Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 19:43–51.
LAJOS VÉKÁS
EU-Gemeinschaftsprivatrecht und nationale Kodifikation
1. Die Integration von EG-Richtlinien in eine nationale Rechtsordnung stellt eine besondere Schwierigkeit für die Kodifikation dar. Hier wird dieses Problem am Beispiel der Umsetzung von Verbraucherrichtlinien veranschaulicht.
Die Frage einer zweckmäßigen systematischen Unterbringung der privatrechtlichen Verbraucherschutzbestimmungen stellt sich auch ohne eine umfassende Reform des Privatrechts. Im Zuge der Vorbereitung eines neuen ZGB erhält sie jedoch eine besondere Bedeutung: Wie soll das Verhältnis eines neuen bürgerlichen Gesetzbuches und des privatrechtlichen Verbraucherschutzes aussehen? Beim Suchen einer guten Antwort auf diese Frage ist es nicht einfach in den Gesetzgebungen der EU-Staaten ein einheitliches oder zumindest ein überzeugendes Beispiel zu finden. Bezüglich der systematischen Einordnung des Verbraucherprivatrechts sind nämlich die Lösungen der EU-Staaten uneinheitlich.
2. Gegenüber dem allgemeinen Privatrecht stellen die Verbraucherschutzvorschriften in vieler Hinsicht ein Sonderprivatrecht dar. Es ist deshalb fast selbstverständlich, dass die meisten EG-Richtlinien bis zuletzt nicht in die bürgerlichen Gesetzbücher eingefügt, sondern in gesonderten Gesetzen geregelt worden sind. Diese Methode kann also nicht nur auf technische Gründe oder auf die Bequemlichkeit des Gesetzgebers zurückgeführt werden, obwohl auch diese eine Rolle spielen können.
Die Erlassung besonderer Gesetze für die Umsetzung der einzelnen Richtlinien unterstreicht vor allem jene prinzipielle Überlegung, dass der Gesetzgeber das auf klassischen privatrechtlichen Prinzipien aufbauende Gesetzbuch nicht mit Normen des Verbraucherschutzes belasten will, welche die Autonomie der Parteien antasten. Soweit es möglich ist, wünscht er eher auch heute noch in den großen klassischen Kodizes die uneingeschränkte Respektierung der Vertragsfreiheit, das Prinzip des pacta sunt servanda, den dispositiven Charakter der Vertragsnormen etc. zu bewahren. Deshalb hält er es für angebrachter, die nicht immer mit diesen Prinzipien zu vereinbarenden privatrechtlichen Rechtsmittel des Verbraucherschutzes vereinzelt zu regulieren oder aber in einem besonderen Gesetz für Verbraucherschutz zusammenzufassen. Allein die Unabdingbarkeit der Verbraucherschutznormen macht dieses Gebiet etwas fremd für das klassische Privatrecht. Schon deshalb ist es nicht verwunderlich, dass der Gesetzgeber lange Zeit gezögert hat die privatrechtlichen Verbraucherrichtlinien in das bürgerliche Gesetzbuch zu integrieren.
Die Entscheidung in welcher Form die Kodifizierung des privatrechtlichen Verbraucherschutzes erfolgen soll, wird des Weiteren durch die häufig bruchstückhaften Lösungen in den Richtlinien der Europäischen Union zum Verbraucherschutz erschwert, da sie in ein bereits bestehendes Privatrechtssystem einfügt werden müssen.1
3. Diese Probleme und solche kodifikatorische Überlegungen erklären die nationalen Unterschiede bei der Umsetzung des Richtlinienverbraucherschutzrechts.
