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Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 19:227–245.

SONIA HORN

Geschichte(n) von Gesundheit und Krankheit zwischen Kameralismus und medizinischer Polizey

Forschungsdesiderata für Österreich und Ungarn in der Frühen Neuzeit

 

Die aktuellen Forschungsansätze und Sichtweisen der Medizingeschichtsschreibung wurden von der universitär institutionalisierten medizinhistorischen Forschung in Österreich bislang kaum rezipiert. Da grundlegende Arbeiten über die Strukturen des frühneuzeitlichen Gesundheitswesens in Österreich fehlen, müssen beispielsweise die in letzter Zeit vereinzelt entstandenen neueren Publikationen zu Teilbereichen des Gesundheitswesens in Wien und Niederösterreich auf alte Literatur zurückgreifen, die aus anderen Perspektiven und mit anderen Zielen geschrieben wurden als es heutige Methoden und Fragestellungen fordern würden. Vielfach lässt diese alte Literatur auch im Bezug auf die angewandte Quellenkritik bzw. den Umgang mit historischen Quellen sehr zu wünschen übrig. Dies bedeutet, dass es notwendig ist, grundlegende Studien auf der Basis des reichlich vorhandenen Quellenmaterials durchzuführen, um in den internationalen wissenschaftlichen Diskurs auch Beiträge, die österreichische und ungarische Regionen betreffen, einbringen zu können.

Als räumlicher und in gewisser Weise auch zeitlicher Rahmen könnte der „Einflussbereich” der Wiener medizinischen Fakultät dienen. Wie später genauer erläutert werden wird, übernahm die Wiener medizinische Fakultät 1516 die Verwaltung weiter Bereiche des Gesundheitswesens der Stadt Wien. Bis 1638 dehnte sich dieser Wirkungsbereich auf Österreich ob und unter der Enns vor allem dadurch aus, dass dort die Dienste der Fakultät in Anspruch genommen wurden, was schließlich mit verschiedenen rechtlichen Maßnahmen festgeschrieben wurde. Auch für angrenzende Regionen Ungarns hatte die Fakultät eine ähnliche Bedeutung, ohne dass diese Situation dazu führte, dass dementsprechende Vorschriften erlassen wurden. Mit dem Sanitätsnormativ von 1770 wurde eine einheitliche Medizinalgesetzgebung für alle habsburgischen Länder eingeführt. Es versteht sich von selbst, dass die Einführung einer rechtlichen Norm nicht als gleichbedeutend mit der Einhaltung derselben zu betrachten ist. Für die zentrale Fragestellung, nach der Entwicklung von Strukturen des Gesundheitswesens und damit in Zusammenhang stehenden Theorien, wie ein solches gestaltet sein sollte, kann das Jahr 1770 als Bezugspunkt dienen. Durch das Sanitätsnormativ von 1770 wurde das (möglicherweise) aus der Bewältigung des Alltages auf regionaler Basis entstandene und von „Staatsideen” übernommene Modell der Verwaltung des Gesundheitswesens jedenfalls auf eine weitere Region ausgedehnt – bzw. war dies Teil einer Staatsidee, deren Umsetzung im Alltag in weiterführenden Studien erarbeitet werden kann. Untersuchungen, die hierfür eine solide wissenschaftliche Basis liefern, sind als Notwendigkeit zu betrachten.

 

Theoretische Ansätze

Die Auseinandersetzung mit der Geschichte der Medizin im Allgemeinen und des Gesundheitswesens im Besonderen beschränkt sich heute nicht mehr auf die „Ereignis- und Heroengeschichte”, sondern beschäftigt sich vornehmlich mit dem Aufzeigen von verschiedenen Zusammenhängen. In diesem Sinn wird versucht, Medizin als gesellschaftliches Phänomen zu erfassen1, indem ihre Geschichte vor dem jeweiligen politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Hintergrund gesehen wird. Im Zentrum des Interesses stehen die am „heilkundlichen Geschehen” beteiligten Menschen – Heilkundige ebenso wie Patienten – und deren Interaktionen. Dabei wird versucht, Handlungsspielräume von Individuen und Gemeinschaften sowie Rahmenbedingungen, in denen diese Interaktionen stattfanden, zu erfassen. Naturgemäß bezieht sich der Begriff „Heilkundige” daher auch nicht nur auf akademische Ärzte, sondern umfasst ein breites Spektrum von Personen, die heilkundliche Kenntnisse zur Verfügung stellten, die eine normierte Ausbildung absolviert hatten, ihre Dienste mit einer definierten Erlaubnis anboten und ausübten oder auch auf anderem Weg Kenntnisse und Fertigkeiten erworben hatten und anwandten. Es wird daher von der Frage ausgegangen, welche Heilkundigen von den PatientInnen konsultiert wurden, welche Therapieformen angeboten und in Anspruch genommen wurden. Dies inkludiert durchaus auch religiöse Praktiken wie Wallfahrten oder Wunderheilungen, von denen sich Menschen ebenfalls Hilfe in Krankheitsfällen oder Vorbeugung vor diesen versprachen2.

Zusammenfassend wird hierfür gerne der Begriff „medical marketplace”3 verwendet, der, wenn auch ein heutiger Begriff, sehr gut beschreibt, was an heilkundlichen Kenntnissen und Fertigkeiten angeboten und in Anspruch genommen wurde, wobei jenen, die diese Angebote in Anspruch nahmen, besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird. „Patient´s history” ist demnach ein wesentlicher Bestandteil der Medizingeschichtsschreibung geworden. Diese Erweiterung des berücksichtigten Personenkreises führt dazu, dass „Wissensproduktion und -anwendung” auch außerhalb von universitären Einrichtungen einbezogen wird und nicht von vorne herein als „mangelhaft” betrachtet werden, wie dies in der traditionellen Medizingeschichtsschreibung häufig erfolgte.

An diesem „medical marketplace” waren zahlreiche Personen und Interessensgruppen beteiligt, wobei Bereiche ausgehandelt und definiert wurden, die für Personen mit bestimmten Voraussetzungen (z.B. Ausbildungen) reserviert blieben. Es ergaben sich daraus Tätigkeitsbereiche einzelner Berufsgruppen, die sich gegeneinander abgrenzten und somit einen bestimmten Platz auf dem „medizinischen Markt” entwickeln und behaupten konnten. Für jene, die dabei nicht erfolgreich waren, ergaben sich andere Möglichkeiten, sodass parallel dazu Räume entstanden, in denen auch „anderes” Platz hatte – medizinische Meinungen, Therapieformen oder Personengruppen, die je nach Rahmenbedingungen toleriert, akzeptiert, abgelehnt, in den „Wissenskanon” aufgenommen wurden, bzw. als Berufsgruppe angenommen oder verdrängt wurden. Dies führte zu einer Professionalisierung medizinischen Handelns4 und zur Ausdifferenzierung von heilkundlichen Berufsgruppen vor allem in der Frühen Neuzeit. Folglich kam es auch zu Abgrenzungen gegeneinander und zur Ausbildung von Normen (z. B. Baderordnungen), wodurch man sich einerseits innerhalb der Gruppe als das, was man sein sollte und sein wollte, definierte, andererseits aber auch für Außenstehende nachvollziehbare Verpflichtungen ihnen gegenüber übernahm (z.B. Therapieformen, Bezahlung für geleistete Dienste), auf deren Qualität vertraut werden konnte und die einklagbar waren. Hinzu kam, dass man sich durch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe auch verpflichtete, gewisse Spielregeln innerhalb der Gesellschaft einzuhalten und gewisse Lebensweisen zu praktizieren. Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts erfolgte eine zunehmende Verdrängung von nicht-akademisch ausgebildeten Heilkundigen vom medizinischen Markt, sowie eine Konzentration der Ausbildung in medizinischen Berufen, der Wissensproduktion und der medizinischen Betreuung im akademischen Bereich – ein Prozess, der häufig als „Akademisierung” bezeichnet wird.

