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Miklós Varga

Wasserbewirtschaftung in Ungarn – Lagebericht

 

Der Fachbereich Wasserbewirtschaftung gehört in Ungarn zu einer der ältesten, auch auf Verwaltungsebene repräsentierten Wissenschaftszweigen. Ins besondere, da die Bewirtschaftung der Gewässer eng mit der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes, dem Verkehrswesen und dem Entwicklungspotential der landwirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verbunden ist.

 

Internationale Kooperation

Die geographischen Begebenheiten und die geopolitische Lage des Landes haben einen entscheidenden Einfluss auf die Nutzung von Wasser als Kraftquelle. Ungarn liegt im unteren Teil des Karpatenbeckens und somit im Einzugsgebiet der aus den umliegenden Gebirgsketten kommenden Fliessgewässer. Lediglich 5% der Quantität des in dem Karpatenbecken fallenden Niederschlags entsteht über dem Landesgebiet, was ebenfalls im internationalen Vergleich zu den unvorteilhaftesten Bedingungen zählt. Daraus folgt, dass der untere Karpatenbecken und somit das gesamte Landesgebiet sensible auf nahezu alle Veränderungen in den mehrere Hunderttausend km2 großen, höher liegenden Wassereinzugsgebieten reagiert, die zwangsweise durch das Wasser – Niederschlag bzw. grenzüberschreitende Gewässer – den umliegenden Gebieten übertragen werden. Die Auswirkungen dieser Veränderungen können die natürlichen Wasserverhältnisse nachteilig beeinflussen (stärkere Flutwellen, niedrigere Tiefwassererträge) und mit der Zeit zur Verschmutzung der Gewässer führen. Zusammenfassend kann also festgestellt werden, dass die Verlässlichkeit der Wasserbewirtschaftung von zahlreichen Aspekten abhängig ist, die wiederum ausschließlich mit Hilfe von internationalen Wasserabkommen behandelt werden können.

Die Kooperation zwischen Ländern, die durch ihre gemeinsamen Wassereinzugsgebiete verbunden sind, entsteht in erster Linie hinsichtlich der Grenzgewässer oder der Fliessgewässer, Seen und unterirdischen Gewässern, die entlang der Grenze verlaufen oder diese durchqueren. Solche Kooperationsbestrebungen können sich ausschließlich auf die Grenzgebiete oder auf die gesamte Ausdehnung des Wassersystems beziehen und werden vertraglich durch zwischenstaatliche, sog. Grenzwasserabkommen geregelt. Solche Abkommen widerspiegeln naturgetreu das politische Kraftfeld der Zeit und geben ein Bild über die zeitgenössischen Ansichten der multilateralen Vertragspartner zur Wasserbewirtschaftung.

 

Abkommen und Verträge

Die Grenzwasserabkommen Ungarns haben ihren Ursprung in den Friedensverträgen von Trianon. Auf die geographischen Begebenheiten des Karpatenbeckens bezogen erklärten sich die Vertreter der Nachfolgestaaten bereit anzunehmen, dass zur Kontrolle der zukünftig zu verrichtenden Vorhaben in den bereichen Wasser- und Forstwirtschaft, welche die Interessen des anderen Staates beeinflussen können, ein internationales Komitee aufzustellen sei. Im Artikel 294 des Friedensvertrages wurde das Konzept der gemeinsamen Interessen festgelegt. Und auf Grund des Artikels 293 wurde das für den Donaubecken zuständige Ständige Technische Kommission für Wasserwesen (Comission Technique Permanente du Régime des Eaux du Danube – CRED) aufgestellt. Die voran angeführten Artikel hielten fest, dass die natürlichen Wasserverhältnisse – Wasserführung – ohne das Einverständnis des Komitees nicht verändert werden dürfen. Die CRED beendete ihre Tätigkeit in 1938. Die nach dem Zweiten Weltkrieg abgeschlossenen Pariser Friedensverträge konservierten die Zerstückelung der Wassereinzugsgebiete, ohne über die Fortsetzung der Tätigkeit der Kommission zu verfügen.