a) Angesichts des gewohnheitsrechtlichen Charakters des common law kann es als selbstverständlich angesehen werden, dass das englische Recht in zahlreichen speziellen Gesetzen dem Verbraucher Schutz gewährt. Ein Teil davon enthält Regelungen von allgemeinem Charakter, die Mehrheit regelt jeweils bloß einen speziellen Problemkreis. Unter ihnen finden sich Gesetze, mit denen die Umsetzung von EG-Richtlinien erfolgte und zu denen eventuell bereits ein „nationales Gegenstück“ besteht, das weiterhin parallel in Geltung bleibt. Diese Art der Rechtsetzung zieht zwangsläufig die Notwendigkeit häufiger Gesetzesänderungen nach sich.2 Die neulich erfolgte Umsetzung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie kann als typisch für das Verhältnis zwischen common law, statutory law und europäischem Richtlinienrecht betrachtet werden. Infolge der Umsetzung mussten mehrere Gesetze (Acts) geändert werden. Verständlicherweise hat sich die Einführung der von der Richtlinie verlangten, für das common law jedoch fremden specific performance (Nachbesserung, Austausch der Sache) in das Sale of Goods Act und in das Supply of Goods and Services Act 1982 als häretisch und schon deshalb besonders schwierig erwiesen.3
b) Auch die meisten kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen haben aber ihre bürgerlichen Gesetzbücher mit dem Richtlinienrecht aus Brüssel bis zuletzt nicht „belastet“. Bekanntlich hat beispielsweise der deutsche Gesetzgeber bis zu dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vom 11. 10. 2001 die einzelnen Verbraucherrichtlinien mit Spezialgesetzen umgesetzt.4 Einzig die Richtlinie über den Pauschalreisevertrag ist ursprünglich in das BGB5 eingebaut worden. Eine konzeptionelle Wende hat erst das Fernabsatzgesetz angedeutet, das mehrere Gesetzesstellen des BGB im Interesse des Verbraucherschutzes modifiziert hat.6 Durch die Bündelung der verbraucherschützenden Widerrufsrechte sowie weitere verbraucherrechtliche Spezialregelungen ist ein erster Schritt zur Integration des vertragsrechtlichen Verbraucherschutzes in das BGB unternommen worden. Die Umsetzung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ist dann schon „naturgemäß“ mit dem Einbau in das BGB verwirklicht worden.
c) Andere kontinentaleuropäische Staaten fügen ihre Verbraucherschutznormen – ohne Rücksicht auf ihren Normcharakter – in einem Sondergesetz über Verbraucherschutz zusammen. Ein gutes Beispiel stellt für diese Methode das 1979 erlassene österreichische Konsumentenschutzgesetz7 (KSchG) dar, welches möglichst alle Regelungen, die den Schutz des Verbrauchers bezwecken, ungeachtet ihres rechtlichen Charakters, systematisch zusammenfassen will. Deshalb trifft es nicht nur materiell privatrechtlichen Regelungen zum Schutz des Verbrauchers, sondern enthält auch prozessrechtliche (in den §§ 14, 28-29; 36 KSchG) und strafrechtliche Bestimmungen (in § 32 KschG). Eine solche Kodifikation erfüllt zwar die Transparenzerfordernisse, die gerade im Verbraucherschutz eminent wichtig sind, lässt jedoch den heterogenen methodologischen Charakter der zusammengefassten Normen außer Acht. Bei den privatrechtlichen Verbraucherschutzregeln ist es in diesem Gesetz gelungen, fortschrittliche Lösungen zu finden, wie etwa das Rücktrittsrecht des Verbrauchers (in §§ 3-4 KSchG), die Regelung unzulässiger Vertragsklauseln bei Verbrauchergeschäften (in § 6 KSchG), die besonderen Regeln über die Gewährleistung und die vertragliche Garantie (in §§ 8-9b, sowie § 23 und § 28a KSchG), die Bestimmung über die Stellvertretung (in § 10 KSchG) und über den Ratenkauf (in §§ 13, 16ff, KSchG), sowie die internationalprivatrechtliche Drittstaatklausel (in § 13a). Im Großen und Ganzen kann festgestellt werden, dass das österreichische Konsumentenschutzgesetz ein konzeptionelles, grundsätzlich vom Privatrecht inspiriertes, anspruchsvolles Gesetzeswerk ist, das sich auch zur Umsetzung einzelner EU-Richtlinien als geeignet erwiesen hat.8