Professionalisierung und Akademisierung sind einerseits als Prozesse zu verstehen, die von den Beteiligten selbst ausgehandelt und getragen wurden, andererseits wurden hierbei auch Einflüsse wirksam, die von verschiedenen Interessensträgern ausgingen. Zum einen können vielfältige Beziehungsgeflechte, etwa innerhalb einer Stadt, wirksam werden, die die Erteilung von Befugnissen an bestimmte Personen beeinflussen, Rahmenbedingungen schaffen oder mit Rücksicht auf bestimmte „wichtige Leute” in der Gemeinschaft agieren. Andererseits sind Einflüsse „von außen” zu berücksichtigen, die als regionstypisch betrachtet werden können, etwa Klima und Umwelt, wirtschaftliche und politische Situation, Beziehungen zu Herrschaften, Obrigkeiten oder anderen Institutionen wie Kirche oder im speziellen Fall des heutigen Wien, Nieder- und Oberösterreich der medizinischen Fakultät der Universität Wien. Gerade der „medizinische Markt” ist jedoch ein Bereich des gesellschaftlichen Lebens, der auch gezielte Eingriffe und Einflüsse von Obrigkeiten etwa durch die Gestaltung von Steuerungsmechanismen aufweist. Immer wieder kommt es dabei zu Situationen, in denen auffällig viele Faktoren zusammenwirken und eine bislang vielleicht nicht auffällige Entwicklung spürbar und deutlich wird. Im Sinne Foucaults kann von verschiedenen „Diskursen” gesprochen werden, die sich zu bestimmten Zeiten verdichten und sich mehr oder weniger „vulkanartig” bemerkbar machen. Dies kann sich beispielsweise in Manifestationen frühneuzeitlicher Wirtschafts- und Staatstheorie innerhalb des Gesundheitswesens zeigen oder in medizinischen Denkweisen, die sich auf Strukturen des Gesundheitswesens auswirken5.

Wesentlich scheint mir hierbei auch die Auseinandersetzung mit rechtlichen Rahmenbedingungen zu sein. Diese können als Wirksamwerden und Festschreiben von vorausgegangenen und laufenden Aushandlungsprozessen betrachtet werden, wobei verschiedenste Einflüsse zu berücksichtigen sind. Diese ausgehandelten Normen haben verschiedenste Auswirkungen auf Lebensbedingungen und Lebensläufe von Individuen, die diese akzeptieren oder überschreiten können, wobei durchaus Gestaltungsmöglichkeiten Einzelner wirksam werden können. Jedenfalls kann hier das Individuum im Spannungsfeld von legistischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der jeweiligen Epoche und individuellen Wünschen beschrieben werden. Eine Beobachtung kleinräumiger Entwicklungen, individueller Strategien und „Geschichten” einzelner Personen oder Personengruppen, wie sie in der „Mikrogeschichte” praktiziert wird, bereichert auch die Beschäftigung mit „Medizingeschichte”, indem der Umgang mit Gesundheit und Krankheit, sowie der Umgang mit Strukturen, Normen etc., die in verschiedenen Gesellschaften aufgebaut wurden, um Krankheiten zu bewältigen und Gesundheit zu pflegen bzw. wieder zu erlangen, beschrieben werden6. Hinzu kommt auch die Überlegung, was in einer bestimmten Gesellschaft zu einer bestimmten Epoche und in einer bestimmten Region unter Gesundheit und Krankheit verstanden wurde, welche Rolle Kranke in der Gemeinschaft übernahmen, welche Verhaltensweisen ihnen zugeschrieben bzw. von ihnen erwartet wurden und welche Bedeutung sie für ihre Umwelt hatten – so konnten beispielsweise „Kranke” (Arme, Alte, Waisen, ledige Mütter) als Insassen von Spitälern durchaus „heilsbringende Wirkung” haben, indem sie für Förderer der Anstalten beteten7. Sie konnten aber auch als Bedrohung empfunden werden, aus der Gemeinschaft ausgestoßen oder als „Seuchen – bzw. Krankheitsrisiko” betrachtet werden. Besonders wertvolle Impulse für die Entwicklung von einer traditionellen „Legitimationsgeschichtsschreibung”8 hin zu einer Darstellung des Umganges mit Gesundheit und Krankheit vor dem jeweiligen sozialen, politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Hintergrund kommen aus den theoretischen Überlegungen der historischen Anthropologie. Der Körper des Menschen, „Funktionen” wie Geburt und Tod, Erwachsenwerden usw., die als „medizinische Tatsachen” betrachtet werden können, haben auch eine kulturelle Komponente, die nicht zu unterschätzen ist. Hier werden viele Einflüsse wirksam – bei Geburten etwa verschiedene Möglichkeiten therapeutischer Vorgehensweisen, Erwartungen der Gesellschaft an das Verhalten von Schwangeren, Gebärenden und jungen Müttern, die Bedeutung von (ehelichen oder unehelichen) Kindern in einer Gesellschaft usw.. Dass die Kategorie „gender” in dieser „neuen” Medizingeschichtsschreibung eine wesentliche Rolle spielt, ist als Selbstverständlichkeit zu betrachten.

In diesem Sinn ist also davon auszugehen, dass das Thema „Umgang mit Gesundheit und Krankheit in der Vergangenheit” von mehreren Perspektiven aus betrachtet werden muss und daher auch eine Vielzahl von methodischen Herangehensweisen gerechtfertigt ist. Demnach würden sich aus verschiedenen Perspektiven auch verschiedene Berichte über eine bestimmte Fragestellung ergeben. Spezielle Themen, wie z.B. „Strukturen des Gesundheitswesens im frühneuzeitlichen Niederösterreich”, würden durch Darstellungen der Sichtweisen einzelner eingebundener Akteure, etwa der PatientInnen, der Heilkundigen, der Wiener medizinischen Fakultät, verschiedener Obrigkeiten, einzelner besonders Betroffener usw., um zahlreiche Facetten bereichert werden können. Daraus ergibt sich, dass es nicht „eine” Medizingeschichte bzw. „eine Geschichte” des Umganges mit Gesundheit und Krankheit gibt, sondern viele „Geschichten von Gesundheit und Krankheit”. „Geschichte(n) von Gesundheit und Krankheit” kann demnach als Oberbegriff für eine Vielfalt von Herangehensweisen und Fragestellungen an ein bestimmtes Thema, das aus verschiedenen Perspektiven betrachtet wird, verstanden werden und bietet daher eine Fülle von Möglichkeiten und Methoden der historischen Auseinandersetzung.

Zahlreiche deutschsprachige Publikationen zur Situation der Medizingeschichte, die gegen Ende des 20. Jahrhunderts erschienen sind, zeigen, dass sich die Medizingeschichtsschreibung aufgrund dieser Impulse zu einem eigenständigen Forschungsbereich, zu einer „emanzipierten Wissenschaft”9 entwickelt hat.

Leider wurden diese Forschungsansätze und Sichtweisen von der universitär institutionalisierten Medizingeschichtsschreibung in Österreich lange Zeit nicht beachtet und auch nicht rezipiert. Hinzu kommt, dass kaum ernst zu nehmende Arbeiten für die Zeit vor der Mitte des 18. Jahrhunderts existieren und dabei prinzipiell die Meinung vertreten wird, dass es sich hierbei ohnehin um eine vernachlässigbare Phase bzw. um ein „dunkles Kapitel”10 handeln würde. Es fehlen daher grundlegende Studien über den Umgang mit Gesundheit und Krankheit für diese Epoche und diese Region, die es überhaupt erst ermöglichen, sich an „übergreifenden Themen” wie etwa „Medizin und Gegenreformation” zu beteiligen. Dies bedauern Ole Peter Grell und Andrew Cunningham in ihrem Band über das Gesundheits- und Sozialwesen während der Gegenreformation, da gerade der Bereich der „habsburgischen Länder” nicht berücksichtigt werden konnte: „From the outset the editors sought to include a chapter on Austria, covering the so-called Habsburg inherited lands, in order to achieve the fullest geographical coverage, but since no scholar, to our knowledge, is or has been working in this field recently, this unfortunately proved impossible. The little attention paid to health care and poor relief in the recent social history of Austria further emphasises the lack of scholarly interest in this area ...” 11.

Dass ein Beitrag über diese Region für eine vollständige Darstellung zu diesem Thema unbedingt nötig gewesen wäre, versteht sich von selbst.

