Anhang III
Europäische Minderheitenpolitik
EUROPÄISCHE MINDERHEITENPOLITIK
Erklärung
Nach 2007 kann bei der wissenschaftsorientierten strategischen Planung die Kooperation mit den Nachbarstaaten nicht unbeachtet bleiben, und es können ebenfalls die Standpunkte der über den Grenzen hinaus lebenden ungarischen Gesellschaften nicht außer Acht gelassen werden. Auch aus diesem Grund muss bei der Erstellung der neuen Programme in den Bereichen Gesellschaft und Naturbewirtschaftung mit der über den Grenzen hinaus lebenden ungarischen politischen und intellektuellen Elite gerechnet werden.
Die ungarischen politischen Parteien und Organisationen der Nachbarländer wenden sich nach 2007 der Erweiterung ihrer Programme zu. Sie bereiten sich auf die Harmonisierung mit den von der EU gewährleisteten politischen Möglichkeiten und Rechtsnormen vor, und sie wünschen sich an die neuen regionalen politischen Programme anzugliedern. Sie überprüfen aufs Neue die Gestaltung und Zielsetzungen ihrer Programme.
Über diese neue historische Situation führte im Laufe des vergangenen Jahres Ferenc Glatz, Leiter der Strategischen Forschungen der UAW, Konsultationen mit Pál Csáky, dem Präsidenten der Ungarischen Koalitionspartei in der Slowakei, Béla Markó, dem Präsidenten des Demokratischen Verbandes der Ungarn in Rumänien, und mit István Pásztor, dem Präsidenten des Ungarischen Verbandes in der Wojwodina. Sie vereinbarten, dass sie sich am 8. Juli dieses Jahres in Budapest in einem engen Kreis und in Anwesenheit von Fachexperten zu einem freundschaftlichen Meinungsaustausch treffen werden.
Die im engen Kreise geführte Konferenz fand im Gebäude des Sozialforschungszentrums der UAW statt. Dem Einführungsvortrag des Gastgebers folgend hielten die Präsidenten der drei Organisationen ihre Vorträge, hiernach fand eine Expertendiskussion statt. Zu der Diskussionsrunde wurden die leitenden Forscher der Strategischen Forschungen der Akademie, die Institutsleiter und für Minderheitenfragen zuständige ungarische EU-Parlamentsabgeordnete eingeladen. Im Rahmen des Treffens wurde zu den folgenden Thesen eine Vereinbarung getroffen.
1. Über die nationalpolitischen Grundlagen. Sowohl der ungarische Staat als auch die politischen Organisationen der über den Grenzen hinaus lebenden ungarischen Minderheit sollen auch weiterhin der Idee der Erhaltung der ethnischen-nationalen Vielfalt und der Modernisierung des europäischen Kontinents verbunden bleiben. In unserer Zeit sind es in erster Linie der Staat bzw. die jeweilige national orientierte politische Organisation in den Nachbarländern, die die Aufrechterhaltung dieser Vielfalt gewährleisten. Aus diesem Grund ist es weiterhin die vorrangige Aufgabe der politischen Organisationen der ungarischen Minderheiten – aber ebenso Aufgabe des ungarischen Staates – die gemeinschaftlichen Interessen der Minderheiten geltend zu machen und die nationale, auf das Sitten- und Traditionssystem bezogene Identität der Ungarn zu verstärken.
2. Anpassung an die Struktur der Parteien in der Europäischen Union. In unseren Augen ist es erforderlich, dass wir bei der Erneuerunggestaltung der Programme der über den Grenzen hinaus bestehenden ungarischen politischen Organisationen auf die politische Einrichtung der weiteren Heimat, der Europäischen Union, achten. Wir betrachten solche politischen Organisationen als wünschenswert, in denen sowohl die nationalen als auch die weltanschaulichen-sozialen Identitäten nebeneinander existieren können.
