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Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 21: 101–115.

ANIKÓ BEREGSZÁSZI UND ISTVÁN CSERNICSKÓ

Die Möglichkeiten des Gebrauchs der ungarischen Sprache
in der Karpatenukraine de jure und de facto

 

1. Kurzer historischer Überblick

Die Fläche der im Jahre 1991 ihre Unabhängigkeit erlangten Ukraine macht 603 700 km2 aus. Die Zahl der Bevölkerung liegt nach der Volkszählung des Jahres 1989 bei 51,4 Millionen. Den Angaben der Volkszählung von 1989 nach lebten in der Ukraine 163 111 Personen ungarischer Nationalität, damit machten die Ungarn 0,3 % der ukrainischen Bevölkerung aus. Von den ukrainischen Ungarn lebten 155 711 (95,5%) in der Karpatenukraine. Der Anteil der ungarischen Bevölkerung in diesem Bezirk macht 12,5% aus.

Auf dem Territorium der heutigen Karpatenukraine leben seit dem 11. Jahrhundert Ungarn. Von der Karpatenukraine als selbständigem geographischem und politischem Begriff kann seit dem 21. Dezember 1918 gesprochen werden, als auf den von Rusinen (Ruthenen) bewohnten Gebieten der ehemaligen ungarischen Komitate Bereg, Máramaros, Ung und Ugocsa das autonome Rechtsgebiet der Russka Kraina entstanden ist. Dadurch erhielten die Rusinen in der Karpatenukraine ein Selbstbestimmungsrecht, die Rechte der auf diesem Territorium lebenden nicht-ruthenischen Bevölkerung wurden durch eine kommunale und kulturelle Autonomie gesichert.

Der nach dem Ersten Weltkrieg am 10. September 1919 in Saint-Germain-en-Laye unterzeichnete Friedensvertrag verfügte die Zugehörigkeit dieses Gebietes zur Tschechoslowakischen Republik unter dem Namen Podkarpatska Rus.

Im ersten Wiener Schiedsspruch vom 2. November 1938 gelangten die von Ungarn besiedelten Teile der Karpatenukraine zu Ungarn zurück. In der Zwischenzeit ist in Ungvár (Uzhgorod) mit András Bródy an der Spitze die erste autonome rusinische (ruthenische) Regierung gebildet worden. Bródy regte in Prag eine Volksabstimmmung zur Entscheidung der Zugehörigkeit der Karpatenukraine an, deshalb wurde er eingekerkert. An seiner Stelle wurde Ágoston Volosin ernannt, der in Bälde seine halboffizielle Militärorganisation, die Volksschutzorganisation der Karpaten Szics, zu Stande brachte. Vor den im Sinne des Wiener Schiedsspruches einmarschierenden ungarischen Truppen verlegte die nazifreundliche Regierung Volosin ihren Sitz nach Huszt (Chust) und proklamierte am 14. März 1939, am Tag der slowakischen Unabhängigkeit, die Selbständigkeit der Karpatenukraine. Deutschland aber, das die Existenz der Slowakei anerkannte, reagierte 24 Stunden hindurch, dafür, dass Ungarn die deutschen wirtschaftlichen und militärischen Forderungen anerkannte, nicht auf die Erklärung der Regierung Volosin, und sicherte dadurch Ungarn die Möglichkeit, die Grenzen auf militärischem Wege zu verändern. Das wurde bis zum 18. März auch beendet und so gelangte die Karpatenukraine wieder zur Gänze unter die Oberhoheit Ungarns zurück.

Da die zwischen 1938 und 1940 unter dem Schutz von Deutschland und Italien vorgenommenen territorialen Veränderungen von den Alliierten für ungültig erklärt worden sind, wurde die Karpatenukraine 1944 von der Sowjetarmee als Teil der Tschechoslowakei befreit. Am 19. November 1944, während die Deportation der ungarischen Männer der Karpatenukraine zwischen dem 18. und dem 50. Lebensjahr in vollem Gange war, wurde in Munkács (Mukatschewo) ein territorialer kommunistischer Parteitag abgehalten, auf dem die Kommunistische Partei der Karpatenukraine gegründet wurde, und ein Beschluss über die Wiedervereinigung der Karpatenukraine mit der Sowjet-Ukraine angenommen wurde. Am 26. November trat ebenfalls in Munkács der I. Kongress der Volkskommissare der Karpatenukraine zusammen, von dem ein Manifest über die Wiedervereinigung mit der Sowjet-Ukraine angenommen wurde.

Am 29. Juni 1945 unterzeichneten die Sowjetunion und die Tschechoslowakei den Vertrag, nach dem die Karpatenukraine der sowjetischen Oberhoheit unterstellt wurde. Am 22. Januar 1946 wurde die Karpatenukraine vom Präsidium des Obersten Sowjets der Sowjetunion zum Gebiet jenseits der Karpaten der Ukraine umorganisiert.

Nach der Unabhängigwerdung der Ukraine im Jahre 1991 blieb die Karpatenukraine auch weiterhin das Gebiet jenseits der Karpaten der Ukraine. Heute ist die Karpatenukraine einer der 25 Bezirke der Ukraine (Magocsi 199: 515; Orosz-Csernicskó 1999). Im Norden grenzt die Karpatenukraine an Polen, an die Bezirk Lwiw (Lemberg) der Ukraine, im Westen an den Bezirk Iwano-Frankiwsk, im Süden an Rumänien, im Südwesten an Ungarn, im Westen an die Slowakei. Von den inneren Gebieten der Ukraine trennen sie als natürliche Grenze die Karpaten. Die Fläche macht 12 000 km2 aus. Was die administrative Gliederung anbelangt, besteht sie aus 13 Kreisen (Beregszász, Huszt, Ilosva, Munkács, Nagyberezna, Nagyszőlős, Ökörmező, Perecseny, Rahó, Szolyva, Técső, Ungvár und Volóc) und aus vier Städten mit Bezirksrecht (Ungvár, Munkács, Huszt und Beregszász).