Einige in letzter Zeit entstandene Studien für österreichische Regionen müssen vielfach auf Literatur zurück greifen, die noch im Sinne einer „Legitimationsgeschichtsschreibung” verfasst ist, wie etwa auf Darstellungen von Leopold Senfelder oder gar Anton von Rosas12. Trotz aller Bemühungen müssen diese oft ein Stück weit unrichtig sein, da auf mangelhaften Grundlagen aufgebaut werden musste13. Auch der Rückgriff auf rezente Untersuchungen zu England oder Deutschland bietet hierbei keine Abhilfe, da das Gesundheitswesen bzw. der „medizinische Markt” in Österreich und Ungarn anders strukturiert war und daher nicht von einer Situation auf die andere geschlossen werden kann. Prinzipiell ist es jedoch sinnvoll, dieselben methodischen Herangehensweisen auch für die Situation in Österreich und Ungarn zu nützen und eventuell auch regionale Vergleiche zu ziehen.

 

Forschungsdesiderata

Als unbedingt notwendig sind Grundlagenforschung in Bezug auf Strukturen des frühneuzeitlichen Gesundheitswesens z.B. in Österreich unter der Enns und in angrenzenden Regionen Ungarns zu betrachten, wobei vor allem das Preßburger und das Pester Komitat berücksichtigt werden sollten, da, wie eingangs erwähnt, zahlreiche Beziehungen zur Universität Wien bestanden. Damit könnte eine Basis geschaffen werden, die seriöse weiterführende Studien ermöglicht.

Trotz zahlreicher Studien zur politischen, sowie zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, zu den Hintergründen und Auswirkungen von Reformation und Gegenreformation, aber auch zur Geschichte von Absolutismus und aufgeklärtem Absolutismus in Österreich, wurde die Frage nach dem Umgang mit Gesundheit und Krankheit vor diesem Hintergrund kaum behandelt. Da auf mangelhafte Literatur zurückgegriffen werden muss treten in den wenigen auf Primärquellen basierenden Arbeiten, die sich an neueren Forschungsansätzen orientieren, meist Widersprüche auf, wenn versucht wird, die Ergebnisse in allgemeinere Zusammenhänge einzuordnen. Bislang wurden die Auswirkungen nicht untersucht, die theoretische Diskurse der frühen Neuzeit über wirtschaftliche Systeme und Vorstellungen davon, wie ein „Staat” gestaltet sein sollte, aber auch politische Entwicklungen in Österreich und angrenzenden Regionen bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts auf das Gesundheitswesen hatten14. Eine umfassende Darstellung des (sog.) ständischen Gesundheitswesens vor 1770, die die Entwicklung von Strukturen auch auf einer mehr allgemeinen Ebene behandelt, ist daher eine Notwendigkeit, um den enormen Nachholbedarf der mittel- und südosteuropäischen Medizingeschichtsschreibung zu verringern.

Wie sich bereits aus dem Bisherigen ergibt, ist der Forschungsstand zum Thema „Gesundheitswesen und Staatsidee im frühneuzeitlichen Österreich vor 1770” denkbar mangelhaft. In den zahlreichen Publikationen von Marlene Jantsch15, Erna Lesky16, Otto Nowotny17 und Kurt Ganzinger18 wird die akademische Medizin in den Vordergrund gestellt. Nicht-akademische Bereiche werden meist nicht wahrgenommen bzw. wird davon ausgegangen, dass nicht-akademisch ausgebildete Heilkundige nur unzureichende Hilfe anbieten konnten. Die Umsetzung von Normen, die das Gesundheitswesen im Alltag bzw. „auf unterster Ebene” strukturierten sollten, wurde nicht berücksichtigt. Es wurde stillschweigend davon ausgegangen, dass rechtliche Rahmenbedingungen, wie etwa das Sanitätsnormativ von 1770 befolgt wurden, sobald sie erlassen worden waren19. Auch dem von vielen Aspekten beeinflussten Prozess der Entwicklung derartiger Normen wurde wenig Augenmerk geschenkt. In der Regel werden diese bzw. die Medizingeschichte allgemein als geradlinig verlaufender Fortschritt beschrieben. Das Erscheinen Gerard van Swietens in Wien und seine Reformen des Medizinstudiums von 1749 werden als Anfangspunkt einer Art von Revolution im Gesundheitswesen gefeiert, die Zeit davor als „dunkles Kapitel” dargestellt, ohne dass eine Auseinandersetzung mit ihr erfolgt wäre. Eine der wenigen Publikationen, die auch diese Zeit berücksichtigt, ist das Buch „Das medizinische Wien” von Leopold Schönbauer, das unter Mitarbeit von Marlene Jantsch verfasst wurde und 1944 erstmals erschienen ist. Den in dieser Zeit vermutlich geringen Möglichkeiten, exakte Quellenarbeit durchzuführen, entsprechen auch die Beschreibungen der Zeit vor 1749. Hier wie auch in zahlreichen folgenden und auch in den bereits erwähnten rezenten Publikationen wurde auf die Arbeiten von Leopold Senfelder und Anton v. Rosas zurückgegriffen. Neuere Ansätze der Medizingeschichtsschreibung, aber auch die Umsetzung von Normen des Gesundheitswesens im Alltag bzw. „an der Basis” enthält zwar die Darstellung von Johannes Wimmer über das Gesundheitswesen in der Steiermark20. Diese Fallstudie beginnt mit etwa 1760 und geht bei der zusammenfassenden Beschreibung der Situation davor dennoch davon aus, dass die medizinische Versorgung der Bevölkerung vor allem deswegen mangelhaft war, weil akademische Ärzte zu wenig daran beteiligt waren: „Zur Zeit des Regierungsantritts von Maria Theresia war man weit davon entfernt, die Kunst der Ärzte breiten Bevölkerungsschichten nutzbar zu machen”21 Auch im Abschnitt über Wundärzte, Apotheker und Hebammen wird die in den Publikationen von Senfelder und Lesky festgeschriebene Meinung übernommen, dass diese „niederen Heilpersonen”22 nur mangelhaft ausgebildet und daher auch die Versorgung der Bevölkerung unzureichend gewesen wäre. Diese und die in der Sekundärliteratur gerne aufgestellte Behauptung, dass mit dem Erscheinen des Landschaftsmedicus für die Landbevölkerung überhaupt erst die Möglichkeit geschaffen wurde, medizinische Betreuung zu erhalten23, beruhen auf einer Anschauung des 20. Jahrhunderts, die als medizinische Basisversorgung nur akademische ÄrztInnen kannte und diese Sichtweise auf die Vergangenheit übertrug. Bemüht man sich jedoch darum, Erklärungsmodelle für körperliche Vorgänge, Gesundheit und Krankheit sowie die daraus abgeleiteten Therapieformen der alten Europäischen Medizin zumindest annähernd zu verstehen, wird klar, dass für die Basisversorgung der Bevölkerung andere medizinische Berufsgruppen als akademische Ärzte zuständig waren, vor allem Bader und Wundärzte. Ob die medizinische Grundversorgung der Bevölkerung, nämlich das „Netz” von Badern und Wundärzten ausreichend war, muss einerseits an einzelnen Tatsachen – wie etwa der Anzahl und der Lokalisation von Badstuben in Relation zur Bevölkerungszahl und in Zusammenhang mit den jeweiligen politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (Kriege) rekonstruiert werden, andererseits aber auch an zeitgenössischen Meinungen abgelesen werden, etwa der Feststellung, dass zu wenige derartige Einrichtungen zur Verfügung stünden, aber auch an verschiedenen Maßnahmen, die getroffen wurden, wie die gezielte Begünstigung der Ansiedlung von Betrieben oder die Erleichterung des Zuganges zu einer Ausbildung.

Ähnlich verhält es sich auch mit der ungarischen Medizingeschichtsschreibung, die die Zeit vor 1770 behandelt. In der Beschreibung des ungarischen Gesundheitswesens von Gyula Magyary-Kossa24 wird vorausgesetzt, dass die grundlegende Versorgung der Bevölkerung durch akademisch ausgebildete Ärzte zu erfolgen hätte. Allerdings werden auch die Tätigkeiten von Okulisten, Stein- und Bruchschneidern beschrieben und diese als fachlich kompetente, wenn auch nicht theoretisch ausgebildete Heilkundige dargestellt25. Ebenso berücksichtigt er die Bedeutung von Badern und Wundärzten für das städtische Gesundheitswesen26 und die Wichtigkeit der für den islamischen Bereich typischen Badekultur27. Im Kapitel „Von alten Chirurgen”28 wird die beklagenswerte Situation der Chirurgie in ungarischen Ländern beschrieben, wobei darauf hingewiesen wird, dass zahlreiche Chirurgen aus deutschsprachigen Ländern in verschiedenen, vor allem in deutschsprachigen Städten tätig waren und aufgrund ihrer guten Ausbildung einen wesentlich besseren Ruf als die einheimischen Kollegen hatten. Die Arbeit von Lilla Krász über das ungarische Hebammenwesen29 entspricht den zuvor beschriebenen aktuellen Forschungsansätzen. Der Beobachtungszeitraum beginnt jedoch mit 1780. Auch hier wird auf die vor diesem Zeitpunkt bestehenden starken Bezüge zu Wien als administrativem Zentrum des Gesundheitswesens hingewiesen.