3. Bestrebung zur Aufhebung der Traditionen der nationalen Feindseligkeit. In unseren Augen sind in der Geschichte der ostmitteleuropäischen Völker die gemeinsamen Interessen stärker präsent als die gegensätzlichen Interessen. Wir halten es für wünschenswert, dass das Ungarntum der Region dieses Aufeinanderangewiesenheit formuliert und die Kooperation initiiert und anregt.
4. Regionale Fachpolitiken im neuen Programm. Zu einem halten wir es für nötig, dass bei den wissenschaftsorientierten ungarischen strategischen Plänen – sowohl zur Naturbewirtschaftung als auch zur Kultur, Verkehr, Informatik usw. – mit der Kooperation der über den Grenzen hinaus lebenden ungarischen politischen und intellektuellen Elite gerechnet werden soll. Und wir halten es für wünschenswert, dass die politischen Parteien der ungarischen Minderheiten die fachpolitischen Aktivitäten in ihre neuen Programme aufnehmen. Neben der Interessenvertretung der Minderheiten, den weltanschaulichen Aspekten in der europäischen Politik sollen ebenfalls den fachpolitischen Aspekten hinsichtlich der Modernisierung der gesamten ostmitteleuropäischen Region Platz eingeräumt werden. Das Ungarntum der Region soll zum Motor der Planung und Implementierung der regionalen, die Modernisierung anzielenden, strategischen Programme werden. Sowohl innerhalb als auch außerhalb der Grenzen.
5. Neue Thematiken, neue Bereitschaft in der politischen Praxis. Es muss ein neues Bündnis zwischen den Intellektuellen der Parteien und der Fachzweige geschlossen werden. Es muss zur Kenntnis genommen werden: Die Fachpolitik bildet einen Bestandteil der Nationspolitik. Die ungarischen Politiker der Nachbarländer haben unter anderem durch die Erfüllung von verantwortungsvollen Positionen in den einzelnen Fachbereichen der ungarischen Minderheit respektvolle Anerkennung von Seiten der Mehrheitsgesellschaften erkämpft. Es bedarf einer stärkeren Bereitschaft zum Dialog, sowohl innerhalb den eigenen Gesellschaften als auch mit den Politikern und Intellektuellen der Mehrheitsnation. Die über den Grenzen hinaus lebenden Ungarn können zur gleichen Zeit Mitglieder der grenzüberschreitenden ungarischen Kulturnation und treue Bürger ihres Heimatlandes sein.
6. Über die Möglichkeiten des ungarischen Staates. Die im Interesse der ungarischen Minderheiten geführte politische Aktivität des ungarischen Staates haben wir stets gewürdigt und halten diese weiterhin für wichtig. Wir meinen, dass in der nach 2007 entstandenen Situation die Aufzählung des Inventars und der Institutionen der ungarisch-ungarischen politischen Beziehungen zur Förderung der Politikbetreibung neuen Stils erforderlich erscheint. Wir meinen, dass im Bereich der ungarisch-ungarischen Politik beide der folgenden Bestrebungen gleichzeitig präsent sein müssen: Die Gewährleistung der sozialen Chancengleichheit und die Verstärkung der Bindung im emotionalen-bewusstseinsbezogenen Bereich.
7. Über die Möglichkeit eines Aktionsprogramms. Im Rahmen des Budapester Treffens wurde eine Vereinbarung zur Aufstellung von fachpolitischen strategischen Planungsgremien zu konkreten Themenkreisen getroffen. In diese Körperschaften sollen die Fachexperten der in den 8 Staaten lebenden ungarischen Gemeinschaften eingeladen werden. Diese Gremien können nach Erstellung einer Bestandsaufnahme konkrete Aktionsvorschläge formulieren, sowohl für die ungarische Regierung, das Parlament als auch für die über den Grenzen hinaus bestehenden politischen Organisationen. Bis zum 15. September werden vier strategische fachpolitische Planungsgremien aufgestellt. Diese sind die Folgenden:
- Kulturpolitik (Bildungsinstitutionssystem und Kataster des kulturellen Erbes)
- Natur- und Wasserbewirtschaftung (Klimawandel, Agrarwesen und Wasserbewirtschaftung, Donau-Programm)
- Regionalentwicklung (Grenzregionen und Entwicklung des ländlichen Raumes)
- Räumliche Verfügbarkeit, Infrastruktur (Verkehrswesen, Informatik)
- Menschen- und Minderheitenrechte in Europa
Die Vorbereitung der Programme wird von dem Programmkomitee der Strategischen Forschungen der UAW koordiniert.