Bis zum Jahre 1919, solange die heutige Karpatenukraine zu Ungarn gehörte, erstreckte sich die Minderheiten- und Sprachenpolitik natürlich in erster Linie auf die örtliche slawische Bevölkerung (die Rusinen oder Ruthenen). Am 21. Dezember 1918 entstand auf dem Gebiet der ehemaligen ungarischen Komitate Bereg, Máramaros, Ung und Ugocsa (das beinahe zur Gänze identisch mit der heutigen Karpatenukraine ist) das autonome Gebiet der Russka Kraina, die Autonomie der örtlichen Rusinen. Ihre Bedeutung war nicht wesentlich, in der Praxis funktionierte sie nicht.

Die Periode zwischen 1919 und 1939, als das Gebiet zur Tschechoslowakei gehörte, war zu kurz, als dass sich in dieser Region eine bedeutende Minderheitenbewegung hätte entfalten können. Von 1944 bis 1991 war die Region Bestandteil der Sowjetunion, so kam die Wirkung der sowjetischen Minderheiten- und Sprachenpolitik zur Geltung.

Eine zentrale Frage der Nationalitätenpolitik der Sowjetunion war die Entwicklung einer von allen Gesichtspunkten aus homogenen Gesellschaft (A Szovjetunió Kommunista Pártjának Programja [Programm der KPdSU]. In ungarischer Sprache. Uzsgorod, Kárpáti Kiadó, 1986, p. 84-85). In der homogenisierenden Politik spielte die Ideologie des Internationalismus eine zentrale Rolle, die ebenfalls im Dienste der Vereinheitlichung, in Wirklichkeit der Russifizierung stand.

Eine der wesentlichsten Entwicklungsstufen der Einheit der Nationalitäten war die qualitative Kategorie des Sowjetmenschen: „Im Prozess der Aufbaus des Kommunismus haben sich alle sowjetischen Nationen und Nationalitäten zu einer neuen historischen Kategorie vereint, indem sie das Sowjetvolk zustande gebracht haben, dessen wichtigstes Mittel der Berührung die russische Sprache ist” (Iszajev, 1982: p. 162). Dementsprechend deklarierte das Programm des XXVII. Parteitages Folgendes: „In unserem Land ist für die Nationalitätenbeziehungen charakteristisch, dass sowohl der Aufstieg der Nationen und der Nationalitäten weiter verläuft, als auch dass sie sich ständig näherkommen, was aufgrund der Freiwilligkeit, der Gleichheit, der brüderlichen Zusammenarbeit vor sich geht. (...) Diese Entwicklung führt in der weiten Perspektive zur vollkommenen Einheit der Nationen.” (op. cit. p. 87)

Die Politik des Internationalismus erreicht auch die Karpatenukraine. Ende 1975 und Anfang 1976 zeugt hiervon die in dem einzigen ungarischsprachigen Tagesblatt des Gebiets (Kárpáti Magyar Szó) in vier Teilen publizierte Artikelserie unter dem Titel „Szovjet magyarok” [Sowjetische Ungarn]. In dieser Serie kommt der Begriff sowjetische Ungarn vor, unter dem jene zu verstehen sind, „die Bürger der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken ungarischer Nationalität sind, die sich als Söhne und Töchter des ebenfalls als eine historische Kategorie zustande gekommenen Sowjetvolkes fühlen und halten (...), die die ungarische Sprache lieben und verwenden, und sich mit voller Achtung hinwenden zur Sprache ihrer sowjetischen Brudervölker und zur russischen Sprache, die auf der ersten Ebene das Mittel der Berührung zwischen unseren Völkern darstellt.”1

In der ehemaligen Sowjetunion waren theoretisch die Sprachen aller Nationalitäten und Nationen in einem solchen Grade gleichberechtigt, dass das Land offiziell auch gar keine Staats- und Amtssprache hatte.

Dennoch genoss die russische Sprache aus politischen, wirtschaftlichen, ideologischen und nicht zuletzt strategischen Gründen eine außergewöhnliche Stellung (Rannut, 1999: p. 229). Auf der Unions- und Republikebene – ausgenommen einige der der Russifizierung in einem höheren Maße Widerstand leistenden Republiken (z. B. die Grusinische und die Armenische SSR) – wurden die Verwaltungsangelegenheiten in russischer Sprache abgewickelt, und in den einzelnen Republiken war das Russische die Sprache des Hochschulwesens, der Wissenschaft und der Technik, in der Sowjetarmee war die einzige Kommandosprache die russische Sprache (Miller, 1994. p. 613).

Das Programm der KPdSU (p. 89-90), das vom XXVII. Parteitag angenommen wurde, ideologisierte die Allmacht der russischen Sprache wie folgt: „Auch in der Zukunft werden wir für jeden Staatsbürger der Sowjetunion die freie Entfaltung und den gleichberechtigten Gebrauch ihrer Muttersprache sichern. Zur gleichen Zeit mit Rücksicht darauf, dass die russische Sprache von den Sowjetmenschen freiwillig als Mittel der Berührung zwischen den Nationen akzeptiert wurde, macht die Aneignung dieser Sprache sie neben der Nationalsprache für alle Ergebnisse der Wissenschaft und der Technik, der inländischen und Weltkultur mehr zugänglich.”