In einer kurzen Darstellung beschreibt George Rosen den Kameralismus und die „medizinische Polizey” des 18. Jahrhunderts als sehr wichtigen Impuls für die Entwicklung eines stark strukturierten, vereinheitlichten und zentralisierten Gesundheitswesens in den mittel- und osteuropäischen Regionen Europas, der bis in das 20. Jahrhundert hinein die Entwicklung vorgab30. Die „medizinische Polizey”, verstanden als obrigkeitliches Verwaltungssystem für den Umgang mit Gesundheit und Krankheit, erhält ihre umfassendste Darstellung durch Johann Peter Frank in seinem mehrbändigen Werk „System einer vollständigen medicinischen Polizey”31 und wird daher üblicherweise als Phänomen des 18. Jahrhunderts betrachtet. Franks grundlegende Anschauungen lassen sich auch in den theoretischen Schriften des Joseph v. Sonnenfels (1732-1817), vor allem in seinem Werk „Grundsätze der Polizey- , Handlungs- und Finanzwissenschaften”32 finden, was nicht verwunderlich ist. Auffällig ist jedoch die Ähnlichkeit der grundsätzlichen Überlegungen dieser beiden Autoren mit den für Österreich besonders relevanten Werken, die Ideen zur Gestaltung eines Staates und seiner Wirtschaft enthalten: Johann Joachim Becher, „Politischer Discurs von den eigentlichen Ursachen des Auf- und Abnehmens der Städte, Länder und Republiken” (1668), Philipp Wilhelm Hörnigk, „Österreich über alles wann es nur will” (1684). Vor allem im Hinblick auf das gewünschte Bevölkerungswachstum finden sich einige Überlegungen zur Gestaltung des Gesundheitswesens, die jedoch von der historischen Forschung noch kaum berücksichtigt wurden33. Besondere Beachtung verdient dabei die berufliche und verwandtschaftliche (aber auch denkerische) Beziehung zwischen Ludwig Hörnigk, seinem Sohn Philipp Wilhelm Hörnigk und seinem Schwiegersohn Johann Joachim. Becher wurde von seinem Schwiegervater, der zu diesem Zeitpunkt Dekan der medizinischen Fakultät von Mainz war, zum Doktor der Medizin promoviert. Ludwig Hörnigk selbst war Doktor der Medizin und der Rechte und übte für lange Zeit das Amt eines Stadtarztes von Mainz aus. Er war auch in Wien als Arzt tätig gewesen und bewarb sich 1647 um das Amt des „Magister Sanitatis”34. In seinem 1638 publizierten Werk „Politia medica”35 beschrieb er ein ideal strukturiertes Gesundheitswesen, wobei er auf Beispiele aus verschiedenen deutschen Städten zurückgriff. Interessant dabei ist, dass er eine Situation beschrieb, die in den beiden österreichischen Erzherzogtümern schon längere Zeit praktiziert wurde und zum Zeitpunkt des Erscheinens der „Politia Medica” bereits rechtlich festgeschrieben war – die Theorie als Beschreibung der Praxis?

Die Vorstellungen, die Heinrich Gottlob v. Justi36, Josef v. Sonnenfels und Johann Peter Frank vermitteln, dürften hingegen die Theorie dargestellt haben, auf deren Basis die weitere Entwicklung und Strukturierung des Gesundheitswesens in Österreich und den anderen habsburgischen Ländern gestaltet wurde. Demnach wäre es zu einer Umkehr des oben hypothetisch skizzierten Prozesses gekommen – die Theorie als Basis für die Praxis. Dies könnte einen interessanten Aspekt der Entwicklung des „Regierens” im Bereich der habsburgischen Länder und auf die Entwicklung des absolutistischen bzw. des aufgeklärt absolutistischen Regierungssystems darstellen.

Eigene Untersuchungen über das Verhältnis von nichtakademischen Heilkundigen und medizinischer Fakultät der Universität Wien37 zeigen eine in der Geschichte sehr weit zurück reichende Tendenz einer Vereinheitlichung des Gesundheitswesens im heutigen Ober- und Niederösterreich mit der Wiener medizinischen Fakultät als zentraler kontrollierender Instanz. Auch in angrenzenden Gebieten, vor allem im Bereich des heutigen Burgenlandes und Ungarns wurde sie ebenfalls als eine solche Instanz betrachtet und in Anspruch genommen, allerdings ohne dass hierfür Vorschriften bestanden hätten. Man kann daher von einem „Einflussbereich” der Wiener medizinischen Fakultät sprechen, der sich nicht exakt mit den Landesgrenzen deckte.

Die durch verschiedene Studien zu England38 und Deutschland39 dargestellte Situation eines breiten Angebotes an Heilkundigen und Therapieformen kann auch für Österreich, resp. den Einflussbereich der Wiener medizinischen Fakultät angenommen werden. Allerdings kann hier nicht von einem relativ „freien Markt” ausgegangen werden, wie er etwa für England postuliert wurde. Das Gesundheitswesen im Bereich des heutigen Ober- und Niederösterreich zeichnete sich durch die besondere Beziehung zur Wiener medizinischen Fakultät aus, deren Aufgabe es zumindest bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts u. a. war, nichtakademisch ausgebildete Heilkundige, also Bader, Wundärzte, Okulisten, Steinschneider und Hebammen, zu approbieren und deren Tätigkeit zu überwachen. Auch Apotheker wurden von den Doktoren geprüft, Apotheken wurden visitiert und Arzneimittel zugelassen. Bei damals neuartigen Lebensmitteln, etwa der Schokolade, wurde entschieden, ob diese für den allgemeinen Verzehr zugelassen werden konnten. Aus vielen verschiedenen Anlässen, etwa um geeignete Standorte für Friedhöfe oder Spitäler zu finden, um Vorkehrungen für Seuchen in die Wege zu leiten, in gerichtlich anhängigen Fällen, wie Annullierungen von Ehen oder Verbrechen wie Kindsmord usw. wurde die Fakultät um ihre Meinung und um Gutachten gebeten. Gab es Schwierigkeiten mit approbierten oder nichtapprobierten Heilkundigen, konnten sich sowohl PatientInnen wie Heilkundige an die Fakultät wenden, die eine Entscheidung fällen und Berufsverbote oder Strafen verhängen und diese auch exekutieren konnte – wovon sie reichlich Gebrauch machte.