d) Wegen seiner ehrgeizigen Zielsetzung lohnt es sich auch den französischen Code de la consommation zu erwähnen. Vorangehend muss erwähnt werden, dass der französische Gesetzgeber die Inkorporation der Richtlinie über die Produkthaftung9 in das französische Rechtssystem – zugegebenermaßen zehn Jahre nach der festgelegten Frist – nahezu beispielhaft gelöst hat. Das in Umsetzung der Richtlinie erlassene französische Gesetz10 wurde in den Code civil eingegliedert und zwar nach dem Kapitel über die Bestimmungen der deliktischen und quasi-deliktischen Haftung, jedoch unter einem eigenen Titel.11 Auf diese Weise hat der französische Gesetzgeber zumindest den Zusammenhang mit den allgemeinen Regeln des Schadenersatzrechts (Code civil Artikel 1382-1386) hergestellt und gleichzeitig die optimale Transparenz geschaffen.12 Ganz eigenartig ist jedoch die Praxis der französischen Gesetzgebung hinsichtlich der Einordnung der übrigen (zu den allgemeinen Vertragsregeln, bzw. zu den besonderen Normen der einzelnen Vertragstypen gehörenden) privatrechtlichen Verbraucherschutzbestimmungen innerhalb des Rechtssystems. Inhaltlich kennzeichnend ist, dass kein Unterschied zwischen Normen verschiedener Rangordnung, die dem Schutz des Verbrauchers dienen, gemacht wird. Diese Lösung sondert einerseits die privatrechtlichen Bestimmungen von den allgemeinen Normen des Verbraucherschutzes ab (vor allem werden sie aus dem Code civil „herausgenommen”13), andererseits – in ein thematisches System gestellt – werden sie mit Rechtsnormen anderen, hauptsächlich verwaltungstechnischen Charakters vermengt.14 Bei dem Code de la consommation, welcher im Jahr 1993 per Gesetz15 erlassen (später auch durch eine Anordnung16 ergänzt) wurde, handelt es sich nicht um einen einheitlichen Kodex, sondern um ein typisch kompilatives Gesetzeswerk. Dieser „Kodex” des Verbraucherschutzes ist eine per Gesetzeskraft (bzw. per Verordnung) veröffentlichte, systematisierte Sammlung von Rechtsnormen zum Schutz des Verbrauchers, welche nur durch Gesetz (bzw. per Verordnung) modifiziert werden kann.17
e) Das neue Niederländische Bürgerliche Gesetzbuch (NBW) wurde bereits zur Zeit der Verbreitung des Verbraucherschutzgedankens ausgearbeitet. Eine Vielzahl der diesbezüglichen Richtlinien der Europäischen Union konnte man bei der Ausarbeitung des Gesetzbuches mitberücksichtigen. Den so gestellten Erwartungen entspricht der niederländische Kodex fast musterhaft. Es sind nicht nur die vor Abschluss der Kodifikationsarbeiten erlassenen Richtlinien an ihrem Platz. So ist das Produkthaftungsrecht in das System des deliktischen Schadenersatzes eingefügt18 und die Regelung über den Reisevertrag zu den einzelnen Vertragstypen eingereiht19 worden. Der niederländische Gesetzgeber hat aber auch die meisten Regelungen der nach dem Inkrafttreten des Gesetzbuches verabschiedeten Richtlinien „vorausbedacht“. Bezeichnend ist für diese Weitsichtigkeit, dass von den Bestimmungen der Klauselrichtlinie einzig das Prinzip des in dubio contra proferentem20 im niederländischen Gesetzbuch fehlte.21 Es wich darüber hinaus nur in Nuancen bei der Bestimmung des Anwendungsbereichs und einiger Sanktionen von der Richtlinie ab.22 Es ist abschließend doch zu erwähnen, dass die Umsetzung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie anscheinend auch dem niederländischen Gesetzgeber etwas Kopfzerbrechen macht. Wie könnte man sonst die Verspätung der Umsetzung erklären.