Diese Gleichberechtigung der Nationalitäten und der Sprachen wurde aber in der Sowjetunion sehr spezifisch interpretiert. Die von der Verfassung garantierte Gleichheit der Sprachen (Vgl. Die Verfassung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken /Grundgesetz/, p. 14-15) bedeutete in der Praxis, dass für alle Völker und Nationalitäten das Recht des Gebrauchs der Muttersprache in der Privatsphäre garantiert war. „Die Gleichberechtigung der Sprachen besteht nicht darin, dass wir sie mechanisch mit identischen Funktionsverpflichtungen belasten”, können wir z. B. in der Auffassung eines sowjetischen Wissenschaftlers lesen (Hazanarov, 1982: p. 111). Seiner Meinung nach „ist die Gleichheit der Sprachen nichts anderes, als jeder Nationalsprache die identischen rechtlichen Bedingungen für die freie Entwicklung zu sichern (op. cit. p. 112). In dieser sprachlichen Gleichberechtigung beschränkte sich die Rolle der Nationalitätensprachen darauf, dass die zentralen Parteibeschlüsse und –mitteilungen zu jeder Nationalität vermittelt werden können (op. cit. p. 23).

In Wirklichkeit hatte also die russische Sprache zur Zeit des Bestehens der Sowjetunion einen hervorgehobenen Status inne, sie wurde auf allen Ebenen des Unterrichtswesens gelehrt. In den Mitgliedsrepubliken, in den autonomen Gebieten und Rayons hatte neben der russischen Sprache – zwar in einem beschränkten Ausmaß – auch die Sprache des namensgebenden Nationalität der Republik offizielle Funktionen zu erfüllen, die über keine selbständigen Verwaltungseinheiten verfügenden Völker und Sprachen waren jedoch in der Praxis nur in der Privatsphäre und im Unterricht gebräuchlich (Rannut, 1999: p. 230). Das Russische war die dominierende Sprache in der Verwaltung, in der Partei, im Unterrichtswesen2 und in den öffentlichen Beziehungen (Arel, 1995: p. 58, Markus, 1993: p. 46-48).3

 

2. Die in der Ukraine für die Situation der Sprachen gültigen internationalen und inländischen Dokumente4

In der 1999 unabhängig gewordenen Ukraine enthalten nachstehende Dokumente direkte Verfügungen über den Status und den Gebrauch der Sprachen:

– die Verfassung der Ukraine (Jahr der Annahme: 1996),

– Gesetz der Ukraine über die Sprachen der Ukrainischen Republik (1989),

– Deklaration über die Nationalitätenrechte der Ukraine (1991),

– Gesetz der Ukraine über die Nationalitätenminderheiten (1992),

– Gesetz der Ukraine über die lokalen Selbstverwaltungen (1997),

– Gesetz der Ukraine über den allgemeinen Mittelstufenunterricht (1999),

– sowie (theoretisch) die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen.

– Artikel 10, 11, 12, 24, 53, 92, 103, 127 und 148 der Verfassung der Ukraine enthalten Feststellungen in Bezug auf die Sprachen.

Artikel 10 deklariert, dass „in der Ukraine die Staatssprache die ukrainische Sprache ist”, der Staat sichert den Gebrauch der ukrainischen Sprache auf allen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens. Dem folgenden Absatz nach „ist in der Ukraine die freie Entwicklung, der Gebrauch und der Schutz der russischen und der anderen nationalen Minderheiten in der Ukraine gesichert”. Dem letzten Satz des Artikels zufolge wird jedoch „in der Ukraine der Gebrauch der Sprachen von der Verfassung der Ukraine garantiert und durch Gesetz festgelegt”. Auch Artikel 92 verfügt, dass ausschließlich von den Gesetzen der Ukraine unter anderem die Ordnung des Sprachgebrauchs festgelegt wird.

Artikel 11 beinhaltet allgemeine Deklarationen über den Schutz aller Nationalitäten und Sprachen der Ukraine, Artikel 24 verbietet unter anderem auch die Diskriminierung auf sprachlicher Grundlage. Artikel 12 enthält ein Versprechen in Bezug auf die Befriedigung der sprachlichen Bedürfnisse der außerhalb der Grenzen der Ukraine lebenden Ukrainer. Artikel 53 garantiert den nationalen Minderheiten in der vom Gesetz festgelegten Ordnung das Recht des Unterrichts in der Muttersprache oder des Erlernens der Muttersprache. Artikel 103, 127 und 148 machen die Bekleidung gewisser staatlicher Ämter (Präsident der Republik, Mitglied des Verfassungsgerichts, Tätigkeit als Richter) von der Kenntnis der Staatssprache abhängig.

Im Sinne von Artikel 10 und 92 der Verfassung ist vom Gesichtspunkt des Status der Sprachen aus noch das während des Bestehens der Sowjetunion im Jahre 1989 verabschiedete Gesetz über die Sprachen maßgebend.

Auch vom Gesetz über die Sprachen wird das Ukrainische als Staatssprache definiert (Artikel 2), zur gleichen Zeit bleibt auch weiterhin die russische Sprache Mittel der Berührung zwischen den Völkern (Artikel 4). Im Sinne von Artikel 5 ist den Staatsbürgern der Gebrauch ihrer Muttersprache und jeder anderen Sprache garantiert; die Staatsbürger haben das Recht, sich an staatliche, gesellschaftliche Organe, Unternehmen usw. in ukrainischer Sprache oder in einer bei diesen Organisationen verwendeten anderen Sprache, in russischer Sprache oder in einer für die Partner akzeptierbaren anderen Sprache zu wenden. Das Gesetz verbietet nicht nur die Diskriminierung auf sprachlichen Grundlage (Artikel 8), sondern setzt wegen der Beschränkung des Gebrauchs von Nationalitätensprachen auch Sanktionen in Aussicht. Den Verfügungen nach kann jener Beamte, der unter Berufung darauf, dass er die Sprache nicht beherrscht, die Übernahme eines in einer Nationalitätensprache verfassten Antrags oder Gesuchs verweigert, zur Verantwortung gezogen werden (Artikel 5).