Pál Csáky Ferenc Glatz Béla Markó István Pásztor
Budapest, den 8. Juli 2008
Europäische MINDERHEITENPOLITIK
Eröffnungsrede von Ferenc Glatz
Nach 2007 durfte Ungarn bei der Erstellung ihrer wissenschaftlich begründeten strategischen Programme die Kooperation mit den Nachbarstaaten nicht unbeachtet lassen, ebenso durften die Aspekte der über den Grenzen hinaus lebenden ungarischen Gemeinschaften nicht unbeachtet gelassen werden. Aus diesem Grund müssen wir bei der Ausarbeitung der neuen strategischen Programme in den Bereichen Gesellschaft und Naturbewirtschaftung ebenfalls die politische und intellektuelle Elite der über den Landesgrenzen hinaus lebenden Ungarn einbeziehen. Mit Bezug auf die Erarbeitung der nationalen bzw. regionalen Programme wird zum ersten Mal der Versuch unternommen die Meinung der Organisationen, der jenseits der Grenzen lebenden Ungarn, zu erfragen und ihnen unsere Kooperationsbereitschaft anzubieten.
Nach 2007 werden in den Nachbarländern die neuen Programme der ungarischen politischen Parteien und Organisationen erstellt. Sie bereiten sich auf die Angleichung an die politischen EU-Normen vor, und sie sind bestrebt die Harmonisierung mit den neuen regionalen politischen Programmen in die Wege zu leiten. Sie bereiten die Bilanz der Ergebnisse der Periode zwischen 1989 und 2007 (2004) vor, und setzen sich mit den neuen Herausforderungen, Möglichkeiten bzw. Zwangslagen auseinander. Sie überdenken aufs Neue die Gestaltung und die Zielsetzungen ihrer Programme.
Über diese neue historische Situation führte im Laufe des vergangenen Jahres Ferenc Glatz, Leiter der Strategischen Forschungen der UAW, Konsultationen mit Pál Csáky, dem Präsidenten der Ungarischen Koalitionspartei in der Slowakei, Béla Markó, dem Präsidenten des Demokratischen Verbandes der Ungarn in Rumänien, und mit István Pásztor, dem Präsidenten des Ungarischen Verbandes in der Wojwodina. Sie vereinbarten, dass sie sich am 8. Juli dieses Jahres in Budapest in einem engen Kreis und in Anwesenheit von Fachexperten zu einem freundschaftlichen Meinungsaustausch zusammenfinden werden.
Zu dem heutigen, am 8. Juli 2008 stattfindenden, Treffen haben wir auf Grund der vorherigen Vereinbarung die ungarischen EU-Abgeordneten Kinga Gál, Csaba Tabajdi, István Szentiványi eingeladen, die für die Förderung der nationalen Minderheitenrechte viel geleistet haben, und im vergangenen Jahr regelmäßig an den von Ferenc Glatz geleiteten akademischen Programmen teilgenommen haben. Es wurden die Direktoren der Institute des Sozialforschungszentrums der UAW und die leitenden Fachexperten des Strategischen Programmkomitees eingeladen. Die Vortragenden des mehrstündigen Meinungsaustausches waren der Gastgeber des Treffens Ferenc Glatz, Pál Csáky, Béla Markó und István Pásztor. Die drei Parteivorsitzenden und der Gastgeber verfassten eine Erklärung über die Grundprinzipien des Treffens mit dem Titel „Europäische Minderheitenpolitik“.