f) Wie erwähnt, hat der deutsche Gesetzgeber die Umsetzung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie zum Anlass genommen, eine längst geplante umfangreiche Reform des Schuldrechts (Leistungsstörungsrechts, Kaufrechts, Werkvertragsrechts, Darlehensrechts) und des Verjährungsrechts durchzuführen.23 Durch diese sog. „große Lösung“ sind alle verbraucherrechtlichen Nebengesetze und damit alle Umsetzungsgesetze von Verbraucherrichtlinien in das BGB integriert worden.24
Die Vorschriften der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie sind hauptsächlich in das Kaufrecht des BGB umgesetzt worden, und zwar teils als allgemeine (für Nichtverbraucherverträge: abdingbare, für Verbraucherkäufe: unabdingbare) Regel,25 teils als nur für Verbraucherverträge geltende unabdingbare Sondervorschriften.26 Da bereits die Allgemeinen Vorschriften über Kauf (Erfüllungstheorie, präzisierter Sachmangelbegriff – mit Sonderbestimmungen für den Fall einer Verkäufergarantie –, grundsätzlich vorrangiger Nacherfüllungsanspruch des Käufers, Gewährleistungsfristen etc.) auf dem durch die Richtlinie vorgegebenen Modell beruhen, kommt der „Untertitel 3” mit vergleichsweise wenigen Sonderregelungen aus. Aus den inhaltlichen Neuerungen ergaben sich auch vielfältige Konsequenzen im Bereich des Systems des Leistungsstörungsrechts. Die durch die Richtlinie notwendig gemachten Änderungen sind auch im Werkvertragsrecht durchgeführt worden. Sie sind weniger einschneidend als diejenigen im Kaufrecht und beschränken sich im Wesentlichen auf die Verlängerung der Gewährleistungsfristen sowie auf eine systematische Anpassung des Gewährleistungsrechts an das neue Allgemeine Leistungsstörungsrecht. Durch die weitgehende Annäherung von kaufrechtlichem und werkvertragsrechtlichem Gewährleistungsrecht konnte die Regelung über Werklieferungsverträge radikal vereinfacht werden.
4. Aus den bisherigen Erfahrungen mit den Umsetzungsmethoden in den Mitgliedsstaaten kann man einige Folgerungen ziehen. Die in Einzelgesetzen erfolgte Umsetzung führt zur Zersplitterung des Verbraucherprivatrechts. Auch sie hat jedoch einen nicht zu vernachlässigenden Vorteil. In den Einzelgesetzen ist die europarechtliche Herkunft der Regeln leicht zu erkennen und auch die nötigen Konsequenzen (einheitliche Auslegungs- und Vorabentscheidungspflicht etc.) sind am einfachsten zu ziehen. Insgesamt ist diese Methode trotzdem nicht zu empfehlen.
Unserer Meinung nach sind die privatrechtlichen Verbraucherrichtlinien in einer kontinentaleuropäischen, kodifizierten Rechtsordnung entweder in einem Sondergesetz für Verbraucherschutz zusammenzufügen oder aber in das bürgerliche Gesetzbuch thematisch zu integrieren. Die erste Methode wird von der österreichischen, teils auch von der französischen Legislatur praktiziert, die zweite vom niederländischen und neulich auch vom deutschen Gesetzgeber angewendet. Beide Lösungen haben neben Vorteilen auch Nachteile. Die erste entspricht besser den Transparenzerfordernissen des Verbraucherschutzes, vermengt jedoch Normen unterschiedlichen Charakters und nimmt gleichzeitig das heute so wichtige Gebiet des Privatrechts aus dem Kodex heraus. Die zweite Methode hebt den grundsätzlich privatrechtlichen Charakter der Richtliniennormen hervor und bevorzugt die Einheit des Privatrechts, vernachlässigt jedoch das Transparenzgebot. Die gemeinsame Schattenseite beider letzt erwähnten Lösungen besteht darin, dass der Gesetzgeber die europarechtliche Herkunft der Regelungen in irgendwelcher Form extra klarstellen muss um damit ihre einheitliche Auslegung zu sichern. Bei einer überobligatorischen Umsetzung obliegt diese Pflicht dem nationalen Richter nur bei Anwendung des Richtlinienrechts für Verbraucherverträge; die Einheit des nationalen Privatrechts macht jedoch die einheitliche Auslegung der überobligatorisch umgesetzten Normen auch für Nichtverbraucherverträge wünschenswert.
Auch beim Einbau in das bürgerliche Gesetzbuch kann man aus zweierlei Möglichkeiten wählen. Man kann die Umsetzung in das bürgerliche Gesetzbuch auf den Verbrauchervertrag beschränken, d. h. die Richtlinie nur obligatorisch umsetzen. Diese Lösung verdoppelt gegebenenfalls die Regelung des betroffenen Vertrags (beispielsweise des Kaufvertrags) innerhalb des Gesetzbuches. Eine überobligatorische Integration hat dagegen augenfällige Vorteile. Vor allem können so die aus der Umsetzung der Richtlinie entstehenden Chancen zur Modernisierung des alten Rechts genützt werden. Diesen Vorteil hat z.B. der deutsche oder der österreichische Gesetzgeber bei der Umsetzung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie gezogen.
