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Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 25:212–214.

DUŠAN KOVÁČ

Generalsekretär der Slowakischen Akademie der Wissenschaften
(ab 1999), Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates des Europa Instituts

 

In wie weit betrachteten, bzw. betrachten Sie die Bewahrung der Minderheiten als Aufgabe der staatlichen Kulturpolitik, und welche Mittel standen, bzw. stehen Ihnen zu diesem Zweck zur Verfügung?

Viele Nationen, einschließlich die nationale Minderheiten – das ist der Reichtum Europas. Die ethnische, sprachliche und nationale Vielfalt bedeutet nicht nur kulturelle Bereicherung, es ist auch im politischen Sinne eine wichtige Schule der Toleranz, des Dialogs und der Kommunikation. Was für Europa gilt, das gilt ebenso auch für die einzelnen Staaten Europas. Die ethnischen und nationalen Minderheiten sollten nicht mehr als eine Last oder als etwas Unangenehmes betrachtet werden, sondern umgekehrt, als eine Chance das Reichtum und die Vielfalt der Gesellschaft beizubehalten. Diese Haltung, bereits von Fachleuten und Intellektuellen anerkannt, bedeutet eine grundsätzliche Änderung der Philosophie den nationalen Minderheiten und den kleinen Nationen gegenüber. Die Bewahrung dieser Vielfalt im Staate – das ist eine der Hauptaufgaben der staatlichen Kulturpolitik (und der Politik überhaupt!). Die Politik hat viele Mittel (organisatorische, finanzielle) in der Hand. Ihre Anwendung hängt von der konkreten Situation im konkreten Lande ab. Sollte die nationale Minderheit nicht mehr imstande sein sich selbst als eine autonome Kultureinheit aufrechtzuerhalten, muss der Staat seine Bereitwilligkeit zur Hilfeleistung zum Ausdruck bringen, wenn es sich als nötig erweist, auch in der Form einer „positiven Diskriminierung”.

 

Welche Verfügungen haben Sie während Ihrer kulturpolitischen Tätigkeit zur Aufrechterhaltung der nationalen Minderheiten gefördert? Welche kulturpolitischen Aktionen wurden während Ihrer Amtszeit durchgeführt mit dem Ziel die Kultur der kleinen Nationen oder das Identitätsbewusstsein der nationalen Minderheiten innerhalb der Staatsgrenzen zu stärken?

Ich selber hatte nur die Möglichkeit als Berater des Staatspräsidenten an (Rundtisch-) Gesprächen teilzunehmen. Meine Erfahrung ist, dass die wichtigste Aufgabe der Minderheiten darin besteht selber die Forderungen und Wünsche zu formulieren und selber aktiv präsent zu sein. Die Wissenschaft (die Ethnographie, die Geschichtsschreibung, die Soziologie, die Psychologie, usw.) kann auch vieles zu diesem Thema beitragen. Es darf aber auf keinen Fall außer Acht gelassen werden, dass jede Minderheit als lebendige Einheit erhalten werden muss, sonst besteht die Bedrohung, dass aus der Minderheit eine Folkloregruppe wird.

 

Gibt es Ihrer Meinung nach einen bedeutenden Unterschied zwischen der Anwendung von kulturpolitischen Strategien bei großen, bzw. kleinen Nationen?

Ich bin der Meinung, dass die Empfindlichkeit und die Empathie gegenüber den nationalen Minderheiten bei kleinen Nationen viel größer sind als bei den Großen. Das Verhalten der großen Nationen gegenüber den nationalen Minderheiten ist sehr oft zu egozentristisch, und das Interesse an der kulturellen Erhaltung der Minderheiten wird somit an den Rand ihrer Kulturpolitik gedrängt.

 

Hat die politische Wende aus strategischer Sicht positiv auf die Aufrechterhaltung der kleinen Nationen eingewirkt?

Ganz entschieden ja. Es ist zwar richtig, dass auch die kommunistischen Regime hier und da den nationalen Minderheiten Aufmerksamkeit widmeten und öfters auch reichliche finanzielle Mittel zur Unterstützung bereitstellten. Für die Minderheiten (und das gilt nicht nur für die ethnische und nationale Minderheiten) ist es aber auf langer Sicht unerlässlich einen demokratischen Dialog und das, was wir eine demokratische Lebensweise nennen zu entwickeln. Jede Diktatur bedeutet eine Gefahr für die Minderheiten. In der Demokratie (und darunter verstehe ich nicht nur die demokratischen Institutionen, sondern auch eine Bereitschaft der Gesellschaft einen permanenten Dialog zu führen) aber bekommen auch die Minderheiten eine Chance sich an der Regelung der öffentlichen Angelegenheiten zu beteiligen.

 

In der Zeit der Integration der Verwaltungsgebiete kamen nach 1990 sehr oft Interessensgemeinschaften zwischen den ostmitteleuropäischen kleinen Nationen zustande. Worauf ist es Ihrer Meinung nach zurückzuführen, dass die kleinen Nationen der Regionen die zwischenstaatlichen Kontakte nicht verstärkt zur Bewahrung der kleinen Nationen nutzen, und daran anknüpfend nicht enger im Interesse der auf dem Gebiet der Nachbarstaaten lebenden Minderheiten zusammenarbeiten?

Das alles ist ja ein langer Prozess. Ich bin der Meinung, dass mit Bezug auf die regionale Zusammenarbeit es bereits Zeichen der Änderung gibt, und sogar Erfolge verbucht werden können. Um etwas mehr in diese Richtung tun zu können, muss man sich von langjährigen festgeschanzten Stereotypen und der nationalistischen Denk- und Betrachtungsweise (Dichotomie des „wir” und „die anderen”) lösen. Und das braucht Zeit.

 

Was halten Sie über die oben angesprochenen Themenbereiche hinaus wichtig für die Förderung der kleinen Nationen?

Um die Prozesse zu beschleunigen und positive Ergebnisse zu erzielen ist es meiner Meinung nach notwendig die vererbten, nationalistischen Denk- und Betrachtungsweisen zu bekämpfen unter dem Motto: „Nicht die nationale Homogenisierung, sonder die nationale Vielfalt ist unser Reichtum und unsere Zukunft” – in den einzelnen Staaten und auch in Europa. Das ist die Aufgabe des Staates (der Kulturpolitik), der Medien und der Intellektuellen in allen Ländern.