I. Die Europäische Union: Neuer Verwaltungsrahmen für die Gestaltung der Parteipolitik und der Fachpolitik
Die EU gibt, aber sie fordert auch. Das Gleiche gilt für die neue industriell-technische Revolution: Sie gibt, aber sie fordert auch. Und auch für die wirtschaftliche und geistige Globalisierung. Eines der Grundprinzipien der EU lautet: Europa soll weiterhin ein Kontinent der ethnisch-nationalen Vielfalt bleiben. Nicht nur der Staat Ungarn, sondern auch die ungarischen politischen Organisationen in den Nachbarstaaten fühlen sich der Idee eines vielfältigen Europas verbunden.
Unserer Meinung nach erzwingen die neuen europäischen und globalen Tendenzen der Wirtschaft sowie die neuen Methoden im Bereich der Gemeinschaftsorganisation eine Änderung in der Nationalpolitik des ungarischen Staates sowie in der Gestaltung der politischen Programme der in den Nachbarstaaten lebenden Ungarn.
Über die Grundlagen der Nationalpolitik. Bei der Erstellung unserer strategischen Programme betrachten wir die Geltendmachung der Minderheiteninteressen und die Vertiefung der nationalen bzw. Tradition gebundenen Identität der außerhalb der Grenzen des Staates lebenden Ungarn weiterhin als eine wichtige Aufgabe des ungarischen Staates und der politischen Organisationen der ungarischen Minderheiten. Jetzt, nach dem EU-Beitritt wird ersichtlich: Was bisher „lediglich“ als Schutz der nationalen Selbstidentität der einzelnen Kollektivgruppen und Individuen galt, wird nunmehr als eine Anpassung an die europäischen Normen und Programme verstanden. Unsere historische Erfahrungen beweisen: Zur Erhaltung und Modernisierung der nationalen Gemeinschaft bedarf es effektiver politischer Institutionen. Diese sind heute in erster Linie der Nationalstaat bzw. die politischen Parteien auf nationalen Grundlagen.Und sie müssen wohl so lange diese Funktion erfüllen bis den Minderheitenschutz-Richtlinien der EU übergreifend Geltung verschafft werden, und diese von Seiten der Nationalstaaten anerkannt und garantiert werden.
Anpassung an die Parteistruktur der EU. Wir betrachten die vergangenen 18 Jahre der Geschichte der ungarischen Parteien in den Nachbarländern als Erfolgsgeschichte der ungarischen Nation der Neuesten Zeit. Jetzt, bei der Zusammenstellung der strategischen Programme des Staates und der Erstellung der neuen Programme der ungarischen politischen Parteien in den Nachbarländern müssen wir das politische System der EU ins Augenmerk nehmen. Darauf achten, dass im politischen Raum der EU Parteien, die ihren eigenen weltanschaulichen Prinzipien folgend Politik betreiben –Volksparteien, Sozialdemokraten, Liberale. Ebenso wie auch die Bürger unserer Länder (ungarischer und anderer Nationalität) –sich entlang dieser Linien gruppieren. (Wir betrachten diesen Widerspruch, der des Öfteren auch in anderen Teilen Europas erscheint, für selbstverständlich.) Hierbei handelt es sich um nichts anderes als den Anspruch des europäischen Menschen, denn so kann der eigene Identitätspluralismus und die Vielfalt der individuellen Selbstidentität entwickelt werden. Als das Individuum im Leben gleichzeitig die eigene weltanschauliche, soziale, familiäre, national-ethnische, Geschlecht bzw. Generation bezogene Identität erlebt. Wir sind also bestrebt den Bürgern ungarischer Nationalität politische Foren in ihrer Muttersprache zu bieten, wo sie die eigenen vielfältigen Identitäten erleben können. Wir halten solche ungarischsprachigen politischen Organisationen (Parteikoalitionen) für wünschenswert, in denen sowohl die nationale als auch die weltanschaulich-soziale Selbstidentität miteinander auskommen. Und auch die weltanschaulichen Gegensätze. Für die Vertreter der Ansichten der Volkspartei, für Liberale, für Sozialdemokraten.