Die Entwicklung der medizinischen Fakultät zu einer allgemein anerkannten Kontroll- und Zulassungsinstanz war bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts weitgehend abgeschlossen. Rechtlicher Ausgangspunkt hierfür war ein Erlass des Passauer Bischofs Georg von Hohenlohe aus dem Jahr 1407, der ihr das Recht einräumte, Heilkundige, die die Behandlung von Krankheiten mit innerlich wirkenden Arzneimitteln (= cura interna) in der Diözese Passau ausüben wollten, zu approbieren. Als Strafe für Zuwiderhandelnde wurde die Exkommunikation angedroht und schließlich auch mehrfach ausgesprochen. Schritt für Schritt wurde diese, zunächst nur auf Basis des Kirchenrechtes gültige und auch ausgeübte Norm, immer weiter ausgedehnt. Mit der Bestätigung der Privilegien der medizinischen Fakultät 1465 wurde dieses Recht auch von der weltlichen Obrigkeit akzeptiert und für die Stadt Wien bestätigt40. Weitere wesentliche Schritte bei der Ausdehnung der berufsrechtlichen Jurisdiktion der Wiener medizinischen Fakultät stellen die Privilegienbestätigung von 1517 und die erneuerten Statuten von 1518 dar. Bader und Wundärzte, die in Wien arbeiten wollten, wurden nach der Meisterprüfung von der Medizinischen Fakultät durch eine weitere Prüfung approbiert. Apotheken sollten zumindest einmal im Jahr visitiert werden, aber auch Augenärzte und Steinschneider mussten sich einer Prüfung unterziehen, um ihre Tätigkeit rechtmäßig ausüben zu können. Die Fakultät wurde beauftragt, für die kostenlose Betreuung der Armen durch eines ihrer Mitglieder zu sorgen. Dieser „Armenarzt” übte sein Amt jeweils ein Jahr lang neben seiner üblichen Praxis aus. Wer dies jeweils war, wurde zu Jahresbeginn im Stephansdom öffentlich verkündet41. Ein weiteres Mitglied der medizinischen Fakultät sollte sich um die Betreuung der an infektiösen Krankheiten leidenden PatientInnen kümmern. Aus diesem Auftrag infektiös Kranke zu betreuen entwickelte sich um 1552 das Amt des „Magister Sanitatis”. Dieser war nicht der „oberste bzw. überwachende” Arzt der Stadt, wie dies in vielen deutschen Städten der Fall war42. Seine Aufgabe war es, infektiös Erkrankte internistisch zu betreuen. Er wurde dabei von eigens ausgebildeten Chirurgen unterstützt, die in der Sekundärliteratur vielfach als „Pestknechte” in Verruf gerieten. Von diesen Chirurgen wurden sehr spezielle Kenntnisse erwartet, etwa die Behandlung von großflächigen Syphilisulzerationen, was besondere Fertigkeiten verlangte. Nichtinfektiös Kranke wurden vom „Magister Sanitatis” und seinen Mitarbeitern nicht versorgt. Damit sollte sichergestellt werden, dass eine Infektionsübertragung durch medizinisches Personal nicht erfolgen könnte. Diese Tätigkeit barg selbstverständlich ein hohes Erkrankungsrisiko und wurde meist von jungen Ärzten, die am Anfang ihrer Karriere standen, ausgeübt. Bei der Auswahl durch die medizinische Fakultät wurde auch darauf geachtet, dass der Betreffende weder eine Familie, noch einen Klientenstock zu versorgen hatte. Erfahrung in diesem Bereich brachte jedoch auch gute Chancen mit sich, als Landschaftsmedicus berufen zu werden43.

Während die Prüfung nicht-akademischer Heilkundiger in Wien ab 1517 verpflichtend war und auch dementsprechend gehandhabt wurde, war sie in den Erzherzogtümern ob und unter der Enns vorerst nicht verbindlich, wurde aber von einzelnen Gemeinden sowie von den niederösterreichischen Ständen bei der Anstellung verschiedener Heilkundiger verlangt. Ebenso verhielt es sich mit einigen nieder- und oberösterreichischen Apotheken, vor allem Landschaftsapotheken, deren regelmäßige Visitation durch die Fakultät von den Ständen verlangt wurde. Hinzu kamen forensische Gutachten, um deren Erstellung die medizinische Fakultät gebeten wurde. Mit der Bestätigung der Privilegien für die medizinische Fakultät von 1638 wurden Approbationen durch die Fakultät für nicht-akademische Heilkundige, die in den beiden Ländern tätig sein wollten, ebenso verpflichtend wie in Wien. Mit den Bestätigungen der verschiedenen Baderordnungen in den nachfolgenden Jahren erfolgte eine Vereinheitlichung der Rahmenbedingungen für die rechtmäßige Ausübung von heilkundlichen Berufen. Die bis zu diesem Zeitpunkt zum Teil recht unterschiedlichen rechtlichen Normen wurden nun vereinheitlicht und verloren ihre regionsspezifischen Charakteristika. Die Verwaltung des Gesundheitswesens wurde vereinheitlicht und zentralisiert; die medizinische Fakultät übernahm hierbei die Funktion einer berufsrechtlichen und normgebenden Instanz – eine Situation, die zumindest bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts wenig Veränderungen zeigte44. Dies ist jedoch eine Beschreibung aus der Perspektive der medizinischen Fakultät.

Aus der Perspektive der betroffenen Berufsgruppen wird in einem vor dem Abschluss stehenden Forschungsprojekt die Entwicklung von Normen, die als Rahmenbedingungen für die rechtmäßige Tätigkeit von Badern und Wundärzten in Österreich unter der Enns und in der Stadt Wien zu verstehen sind, erarbeitet45. Aufgrund des derzeitigen Standes dieser Untersuchungen lässt sich der Eindruck gewinnen, dass die Ordnungen für das Baderhandwerk in den vier Vierteln des heutigen Niederösterreich und der Stadt Wien vor 1638 tatsächlich und nicht nur dem Text der Ordnungen nach von den Betroffenen selbst erarbeitet wurden. Dies bedeutet, dass die Berufsgruppe selbst aus bereits bestehenden Erfahrungen im Alltag Normen entwickelte. Für einzelne Details, die sich in den Baderordnungen niederschlugen, lässt sich aus verschiedenen Quellen ihr Zustandekommen rekonstruieren. Ein Beispiel hierfür ist die Passage der Baderordnung des Viertels ob dem Wienerwald von 1627, die besagt, dass ein Bader, der die Meisterprüfung vor der Zunft bereits abgelegt hat, die Erbin einer Badstube (meist die Witwe eines Baders) erst dann heiraten darf, wenn er die Prüfung vor der medizinischen Fakultät abgelegt hat. Dieses Problem war zuvor tatsächlich aufgetreten. Ein Bader dieser Zunft hatte bereits vor der Prüfung durch die medizinische Fakultät geheiratet und war so in den Besitz einer Badstube gelangt. Die Prüfung bestand er jedoch nicht, was wiederum erhebliche ehe- und erbrechtliche Probleme bedeutete, denn die Ehe konnte nicht mehr aufgelöst werden, das Baderhandwerk hätte der Betreffende jedoch nicht ausüben dürfen. Mit dem Problem konfrontiert, entschied die Fakultät, dass der Meister die Prüfung nochmals ablegen sollte (die er dann auch bestand), die Approbationen jedoch künftig vor der Eheschließung erfolgen sollten. – Dies ist ein Beispiel dafür, dass einzelne Bestimmungen derartiger Normen „eine Geschichte” haben (können). Ähnlich verhält es sich auch mit Details, die als für die Region typisch betrachtet werden können: In den Baderordnungen für die in die Kremser Zunft inkorporierten Bader findet sich laufend der eindringliche Hinweis darauf, dass sich alle betroffenen Berufsgruppen (Badermeister, -gesellen, und -lehrlinge) vom Alkoholkonsum fernhalten sollten. Für Alkoholmissbrauch während und außerhalb der Berufsausübung wurden hohe Geldstrafen angedroht. Das möglicherweise für die Weinregion typische Problem des Alkoholismus findet beispielsweise in der zur selben Zeit im Viertel ob dem Wienerwald gültigen Baderordnung keinen Niederschlag. Regionale Unterschiede könnten auch ein Grund dafür sein, dass die Teilnahme an Gottesdiensten und Prozessionen in einem zuvor stärker protestantisch geprägten Gebiet in den Normativen häufiger vorgesehen war und das Fernbleiben von derartigen Veranstaltungen ohne guten Grund (z.B. akute PatientInnenbetreuung) schärfere Strafen nach sich zog, als in einem Gebiet, das auch vor der Gegenreformation eher katholisch war.

Die Gebiete, in denen die in die verschiedenen ungarischen Zünften der Bader und Wundärzte inkorporierten Badstuben lagen, deckten sich nicht mit Komitatsgrenzen. In die Budaer Zunft etwa waren 1712 Bader und Wundärzte inkorporiert, die in den neu zugegangenen Gebieten tätig waren, aber auch jene, die sich noch ansiedeln würden bzw. jene, deren Badstuben in den Gebieten lagen, die noch erobert werden würden (!)46. Bei Erreichen einer ausreichenden Zahl von neu angesiedelten Betrieben sollten Viertelsladen errichtet werden47. Da man der Meinung war, dass in diesen Regionen ein großer Mangel an Heilkundigen, vor allem an akademischen Ärzten bestehen würde, war es den Meistern dieser Zunft ausdrücklich erlaubt bzw. wurden sie dazu aufgefordert auch innerlich wirkende Therapien anzuwenden, was sonst akademischen Ärzten vorbehalten war48. In den Handwerksordnungen für Bader und Wundärzte der Preßburger Zunft (1655, 1659), von Pest (1701, 1721), Buda (1712) und Pecs (1722) war die Ablegung der Meisterprüfung vor einem Kollegium aus zwei akademischen Ärzten und zwei Altmeistern vorgesehen49. Die Apotheken in den habsburgischen Teilen Ungarns erhielten 1564, 1602 und 1644 dieselben Apothekenordnungen, die für Wien gültig waren50.

