Das Jahr 1989
20. Oktober 2009
(Gemeinsame Veranstaltung des Instituts für Geschichtswissenschaft der UAW, der Zeitschrift História, der Arbeitsgruppe zur Geschichte Europas der UAW und des Europa Instituts Budapest)
Die internationale Konferenz mit dem Titel „Das Jahr 1989” wünschte neben der Präsentation der neuesten Forschungen des vor zwanzig Jahren begonnenen Systemwandels die internationalen Ereignisse des Jahres in den verschiedenen Teilen der Welt (USA, Sowjetunion, Europa, China) zu rekonstruieren. Im Rahmen der ganztägigen Konferenz unterzogen die Fachwissenschaftler der Region das internationale Kraftfeld, den Standpunkt und das Verhalten der USA und der Sowjetunion, die Innen- und Außenpolitik der vom Systemwandel betroffenen Staaten, die als Erste die für den politischen Wandel nötigen Schritte unternahmen, näherer Betrachtung.
Prof. Ferenc Glatz, Direktor des Institutes für Geschichtswissenschaft der UAW und des Europa Institutes Budapest bzw. in 1989 Kultusminister in der Németh-Regierung, verwies darauf, dass die Aufmerksamkeit des Westens vor allem der Weltmachtstellung der Sowjetunion und der deutschen Einheit galt und alle weiteren Fragen in Bezug auf den Wandel in Ostmitteleuropa diesen unterstellt wurden. Prof. Mark Kramer von der Harvard-Universität (USA) sprach über die Schlüsselrolle der Passivität der USA bei der Gewährleistung eines friedlichen Übergangs, denn ein Prestigekampf hätte leicht blutige Folgen haben können.
László Borhi (Institut für Geschichtswissenschaft der UAW) sprach in seinem Vortrag darüber, dass für die USA und für den Westen die Stabilität Europas wichtiger war als die radikale Auflösung der sowjetischen Hegemonie in Ostmitteleuropa. Gergely Egedy (Eötvös-Loránd-Universität) führte in seinem Vortrag über Großbritannien den Standpunkt von Premierministerin Margret Thatcher an, dass nämlich die Offensive der Freiheit die Stabilität Europas nicht gefährden dürfe. Zoltán Sz. Bíró in seinem Vortrag über die Stellung der Sowjetunion sprach über die prekäre Lage der langsam in sich fallenden Sowjetunion als Großmacht und die Gratwanderung des Staats- und Parteichefs Michail Gorbatschow. Hierbei lenkte der Vortragende ebenfalls die Aufmerksamkeit auf die seltener erwähnten volkswirtschaftlichen Krisenerscheinungen in der UdSSR, die bereits lange vor 1989 einsetzten.
An das Jahr 1989 anlehnend sprach Péter Vámos (Institut für Geschichtswissenschaft der UAW) über die gleichzeitig eingetretenen Ereignisse in der Volksrepublik China, vor allem über die Vor- und Nachgeschichte der blutig niedergeschlagenen demokratischen Bewegung der Pekinger Studenten. In dem gemeinsamen Vortrag von Andreas Schmidt-Schweizer und Tibor Dömötörfi (Institut für Geschichtswissenschaft der UAW) war in erster Linie über das Schlüsselereignis des Jahres 1989 in Deutschland die Rede – über den Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 und die sich dadurch ergebene Chance der deutschen Wiedervereinigung. Über die so genannte „samtene Revolution” in der Tschechoslowakei berichtete László Szarka (Forschungsinstitut für Ethnische und Nationale Minderheiten der UAW). Er betonte, dass der Sturz der kommunistischen Machthaber relativ spät und ohne „Vorwarnung” erfolgte und bereits zu dieser Zeit die ersten Anzeichen für die Auflösung der Tschechoslowakei präsent waren.
Mit Bezug auf den Wandel in Rumänien vertrat der Historiker Stefano Bottoni den Standpunkt, dass all das, was vor zwei Jahrzehnten in Rumänien geschah, keine Revolution, sondern ein „spontaner”, ohne ausländischen Einfluss erfolgender Zusammenbruch war. István Kovács (Institut für Geschichtswissenschaft der UAW) sprach über die schwere wirtschaftliche Lage Polens, wodurch die zuvor breite Popularität der „Solidarität” zu Mitte der 90-er Jahre radikal zurückfiel. József Juhász (Institut für Geschichtswissenschaft der UAW) verwies darauf, dass es keine ausgereifte Alternative für Titos föderative Balance gab und somit der bestehende Chaos zwangsläufig den Weg für die nationalistischen Bestrebungen, die letztendlich zum Ausbruch des Kriegsgeschehens führten, ebnete. Die Referenten der im Institut für Geschichtswissenschaft der UAW organisierten Konferenz vertraten konsequent den Standpunkt, dass vorerst die Erforschung der Tatsachen als die wichtigste Aufgabe betrachtet und erst anschließend die Aufstellung von Theorien vorgenommen werden solle. Priorität soll der genaue Ablauf und die zeitliche Folge der Ereignisse rekonstruiert werden.