Bestrebungen um die Tradition der nationalen Zwiespalte aus der Welt zu schaffen. Wir sollen sowohl in den neuen Programmen des ungarischen Staates als auch der ungarischen politischen Parteien in den Nachbarländern der Versöhnung zwischen den ungarischen und nicht-ungarischen Völkern größeren Platz einräumen als zuvor. Unserer Ansichten nach, sind in der Geschichte der Völker in der ostmitteleuropäischen Region zum ersten Mal die gemeinsamen Interessen stärker präsent als die Interessengegensätze. Diese gemeinsamen Interessen kommen gerade in Folge des unaufhaltbaren globalen bzw. kontinentalen Wettbewerbs immer mehr zum Vorschein. Sei es die Rede von Wirtschaft, der Steigerung der Lebensqualität, der Bewahrung der kulturellen Selbstidentität. Das Erkennen dieser gemeinsamen Interessen wird durch die gegeneinander gehegten Gefühle dieser Völker gehindert, die in den beinah zwei Jahrhunderten der nationalstaatlichen Kämpfe entstanden sind. Gefühle, die zwar innerhalb der EU nicht offen an die Oberfläche gelangen dürfen, doch deren Erinnerungen in uns weiterleben. Wir schätzen die Initiativen der Intellektuellen und Politiker der Region, die bestrebt sind die feindlichen Gefühle zu mildern, die bestehenden Gegensätze aufzulösen. Das Ungarntum der Region soll die Aufeinanderangewiesenheit der hier lebenden unterschiedlichen Völker zum Ausdruck bringen und in den Institutionen, die hierfür benötigt werden, eine herausragende Rolle spielen. Wäre es möglich die Zusammenarbeit zwischen der ungarischen Minderheit und den Parteien der Mehrheitsnation auf dieser Basis weiterzuentwickeln?
Fachpolitische Strategien in den neuen Programmen. Die EU-Mitgliedschaft bedeutet auch: Die Fachpolitiken des ungarischen Staates müssen prioritär in einem ostmitteleuropäischen Rahmen gesetzt werden. Das können wir uns nur gemeinsam, mit Einbeziehung der staatlichen Administration, der wissenschaftlichen Intellektuellen und den Nachbarstaaten, vorrangig mit den ungarischen politischen Organisationen in den Nachbarländern vorstellen. Das bedeutet auch, dass die ungarischen Parteien in den Nachbarstaaten sich überlegen sollen, inwieweit sie in ihren neuen Programmen die breitere fachpolitische Aktivität als ein neues Element aufnehmen können. Hierbei möchten wir daran erinnern, dass die ungarischen Parteien in den Nachbarstaaten sich die ehrliche Anerkennung der Mehrheitsnation gerade mit ihrer langjährigen, erfolgreichen fachpolitischen Tätigkeit verdient haben. Wir schätzen die Initiativen hoch – seien diese Initiativen die Veranstaltung von Parlamentsforen oder von zivilen bzw. wissenschaftlichen Foren –, die die maßgebenden Persönlichkeiten der in den Nachbarstaaten lebenden ungarischen Gemeinschaft, die Politiker und die Intellektuelle in die Planung der strategischen Zukunft der ganzen Region – mitunter die von Ungarn bewohnten Gebiete – einbeziehen wollen. Und nicht nur in die Planung unseres nationalen Daseins, sondern auch in die Planung der Möglichkeiten des sozial-technisch-wirtschaftlichen Aufschwungs. Wir möchten erreichen, dass das Ungarntum der Region zum Motor der Planung und der Durchführung der regionalen strategischen Programme wird. Sowohl innerhalb, als auch außerhalb der Grenzen.