Das Gesetz bietet auf dem Gebiet der Verwaltungseinheiten, wo die Mehrheit der Bevölkerung einer Nationalität angehört (z. B. in einem Dorf, einer Stadt, in einem Kreis oder einem Bezirk), die Möglichkeit zur Verwendung der Nationalitätensprache gleichberechtigt und parallel zum Ukrainischen in der Tätigkeit der staatlichen und Parteiorganisationen, der Unternehmen und Institutionen (Artikel 3). Das Gesetz interpretiert aber nicht, was es unter dem Begriff Gebiete mit der Mehrheit der Bevölkerung in einer Nationalität versteht.

Die staatlichen Dokumente, Unterlagen werden in ukrainischer Sprache angenommen und publiziert, auch auf den unteren Ebenen, doch hier werden diese erforderlichenfalls auch in anderen Nationalitätensprachen bekannt gegeben. Die offiziellen Formblätter sind in ukrainischer oder in ukrainischer/ russischer Sprache abgefasst (Artikel 10). Die Sprache der Verwaltung in Behörden und auf Arbeitsplätzen ist das Ukrainische, doch kann in Gebieten, wo die Mehrheit der Bevölkerung einer Nationalität angehört, parallel zum Ukrainischen auch die Nationalitätensprache gebraucht werden (Artikel 11).

Die offiziellen Personaldokumente (Personalausweise, Arbeitsbücher, den schulischen Abschluss nachweisende Zeugnisse, Auszüge aus den Geburtsbüchern, Heiratsbüchern und Totenbüchern) sind zweisprachig in ukrainischer und russischer Sprache abgefasst (Artikel 11).

Die Sprache der Dienstleistungen ist das Ukrainische oder die von den Partnern gewählte Sprache (Artikel 17). Die Sprache der Prozessordnung ist das Ukrainische, doch kann in Gebieten, wo die Mehrheit der Bevölkerung einer Nationalität angehört, gleichberechtigt mit dem Ukrainischen auch die Sprache der Nationalität verwendet werden; die Person, die der Sprache des Gerichts nicht mächtig ist, hat das Recht, einen Dolmetscher in Anspruch zu nehmen, ihre Aussage in der Muttersprache zu machen (Artikel 18). Die Sprache der Dienstleistungen der Rechtsanwälte, Staatsanwälte, der juristischen Beratung ist das Ukrainische, oder die für die Parteien am meisten entsprechende Sprache (Artikel 23).

Die Wahl der Unterrichtssprache ist das unantastbare Recht der Staatsbürger (Artikel 25). Von diesem Recht können aber die Staatsbürger der Minderheiten höchstens bis zum Abschluss der Mittelschule Gebrauch machen. Im Sinne von Artikel 29 legen in der Ukraine die Bewerber an den Hoch- oder Mittelschulen die Aufnahmeprüfung in der ukrainischen Sprache ab, und nur die Bewerber an den Unterrichtsanstalten, die Kader für die Nationalitäten ausbilden, können die Prüfung in der Muttersprache ablegen.

Die Sprache der offiziellen Massenmedien ist das Ukrainische bzw. nach Möglichkeit eine andere Sprache der Ukraine (Artikel 33). Die Sprache der Adressierung der Telegramme, der Postsendungen und Pakete ist das Ukrainische oder das Russische (Artikel 34). Die Sprache der amtlichen Bekanntmachungen, Mitteilungen, der Werbung und der Plakate ist das Ukrainische, neben dem Text in ukrainischer Sprache kann auch die Übersetzung in eine andere Sprache stehen (Artikel 35).

Die Etiketten, Aufschriften der in der Ukraine erzeugten Produkte und Waren sind in ukrainischer Sprache gehalten, sie können nicht in andere Sprachen übersetzt werden (Artikel 36).

Die Bezeichnungen, Benennungen der Institutionen, der gesellschaftlichen und Parteiorganisationen, Unternehmen usw. sind in ukrainischer Sprache abgefasst; rechts von der Aufschrift in ukrainischen Sprache oder unter ihr kann auch die Übersetzung der Bezeichnung in eine andere Sprache stehen (Artikel 37).

Die geographischen Bezeichnungen in der Ukraine sind ukrainisch formuliert. Auch ihre Anführung in der Sprache der Minderheitenmehrheit ist möglich (Artikel 38).

Die ukrainischen Staatsangehörigen haben das Recht, sich Namen zu wählen, die ihren nationalen Traditionen entsprechen, diese Namen werden mit einer Transkription5 ins Ukrainische übertragen (Artikel 3).

Dem Dokument „Deklaration der Rechte der Nationalitäten der Ukraine” nach kann in den Gebieten, wo die nationale Minderheit die Mehrheit der Bevölkerung bildet, in der Tätigkeit der staatlichen und Parteiorganisationen, der Unternehmen, Institutionen neben der Staatssprache auch die Sprache der Minderheit gebraucht werden (Artikel 8). Dies garantiert den Minderheiten außerdem den Gebrauch von den nationalen Traditionen entsprechenden Personennamen, so dass z. B. in den Personalausweis nur der Vorname und der Familienname eingetragen wird, und dass der aus dem Vornamen des Vaters gebildete Vatersname (Otschestwo) wegbleiben kann (Artikel 12).