Die früheren Erfahrungen und die Verwüstungen der eintretenden Überschwemmungen (1948-1949) verwiesen auf die Notwendigkeit der internationalen Wasserabkommen. In den 1950er Jahren – nunmehr unter veränderten politischen Voraussetzungen – wurden die Grenzwasserabkommen mit den Nachbarstaaten abgeschlossen, die bis heute einen Einfluss auf die Wasserbewirtschaftungstätigkeit in den Einzugsgebieten der Donau und der Theiß ausüben.

Die sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen in den 1990er Jahren machten erneut die Modifizierung der Grenzwasserabkommen notwendig. Zu einem waren die Nachfolgestaaten nicht mehr identisch mit den ursprünglichen Vertragspartnern und zum anderen kamen neue multilaterale internationale Abkommen zustande, die eine neue Sichtweise in das Beziehungssystem der Wasserbewirtschaftung einbrachten. Die Nachfolgestaaten erkannten als Ausgangspunkt die Gültigkeit der mit ihren Vorgängern abgeschlossenen Verträge an, so verhielt sich Serbien und Kroatien hinsichtlich des mit Jugoslawien abgeschlossenen Grenzwasserabkommens von 1955, wodurch die internationalen Beziehungen ohne Zäsur aufrecht gehalten werden konnten.

Im Folgenden seien die multilateralen Abkommen angeführt, die die Einstellung und Sichtweise der heute gültigen Grenzwasserabkommen am meisten beeinflussten: Übereinkommen zum Schutz und zur Nutzung der grenzüberschreitenden Wasserläufe und internationaler Seen (Helsinki-Übereinkommen1992); Übereinkommen über die Zusammenarbeit zum Schutz und zur verträglichen Nutzung der Donau (Sofia 1994); Übereinkommen zum Recht der nichtschifffahrtlichen Nutzung internationaler Wasserläufe (New York 1997).

Es ist das Ergebnis der vergangenen 15 Jahre, dass Ungarn heute mit allen Nachbarstaaten gültige Grenzwasserabkommen abgeschlossen hat, die den zeitgenössischen Zielsetzungen der multilateralen internationalen Verträge entsprechen. Die Zusammenarbeit umfasst Bereiche wie das gemeinsame Monitoring, Datenaustausch, Prognostizierung, Inbetriebhaltung, Schadenersatzfragen, Grenz-Monitoring der Oberflächen- und unterirdischen Gewässer sowie Wassernutzung – somit Bereiche, in denen ein gemeinsames Auftreten erforderlich ist.

Zur Verwirklichung der Aufgaben in Verbindung mit den Grenzgewässern müssen zwei Ebenen durchlaufen werden. Auf Regierungsebene kommen die Beschlüsse durch die Regierungsbeauftragten zustande, während die Durchführung auf der Ebene der regional zuständigen Wasserverwaltungsorganisationen und ihrer Zusammenarbeit verwirklicht wird. In diesem Zusammenhang soll hervorgehoben werden, dass die mit Bezug auf die Grenzwasserabkommen geleistete regionale Zusammenarbeit der Nachbarstaaten auch in Zeiten, die mit schweren politischen Gegensätzen oder gar Kriegen belastet waren, stets von der Aufrechterhaltung der guten Beziehungen, der gegenseitigen Anerkennung der Partner sowie der Verbundenheit zum Fachbereich geprägt war, und auch heute noch ist. So konnten viele Notzustände, die durch extreme Naturereignissen, Hochwasser, Wasserverschmutzung oder Dürreperioden entstanden, ohne noch größere Schäden überwunden werden.


In der Europäischen Union

Mit dem Beitritt zur Europäischen Union, und bei den Vorbereitungen auf die EU-Mitgliedschaft, öffnete sich in den Beziehungen entlang den Grenzgewässern für die ostmitteleuropäischen Staaten eine neue Dimension. Um die Beitrittsvoraussetzungen besser erfüllen zu können, stellte die EU bereits nach Abschluss der Partnerschaftsverträge bedeutende Mittel (PHARE) für die Steigerung des Wasserbewirtschaftungsniveaus in den Grenzregionen und zur Aufdeckung und Lösung der Problembereiche der Grenzgewässer bereit. Heute gelten nunmehr für die EU-Mitglieder im Bereich Wasserpolitik die von der „Wasserrahmenrichtlinie“ deklarierten Zielsetzungen und Aufgaben. Der erste Schritt zur Umsetzung der Richtlinie war die Einstufung der Gewässer der einzelnen Länder; hinsichtlich der Grenzgewässer war es erforderlich, dass die Nachbarstaaten sich untereinander abstimmten.

