Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 25:193–194.
DR. ERHARD BUSEK
österreichischer Bildungsminister (1990-94),
danach Vizekanzler, Begründungsmitglied des Wissenschaftlichen Beirates des Europa Instituts Budapest
In wie weit betrachteten, bzw. betrachten Sie die Bewahrung der Minderheiten als Aufgabe der staatlichen Kulturpolitik, und welche Mittel standen, bzw. stehen Ihnen zu diesem Zweck zur Verfügung?
Dass die Minderheiten in Ostmitteleuropa ganz entscheidend zur Identität der Region beitragen, steht außer Frage. Der österreichische Autor Heimito von Doderer sprach einmal davon, dass die Erhaltung von Minderheiten in Österreich eine Auskunft über die europäische Mission des Landes gibt. Es stehen natürlich nie genügend finanzielle Mittel zur Verfügung, aber sie waren im Großen und Ganzen ausreichend um einen Standard zu pflegen. Dies wurde auch dadurch erleichtert, dass einzelne Bundesländer von sich aus sehr viel dazu taten.
Welche Verfügungen haben Sie während Ihrer kulturpolitischen Tätigkeit zur Aufrechterhaltung der nationalen Minderheiten gefördert? Welche kulturpolitischen Aktionen wurden während Ihrer Amtszeit durchgeführt mit dem Ziel die Kultur der kleinen Nationen oder das Identitätsbewusstsein der nationalen Minderheiten innerhalb der Staatsgrenzen zu stärken?
In der Zeit meiner kulturpolitischen Tätigkeit waren wir vor allem auf die Sprachenfrage konzentriert, weil der Fall des eisernen Vorhangs neue Möglichkeiten ergeben hatte. Wir boten zusätzliche Mittel an um die Sprachen der Nachbarländer zu fördern, die in den meisten Fällen durchaus auch Sprachen der Minderheiten sind. Ebenso ist es gelungen, eine Vielzahl an Ausstellungen, Publikationen, aber auch Sendungen im Rundfunk und Fernsehen durchzusetzen. Einen besonderen Platz hat das Museum Moderne Kunst – Stiftung Ludwig eingenommen, da durch einen aus Ungarn stammenden Direktor (Lorand Hegyi) auch die Ankäufe aus dieser Region vorgenommen wurden, so dass die Sammlung in dieser Richtung beachtlich ist.
Gibt es Ihrer Meinung nach einen bedeutenden Unterschied zwischen der Anwendung von kulturpolitischen Strategien bei großen, bzw. kleinen Nationen?
Es gibt einen bedeutenden Unterschied in der Bewältigung des Problems, so haben aus der Geschichte heraus große Nationen manchmal die Tendenz kulturpolitische Strategien eher zu einer Vereinheitlichung des Landes einzusetzen. In der derzeitigen europäischen Situation ist diese Strategie noch von Aktualität (Frankreich, Spanien).
Hat die politische Wende aus strategischer Sicht positiv auf die Aufrechterhaltung der kleinen Nationen eingewirkt?
Die politische Wende von 1989 und die folgenden Jahre haben sich sehr positiv ausgewirkt. Der Beitritt zur Europäischen Union ist ein weiterer Beitrag in diese Richtung und von heute noch nicht abschätzbarer Bedeutung.
In der Zeit der Integration der Verwaltungsgebiete kamen nach 1990 sehr oft Interessensgemeinschaften zwischen den ostmitteleuropäischen kleinen Nationen zustande. Worauf ist es Ihrer Meinung nach zurückzuführen, dass die kleinen Nationen der Regionen die zwischenstaatlichen Kontakte nicht verstärkt zur Bewahrung der kleinen Nationen nutzen, und daran anknüpfend nicht enger im Interesse der auf dem Gebiet der Nachbarstaaten lebenden Minderheiten zusammenarbeiten?
Persönlich bin ich überhaupt nicht pessimistisch, dass es zwischen den kleinen Nationen eine Vielzahl an zwischenstaatlichen Kontakten und Kooperationen geben wird. Österreich hat versucht mit der regionalen Partnerschaft hier einen Vorschlag zu machen, der immer mehr genutzt wird und in Folge dessen das Interesse an den in den Nachbarstaaten lebenden Minderheiten steigen wird. Das Engagement in Südosteuropa hat auch dazu beigetragen, dass sich ein erhöhtes Bewusstsein mit Bezug auf diese Frage entwickelt hat.
Was halten Sie über die oben angesprochenen Themenbereiche hinaus wichtig für die Förderung der kleinen Nationen?
Wichtig ist für die Förderung der kleinen Nationen, dass sie sich selbst auf geeignete Weise zur Sprache bringen. Der kulturelle Beitrag wie auch die friedensstiftende Rolle muss mehr herausgearbeitet werden. Es wird die Zukunft der europäischen Regionen bestimmen, ob sie in der Lage sind, gerade bei der gegebenen Unterschiedlichkeit die Gemeinsamkeit ihrer Aufgabenstellung und ihrer Bewusstseinslage stärker herauszuarbeiten. Die eigentliche Fragestellung besteht nicht zwischen großen und kleinen Nationen, sondern in der Weiterentwicklung einer Identität angesichts einer globalen Zivilisation.