserarten.
Die zusammenhängenden Karstwassersysteme erstrecken sich über ein Gebiet von insgesamt 41 500 km2. Davon lassen sich auf einem Gebiet von 8 400 km2 Karstwasserbestände ausheben, deren Temperatur unterhalb von 35°C liegt. Die Karstwasserbestände werden direkt durch Niederschlagwasser gespeist. Das kalte Karstwasser zählt auf Grund seines hervorragenden Genusswertes und wegen seiner direkten Verbundenheit mit den Niederschlagwasserwerten zu den prioritär geschützten wertvollen Wasserreservoirs.
Ungarn ist reich an Wasser. Diese Tatsache hat eine enorme Bedeutung, wenn man die Aufwertung des Trinkwassers im 21. Jahrhundert bedenkt, und in vielen Teilen der Welt Millionen von Menschen das gesunde Trinkwasser entbehren müssen. In Ungarn stehen für eine kultivierte Lebensweise und für die Produktion der Industrie und der Landwirtschaft eine entsprechend angemessene Qualität und Quantität an Wasser zur Verfügung. Der Wahrheitsgehalt dieser Aussage wird aber in Frage gestellt, wenn man die territoriale und zeitliche Verteilung der aktuell zur Verfügung stehenden Wasserbestände mit dem Volumen der heutigen Wasserbedürfnisse vergleicht. Es sind diese Widersprüche, für die die moderne Wasserbewirtschaftung Lösungsansätze finden sollte.
Wasserbewirtschaftung in Ungarn
Die Geschichte der ungarischen Wasserbewirtschaftung lässt sich in zwei große Epochen einteilen.
Die Zeit von der Landnahme (895) bis zu den großspurigen Flussregulierungsvorhaben im 18-19. Jahrhundert wird als die sog. ökologische Epoche bezeichnet. Hier Epoche bildete die Nutzbarmachung der Potentiale der Gewässer die Grundlage der Wasserbewirtschaftung und der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes. Das Ungarntum eignete sich bereits im mittleren Asien und später während seiner Wanderungen die grundlegenden Kenntnisse über die Bewirtschaftung der von Gewässern durchdrungenen Gebiete an. Es bildete sich eine besondere Art der Gebietsnutzung aus, was wir als Auenbewirtschaftung bzw. als Hochwasserregulierung durch Ufereinschnitte bezeichnen können. Diese Form der Bewirtschaftung konnte aber den Anforderungen nicht gerecht werden, die der Entwicklungsstufe der zeitgenössischen Gesellschaft entsprachen. Die Gewässer waren zwar reich an Fischen, aber es fehlte an den nötigen Voraussetzungen für ihre erfolgreiche Vermarktung; und die Früchte der Obstbäume, die auf den vom Hochwasser verschonten Uferterrassen gepflanzt wurden, linderten lediglich die Hungersnot der örtlichen Bevölkerung.
Diese Form der Auenbewirtschaftung, bei der der Wasserzufluss der Auengebiete durch Einschnitte im Flussufergelände ermöglicht wurde, war das Resultat einer hochgradigen Adaptation der hiesigen Bevölkerung an die lokalen Naturbegebenheiten; aber für die in den Auengebieten lebenden Menschen konnten hierdurch bei weitem keine idyllischen Lebensvoraussetzungen geschaffen werden. Erst die beginnenden Arbeiten zur Regulierung der Theiß (19. Jahrhundert) und später der Abschluss des Bauvorhabens brachten eine wesentliche Änderung. Es ist unbestreitbar, dass die beinah ein ganzes Jahrhundert dauernde Arbeit, die Schweiß und Blut kostete, erforderlich war. Und mit der Durchführung dieses enormen Vorhabens begann sodann die zweite, sog. technologische Epoche der ungarischen Wasserbewirtschaftung. Hier kam es sowohl in der Theorie als auch in der Praxis zu einer Verschiebung der Schwerpunkte in Richtung der Wasserdienstleistungen und des Hochwasserschutzes sowie der Regelung der Wasserbenutzung auf der Ebene der Staatsverwaltung.
Heute erscheint in der Wasserbewirtschaftung an Seite des technologischen Ansatzes erneut und mit steigender Intensität die ökologische Denkweise, die Anforderung gegenüber der langfristigen Erhaltung der Quantität und Qualität der Wasserressourcen, bei den Baueingriffen die verstärkte Beachtung der Aspekte der Natur und Tierwelt und der Schutz der Gesundheit der Menschen. Ein weiterer wichtiger Aspekt hierbei ist, dass die gegenwärtigen Wasserverhältnisse in Ungarn nicht natürliche Entwicklungen, sondern überwiegend das Ergebnis von Regulierungen sind.