Gegenwärtig läuft die Planung der Einzugsgebietsbewirtschaftung. Hierzu werden, entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip die Erwartungen der Menschen zusammenfassend formuliert, die in den einzelnen Teilen der Einzugsgebiete leben. Nach der öffentlichen Diskussion der Befunde werden diese in die Wasserpolitik des jeweiligen Landes inkorporiert. Im nächsten Schritt wird dann der Landesplan ausgearbeitet. Dieses Dokument beschreibt die Aufgaben, die in den einzelnen Wassereinzugsgebieten der Donau (z.B. Rumänien, die Slowakei) unternommen werden sollen, und bis Ende 2010 werden diese von den jeweiligen Mitgliedstaaten der EU vorgelegt. Diese Dokumente bilden zugleich die Grundlage für den Plan der Einzugsgebietsbewirtschaftung des gesamten Donaueinzugsgebietes. Im kommenden Jahr soll dann mit den Nachbarstaaten gemeinsam die Harmonisierung der Aufgaben in den Teileinzugsgebieten entlang den verschiedenen Grenzen vorbereitet werden. Ein wichtiges Grundprinzip bei der Planung der Einzugsgebietsbewirtschaftung ist, dass die bereits bewilligten und von der EU geförderten Programme in den Plan eingearbeitet werden müssen. Die EU fördert prioritär die entlang den Grenzen befindlichen Oberflächengewässer und die unterirdischen Gewässer, die durch Grenzen unterteilt sind, sowie die Eingriffe, die an diesen Grenzgewässern unternommen werden.

Ungarn hat gegenwärtig 37 laufende Projekte, die aus den Mitteln der verschiedenen EU-Fonds (INTERREG, ERFA, usw.) finanziert werden. Nahezu alle Fachbereiche der Wasserbewirtschaftung sind in diesen Projekten repräsentiert (Hochwasserschutzprojekte, Förderung von Grundwassersystemen, Entwicklung des Wassertourismus, Altarmrehabilitation, Förderung der institutionellen Beziehungen, Modellierung von Maßnahmen zum Schutz der Wasserqualität, Förderung der öffentlichen Beziehungen). Diese gemeinsamen Entwicklungen öffnen neue Horizonte für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, und sie helfen die Deformitäten der Wassersysteme, die in den vergangenen Jahrzehnten entstanden, abzubauen.

 

 

Das Land der Gewässer

Die Naturbegebenheiten, die bei der Gestaltung der Wasserbewirtschaftung entscheidend sind, können in drei Gruppen eingeordnet werden: 1.) die geomorphologische und geologische Struktur; 2.) das Klima, die Strahlung und der Niederschlag; 3.) der Boden und die Pflanzendecke.

Alle bedeutenden geomorphologischen Strukturenelemente entstanden in der vorgeschichtlichen Zeit. Die mit Sedimenten bedeckten Tiefebenen bilden den Grossteil des von den hohen Gebirgsketten der Alpen und den Karpaten umgebenen unteren Beckens, während die Erosionsgesteinhügel und -gebirge sich über einen weit kleineren Teil des Beckens erstrecken. Die meisten Tiefebenegebiete befinden sich unterhalb des Hochwasserpegels der Fliesswasser, wodurch Ungarn zu dem von Überschwemmungen meistgefährdeten Land Europas ernannt wurde.

Das Wassersystem in Ungarn gilt aus erdgeschichtlicher Sicht als verhältnismäßig jung. Die in den Becken und Betten der früheren Meere, der Seen und Flüsse befindlichen Sedimentschichten, die zahlreiche Formen annehmen und in den verschiedenen Teilen des Landes verteilt sind, bilden die Basis für die reichen unterirdischen Wasserressourcen.