Diese Normen bedurften jedoch der obrigkeitlichen Bestätigung, um Gültigkeit zu erlangen, wobei noch unklar ist, welchen Weg diese nehmen mussten, um schließlich die Bestätigung durch den Landesfürsten zu erhalten. Die „Confirmationen” boten jedoch auch die Möglichkeit, von Seiten der Obrigkeit Änderungen vorzunehmen, die deren Interessen entsprachen. Es ist demnach zu hinterfragen, warum, von wem und welche Inhalte in die Richtlinien für medizinische Berufsgruppen eingebracht wurden. Möglicherweise sind Einzelinteressen von verschiedenen Obrigkeiten wirksam, oder es wurden politische oder (wirtschafts-) theoretische Aspekte eingebracht, vielleicht führte aber auch die Bewältigung des Alltags dazu, dass diese rechtlichen Rahmenbedingungen definiert wurden.

Die Tendenz zur „Zentralisierung” und Vereinheitlichung der Verwaltung des Gesundheitswesens lässt sich auch mit der Einrichtung der Landschaftsmedikate ab 1577 und der Landschaftsapotheken (ab 1582), sowie der Anstellung von Landschaftschirurgen (um 1578) und einer Landschaftshebamme (1590) in Österreich unter der Enns verbinden. Für diese Institutionen liegen jedoch keinerlei Studien vor, die diese Aspekte berücksichtigen, sodass diese Annahme als Arbeitshypothese dienen könnte51.

Derzeit ist der Eindruck zu gewinnen, dass die jeweiligen Grundherren in gewisser Weise auch für das Vorhandensein von Einrichtungen des Gesundheitswesens Sorge trugen. So bemühte sich etwa das Stift Kleinmariazell 1683 darum, einen Bader für die Ortschaft Altenmarkt/Triesting zu finden und gewährte dem Badermeister Jakob Plänggl eine einjährige Steuerfreiheit, sowie den kostengünstigen Erwerb von Bau und Brennholz mit der Auflage, dass die Badstube innerhalb eines Jahres den Betrieb wieder aufnehmen sollte. Ähnliche Bemühungen sind auch für Erweiterungen und Einrichtungen von Spitälern bekannt. Es ist gut möglich, dass dabei nicht nur persönliches Engagement des jeweiligen Grundherren wirksam wurde, sondern auch Anleitungen zur möglichst effizienten Führung einer Grundherrschaft umgesetzt wurden52. Immerhin entstehen Strukturen des Gesundheitswesens durch vielfältiges Aushandeln und zahlreiche Einflüsse. Sie können nicht unabhängig von politischen Tatsachen (z.B. Kriegen und damit zusammenhängenden Veränderungen der Bevölkerungszahlen, wirtschaftlichen Bedingungen usw.) und zeitgenössischen Überlegungen, wie Wirtschaft, Staat und Gesellschaft, gesehen werden.

Zusammenfassend kann also festgestellt werden, dass bis zum Ende des 17. Jahrhunderts eine Tendenz zu beobachten ist, die eine zunehmende Vereinheitlichung der Verwaltung des Gesundheitswesens zeigt und der Weg zu einer Einbettung regionaler Strukturen in überregionale administrative Einheiten gegangen wurde. Dies ist mit der Schaffung von rechtlichen Rahmenbedingungen verbunden, an die man sich vor Ort hielt – oder auch nicht53. Jedenfalls wurden Mittel und Wege gefunden, diese Vorgaben so zu nützen, dass sie den Bedürfnissen der jeweiligen Gegend entsprachen. Verschiedene rezente Arbeiten, die das Gesundheitswesen einer bestimmten Region behandeln, zeigen, wie diese Rahmenbedingungen umgesetzt wurden54. Es ist daher nicht als Widerspruch zu verstehen, wenn hierbei festzustellen ist, dass Entscheidungen zur Gestaltung des regionalen Gesundheitswesens primär auf persönlichen Beziehungen und Beziehungsgeflechten beruhten. Dies ist als Aushandeln von Positionen innerhalb bestimmter Vorgaben zu verstehen und nicht als reine Willkür der Agierenden55. Die Frage ist nun, ob hinter diesen Tendenzen der Vereinheitlichung und der Schaffung von überregionalen administrativen Einheiten bewusst gesetzte Maßnahmen standen im Sinne eines Programms, das verfolgt wurde und dem bestimmte „Theorien” zugrunde lagen. Für die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts kann dies angenommen werden, da die politische Situation des voll ausgebildeten „aufgeklärten” Absolutismus eine entsprechende Ausgangssituation darstellte und andere Möglichkeiten einer gezielten Gestaltung bestanden, als in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Im 17. Jahrhundert hingegen könnten wirtschaftstheoretische Meinungen darüber, wie „ein Staat” gestaltet sein sollte, wirksam sein und beispielsweise die Vorstellungen darüber beeinflusst haben, wie eine Grundherrschaft, auch im Hinblick auf Vorkehrungen für die Gesundheit der Untertanen, möglichst effizient geführt werden sollte. Immerhin ist eine große Zahl glücklicher, gesunder und arbeitsamer Untertanen eines der wesentlichsten Ziele der Theorien der österreichischen Nationalökonomen Johann Joachim Becher und Philipp Wilhelm Hörnigk. Gedanken darüber, wie die Bevölkerung möglichst gesund erhalten werden könnte und dass dafür die Obrigkeit Sorge tragen sollte, sind auch in älteren Werken etwa von Hippolyt Guarinoni56, Rodericus a Castro57 oder in der schon erwähnten „Politia Medica” von Ludwig Hörnigk zu finden.

Zu überlegen ist jedoch auch die Variante, dass sich die jeweils gültigen Rahmenbedingungen und Normen aus dem „Alltag” und dessen Bewältigung entwickelt haben und – im Sinne einer „best practice” – in theoretische Überlegungen eingeflossen sind, die wiederum – nunmehr verpackt in theoretische Werke – wieder ihren Weg in die Gestaltung von gesellschaftlichen Strukturen und Normen fanden. Immerhin beschrieb Ludwig Hörnigk in der „Politia medica” eine Idealsituation, die in Österreich bereits praktiziert wurde und die sowohl er als auch Becher und Philipp Wilhelm Hörnigk gekannt haben müssen. Möglicherweise stehen Entscheidungen, die auf derartigen theoretischen Überlegungen zu beruhen scheinen, aber auch nicht mit denselben in Zusammenhang, sondern sind Ergebnisse von „alltäglichen Erfahrungen” und längeren Diskursen auf verschiedenen Ebenen, die sich einfach in einzelnen Texten niederschlugen und daher überliefert sind und, ohne eine direkte Wirkung gehabt zu haben, dennoch „Denkweisen” überliefern. Möglicherweise ist die Tendenz der Zentralisierung, Normierung und Vereinheitlichung zumindest der rechtlichen Rahmenbedingungen des Gesundheitswesens einfach als ein Aspekt des sich entwickelnden und schließlich praktizierten Absolutismus zu sehen, wobei die „Verwaltung” eines sehr wichtigen Teils des Lebens von Gemeinschaften und Individuen – nämlich der Umgang mit Gesundheit und Krankheit – übernommen wurde. Die „Macht” über den gesunden und kranken Körper von Untertanen könnte auch dazu gedient haben, Menschen an das Einhalten von bestimmten Verhaltensweisen und Normen zu „gewöhnen” und auch in diesem Sinn ein Weg der „Sozialdisziplinierung”58 in der Frühen Neuzeit sein.