Der gegenwärtige Stand unserer Kenntnisse über unsere Gewässer beruht auf der umfassenden Ansammlung von Informationen zu den folgenden Bereichen: 1.) Die Ermessungen der an der Oberfläche und unterirdisch befindlichen Wasserbestände des Landes wurde abgeschlossen. 2.) Die Ausdehnung, territoriale Verteilung sowie temporale Fluktuation dieser Wasserressourcen ist uns bekannt. Ihre Belastung gemessen an den jeweiligen Wasserbedürfnissen, ihre Qualität, die qualitätsbezogenen Änderungen mit inbegriffen, sind uns in Folge der seit mehreren Jahrzehnten durchgeführten Monitoring-Verfahren ebenfalls bekannt. 3.) Die Qualifizierung der Wasserbestände wurde den Anforderungen der EU angepasst. Es ist uns bekannt, dass die Qualität unserer Oberflächengewässer, vor allem unserer Stillgewässer, äußerst instabil ist und ständiger Kontrollen bedarf. 4.) Mit Hilfe der Durchführung des Wasserbasenprogramms zeigten sich die potentiellen Gefahren kennengelernt, die eine Bedrohung für unsere unterirdischen Gewässer darstellen.
Der Klimawandel und seine Folgen
Eine neue Herausforderung steht uns bevor: Wir müssen uns auf die Behebung der durch den Klimawandel bedingten Konsequenzen vorbereiten. Oder auf die Adaptation. Die bereits heute einsetzenden extremen Wetterbedingungen, die Fluktuationen in der Verteilung der Niederschlagswerte, z. B. die extremen Hochwasser oder die immer öfter einsetzenden Dürreperioden sind bereits erste Anzeichen dieses Wandels. Es müssen die Zeit und die benötigten finanziellen Mittel für die erneute Durchführung des hydrologischen Monitorings bereitgestellt werden. Und es muss immer öfter eine Auswertung der Daten und damit verbunden die Initiierung der nötigen Eingriffe erfolgen. Das Speichern der bei Hochwasser geführten übermäßigen Wassermengen der Ströme und kleinen Fließgewässer ist einer der wichtigsten Voraussetzungen für die Entwicklung der ländlichen Räume. Die Förderung der Agrarproduktion, vor allem in Verbindung mit den Gemüse- und Obstprodukten – kann ohne die Errichtung der benötigten Wasserreservoirs, die von den Fließgewässer der Gebirgs- und Tiefebenengebiete gespeist werden, nur schwerlich erfolgen. Der folgende Gedanke von József Beszédes, der großformatige Wasseringenieur der ungarischen Reformzeit (Mitte des 19. Jahrhunderts) – mag wohl nie so aktuell gewesen sein wie heute: „ Lasse niemals das Regen- oder Schneewasser ungenutzt aus deinem Hof fließen, ebenso lasse nicht das Wasser von deinen Feldern, aus den Komitaten und das Land rausströmen ohne es zu nutzen, weil es ohne dir etwas zu kosten, ein von Gott gegebenes, wertvolles Geschenk ist.”
Hochwasser und ansteigendes Grundwasser
Die Gemeinsamkeit der großen Hochwasserfluten der vergangenen Jahrzehnte in Ungarn war es, dass sowohl an bestimmten Strecken der Theiß als auch entlang der Donau die Spitzen der Hochwasserfluten die bisher registrierten Maximalwerte überstiegen. Während im Donautal die nach den früheren Hochwassern – insbesondere nach dem eisigen Hochwasser von 1956 und dem im Sommer einsetzenden Hochwasser in 1965 – unternommenen Bauvorhaben zur Erhöhung der Haupthochwasserschutzlinie der staatlichen Vorrichtungen sich größtenteils als zureichend erwiesen haben, mussten entlang der Theiß neue Konzepte für die Entwicklung von Hochwasserkonstruktionen erarbeitet werden.