Die territoriale Verteilung der Wasserressourcen an der Oberfläche zeigt ebenfalls bedeutende Unebenheiten: 90% der Oberflächengewässer konzentrieren sich in den Flussbetten der drei großen Fliessgewässer, die Donau, die Drau und die Theiß. 95% unserer Fliessgewässer entspringen im Ausland und strömen somit über die Grenzen ins Land ein. Es gibt stets bedeutende Unterschiede bei den Hoch- und Niedrigwasserstandswerten unserer Fliessgewässer. Betrachtet man den Gesamtbestand der sich erneuernden Oberflächenwasserressourcen, so verfügt das Land über 172 m3 Wasser pro Jahr.

Die unterirdischen Wasserbestände lassen sich nach den folgenden Kriterien typologisieren: ufergefilterte Gewässer; Grundwasser; Schichtenwasser; Karstwasser; Thermalwasser. Die ufergefilterten Gewässer sind von einer Schlammschicht überdeckte Schotter- oder Sandgemische, die sich über eine Breite von 50-100 Metern entlang den Ufern der Fliessgewässer erstrecken. Die regional auffindbaren Schichtenwasserreservoire liegen über Zweidrittel der Gebiete Ungarns verteilt. Diese Reservoirs stehen in einer Wechselbeziehung mit den unter der Oberfläche befindlichen Grundwasserbeständen. Der Grossteil unserer Schichtenwasser eignet sich somit direkt für den menschlichen Konsum und zählt zu den wertvollen Wasserarten.

Die zusammenhängenden Karstwassersysteme erstrecken sich über ein Gebiet von insgesamt 41 500 km2. Davon lassen sich auf einem Gebiet von 8 400 km2 Karstwasserbestände ausheben, deren Temperatur unterhalb von 35°C liegt. Die Karstwasserbestände werden direkt durch Niederschlagwasser gespeist. Das kalte Karstwasser zählt auf Grund seines hervorragenden Genusswertes und wegen seiner direkten Verbundenheit mit den Niederschlagwasserwerten zu den prioritär geschützten wertvollen Wasserreservoirs.

Ungarn ist reich an Wasser. Diese Tatsache hat eine enorme Bedeutung, wenn man die Aufwertung des Trinkwassers im 21. Jahrhundert bedenkt, und in vielen Teilen der Welt Millionen von Menschen das gesunde Trinkwasser entbehren müssen. In Ungarn stehen für eine kultivierte Lebensweise und für die Produktion der Industrie und der Landwirtschaft eine entsprechend angemessene Qualität und Quantität an Wasser zur Verfügung. Der Wahrheitsgehalt dieser Aussage wird aber in Frage gestellt, wenn man die territoriale und zeitliche Verteilung der aktuell zur Verfügung stehenden Wasserbestände mit dem Volumen der heutigen Wasserbedürfnisse vergleicht. Es sind diese Widersprüche, für die die moderne Wasserbewirtschaftung Lösungsansätze finden sollte.

 

Wasserbewirtschaftung in Ungarn

Die Geschichte der ungarischen Wasserbewirtschaftung lässt sich in zwei große Epochen einteilen.

Die Zeit von der Landnahme (895) bis zu den großspurigen Flussregulierungsvorhaben im 18-19. Jahrhundert wird als die sog. ökologische Epoche bezeichnet. Hier Epoche bildete die Nutzbarmachung der Potentiale der Gewässer die Grundlage der Wasserbewirtschaftung und der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes. Das Ungarntum eignete sich bereits im mittleren Asien und später während seiner Wanderungen die grundlegenden Kenntnisse über die Bewirtschaftung der von Gewässern durchdrungenen Gebiete an. Es bildete sich eine besondere Art der Gebietsnutzung aus, was wir als Auenbewirtschaftung bzw. als Hochwasserregulierung durch Ufereinschnitte bezeichnen können. Diese Form der Bewirtschaftung konnte aber den Anforderungen nicht gerecht werden, die der Entwicklungsstufe der zeitgenössischen Gesellschaft entsprachen. Die Gewässer waren zwar reich an Fischen, aber es fehlte an den nötigen Voraussetzungen für ihre erfolgreiche Vermarktung; und die Früchte der Obstbäume, die auf den vom Hochwasser verschonten Uferterrassen gepflanzt wurden, linderten lediglich die Hungersnot der örtlichen Bevölkerung.