Artikel 26 Punkt 1 Absatz 50 des ukrainischen Selbstverwaltungsgesetzes ermöglicht es, dass die Selbstverwaltungen sich die Arbeitssprache der Selbstverwaltungsorgane selbst wählen (In: Tagesblatt Kárpáti Igaz Szó, 3. Juli 1997 p. 7).

Vom Obersten Sowjet der Ukraine wurde an seinem letzten Arbeitstag die vom Land bereits im Jahre 1996 unterzeichnete Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen ratifiziert. Von den angebotenen Möglichkeiten der Charta wählten die ukrainischen Parlamentarier in den meisten Fragenkomplexen die toleranteste Norm, doch wurde bestimmt, dass laut Gesetz diese Verfügungen nur in den Gebieten verwendet werden dürfen, wo der Anteil der Minderheitenbewohner die 20 Prozent erreicht. In den Gebieten, wo der Anteil der Minderheitenbevölkerung 10 – 19 % ausmacht, wurden mildere Lösungen formuliert. Noch niedrigere Anforderungen sind gültig, wenn der Anteil der Minderheit unter 10 % liegt (s. Gulácsy 2000). Auf das Inkrafttreten der Charta muss aber bis heute noch gewartet werden, weil ihre Anwendung unter Berufung auf die Verfassungswidrigkeit der Geschäftsordnung der Verabschiedung ausgesetzt worden ist.

Den gültigen offiziellen Dokumenten zufolge ist also die Staatssprache der Ukraine das Ukrainische, das Russische wird auf dem gesamten Staatsgebiet parallel zum Ukrainischen als offizielle Sprache und als Sprache der Berührung zwischen den Nationen gebraucht, der Gebrauch der anderen Nationalitätensprachen jedoch ist in den Gebieten, wo die Mehrheit der Bevölkerung einer Nationalität angehört, gestattet. In keinem einzigen Dokument ist aber eine Feststellung enthalten, wo explizit formuliert wäre, unter welchen Bedingungen der Gebrauch der Minderheitensprachen, gleichberechtigt mit der Staatssprache, möglich ist. Neben den Dokumenten mit Gesetzeskraft wird aber der Gebrauch der Sprachen von zahlreichen staatlichen und regionalen Verfügungen geregelt, die davon zeugen, dass die von den Gesetzen deklarierten Rechte in der Praxis anders oder überhaupt nicht funktionieren.

Die ukrainische Sprache ist seit der Unabhängigkeit der Ukraine allmählich zur Staatssprache geworden, das Russische aber – obwohl es von der Verfassung und vom Gesetz über die Sprachen an zahlreichen Stellen hervorgehoben auch als in offizieller Funktion verwendete Sprache erwähnt wird,– wird parallel zur Verbreitung des Ukrainischen aus der staatlichen, behördlichen Sphäre verdrängt, was aller Wahrscheinlichkeit nach bald mit gesetzlichen Mitteln bestätigt wird. Darauf lässt schließen, dass in der Presse immer häufiger von der Situation der Sprachen, vom Status der Sprachen die Rede ist, und sowohl von der Regierung als auch von der Opposition auch der Gedanke eines neuen Gesetzes über die Sprachen formuliert wurde. Der Entwurf eines Gesetzes über die Sprache wurde auch fertiggestellt, der in der Presse der nationalen Debatte vorgelegt wurde (z. B. In: Oswita Ukrajini, 17. Februar 1999; In: Kárpáti Igaz Szó, 1. Juli 1999); der Entwurf wurde von den Organisationen der Minderheiten (unter ihnen auch von den ungarischen) stark kritisiert, und er wurde auch nicht im Parlament eingebracht. Der offiziellen Homepage des ukrainischen Parlaments nach (alpha.rada.kiew.ua) warten mehrere Entwürfe des Gesetzes über die Sprachen darauf, dass sie vom Parlament behandelt werden.

Aus Vorstehendem ist zu entnehmen, dass theoretisch neben der ukrainischen Staatssprache oder parallel zu ihr das Russische, in den Gebieten, wo die Mehrheit der Bevölkerung einer Nationalität angehört, auch die Minderheitensprache(n) als offizielle Sprachen gebraucht werden können.

Schließlich kann festgestellt werden, dass de jure das Ukrainische die Staatssprache der Ukraine ist, das Russische hat den Status einer Amtssprache, die Sprecher der Minderheitensprachen aber haben die Möglichkeit, ihre Muttersprache auf allen Ebenen des gesellschaftlichen Lebens zu gebrauchen in den Gebieten, wo sie als Nationalität die Mehrheit der Bevölkerung bilden. De facto aber ist das Russische neben der ukrainischen Staatssprache trotz der administrativen Verbote als offizielle Sprache in den dicht von Russen bevölkerten östlichen Gebieten gebräuchlich. Die Minderheitensprachen werden jedoch nur im Unterrichtswesen, in der Presse der Minderheiten, in Rundfunk- und Fernsehsendungen, im öffentlichen Leben der Minderheiten, im kirchlichen Leben und in der Privatsphäre gebraucht. Praktisch hat sich also die Situation der ungarischen Sprache auch nach dem Erlangen der Unabhängigkeit der Ukraine im Vergleich zu dem Status, den sie in der Sowjetunion innehatte, nicht viel geändert.

Kloss (1967: p. 15) teilt den Status der Sprachen der Minderheiten in fünf Stufen ein:

– 1. Die Minderheitensprache ist im Landesmaßstab Amtssprache.

– 2. Die Sprache der Minderheit ist die Amtssprache einer größeren regionalen oder Verwaltungseinheit (z. B. Territorium, Provinz, autonomes Gebiet, Bezirk).