5. Bevor ein Vorschlag für die ungarische Kodifikation gemacht werden kann, fassen wir die bisherigen Umsetzungen der Verbraucherrichtlinien in der folgenden Tabelle zusammen:
Die bisherige ungarische Umsetzungspraxis zeigt ein ähnlich buntes Bild wie anfangs in den meisten Mitgliedsstaaten der Fall war. Bis auf die Klausel- und die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, die teils bzw. ganz in das ZGB integriert worden sind, ist die Umsetzung der Verbraucherrichtlinien bis heute durch Spezialgesetze erfolgt. Die Verbraucherrichtlinien zeigen ihrerseits solche gemeinsamen Lösungsansätze auf, welche ihren thematisch-organischen Einbau in das neue Gesetzbuch erleichtern. Als solche können vor allem die folgenden privatrechtlichen Schutzmaßnahmen betrachtet werden:
– erhöhte Informationspflichten gegenüber dem Verbraucher;
– Rücktrittsrecht für den Verbraucher innerhalb einer bestimmten Frist („Bedenkzeit“ zu Gunsten des „überrumpelten“ Verbraucher);
– Sicherung von anderen Mindestrechten (beispielsweise Gewährleistungsrechte) für den Verbraucher;
– günstigere Fristen für den Verbraucher zur Geltendmachung seiner Rechte;
– Sicherung dieser Rechte durch zwingendes Recht.
Es konnte bereits darauf hingewiesen werden, dass die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie eine Wende in der Umsetzungspraxis der EU-Mitgliedsstaaten ausgelöst hat. Anders als bei den früheren Verbraucherrichtlinien haben mehrere Gesetzgeber den Weg der Integration in das bürgerliche Gesetzbuch gewählt. Insbesondere die schwerpunktmäßige Stellung des Themas innerhalb des Schuldrechts hat zu diesem Umdenken geführt. Trotz des privatrechtsfremden Charakters der Unabdingbarkeit der Regelungen für Verbraucherverträge und anderer Schwierigkeiten inhaltlicher und systematischer Art des Einbaus wollte man ein so wichtiges Gebiet des Vertragsrechts nicht in einem Sondergesetz regeln. Die Eingliederung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie in das Gesetzbuch war auch in Ungarn durch jenen Umstand erleichtert, dass in dieser Richtlinie solche Lösungen gewählt worden sind, die zur Verallgemeinerung geeignet und in verallgemeinerter Form, teils auch überobligatorisch, einer wahren Kodifizierung zugänglich waren. Diese Integration stellt u. E. eine zukunftsweisende Methode dar und gibt ein gutes Beispiel für die Umsetzung der anderen Richtlinien in das neue ungarische Gesetzbuch. Über die allgemein bekannten Vorteile einer Kodifizierung hinaus bringt die Integration in das Gesetzbuch auch jenen zusätzlichen Vorteil, dass sich die ansonsten unvermeidlichen Widersprüche zwischen den Bestimmungen der einzelnen Richtlinien verringern. So würden etwa nicht unterschiedliche Fristen für das Rücktrittsrecht des Verbrauchers festgelegt werden, wie es gegenwärtig in den Richtlinien und in den umgesetzten zerstreuten nationalen Rechtsnormen immer wieder vorkommt. Ebenfalls können Probleme bei der Rechtsanwendung vermieden werden, die sich aus einer etwaigen Überschneidung der Regelungsbereiche der Richtlinien ergeben.27 Man muss aber gleichzeitig sehen, dass bei der hier bevorzugten und vorgeschlagenen Lösung das Transparenzgebot zu kurz kommt. Für das europarechtliche Erfordernis der einheitlichen Auslegung ist naturgemäß auch bei einer Integration in das bürgerliche Gesetzbuch und bei einer überobligatorischen Umsetzung zu sorgen.