Diese Form der Auenbewirtschaftung, bei der der Wasserzufluss der Auengebiete durch Einschnitte im Flussufergelände ermöglicht wurde, war das Resultat einer hochgradigen Adaptation der hiesigen Bevölkerung an die lokalen Naturbegebenheiten; aber für die in den Auengebieten lebenden Menschen konnten hierdurch bei weitem keine idyllischen Lebensvoraussetzungen geschaffen werden. Erst die beginnenden Arbeiten zur Regulierung der Theiß (19. Jahrhundert) und später der Abschluss des Bauvorhabens brachten eine wesentliche Änderung. Es ist unbestreitbar, dass die beinah ein ganzes Jahrhundert dauernde Arbeit, die Schweiß und Blut kostete, erforderlich war. Und mit der Durchführung dieses enormen Vorhabens begann sodann die zweite, sog. technologische Epoche der ungarischen Wasserbewirtschaftung. Hier kam es sowohl in der Theorie als auch in der Praxis zu einer Verschiebung der Schwerpunkte in Richtung der Wasserdienstleistungen und des Hochwasserschutzes sowie der Regelung der Wasserbenutzung auf der Ebene der Staatsverwaltung.

Heute erscheint in der Wasserbewirtschaftung an Seite des technologischen Ansatzes erneut und mit steigender Intensität die ökologische Denkweise, die Anforderung gegenüber der langfristigen Erhaltung der Quantität und Qualität der Wasserressourcen, bei den Baueingriffen die verstärkte Beachtung der Aspekte der Natur und Tierwelt und der Schutz der Gesundheit der Menschen. Ein weiterer wichtiger Aspekt hierbei ist, dass die gegenwärtigen Wasserverhältnisse in Ungarn nicht natürliche Entwicklungen, sondern überwiegend das Ergebnis von Regulierungen sind.

Der gegenwärtige Stand unserer Kenntnisse über unsere Gewässer beruht auf der umfassenden Ansammlung von Informationen zu den folgenden Bereichen: 1.) Die Ermessungen der an der Oberfläche und unterirdisch befindlichen Wasserbestände des Landes wurde abgeschlossen. 2.) Die Ausdehnung, territoriale Verteilung sowie temporale Fluktuation dieser Wasserressourcen ist uns bekannt. Ihre Belastung gemessen an den jeweiligen Wasserbedürfnissen, ihre Qualität, die qualitätsbezogenen Änderungen mit inbegriffen, sind uns in Folge der seit mehreren Jahrzehnten durchgeführten Monitoring-Verfahren ebenfalls bekannt. 3.) Die Qualifizierung der Wasserbestände wurde den Anforderungen der EU angepasst. Es ist uns bekannt, dass die Qualität unserer Oberflächengewässer, vor allem unserer Stillgewässer, äußerst instabil ist und ständiger Kontrollen bedarf. 4.) Mit Hilfe der Durchführung des Wasserbasenprogramms zeigten sich die potentiellen Gefahren kennengelernt, die eine Bedrohung für unsere unterirdischen Gewässer darstellen.

 