Die Länge der Haupthochwasserschutzlinie der Vorrichtungen in Ungarn beträgt 4 200 km. Die Lehre der Hochwasserkatastrophe von 1879 in Szeged war es, dass der Schutz vor Hochwasser entlang einem bestimmten Flusstal ausschließlich mit Vorrichtungen, die auf dem gleichen Prinzip beruhen, bewerkstelligt werden kann. In Ungarn werden somit an beiden Seiten der geschützten Flusstäler kontinuierlich Schutzvorrichtungssysteme ausgebaut, die gegen die alle 100 Jahre einsetzenden extremen Hochwasserfluten schützen sollen, und je nach Art der Flussufergebiete wird mit Sicherheitswerten von 1 bis 1.5 m gerechnet – diese gelten als maßgebende Hochwasserstandswerte. Bei Flutwellen, die diese Höhe überschreiten, können zwei Lösungsansätze angewandt werden: die weitere Erhöhung der Deichwerke, was bei Erddeichen nur begrenzt möglich ist, oder die Verminderung der Spitzenwerte von Flutwellen. Das Programm zur Weiterentwicklung des sog. Vásárhelyi-Planes, dessen Verwirklichung bereits begonnen wurde, beruht geradewegs auf diesem letzteren Prinzip. Die Bauarbeiten der Wasserreservoire in Cigánd und Tiszaroff sind bereits abgeschlossen und der Bau der in Nagykunság und Hany-Tiszasüly geplanten Reservoirs wurde begonnen. All dies leistet einen enormen Beitrag zur existenziellen Sicherung der entlang der Theiß lebenden Menschen. Das Wasser kann aber ebenfalls in den von Hochwasser nicht bedrohten Perioden in die Reservoirs umgeleitet werden, was weitere Möglichkeiten für einen neuen Typ der Bewirtschaftung bietet: die Anpflanzung von Pflanzenkulturen mit größerem Wasserbedarf, die Verbreitung von Energiepflanzen, intensive Wiesen- und Weidelandbewirtschaftung, Herausbildung von Feuchtland ähnlichen Gebieten, die Einrichtung von modernen Fischereien in den bepflanzten Gebieten, auch die einstige Bewirtschaftung der Auengebiete durch Einschnitte in den Uferterrassen birgt neue, weiterentwickelte Möglichkeiten in sich. Diese Vorhaben können zu neuen Zentren der ländlichen Entwicklung werden.
Die ausgedehnten Tiefebenengebiete sind weiterhin dem ansteigenden Grundwasser ausgesetzt, also dem Wasser, das die Bodenschichten in weiten Gebieten sättigend an die Oberfläche gelangt und durch Niederschlagwasser und das Anheben des Grundwassers entsteht. Die durch Hochwasser an der geschützten Seite einsetzenden Horizontalerscheinungen, die sog. sprudelnden Wasserausbrüche werden ebenfalls als ansteigendes Grundwasser betrachtet, denn auch in diesem Fall erhebt sich der Grundwasserstand. Die Ausdehnung der unter Wasser stehenden Gebiete kann bis zu 100-400 000 ha erreichen, wobei die von Wasserschäden betroffenen Gebiete sogar das zwei- oder dreifache betragen können. Es gibt in Ungarn ein voll ausgebautes Schutzsystem gegen ansteigendes Grundwasser. Die betrieblichen, die Anlagen verbindenden, staatlichen Wasserkanäle und die Saugpumpenanlagen zur Überhebung des Wassers sind in den vergangenen 150 Jahren ausgebaut worden, wobei die Einleitung von häufigeren Instandhaltungs- und der Rekonstruktionsarbeiten erforderlich wären. Dennoch ist dies keine endgültige Lösung des Problems. Es bieten sich weitere Ansätze für eine plausiblere Nutzung dieser von ansteigendem Grundwasser heimgesuchten Gebiete, wie die Anpflanzung von wasserbeständigen Pflanzenkulturen, die Wiederherstellung der Wiesen -und Weideflächen, eventuell die Errichtung von Flachland-Wasserreservoiren. Dem Prinzip der Zurückhaltung des Wassers soll auch hier Geltung verschafft werden. Die im Frühjahr einsetzende Überflutung der Gebiete durch Grundwasser kann für die Landwirte in den Dürrenperioden eine Hilfe sein. Die Änderungen in der Flächennutzung sind als eine Anpassung an die aktuellen hydrologischen Begebenheiten zu betrachten, wodurch ebenfalls die Potentiale der ländlichen Entwicklungsbereiche gesteigert werden können.