Alle Vor- und Nachteile der möglichen Umsetzungsmethoden mit berücksichtigend scheint uns in Ungarn die Integrierung des privatrechtlichen Richtlinienrechts in das bürgerliche Gesetzbuch die bestmögliche Lösung zu sein. Wo die Materie der Richtlinie es erlaubt, ist eine überobligatorische Umsetzung zu empfehlen. Der zwingende Charakter der Vorschriften zugunsten des Verbrauchers muss natürlich festgeschrieben werden.
Anmerkungen
1
Zur Problematik der Richtlinienumsetzung siehe: Stefan Heß: Die Umsetzung von EG-Richtlinien im Privatrecht. Frankfurt/M. 1999, S. 164; Martin Gstaltmeyr: Bewährung von EG-Richtlinien (Sanktionssysteme bei fehlender oder fehlerhafter Umsetzung durch die Mitgliedstaaten). München 1998, S. 298. Zur Umsetzungspraxis von Frankreich, Groß-Britannien, Deutschland, Italien, Spanien und der Schweiz, in erster Linie mit der Analyse der Rechtsprechung siehe: Neues Europäisches Vertragsrecht und Verbraucherschutz. Bundesanzeiger: Köln 1999, mit Beiträgen u. a. von Nicole Fontaine, Dieter Hoffmann, Ewoud Hondius, Jim Murray, André Schwachtgen. Vgl. auch Elissavet Kapnopoulou: Das Recht der missbräuchlichen Klauseln in der Europäischen Union. Mohr: Tübingen 1997, S. 361.; Pat Brazil: Reception of Uniform Law into National Law: on Exercise in Good Faith and Progressive Development of Law. RDU/ULR 3 (1998) S. 303 ff.; Gerhard Kohlegger: Die Umsetzung von Gemeinschaftsrecht im Zivil-Justizbereich - eine erste Bilanz. ZfRV 40 (1999) S. 161 ff. Zur finnischen Umsetzungspraxis siehe H. T. Klami: Finnisches Privatrecht. ZeuP 4 (1996) S. 273-283 (S. 276 ff.).
2
Consumer Protection Acts 1961, 1971 und 1987; Hire-Purchase Acts 1954 und 1964, Misrepresentation Act 1967, Trade Descriptions Act 1968, Unsolicited Goods and Services Act 1971, Fair Trading Act 1973, Supply of Goods (Implied Terms) Act 1973, Consumer Credit Act 1974, Unfair Contract Terms Act 1977, The Unfair Terms in Consumer Contracts Regulations 1994 und 1999, Consumer Safety Act 1978 (Amendment Act 1986), Supply of Goods and Services Act 1982, Consumer Arbitration Agreements Act 1988, Sale and Supply of Goods Act 1994, General Product Safety Regulations 1994, Sale of Goods (Amendment) Act 1995.
3
Neben den hier erwähnten beiden Gesetzen, die auf mehreren Stellen geändert worden sind, ist hinsichtlich des Begriffs der Vertragsmäßigkeit auch das Supply of Goods (Implied terms) Act 1973 modifiziert worden. Die Änderungen sind am 31. März 2003 in Kraft getreten.
4
Die Klauselrichtlinie ist in das AGB-Gesetz eingegliedert worden. Den letzten geltenden Text des AGB-Gesetzes (nach seiner letzten Modifizierung) siehe: BGBl Teil I. Nr. 29/2000, S. 947 ff.
5
§§ 651 a ff BGB. Über die technischen Mängel dieser Integration siehe u. a. Karsten Schmidt, Fn. 5. S. 52.
6
Artikel 2 des „Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts“ wurden folgende neue Regeln in das BGB eingefügt: § 13 idgF definiert den Begriff des „Verbrauchers“, § 14 idgF den Begriff des „Unternehmers“. Der neu eingefügte § 241 a sieht für den Fall der Lieferung unbestellter Sachen oder der Erbringung unbestellter sonstiger Leistungen durch einen Unternehmer an einen Verbraucher Schutzregeln vor. Nach dem neuen § 661 a hat ein Unternehmer, der Gewinnzusagen oder vergleichbare Mitteilungen an Verbraucher sendet und durch die Gestaltung dieser Zusendungen den Eindruck erweckt, dass der Verbraucher einen Preis gewonnen hat, dem Verbraucher diesen Preis zu leisten. Die ebenfalls durch das Fernabsatzgesetz eingefügten §§ 361 a und 361 b sind durch die Schuldrechtsreform überholt und durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz außer Kraft gesetzt worden. Inhaltlich sind die letztgenannten Verbraucherschutzvorschriften durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz in das BGB an anderen Stellen eingebaut worden. (Zu den in dieser Fn. genannten Regelungen siehe auch die Übergangsvorschrift in Art. 229 § 2 Abs. 1 EGBGB).