Die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erfolgte „Durchstrukturierung” des alltäglichen Lebens der Bevölkerung durch den Verwaltungsapparat, bedeutete für Ungarn in gewisser Weise ein „Überstülpen” von Strukturen. Diese waren in einzelnen Regionen schon weit früher übernommen worden, nunmehr wurde auf regionale Unterschiede etwa im Bezug auf Sprache und Konfession nur wenig Rücksicht genommen. Die Auswirkungen dieser Entwicklungen werden in verschiedenen Bereichen des täglichen Lebens wohl auch unterschiedlich gehandhabt worden sein. Während in schwierigen medizinischen Fällen wohl eher die Geschicklichkeit der/des Heilkundigen von Bedeutung war, als Konfession, Sprache oder ethnische Zugehörigkeit, können beispielsweise im Bildungswesen letztere von sehr großer Bedeutung gewesen sein. Die „Übernahme” bzw. das „Übertragen” von Richtlinien, die als notwendiger und gerechtfertigter Standard betrachtet werden, auf Regionen, in denen andere kulturelle Rahmenbedingungen herrschen und andere historische Wurzeln bzw. „Erfahrungen” existieren, könnte als Ähnlichkeit zur bevorstehenden EU–Erweiterung überlegt werden. Die Beschäftigung mit dem Umgang mit Gesundheit und Krankheit bzw. mit den historischen Wurzeln des Gesundheitswesens wäre demnach ein sehr wichtiger Aspekt, den die historische Forschung zu heutigen Entscheidungsfindungen beitragen könnte.

 

Anmerkungen

1

Robert JÜTTE, Sozialgeschichte der Medizin: Inhalte – Methoden – Ziele. In: Medizin, Gesellschaft und Geschichte 9 (Stuttgart 1990) S. 149-164; Jens LACHMUND und Gunnar STOLLBERG (Hg.), The Social Construction of Illness (=MedGG Beiheft 1, Stuttgart 1992), Darin besonders Robert JÜTTE, The social construction of illness in the early modern period 23-28, und Alfons LABISCH, The social construction of Health: From Early Modern times to the Beginnings of the Industrialization 85-101.

2

z.B. Catherine PARK, Doctors and medicine in early modern Florence (1985), David GENTILCONE, Healers and healing in early modern Italy (1998), Catherine PARK, Medicine and society in medieval Europe. In: Andrew WEAR (ed.), Medicine in Society: Historical Essays (1992) 59-90 und

3

Dieser Begriff, sowie die Einbeziehung der Sichtweise der PatientInnen wurde im Wesentlichen von Dorothy und Roy Porter geprägt. Vgl. dazu u.a.: Roy PORTER (Ed.), Patients and Practitioners. Lay Perceptions in Pre-Industrial Society (Cambridge 1985), Roy PORTER/Dorothy PORTER, In Sickness and in Health. The British Experience 1650-1850 (London 1988)

4

Der Begriff „Professionalisierung” wurde in der älteren Literatur zur Sozialgeschichte der Medizin eher dafür verwendet, die Entwicklung akademischer Heilberufe und die Herausbildung des Berufsstandes der akademischen Ärzte zu charakterisieren. Die Frage nach der Ausdifferenzierung eines Berufsbildes an sich , die Positionierung der Angehörigen auf dem jeweiligen „Markt”, aber auch deren Rolle und Bedeutung in der Gesellschaft kann jedoch auch auf andere Berufsgruppen angewandt werden, nicht nur im Bereich der Heilkunde.

5

Z.B. Michel FOUCAULT, Die Geburt der Klinik. Eine Archäologie des ärztlichen Blicks 5. Aufl. (1999); ders., Archäologie des Wissens; 8.Aufl. (1997); ders., Wahnsinn und Gesellschaft. Eine Geschichte des Wahns im Zeitalter der Vernunft (1989); Colin JONES, Roy PORTER (eds.), Reassessing Foucault. Power, medicine and the body (1994).

6

Zum Thema „Mikrogeschichte” vgl. Jürgen SCHLUMBOHM, Maurizio GRIBAUDI, Mikrogeschichte – Makrogeschichte. Komplementär oder inkommensurabel? (1998)

7

Dazu z.B. Brigitte POHL-RESL, Das Wiener Bürgerspital im Spätmittelalter. In: Sonia HORN (Hg.), Helmuth GRÖSSING und Thomas AIGNER, Wiener Gespräche zur Sozialgeschichte der Medizin, Vorträge des internationalen Symposions an der Universität Wien 9.-11. November 1994 (Wien 1996) 53-60; Brigitte POHL-RESL, Rechnen mit der Ewigkeit. Das Wiener Bürgerspital im Spätmittelalter (1996).

8

Richard TOELLNER: Der Funktionswandel der Wissenschaftshistoriographie am Beispiel der Medizingeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. In: R. BROER, Eine Wissenschaft emanzipiert sich. Die Medizinhistoriographie von der Aufklärung bis zur Postmoderne (Pfaffenweiler 1999) 175-188.

9

Der Prozess der Bewusstwerdung dieser Veränderungen und der damit verbundenen Chancen schlug sich in einigen Arbeiten nieder, die wesentliche Beiträge zur „Selbstreflexion” darstellen: Thomas SCHNALKE und Claudia WIESEMANN (Hg.), Die Grenzen des Anderen. Medizingeschichte aus postmoderner Perspektive (Köln-Wien 1998); Norbert PAUL, Thomas SCHLICH (Hg.), Medizingeschichte: Aufgaben, Probleme, Perspektiven (1998) und Ralph BROER (Hg.) Eine Wissenschaft emanzipiert sich. Die Medizinhistoriographie von der Aufklärung bis zur Postmoderne (=Neuere Medizin- und Wissenschaftsgeschichte. Quellen und Studien 9, 1999).

10

Z. B. Erna LESKY, Gerard van Swieten. Auftrag und Erfüllung. In: Gerard van Swieten und seine Zeit. Internationales Symposium veranstaltet von der Universität Wien im Institut für Geschichte der Medizin, 8.-10. Mai 1972 (Wien 1973) 18, und Manfred SKOPEC, Das Ringen um die Einheit von Medizin und Chirurgie am Beispiel des Wiener Josephinums. In: Abhandlungen für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften (Husum 1990) 137.

11

Ole Peter GRELL, Andrew CUNNINGHAM, The counterreformation and welfare provision in southern Europe. In: Ole Peter GRELL, Andrew CUNNINGHAM, Jon ARRIZABALAGA, Health Care and Poor Relief in Counterreformation Europe (London 1999) 1.

12

Vgl. etwa Susanne MIEDLER -LEIMER, „...ob er denn in der wundtarzney genuegsamb erfahrn sey.” Bader und Wundärzte in frühneuzeitlichen Tal Wachau (1523-1679) (=phil. Diss., Wien 1998); Susanne C. PILS, Stadt, Pest und Obrigkeit. In: Andreas WEIGL (Hg.), Wien im Dreißigjährigen Krieg. Bevölkerung – Gesellschaft – Kultur – Konfession (=Kulturstudien 32, Wien, Köln, Weimar 2001) 353-378; Christine OTTNER, Frühneuzeitliche Gesundheitsvorsorge? Obrigkeitliche „verwaltete” Krankheit und Gesundheit in Krems an der Donau und Österreich unter der Enns von 1580 bis 1680 (=phil. Diss., Wien 2001).

13

Zur Kritik an Senfelder: Sonia HORN, Der Medizinhistoriker als Jäger, Sammler und Präparator. Die Edition der Acta Facultatis Medicae Universitatis Vindobonensis von Leopold Senfelder und der Umgang mit Medizingeschichte zur Jahrhundertwende in Wien. In: Eine Wissenschaft emanzipiert sich. Die Medizinhistoriographie von der Aufklärung bis zur Postmoderne, hg. v. Ralf BROER (=Neuere Medizin- und Wissenschaftsgeschichte. Quellen und Studien 9, Pfaffenweiler 1999) 205-216. Zur Kritik an Rosas: Sonia HORN, Examiniert und Approbiert. Nicht – akademische heilkundige und die Wiener Medizinische Fakultät in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Phil. Diss.( Wien 2001) 75/76 und 208 – 211

14

Die Studie von Erna LESKY, Österreichisches Gesundheitswesen im Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus (1959) beschreibt vor allem die Seuchenprävention, der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und das z.T. sehr oberflächlich. Das Gesundheitswesen vor dem Beginn der Tätigkeit Gerard van Swietens, bzw. das „ständische Gesundheitswesen” wird als völlig unzureichend betrachtet.

15

Vgl. etwa Marlene JANTSCH, Die Gründung des Josephinums. Seine Bedeutung für die Entwicklung der Chirurgie und des Militärsanitätswesens in Österreich. In: Paracelsus-Beihefte, Sonderheft 4, Wien 1956

16

Vgl. etwa Erna LESKY, Gesundheitswesen (Anm. 14).

17

Vgl. etwa Otto NOWOTNY, Die Bedeutung der österreichischen Arzneibücher im Wandel der Zeiten. In: Veröffentlichungen der Internationalen Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie NF 21 (1963) 79-84.