– 3. Behördlich ist der Gebrauch der Sprache der Minderheit im Schulwesen und in öffentlichen Bekanntmachungen zugelassen, obwohl die Sprache keinen amtlichen Status genießt.

– 4. Toleranz der Sprache gegenüber in der Privatsphäre (in der Presse, in kirchlichen und Privatschulen, usw.)

– 5. Verbot der Sprache (s. noch Hoffmann 1991: p. 208-209).

Innerhalb der Ukraine entspricht der Status der ungarischen Sprache dem obigen 3. Grad (Csernicskó 1998: p. 151).

Vergleichen wir die gültigen ukrainischen Dokumente, in denen die Situation, der Anwendungsbereich der Sprachen festgelegt wird, mit den völkerrechtlichen Normen, Abkommen und Empfehlungen, dann stellt sich heraus, dass sich praktisch alle ukrainischen Dokumente nach den internationalen Normen richten, dass es fast wortwörtliche Übereinstimmungen zwischen ihnen gibt (Csernicskó, 2000). Dies ist jedoch nur eine wortwörtliche Übereinstimmung: die ukrainische Praxis, die die Berufung auf die internationalen Normen zur Beschränkung der schon vorhandenen Minderheitenrechte verwendet, kann nicht mit den internationalen Empfehlungen und Abkommen vereinbart werden. Das transitive Unterrichtsmodell der Empfehlung von Den Haag (nach der vom muttersprachlichen Unterricht in der Volksschule allmählich zum Unterricht in der Sprache der Mehrheit überzugehen ist), will die Ukraine auch bei solchen Minderheiten einführen, bei denen ein über große Traditionen verfügendes Unterrichtssystem vorhanden ist (Orosz-Csernicskó, 1999).

 

3. Die de-facto-Verwendbarkeit der ungarischen Sprache in der Karpatenukraine6

Im vorgehenden Teil wurden die den Gebrauch der Sprachen bestimmenden Dokumente der Ukraine untersucht (das heißt, welche Sprachen de jure in der einzelnen Situation gebraucht werden können). Im folgenden Teil soll eine Beschreibung gegeben werden, wie in der einzigen Stadt der Karpatenukraine mit absoluter ungarischer Mehrheit, in Beregszász, in der Praxis von den gesetzlich garantierten Rechten Gebrauch gemacht werden kann. Hier berichten wir über unsere Erfahrungen, die unsere Mitarbeiter als Parteien bei Behörden, als Käufer, Kunden usw. gemacht hatten. Die Untersuchung wurde zwischen dem 1. Februar und dem 30. April 2002 durchgeführt, als im Auftrag des Instituts für Sozialforschung LIMES 20, auf die Aufgabe vorbereitete Hochschulstudenten die Behörden der Stadt, die Dienstleistungsunternehmen, die Geschäfte, den Markt aufsuchten, um zu beobachten, ob die ungarischen Einwohner von Beregszász und Umgebung bei der Erledigung ihrer amtlichen Angelegenheiten, beim Einkaufen, bei der Inanspruchnahme von Dienstleistungen die ungarische Sprache verwenden können und wo sie sie verwenden können.

Unsere Wahl war einerseits auf Beregszász gefallen, weil dies die einzige Stadt der Karpatenukraine mit absoluter ungarischer Mehrheit ist. Andererseits deshalb, weil innerhalb einer Siedlung hier die größte ungarische Gemeinschaft lebt, außerdem weil Beregszász durch seine Institutionen (neben Ungvár) das Zentrum des Ungarntums der Karpatenukraine ist, weil die Stadt eine Stadt mit Bezirksrecht und Verwaltungssitz des Kreises Beregszász mit der größten ungarischen Bevölkerung ist. Die Stadt Beregszász und der Kreis Beregszász hat eine mehrheitlich ungarische Bevölkerung (Csernicskó, 1998: p. 35-43), also gelten für sie theoretisch Abs. 3 und 5 des Gesetzes über die Sprachen: in Gebieten mit der Minderheitenbevölkerung in der Mehrheit, kann die Minderheitensprache neben der Staatssprache auch bei Behörden gebraucht werden.

3.1. Das Ungarisch bei den Behörden von Beregszász

In den Monaten Februar – März 2002 wurden von uns 15 Behörden der Stadt und des Kreises Beregszász7 mit dem Ziel aufgesucht, um zu untersuchen, in welcher Sprache/in welchen Sprachen können sich die Angehörigen der ungarischen Minderheit an die Ämter wenden. Beim Aufsuchen der Ämter beobachteten wir auch, ob die Minderheitenparteien zweisprachige Formulare erhalten, bzw. ob sie diese auch in ihrer Muttersprache ausfüllen können. Weiterhin untersuchten wir auch, in welcher Sprache/welchen Sprachen die Musterblätter der amtlichen Bekanntmachungen, amtlichen Formulare zur Information der Bevölkerung am schwarzen Brett der Ämter zu lesen sind.

In Beregszász angekommen können wir feststellen, dass an der Stadtgrenze der Name der Siedlung in ukrainischer und in ungarischer Sprache angegeben ist. Auch die meisten Straßentafeln sind in zwei Sprachen zu lesen, doch gibt es auch viele Tafeln, die nur ukrainisch oder nur ungarisch sind. Am Kreiskulturhaus, am Kreisverwaltungsamt und am Rathaus weht neben der ukrainischen Fahne auch die ungarische Fahne.

In den von uns aufgesuchten fünfzehn Ämtern konnte die Mehrheit der Angestellten Ungarisch, zumindest versuchten sie es. Wenn der Angestellte, an den sich die Partei wendete, nicht Ungarisch konnte, leitete dieser ihn an einen Kollegen weiter, der Ungarisch sprach. Auch das kam häufig vor, dass der Angestellte, obzwar er nicht die ungarische Sprache konnte, die gestellte Frage oder die vorgetragene Bitte verstand, und die Antwort entweder Russisch oder viel seltener Ukrainisch erteilte.