Meine Frage lautet: Ist es vorstellbar, dass die folgenden Ansatzpunkte in die Programme der ungarischen Parteien der Nachbarländer aufgenommen werden: Aktionen im Interesse der Erhaltung der Naturgegebenheiten der Region, bzw. der möglichst vernünftigen Nutzung der wirtschaftlichen Potentiale; die Förderung der Vermittlerrolle der Region beim Ausbau der in ost-westliche Richtung verlaufenden wirtschaftlich-geistigen Beziehungssysteme? Hierzu gehören die aktive Teilnahme an Programmen und Projektvorhaben, somit die Teilnahme an dem Wasserbewirtschaftungsprogramm für die ostmitteleuropäische Region und am Donau-Programm; die Anpassung der Region an den Klimawandel; Planung des regionalen Straßen- und Bahnnetzes sowie des regionalen Informatiknetzwerkes; die Mitwirkung an den territorialen Kohäsionsprozessen, insbesondere mit Hinsicht auf die Gestaltung der neuen Rolle der ländlichen Räume; die Gewährleistung der Wettbewerbsfähigkeit der regionalen Land- und Forstwirtschaft, sowie der Viehzucht, bzw. die Lösung unserer Arbeitskraftprobleme und der Konflikte, die in Verbindung mit der Migration der Arbeitskraft in Folge der freien Arbeitswahl innerhalb der EU entstehen.Wäre es nicht an der Zeit kulturpolitische Programme zu planen, die sich die Errichtung einer regionalen ungarischen Schul- und Forschungsorganisation im Karpatenbecken, innerhalb dessen die Staatsgrenzen ungehindert durchquert werden können, sowie die Zusammenstellung eines Katasters des regionalen ungarischen kulturellen Erbes zum Ziel setzen? Es ist vorstellbar, dass die Weltanschauung bezogenen Aspekte der europäischen Politik, sowie die fachpolitischen Aspekte, die die Modernisierung der gesamten ostmitteleuropäischen Region anzielen – neben der bisherigen Nationserhaltung und der Interessenvertretung der Minderheiten – bei den Erneuerungsbestrebungen der Parteien der ungarischen Minderheit jenseits der Grenzen berücksichtigt werden. Dieser Vorschlag könnte nicht nur den Parteien unterbreitet werden, die innerhalb eines einheitlichen verwaltungsorganisatorischen Rahmens leben und eine Großzahl an Mitgliedern zählen, sondern für alle politische Parteien und Organisationen, die im Donaubecken ihre Tätigkeit ausüben. Nicht nur in der Slowakei, in Rumänien und in Serbien, sondern auch in der Ukraine, in Kroatien und in Slowenien. Und sie würden den politischen Organisationen in ihren Ländern, somit ebenfalls den Parteien der Mehrheitsnationen eine, auf diese Grundlage aufbauende neue Kooperation anbieten.
II. Die Potentiale der neuen Thematiken, Fertigkeiten und Techniken in der Politik des ungarischen Staates und der ungarischen Parteien jenseits der Grenzen
Wir sind uns bewusst, dass die Aktualisierung des Programms von den politischen Akteuren in Ungarn sowie jenseits der Grenzen, die Einführung von neuen Thematiken, sowie die Ausarbeitung neuer politischer Fertigkeiten und Techniken fordert. Man muss zur Kenntnis nehmen: Die Fachpolitik ist ebenfalls ein Bereich der Nationalpolitik.
Für die Harmonisierung der unterschiedlichen weltanschaulichen und nationalen Betrachtungsweisen müssen wir in uns selber die Fähigkeit zur Konsensschaffung verstärken. Auch dadurch, dass wir bestimmte Arten von Bündnissen schließen.