18

Vgl. etwa Kurt GANZINGER, Österreichische Apothekerprivilegien. In: Österreichische Apotheker-Zeitung 39 (1985) 933-935.

19

Vgl. dazu die Kritik an Lesky´s Gesundheitswesen im aufgeklärten Absolutismus in Johannes WIMMER, Gesundheit, Krankheit und Tod im Zeitalter der Aufklärung. Fallstudien aus den österreichischen Erbländern (1991).

20

Johannes WIMMER, Gesundheit, Krankheit und Tod im Zeitalter der Aufklärung. Fallstudien aus den österreichischen Erbländern (1991).

21

WIMMER, Gesundheit, Krankheit und Tod 36.

22

Ein Begriff, der übrigens erst im späten 19. Jahrhundert auftaucht und von Senfelder rückwirkend verwendet wird.

23

Berthold WEINRICH und Erwin PLÖCKINGER, Niederösterreichische Ärztechronik (Wien 1990)

24

Julius v. MAGYARY-KOSSA, Ungarische medizinische Erinnerungen (1935)

25

MAGYARY-KOSSA, Erinnerungen 50-58

26

MAGYARY-KOSSA, Erinnerungen 73

27

MAGYARY-KOSSA, Erinnerungen 76-78

28

MAGYAY-KOSSA, Erinnerungen 176-178

29

Lilla KRÁSZ, Das Hebammenwesen in Ungarn des 18.Jahrhunderts – zwischen Tradition und bürokratischer Verwissenschaftlichung. In: MedGG 19 (2001) 179-198.

30

George ROSEN, Cameralism and the concept of medical police. In: George ROSEN, From Medical Police to Social Medicine. Essays on the History of Healt Care (1974).

31

Johann Peter FRANK, System einer vollständigen medicinischen Polizey, 6 Bde. (1779-1819).

32

Joseph v. SONNENFELS, Grundsätze der Polizey-, Handlungs und Finanzwissenschaften, 3 Tle. (1769-1776)

33

Vgl. dazu: George ROSEN, Cameralism and the concept of medical police. In: George ROSEN, From Medical Police to Social Medicine. Essays on the History of Health Care (1974). Interessante Aspekte enthält auch Johann Joachim BECHER, Kluger Haus- Vater und wohlerfahrener Land-Medicus (1685).

34

Sonia HORN, Examiniert und Approbiert. Nicht – akademische Heilkundige und die Wiener Medizinische Fakultät in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Phil. Diss. (Wien 200) 52/53.

35

Ludwig von HÖRNIGK, Politia medica oder Beschreibung dessen was die Medici, so wohl ins gemein als auch verordnete Hof- Statt- Feldt-Hospital- und Pest-Medici, Apothecker ... deßgleichen ... Hebammen, ... so dann endlichen die Patienten oder Krancke selbsten zu thun und was auch wie sie in Obacht zu nehmen (Franckfurt am Main 1638).

36

Johann Heinrich Gottlob v. JUSTI, Staatswirthschaft oder systematische Abhandlung aller oekonomischen und Cameral-Wissenschaften, die zur Regierung eines Landes erfordert werden (1755); ders., Grundsätze der Policey – Wissenschaft (1756).

37

Sonia HORN, Examiniert und Approbiert. Nicht akademische Heilkundige und die Wiener medizinische Fakultät in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Phil. Diss.( Wien 2001).

38

Um nur eine der zahlreichen Arbeiten zu nennen: Roy PORTER (Ed.): Patients and Practitioners. Lay Perceptions in Pre-Industrial Society (Cambrige 1985)

39

z.B. Robert JÜTTE: Ärzte, Heiler und Patienten. Medizinischer Alltag in der frühen Neuzeit. (München – Zürich 1991); Annemarie KINZELBACH, Gesundbleiben, Krankwerden, Armsein in der frühneuzeitlichen Gesellschaft. Gesunde und Kranke in den Reichsstädten Überlingen und Ulm 1500-1700 (= MedGG Beiheft 8, Stuttgart 1995)

40

HORN, Approbiert und examiniert, 92-103; 248.

41

HORN, Approbiert und examiniert, 106-123; 249-265.

42

Manfred STÜRZBECHER, The physici in German-speaking countries from the Middle Age to the Enlightenment. In: The Town and the State Physician in Europe from the Middle Ages to the Enlightenment, hg. Andrew W. RUSSELL (=Wolfenbütteler Forschungen 17, Wolfenbüttel 1981) 123-130.

43

HORN, Approbiert und Examiniert 134 – 137

44

Vgl. dazu die detaillierte Darstellung dieses Prozesses in: HORN, Approbiert und examiniert.

45

ÖNB-Projekt „Normative Quellen zum Niederösterreichischen Gesundheitswesen in der Frühen Neuzeit” (Leitung: Lorenz MIKOLETZKY, Ausführende: Sonia HORN, Laufzeit Oktober 2000-September 2003).

46

Bestätigung der Handwerksordnung für die Budaer Bader und Wundärzte 1712. UStA, A 57 Liber Regius 29, fol. 342r

47

UStA, A57, Liber regius 29, fol. 347r. Die Ähnlichkeit mit dem in Österreich unter der Enns praktizierten Modell ist offensichtlich.

48

UStA, A 57; Liber Regius fol.346v

49

UstA, A57; Libri Regii 10, p.681; 12, p.412; 29, fol.342r, 33, fol.581v, fol. 582r; fol.586v

50

MAGYARY-KOSSA, Erinnerungen (wie Anm.24) 234

51

Die Studie von Gilbert ZINSLER, Die Horner Landschaftsapotheke. In: Erich RABL und Gilbert ZINSLER (Hg.), Die Apotheke. 400 Jahre Landschaftsapotheke Horn (Horn 1997) 71-98 bietet eine sehr anschauliche Beschreibung dieser Apotheke, wobei auch der Versuch unternommen wurde, Bezüge zu den Strukturen des Gesundheitswesens darzustellen. Weitergehende Fragestellungen hätten den Rahmen eines Ausstellungsprojektes und eines dazugehörigen Kataloges jedoch bei Weitem überschritten.

52

Vgl. dazu etwa Wolf Helmhardt von HOHBERG, Georgica Curiosa, das ist „Adeliges Land- und Feldleben”; Bericht und Unterricht auf alle in Deutschland üblichen Land- und Hauswirtschaften (1682fff).

53

Martin DINGES, Normsetzung als Praxis? Oder: Warum werden die Normen zur Sachkultur und zum Verhalten so häufig wiederholt und was bedeutet dies für den Prozess der „Sozialdisziplinierung”? In: Norm und Praxis im Alltag des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Internationales Round-Table-Gespräch Krems an der Donau 7. Oktober 1996 (Wien 1997) 39-53.

54

Susanne MIEDLER -LEIMER, „...ob er denn in der wundtarzney genuegsamb erfahrn sey.” Bader und Wundärzte in frühneuzeitlichen Tal Wachau (1523-1679) (=phil. Diss., Wien 1998) Rudolf MAURER, Die Bader von Baden. Gesundheitswesen in der Kurstadt Baden (2002), Rainer WOSCHITZ, Die bürgerlichen Bader, Barbiere und Perückenmacher Wiens in der Barockzeit (Phil. Diplomarbeit, Wien 1994)

55

Vgl. Christine OTTNER, Zur „erhaltung gueter [...] communitet” – Obrigkeitlich „verwaltete” Krankheit und Gesundheit in Krems an der Donau und Österreich unter der Enns von 1580 bis 1680. In: Das Waldviertel 51 (2002) 245-264.

56

Hippolyt GUARINONI, Greuel der Verwüstung menschlichen Geschlechts (1610); ders., Pestilenz – Gardien (1612)

57

Rodericus a CASTRO, Medicus politicus sive de Officiis medico-politicis tractatus (1617)

58

dazu u.a. Karl VOCELKA, Public opinion and the phenomenon of Sozialdisziplinierung in the Habsburg Monarchy. In Charles W. INGARO (ed.) State and Society in Early Modern Austria (1994) 119-138.

 

Gastvortrag im Rahmen der Kaffeerunden des Europa Institut Budapest am 11. Februar 2003.
Die Autorin ist Gastprofessorin am Lehrstuhl für Geschichte des Mittelalters und der frühen Neuzeit an der Eötvös-Loránd-Universität in Budapest.