Zur Erledigung der Angelegenheiten in ungarischer Sprache bestand aber nur mündlich eine Chance. Sobald es nämlich zum Ausfüllen der offiziellen Urkunden oder Formulare kam, bestand man überall darauf, dass die Formulare in ukrainischer Sprache auszufüllen und die Anträge ukrainisch zu stellen sind.

Auch das kam vor (z. B. in einer Bankfiliale), dass der Klient, der sich nach der Möglichkeit der schriftlichen Abwicklung in ungarischer Sprache erkundigte, in russischer Sprache darüber belehrt wurde, dass die Sprache der amtlichen Geschäftsabwicklung das Ukrainische ist.

Die Bezeichnung der Ämter ist am Eingang meistens in beiden Sprachen angebracht, doch sind wir mehrmals auch nur dem Schild in ukrainischer Sprache begegnet. Auch dafür war ein Beispiel zu sehen, dass die Bezeichnung des Amtes am Eingang in ukrainischer und ungarischer Sprache angegeben ist, doch die Benennung der einzelnen Abteilungen, Referaturen kann nur ukrainisch gelesen werden.

Die Formulare für die Bevölkerung sind an einer gut sichtbaren Stelle in jedem Amt nur in ukrainischer Sprache zu finden.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Rechte und gebotenen Möglichkeiten, die im gegenwärtig in der Ukraine gültigen Gesetz über die Sprachen, im Nationalitätengesetz und im Gesetz über die örtlichen Selbstverwaltungen in der Karpatenukraine, in der mehrheitlich von Ungarn bewohnten Stadt Beregszász im Laufe des Sprachgebrauchs im Amt nicht eingehalten werden. In ungefähr der Hälfte der von uns aufgesuchten Ämter können die Angestellten in ungarischer Sprache keine Kommunikation führen, die Muster der Informationen für die Bevölkerung und der ausgefüllten Formulare sind in ungarischer Sprache nicht ausgehängt, es gibt keine zweisprachigen Formulare, und an den meisten Stellen werden von den Parteien auch keine Anträge in ungarischer Sprache entgegengenommen.

3.2. Die ungarische Sprache in den Dienstleistungsbetrieben, Geschäften, Restaurants und auf dem Markt in Beregszász

Neben der Untersuchung des amtlichen Sprachgebrauchs hielten wir es auch für wichtig zu untersuchen, in welchem Ausmaß und wo die ungarische Sprache in Beregszász in den Geschäften, Restaurants, Gasthäusern, Dienstleistungsbetrieben, auf dem Eisenbahnhof und dem Busbahnhof sowie auf dem Markt der Stadt gebraucht werden kann. Um das untersuchen zu können, haben unsere Beauftragten als Kunden, Gäste, als Parteien praktisch alle Handels- und Dienstleistungseinheiten der Stadt sowie die Mehrheit der Händler auf dem Markt aufgesucht.

Der Marktpatz in Beregszász wird täglich, ausgenommen den Montag, von mehreren Tausend Kunden und Beschauern aufgesucht. Unsere Mitarbeiter haben beinahe zweihundert Einkäufe beobachtet, haben an mehrere Dutzend Händler und Verkäufer Fragen gestellten. Aus den Aufzeichnungen ergibt sich das Bild, dass man auf dem Markt der Stadt mit der ungarischen Sprache gut zurechtkommt. Nach dem Marktbesuch gingen unsere Mitarbeiter durch insgesamt 11 Lebensmittelgeschäfte, in denen sie bei 22 Verkäufern Einkäufe tätigten. Für acht Verkäufer bedeutete es kein Problem, den Käufer ungarisch zu bedienen. Je drei Verkäufer verstanden es nur ukrainisch oder russisch, was wir von ihm wollten, und sie waren nur in dieser Sprache geneigt, sich mit dem Käufer zu verständigen. Zwei verstanden die ungarische Frage zwar, doch konnten diese aber nur ukrainisch beantworten, ein Verkäufer jedoch rief seinen ungarischen Kollegen zur Hilfe, als er die ungarisch gestellten Fragen hörte. Fünf Verkäufern waren wir begegnet, die es versuchten, die Kunden in ungarischer Sprache zu bedienen, obwohl sie das Ungarische nur radebrechten. Nur ein Geschäft gab es unter den 11 aufgesuchten, wo die Bezeichnung und der Preis der Waren auch ungarisch angegeben war.

Wir haben 20 Geschäfte und Boutiquen aufgesucht, die keine Lebensmittel sondern sonstige Produkte (z. B. Kleidungssachen, Schuhe, technische Erzeugnisse) führten. In den aufgesuchten Einzelhandelsgeschäften gerieten unsere Mitarbeiter mit 27 Verkäufern in Kontakt. In zwanzig Fällen konnten sie sich ungarisch verständigen, sie trafen nur auf sieben Verkäufer, die sie ungarisch nicht bedienen konnten oder wollten.

In Beregszász gibt es zwei größere „Einkaufscenter”. In dem größeren Einkaufscenter unternahmen unsere Mitarbeiter bei 77 Verkäufern einen Kaufversuch, und nur in 11 Fällen erlitten sie mit der ausschließlichen Anwendung des Ungarischen ein Fiasko (9 Verkäufer sprachen ukrainisch und 2 russisch mit ihnen). Aus den Ergebnissen geht hervor, dass im größten Einkaufscenter von Beregszász jener mit der besten Aussicht als Verkäufer eine Stelle findet, der auch ungarisch kann. Darauf können wir zumindest schließen, wenn von den gefragten Verkäufern 66 die ungarisch gestellte Frage in ungarischer Sprache beantworten, und nur für knapp ein Drittel bedeutete dies eine größere oder kleinere Schwierigkeit. Zur gleichen Zeit waren aber in dem einstöckigen Gebäude kaum Aufschriften und Preisangaben in ungarischer Sprache zu sehen.