Die Ausübung der fachpolitischen Aktivität erfordert die Konsensfähigkeit zwischen der Partei und der Zivilgesellschaft. Es handelt sich dabei um eine aktuelle Forderung an das ungarische – man könnte aber auch sagen an das europäische – politische Leben. Neben einem eingegrenzten Parteileben – oder gerade an Stelle dessen – wird ein breiteres öffentliches Leben benötigt, das sich auf die alltägliche Aktivität der Bürger stützt. Es sollen die Möglichkeiten für ein neues Bündnis zwischen den Intellektuellen der Parteien und der Fachbereiche gesucht werden. Dabei muss die in der Forschung, in der Bildung und in der Unternehmensorganisierung tätigen Intellektuellen besonders berücksichtigt werden. Neben den Pädagogen, Beamten und der kirchlichen Intelligenz, die unmittelbar mit dem Gebrauch bzw. Pflege der ungarischen Sprache in Verbindung stehen, sollen ebenfalls die Ingenieure, Ökonomen, Unternehmer und Arbeiter mehr einbezogen werden. Sie sollen das Gefühl haben, dass unsere Parteien das Bewandertsein in der Weltkultur, die Fähigkeit zum wirtschaftlichen Zuwachs und die Erfolge in den neuen Wirtschaftsbranchen als Komponenten der Nationserhaltung betrachten. Gerade sie können es sein, die die fachpolitischen Bestrebungen der Parteien formulieren und zur Geltung bringen, und als Bindeglieder die Fachprogramme des ungarischen Staates und der Parteien jenseits der Grenzen verbinden.
Wir müssen ebenfalls in uns selber – in uns ungarischen Politikern und Intellektuellen innerhalb und jenseits der Grenzen – die Fähigkeit zum Dialog und zur Kooperation verstärken. Die Kooperationsfähigkeit zwischen Ungarn und Ungarn, sowie die Kooperationsfähigkeit mit den Politikern und Intellektuellen der Mehrheitsnationen. Die Ausarbeitung der strategischen Programme der Region liegt gleichwohl im Interesse der Ungarn, Rumänen, Slowaken, Ukrainern und Südslawen. Im Laufe dieser gemeinsamen strategischen Tätigkeit werden auch die Mitglieder der Mehrheitsnation anerkennen, dass die jenseits der Grenzen lebenden Ungarn zugleich Mitglieder der ungarischen Kulturnation sein können, deren Teile sich über die Staatsgrenzen hinausdehnen, und gute Steuer zahlende Bürger ihres Heimatlandes sein können.
Das neue politisch-gesellschaftliche Programm verlangt die Entwicklung dieser neuen Fertigkeiten. Es sind gerade diese Fähigkeiten, die die Voraussetzungen für eine erfolgreiche ungarische Politik schaffen.
III. Über die Möglichkeiten des ungarischen Staates
Die politische Aktivität des ungarischen Staates, die im Interesse der über den Grenzen hinaus lebenden Ungarn unternommen wird, haben wir stets hoch geschätzt und halten diese auch weiterhin für wichtig. Sowohl die Bestrebungen der Regierung in den Jahren des Systemwandels, die auf die Hilfeleistung in Richtung der über den Grenzen hinaus lebenden Ungarn richteten, als auch die „halboffiziellen“ Aktionen der Intellektuellen vor dem Systemwandel. Aktionen, an denen nicht nur die in Ungarn, sondern überall auf der Welt verstreut lebenden Ungarn teilnahmen.
Wir schätzen die Tätigkeit der vom Staat gegründeten Stiftungen, die ungarisch-ungarischen Intellektuellentreffen, das vor kurzem organisierte Forum der Abgeordneten des Karpatenbeckens hoch. Und wir können nicht genügend betonen, welche moralische Kraft die Zuneigung vermittelt, die das in Ungarn und in der westlichen Diaspora lebende Ungarntum den Minderheiten-Ungarn im Alltagsleben entgegenbringt. Dies Letztere möchten wir auch aus dem Grund zum Ausdruck bringen, weil die Bilanz der vergangenen 18 Jahre vor Augen haltend wir meinen, dass die Voraussetzungen für die soziale Chancengleichheit und die Förderung der emotional-bewussten Bindung gleichzeitig in den ungarisch-ungarischen politischen Beziehungen präsent sein müssen. Unser jetziger Vorschlag zur Programmaktualisierung will die sozial-wirtschaftliche Aktivität innerhalb des Ungarntums so zu fördern, dass für keinen Augenblick die emotionalen Aspekte außer Acht gelassen werden.