Der Klimawandel und seine Folgen

Eine neue Herausforderung steht uns bevor: Wir müssen uns auf die Behebung der durch den Klimawandel bedingten Konsequenzen vorbereiten. Oder auf die Adaptation. Die bereits heute einsetzenden extremen Wetterbedingungen, die Fluktuationen in der Verteilung der Niederschlagswerte, z. B. die extremen Hochwasser oder die immer öfter einsetzenden Dürreperioden sind bereits erste Anzeichen dieses Wandels. Es müssen die Zeit und die benötigten finanziellen Mittel für die erneute Durchführung des hydrologischen Monitorings bereitgestellt werden. Und es muss immer öfter eine Auswertung der Daten und damit verbunden die Initiierung der nötigen Eingriffe erfolgen. Das Speichern der bei Hochwasser geführten übermäßigen Wassermengen der Ströme und kleinen Fliessgewässer ist einer der wichtigsten Voraussetzungen für die Entwicklung der ländlichen Räume. Die Förderung der Agrarproduktion, vor allem in Verbindung mit den Gemüse- und Obstprodukten – kann ohne die Errichtung der benötigten Wasserreservoirs, die von den Fliessgewässer der Gebirgs- und Tiefebenengebiete gespeist werden, nur schwerlich erfolgen. Der folgende Gedanke von József Beszédes, der großformatige Wasseringenieur der ungarischen Reformzeit (Mitte des 19. Jahrhunderts) – mag wohl nie so aktuell gewesen sein wie heute: „ Lasse niemals das Regen- oder Schneewasser ungenutzt aus deinem Hof fließen, ebenso lasse nicht das Wasser von deinen Feldern, aus den Komitaten und das Land rausströmen ohne es zu nutzen, weil es ohne dir etwas zu kosten, ein von Gott gegebenes, wertvolles Geschenk ist.“

Hochwasser und ansteigendes Grundwasser

Die Gemeinsamkeit der großen Hochwasserfluten der vergangenen Jahrzehnte in Ungarn war es, dass sowohl an bestimmten Strecken der Theiß als auch entlang der Donau die Spitzen der Hochwasserfluten die bisher registrierten Maximalwerte überstiegen. Während im Donautal die nach den früheren Hochwassern – insbesondere nach dem eisigen Hochwasser von 1956 und dem im Sommer einsetzenden Hochwasser in 1965 – unternommenen Bauvorhaben zur Erhöhung der Haupthochwasserschutzlinie der staatlichen Vorrichtungen sich größtenteils als zureichend erwiesen haben, mussten entlang der Theiß neue Konzepte für die Entwicklung von Hochwasserkonstruktionen erarbeitet werden.

Die Länge der Haupthochwasserschutzlinie der Vorrichtungen in Ungarn beträgt 4 200 km. Die Lehre der Hochwasserkatastrophe von 1879 in Szeged war es, dass der Schutz vor Hochwasser entlang einem bestimmten Flusstal ausschließlich mit Vorrichtungen, die auf dem gleichen Prinzip beruhen, bewerkstelligt werden kann. In Ungarn werden somit an beiden Seiten der geschützten Flusstäler kontinuierlich Schutzvorrichtungssysteme ausgebaut, die gegen die alle 100 Jahre einsetzenden extremen Hochwasserfluten schützen sollen, und je nach Art der Flussufergebiete wird mit Sicherheitswerten von 1 bis 1.5 m gerechnet – diese gelten als maßgebende Hochwasserstandswerte. Bei Flutwellen, die diese Höhe überschreiten, können zwei Lösungsansätze angewandt werden: die weitere Erhöhung der Deichwerke, was bei Erddeichen nur begrenzt möglich ist, oder die Verminderung der Spitzenwerte von Flutwellen. Das Programm zur Weiterentwicklung des sog. Vásárhelyi-Planes, dessen Verwirklichung bereits begonnen wurde, beruht geradewegs auf diesem letzteren Prinzip. Die Bauarbeiten der Wasserreservoire in Cigánd und Tiszaroff sind bereits abgeschlossen und der Bau der in Nagykunság und Hany-Tiszasüly geplanten Reservoirs wurde begonnen. All dies leistet einen enormen Beitrag zur existenziellen Sicherung der entlang der Theiß lebenden Menschen. Das Wasser kann aber ebenfalls in den von Hochwasser nicht bedrohten Perioden in die Reservoirs umgeleitet werden, was weitere Möglichkeiten für einen neuen Typ der Bewirtschaftung bietet: die Anpflanzung von Pflanzenkulturen mit größerem Wasserbedarf, die Verbreitung von Energiepflanzen, intensive Wiesen- und Weidelandbewirtschaftung, Herausbildung von Feuchtland ähnlichen Gebieten, die Einrichtung von modernen Fischereien in den bepflanzten Gebieten, auch die einstige Bewirtschaftung der Auengebiete durch Einschnitte in den Uferterrassen birgt neue, weiterentwickelte Möglichkeiten in sich. Diese Vorhaben können zu neuen Zentren der ländlichen Entwicklung werden.