Zu unseren Zielen gehörte es auch, über die Geschäfte hinaus die Chancen der nur die ungarische Sprache sprechenden Käufer auch in Apotheken und in Dienstleistungseinheiten zu untersuchen. In allen Apotheken in Beregszász gibt es zumindest einen Apotheker, der die Kranken auch in ungarischer Sprache bedienen kann, erklären kann, wie das Medikament einzunehmen ist. Es gibt aber zur gleichen Zeit keine Aufschriften in ungarischer Sprache, und auch die Verbraucherinformationen an den Medikamenten sind ukrainisch, eventuell russisch verfasst. Ähnlich ist die Lage auch in den Dienstleistungsbetrieben. Es scheint, dass in Beregszász die Fotografen und Frisöre fast ohne Ausnahme Ungarisch sprechen. Auch die, deren Muttersprache nicht das Ungarische ist, unterhalten sich wegen des Kunden gern während der Arbeit in ungarischer Sprache.

Unsere Mitarbeiter haben der Reihe nach auch die Restaurants, Bars und Gasthäuser aufgesucht. In insgesamt 30 Lokalen kehrten sie ein und gaben bei 61 Kellnern Bestellungen auf. In den meisten Lokalen (in 39) wurden unsere Mitarbeiter in ungarischer Sprache bedient. Insgesamt 9 Kellner verstanden die in ungarischer Sprache abgegebene Bestellung nicht, einer von ihnen ließ sich von seinem ungarischen Kollegen helfen. Von den aufgesuchten 30 Gastronomiebetrieben erhielten die Gäste nur in 12 Einheiten eine Speisekarte. In fünf Lokalen war die Speisekarte nur ukrainisch verfasst, in sieben Fällen war sie zweisprachig (Ukrainisch und Ungarisch).

Ob wir nun Beregszász mit dem Zug oder mit dem Autobus verlassen wollen, können wir unsere Fahrscheine auch ungarisch lösen. Weder auf dem Autobusbahnhof, noch im Wartesaal des Bahnhofs fanden wir aber einen Fahrplan, eine Information oder einen Reklametext in ungarischer Sprache, und auch der Lautsprecher informiert die Reisenden nur in der Staatssprache darüber, welcher Zug/Autobus von wo kommt und wohin er fährt.

In der Gesamtheit kann aus obigem kurzem Überblick die Schlussfolgerung gezogen werden, dass in Beregszász die ungarische Sprache einen Wert hat, praktisch kann man ja überall in ungarischer Sprache einkaufen. Die Nachfrage auf dem Markt machte es den Verkaufswilligen bewusst, dass man einen bedeutenden Teil der Käufer in ungarischer Sprache erreichen kann. Nur vereinzelt sieht man aber Aufschriften, Informationen, Werbetexte und Speisekarten in ungarischer Sprache. Obzwar die meisten Geschäfte, Wirtshäuser und Konditoreien auch eine Geschäftstafel in ungarischer Sprache haben, und die Öffnungszeiten am Eingang in ukrainischer Sprache in Kiewer Zeit, in ungarischer Sprache in der mitteleuropäischen (Budapester) Zeit angegeben sind, sehen wir in den Räumlichkeiten keine einzige Aufschrift in ungarischer Sprache, nicht einmal in der Apotheke.

Es scheint so, als ob – wie auch im amtlichen Leben – auch im Handel, in der Dienstleistungssphäre und im Gaststättengewerbe in Beregszász die ungarische Sprache nur mündlich verwendet werden kann.

 

Anmerkungen

1

Die Artikelserie publiziert von Botlik - Dupka (1991. 186-196); zitierter Abschnitt auf S. 188.

2

40% der ukrainischen Schüler besuchten im Schuljahr 1990/1991 Schulen mit russischer Unterrichtssprache (Vgl. Shamshur - Izhevska, 1994: p. 35). Die Sprache des Hochschulwesens dagegen war auf dem Territorium der ganzen Ukraine das Russische.

3

Über die Gestaltung des Status der ukrainischen Sprache in Russland und innerhalb der Sowjetunion s. Shevelov (1986/1987).

4

Zur sprachlichen Situation der Nationalitäten in der Ukraine s. noch Csernicskó (1998) und Orosz – Csernicskó (1999). In Bezug auf die Ungarn in der Karpatenukraine s. noch Magocsi (1996).

5

Im Falle von Sprachen mit nicht-kyrillischer Schrift natürlich mit Transliteration, obzwar dieser Begriff im Gesetz nicht verwendet wird, da die slawische linguistische Tradition keinen Unterschied zwischen Transkription und Transliteration macht.

6

An der Abfassung dieses Teiles nahmen auch Zoltán Karmacsi und Anita Márku teil.

7

Beregszász wurde im Jahre 2001 der Status einer Stadt mit Bezirksrecht verliehen, deshalb wurden mehrere Verwaltungsämter der Stadt von den Kreisämtern getrennt. Sowohl die Kreisämter als auch die städtischen Ämter blieben aber in Beregszász.

Literatur

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A Szovjetunió Kommunista Pártjának Programja [Programm der KpdSU]. (In ungarischer Sprache) Uzsgorod: Kárpáti Kiadó, 1986.

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