7
Bundesgesetz vom 8. März 1979 mit dem Bestimmungen zum Schutz des Verbrauchers getroffen werden.
8
Zur beispielhaft gelungenen Umsetzung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie in das ABGB und das KSchG siehe Welser/Jud: Die neue Gewährleistung. MANZ: Wien 2001, 213 S.
9
85/374/ EWG-Richtlinie
10
Loi n. 98-389, 19 mai 1998
11
Livre III., Titre IV bis, Art. 1386-1 a 1386-18 : De la responsabilité du fait des produits défectueux.
12
Dass die Frage der Transparenz ein nicht zu vernachlässigender Gesichtspunkt ist, dafür ist die ungarische Lösung ein gutes Beispiel. Das ungarische Produkthaftungsgesetz (Gesetz Nr. X von 1993), das die Produkthaftungsrichtlinie umsetzt, hat unserer Meinung nach bisher deshalb keine angemessene Anwendung in der Praxis gefunden, weil es durch seine Platzierung außerhalb des ZGB jenseits des Blickfeldes der Rechtssuchenden und Rechtssprechenden „hängen geblieben“ ist.
13
Diese Methode kritisiert Carla Joustra: Consumer Law, in: Towards a European Civil Code (2. Auflage). Ars Aequi Libri/Kluwer: Nijmegen/The Hague 1998. S. 133-148 (S. 138). Die Umsetzung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie wird voraussichtlich anders erfolgen.
14
Vgl. Ewoud Hondius: Consumer Law and Private Law: The Case for Integration. Notarius International 3 (1998) S. 107-119 (S. 110).
15
Loi nr. 93-949, 26 juill. 1993.
16
Decret n. 97-298, 27 mars 1997.
17
Die Kompilationsmethode dieser Art, das heißt die systematische Zusammenfügung von thematisch zusammengehörenden Rechtsnormen unterschiedlichen Normcharakters in einer Sammlung mit selbständiger normativer Wirkung, hat sich in den letzten Jahrzehnten - trotz ihrer verfassungsrechtlichen Bedenklichkeit und ihrer methodologischen Probleme - in der französischen Gesetzgebungspraxis verbreitet.
18
Art. 6-(185-193) niederländisches BW.
19
Art. 7-(500-513) niederländisches BW.
20
Art 5 Satz 2 der Richtlinie des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (93/13/EWG).
21
Art. 6-(231-247) niederländisches BW; vgl.: Ewoud Hondius: The Reception of the Directive on Unfair Terms in Consumer Contracts by Member States. ERPL 3 (1995) S. 241 ff. (S.248, S. 250).
22
Kritisch über die Unterlassung der vollständigen Umsetzung der Richtlinie Ewoud Hondius: Non-Implementation of the Directive on Unfair Terms: the Dutch case. ERPL 5 (1997) S. 193 ff.
23
Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 11. Oktober 2001.
24
Über Haustürgeschäfte: §§ 312f, über Fernabsatzverträge: §§ 312 bff, über Teilzeit-Wohnrechteverträge: §§ 488ff, über Verbraucherkreditverträge: §§ 491ff. Auch das AGB-Gesetz ist (systematisch vollkommen und inhaltlich weitgehend unverändert) in das BGB integriert worden: §§ 305ff.
25
Untertitel 1: Allgemeine Vorschriften: §§ 433-453 BGB.
26
Untertitel 3: Verbrauchsgüterkauf: §§ 474-479 BGB.
27
Dieses Problem wird treffend durch die im Urteil des EuGH vom 22. April 1999 (C-423/97) aufgetauchte Frage illustriert. In dieser Rechtsangelegenheit kollidieren die sachlichen Anwendungsbereiche der Haustürwiderrufs-Richtlinie und der Fernabsatzrichtlinie.
Der Autor ist einer der Gründer des Wissenschaftlichen Beirates des Europa Institutes Budapest. Er ist Mitglied der Ungarischen Akademie der Wissenschaften.