Die ausgedehnten Tiefebenengebiete sind weiterhin dem ansteigenden Grundwasser ausgesetzt, also dem Wasser, das die Bodenschichten in weiten Gebieten sättigend an die Oberfläche gelangt und durch Niederschlagwasser und das Anheben des Grundwassers entsteht. Die durch Hochwasser an der geschützten Seite einsetzenden Horizontalerscheinungen, die sog. sprudelnden Wasserausbrüche werden ebenfalls als ansteigendes Grundwasser betrachtet, denn auch in diesem Fall erhebt sich der Grundwasserstand. Die Ausdehnung der unter Wasser stehenden Gebiete kann bis zu 100-400 000 ha erreichen, wobei die von Wasserschäden betroffenen Gebiete sogar das zwei- oder dreifache betragen können. Es gibt in Ungarn ein voll ausgebautes Schutzsystem gegen ansteigendes Grundwasser. Die betrieblichen, die Anlagen verbindenden, staatlichen Wasserkanäle und die Saugpumpenanlagen zur Überhebung des Wassers sind in den vergangenen 150 Jahren ausgebaut worden, wobei die Einleitung von häufigeren Instandhaltungs- und der Rekonstruktionsarbeiten erforderlich wären. Dennoch ist dies keine endgültige Lösung des Problems. Es bieten sich weitere Ansätze für eine plausiblere Nutzung dieser von ansteigendem Grundwasser heimgesuchten Gebiete, wie die Anpflanzung von wasserbeständigen Pflanzenkulturen, die Wiederherstellung der Wiesen -und Weideflächen, eventuell die Errichtung von Flachland-Wasserreservoirs. Dem Prinzip der Zurückhaltung des Wassers soll auch hier Geltung verschafft werden. Die im Frühjahr einsetzende Überflutung der Gebiete durch Grundwasser kann für die Landwirte in den Dürrenperioden eine Hilfe sein. Die Änderungen in der Flächennutzung sind als eine Anpassung an die aktuellen hydrologischen Begebenheiten zu betrachten, wodurch ebenfalls die Potentiale der ländlichen Entwicklungsbereiche gesteigert werden können.

 

Wasserversorgung, Kanalisation, Irrigation

Die Infrastruktur der Siedlungen trägt neben dem örtlichen Entwicklungsstand des Informatiknetzes bedeutend dazu bei, dass die Ungleichheiten zwischen städtischem und dörfischem Leben aufgehoben und lebbarere Siedlungen ausgebaut werden. Die Wasserversorgung und der Ausbau der Kanalisation in den Städten und Dörfern sowie die Schutzmassnahmen in den von Wasser heimgesuchten bewohnten Innenbereichen der Siedlungen gehören zu den wichtigsten Aufgaben der Wasserbewirtschaftung. In Ungarn ist die zum Trinken geeignete Leitungswasserversorgung entsprechend gut ausgebaut. Und auch mit Hinsicht auf die Qualität des Rohrwassers kann sich Ungarn im europäischen Wettbewerb behaupten. Die zukünftigen Aufgaben in diesem Bereich sind die in Einzelfällen erforderliche Verbesserung der Wasserqualität, Rekonstruktionsarbeiten und die Rationalisierung der entsprechenden Betriebsorganisationen. Ganz anders verhält es sich mit dem Ausbau des Kanalisationssystems und der Abwasserentsorgung; zwei Bereiche, in denen umfassende Entwicklungen erforderlich sein werden.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Wasserretention. Mit dem Speichern von Wasser würden sich neue Möglichkeiten für die Irrigation bieten. Nach dem Systemwandel wurde der Grossteil der funktionsfähigen Irrigationssysteme abgeschafft, die technischen Einrichtungen dieser Systeme verschwanden und auch die zusammenhängenden Flächen der Grossbetriebe gab es nicht mehr. Sowohl die extremen Wetterereignisse, die die Folge des Klimawandels sind, als auch die Anforderung zur Produktionssicherheit in der Landwirtschaft vor Augen haltend, aber auch im Interesse der effektiveren Nutzung des Lebensmittelproduktionspotentials des Landes kann auf die Irrigation nicht verzichtet werden. Im Weiteren gilt es zu bedenken, dass eine stabile landwirtschaftliche Produktion ebenfalls eine positive Auswirkung auf die Beschäftigungszahlen haben könnte. Eine Rationalisierung der sektoralen Aufteilung der landwirtschaftlichen Produktion und die hierauf gestützte Tierzucht und Lebensmittelproduktion könnten auf lange Frist zum leistungsstarken Motor der ländlichen Entwicklung werden.