Auch aus diesem Grund wünschen wir die Aufmerksamkeit der Gesellschaft der Politiker in Ungarn auf das Instrumentarium und das Institutionssystem zu lenken, welche der ungarisch-ungarischen Politik zur Verfügung stehen. Sie soll die nach 2007 entstandene Situation beachten und die fachpolitische Vorbereitung der ungarischen Parteien in den Nachbarländern helfend unterstützen. Sie sollen die Kollegen und Institutionen in Ungarn, die in den einzelnen fachpolitischen Bereichen mit den über den Grenzen des Landes hinaus lebenden ungarischen Fachleuten zusammenarbeiten, unterstützen. Wir möchten ihre Aufmerksamkeit darauf lenken, dass sie untersuchen inwieweit das Regierungsamt für die ungarische Minderheiten die Abwicklung der strategischen Programme unterstützen kann. Inwieweit können mit Hilfe dieses Amtes die obigen Aspekte in den zwischenstaatlichen Beziehungen verstärkt werden. Wir möchten die Aufmerksamkeit der Politiker wiederholt darauf lenken, dass bei der Politik der über den Grenzen hinaus lebenden Ungarn die emotional-bewussten Aspekte eine wichtige Rolle spielen.
IV. Gemeinsamer Aktionsplan
Wir unterbreiten den politischen Organisationen der über den Grenzen hinaus lebenden Ungarn sowie dem Programmrat der Strategischen Forschungen der UAW den folgenden Vorschlag. Es sollen fachpolitische strategische Planungskomitees in vier (die genaue Zahl kann noch weiter präzisiert werden) konkreten Themenbereichen. Diese Planungskomitees können einer Situationsanalyse folgend Aktionspläne erarbeiten, sowohl für die ungarische Regierung als auch für die ungarischen politischen Organisationen in den Nachbarländern. Das Themenprogramm der vier Themenbereiche sollen im Rahmen einer für den Anfang September geplanten Konferenz diskutiert werden. Anschließend sollen die Räte der einzelnen Themenkreise aufgestellt werden und diese sollen bis zum Ende des Jahres Aktionspläne erarbeiten.
Unser Vorschlag für die vier Themen:
1. Kulturpolitik. A.) Institutionssystem für Bildung und B.) Kataster des ungarischen kulturellen Erbes. Vorbereitet von Ferenc Glatz, Antal Stark, László Csorba, László Szarka und 6 Kollegen aus den Nachbarländern.
2. Natur- und Wasserbewirtschaftung. A.) Klimawandel, Agrarwirtschaft und B.) Wasserbewirtschaftung; internationales Donau-Programm. Vorbereitet von Tamás Németh, István Láng, László Somlyódy und 6 Kollegen aus den Nachbarländern.
3. Territorialentwicklung. A.) Grenzregionen und B.) Entwicklung des ländlichen Raumes. Vorbereitet von Gyula Horváth, Bálint Csatári, János Rechnitzer, und 6 Kollegen aus den Nachbarländern.
4. Zugänglichkeit. A.) Verkehr und B.) Informatik. Vorbereitet von Pál Michelberger, László Keviczky, und 6 Kollegen aus den Nachbarländern.
Die Vorbereitungen des Programms werden vom Programmkomitee der Strategischen Forschungen der UAW koordiniert. (Präsident Ferenc Glatz, Direktorin Margit Balogh. Stammsitz: Sozialforschungszentrum der UAW.)
Budapest, 8. Juli 2008
Ferenc Glatz