Wasserversorgung, Kanalisation, Irrigation
Die Infrastruktur der Siedlungen trägt neben dem örtlichen Entwicklungsstand des Informatiknetzes bedeutend dazu bei, dass die Ungleichheiten zwischen städtischem und dörfischem Leben aufgehoben und lebbarere Siedlungen ausgebaut werden. Die Wasserversorgung und der Ausbau der Kanalisation in den Städten und Dörfern sowie die Schutzmaßnahmen in den von Wasser heimgesuchten bewohnten Innenbereichen der Siedlungen gehören zu den wichtigsten Aufgaben der Wasserbewirtschaftung. In Ungarn ist die zum Trinken geeignete Leitungswasserversorgung entsprechend gut ausgebaut. Und auch mit Hinsicht auf die Qualität des Rohrwassers kann sich Ungarn im europäischen Wettbewerb behaupten. Die zukünftigen Aufgaben in diesem Bereich sind die in Einzelfällen erforderliche Verbesserung der Wasserqualität, Rekonstruktionsarbeiten und die Rationalisierung der entsprechenden Betriebsorganisationen. Ganz anders verhält es sich mit dem Ausbau des Kanalisationssystems und der Abwasserentsorgung; zwei Bereiche, in denen umfassende Entwicklungen erforderlich sein werden.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Wasserretention. Mit dem Speichern von Wasser würden sich neue Möglichkeiten für die Irrigation bieten. Nach dem Systemwandel wurde der Großteil der funktionsfähigen Irrigationssysteme abgeschafft, die technischen Einrichtungen dieser Systeme verschwanden und auch die zusammenhängenden Flächen der Großbetriebe gab es nicht mehr. Sowohl die extremen Wetterereignisse, die die Folge des Klimawandels sind, als auch die Anforderung zur Produktionssicherheit in der Landwirtschaft vor Augen haltend, aber auch im Interesse der effektiveren Nutzung des Lebensmittelproduktionspotentials des Landes kann auf die Irrigation nicht verzichtet werden. Im Weiteren gilt es zu bedenken, dass eine stabile landwirtschaftliche Produktion ebenfalls eine positive Auswirkung auf die Beschäftigungszahlen haben könnte. Eine Rationalisierung der sektoralen Aufteilung der landwirtschaftlichen Produktion und die hierauf gestützte Tierzucht und Lebensmittelproduktion könnten auf lange Frist zum leistungsstarken Motor der ländlichen Entwicklung werden.
Die Entwicklung von Umwelt schützenden, naturnahen Technologien, die u.a. ebenfalls für das Wohlbefinden der Bevölkerung Sorge tragen, bieten gute Lösungsansätze für den Umgang mit Gewässern. In den vergangenen Jahren wurden außerordentliche Wasserereignisse und Wasserschadenfälle registriert, die die Aufmerksamkeit auf die Probleme der Wasserregulierungen in den bewohnten Innenbereichen der Siedlungen lenkten. Die Mängel in der effektiven Regulierung der durch die Siedlungen fließenden Gewässer, das Fehlen der Kanalisation für das Ableiten von Regenwasser, die Baunutzung der von Wasser heimgesuchten Gebiete haben gemeinsam zu schweren lokalen Katastrophen geführt und viele Familien obdachlos gemacht. Bei der Lösung dieses Problems müssen alle Teilbereiche komplex gehandhabt werden, wobei die Entwicklung und die Betriebhaltung der entsprechenden Anlagen parallel und aufeinander abgestimmt unternommen werden muss. Es ist ebenfalls wichtig, dass die Entwicklungsexperten und die Selbstverwaltungen den Vorrang dieser Problematik erkennen und nicht nur dann die entsprechenden Fragenbereiche auf ihre Agenda setzen, wenn die Katastrophe bereits eingesetzt hat.
Erholung, Freizeit
Die natürlichen Gewässer haben nicht nur ökonomischen Wert und sind Gegenstand von Entwicklungsplänen. Trotz der Tatsache, dass die Menschen sich entlang den Gewässern angesiedelt haben, weil diese ihnen wirtschaftliche Möglichkeiten boten, wie den Wassertransport von Salz, Holz, Getreide sowie die Fischerei, oder sie mit Wasser versorgten. Auch unsere Großstädte sind im Laufe der Zeit entlang den Fließgewässern errichtet worden. Wir dürfen aber auch nicht vergessen: Die natürlichen Gewässer bieten gleichwohl ein Erlebnis an ästhetischen Werten, was ebenfalls nicht unterschätzt werden sollte. Die Flüsse und Seen haben von je her eine große Anziehungskraft für die Menschen dargestellt und ihnen ein Raum zum Leben gesichert.
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war es gerade das ästhetische Erlebnis, der Wunsch nach Freizeit- und Erholungsmöglichkeiten, die die Baulust an den Uferstreifen des Balatons und der Velence-See anspornte, die dazu führte, dass die Gebiete entlang den Flussgerinnen in manchen Fällen unerlaubt genutzt wurden und hier oder an den Ufern der neu ausgebildeten Wasserreservoirs kleine Wochenendhäuser wie Pilze aus dem Boden schossen. Die lebendigen Gewässer, die Flüsse, Seen, Bäche, die Altarme und die künstlich errichteten Wassergebiete bieten zahlreiche Möglichkeiten für die Förderung des Tourismus in die ländlichen Gebiete und für Rekreation, Erholung, Freizeithobbys wie Angeln oder Wassersport. Auch der Dorftourismus wird hierdurch gefördert, und die Schönheit der Gewässer wird so mit der Volkskunst und den nicht zu unterschätzenden gastronomischen Erlebnissen auf dem Land komplettiert. Ein neues Angebot auf der Palette der sich ständig erweiternden Tourismusindustrie sind die Wellness-Programme, aber auch der Thermal- und Heilwassertourismus bieten, dank der Vielzahl unserer Thermalquellen, Erfolg versprechende Förderungsmöglichkeiten.