Die Entwicklung von Umwelt schützenden, naturnahen Technologien, die u.a. ebenfalls für das Wohlbefinden der Bevölkerung Sorge tragen, bieten gute Lösungsansätze für den Umgang mit Gewässern. In den vergangenen Jahren wurden außerordentliche Wasserereignisse und Wasserschadenfälle registriert, die die Aufmerksamkeit auf die Probleme der Wasserregulierungen in den bewohnten Innenbereichen der Siedlungen lenkten. Die Mängel in der effektiven Regulierung der durch die Siedlungen fließenden Gewässer, das Fehlen der Kanalisation für das Ableiten von Regenwasser, die Baunutzung der von Wasser heimgesuchten Gebiete haben gemeinsam zu schweren lokalen Katastrophen geführt und viele Familien obdachlos gemacht. Bei der Lösung dieses Problems müssen alle Teilbereiche komplex gehandhabt werden, wobei die Entwicklung und die Betriebhaltung der entsprechenden Anlagen parallel und aufeinander abgestimmt unternommen werden muss. Es ist ebenfalls wichtig, dass die Entwicklungsexperten und die Selbstverwaltungen den Vorrang dieser Problematik erkennen und nicht nur dann die entsprechenden Fragenbereiche auf ihre Agenda setzen, wenn die Katastrophe bereits eingesetzt hat.

  

Erholung, Freizeit

Die natürlichen Gewässer haben nicht nur ökonomischen Wert und sind Gegenstand von Entwicklungsplänen. Trotz der Tatsache, dass die Menschen sich entlang den Gewässern angesiedelt haben, weil diese ihnen wirtschaftliche Möglichkeiten boten, wie den Wassertransport von Salz, Holz, Getreide sowie die Fischerei, oder sie mit Wasser versorgten. Auch unsere Großstädte sind im Laufe der Zeit entlang den Fliessgewässern errichtet worden. Wir dürfen aber auch nicht vergessen: Die natürlichen Gewässer bieten gleichwohl ein Erlebnis an ästhetischen Werten, was ebenfalls nicht unterschätzt werden sollte. Die Flüsse und Seen haben von je her eine große Anziehungskraft für die Menschen dargestellt und ihnen ein Raum zum Leben gesichert.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war es gerade das ästhetische Erlebnis, der Wunsch nach Freizeit- und Erholungsmöglichkeiten, die die Baulust an den Uferstreifen des Balatons und der Velence-See anspornte, die dazu führte, dass die Gebiete entlang den Flussgerinnen in manchen Fällen unerlaubt genutzt wurden und hier oder an den Ufern der neu ausgebildeten Wasserreservoirs kleine Wochenendhäuser wie Pilze aus dem Boden schossen. Die lebendigen Gewässer, die Flüsse, Seen, Bäche, die Altarme und die künstlich errichteten Wassergebiete bieten zahlreiche Möglichkeiten für die Förderung des Tourismus in die ländlichen Gebiete und für Rekreation, Erholung, Freizeithobbys wie Angeln oder Wassersport. Auch der Dorftourismus wird hierdurch gefördert, und die Schönheit der Gewässer wird so mit der Volkskunst und den nicht zu unterschätzenden gastronomischen Erlebnissen auf dem Land komplettiert. Ein neues Angebot auf der Palette der sich ständig erweiternden Tourismusindustrie sind die Wellness-Programme, aber auch der Thermal- und Heilwassertourismus bieten, dank der Vielzahl unserer Thermalquellen, Erfolg versprechende Förderungsmöglichkeiten.

 

Auf Ungarisch publiziert in Párbeszéd a vidékért (Dialog für den Ländlichen Raum), 2009/3, pp. 22–23.; 2010/1, pp. 25–26.