Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 19:201–210.
ANNA FUNDÁRKOVÁ
Paul Pálffy, „ein treuer Diener der Habsburger”?
„Da ich nur Paul Palfi bin gewesen und Cammer President, hatte Ich disses vor mir nicht gelitten, geschwigen, daß ich Palatino bin, dahero rädet ihr mit einem anderen respect, sonst vill Ich mich zaigen, wie Ihr sollet reden.”1
Unserer Meinung nach ist es ein Zitat von einem Mann, der der Wichtigkeit und der Bedeutung seiner Person und der Ämter, die er getragen hat, völlig bewusst war. Er forderte „respect” für sich und für das Amt des Palatins und legte damit ein Zeugnis dafür, welche Rolle er und seine Funktion in dem Zeitalter, in dem er lebte, spielte.
Dieses Zitat aus dem Brief von Paul Pálffy an Maximilian Trauttmansdorff stammt aus dem Jahre 1650. 450 Jahre später gibt es noch immer keine selbständige Monographie über diese bedeutende und zugleich interessante Persönlichkeit nicht nur der ungarischen, sondern auch der mitteleuropäischen, ja sogar der europäischen Geschichte des 17. Jahrhunderts. Der Grund, warum Paul Pálffy – und auch andere bekannten und berühmten Mitglieder der Familie Pálffy ( z. B. der „Held von Raab” Nicolaus Pálffy, oder die zwei großen Palatine des 18. Jahrhunderts, Johann und Nicolaus Pálffy) seitens der ungarischen und slowakischen Historiker, vernachlässigt wurden, ist vor uns unbekannt.2
Paul Pálffy gehörte zu den erfolgreichsten Politikern seiner Zeit. Seit 1625 ist seine Karriere steilhaft gestiegen. 21 Jahre lang war er Präsident der Ungarischen Kammer, vier Jahre lang Landesrichter und schließlich vom Jahre 1649 bis zu seinem Tode im Jahre 1653 Palatin und Statthalter. Seit 1625 war er auch königlicher Ratsherr und im Jahre 1646 wurde er Mitglied des Geheimen Rates. Der spanische König Philipp IV. hat ihm 1650 den Orden des Goldenen Vlieses verleiht.
Paul Pálffy war präsent sowie im Königreich Ungarn, als auch am Wiener Hof – und gerade diese Tatsache macht seine politische Laufbahn so interessant. Bevor wir zur Analyse dieser Problematik übergehen, stellen wir kurz den Lebensweg von Pálffy vor.
Paul Pálffy ist als fünftes Kind von Nicolaus Pálffy und Maria Fugger am 19. Januar 1592 geboren. Nicolaus Pálffy hat einerseits dank seiner militärischen Fähigkeiten3 seine Familie zum Einfluss und Ansehen gebracht, und andererseits wegen der Tatsache, dass er schon seit seiner Kindheit im Dienste des Wiener Hofes stand.4 Schon 1580 wurde er Obergespan des Pressburger Komitats, es fehlte ihm jedoch ein repräsentativer Familiensitz, der den Ruhm seines Namens und seine Stellung unterstreichen konnte. Deshalb hat er im Jahre 1581 begonnen, über den Kauf von Bibersburg (Vöröskő) mit Mark Fugger zu verhandeln. Damit ist ein zehnjähriger Verhandlungsprozess angefangen, in dessen Laufe Miklós Pálffy eine wirklich gute Partie gemacht hat: er heiratete die 17-jährige Tochter von Mark Fugger, Maria. Während ihrer 16 Jahre langen Ehe sind neun Kinder auf die Welt gekommen.5
Das Ehepaar Pálffy hat einen großen Wert auf die standesgemäße Bildung ihrer Kinder gelegt. Paul Pállfy war sechs Jahre alt, als er zusammen mit seinen Brüdern Stefan und Johann und mit dem Hoflehrer Johann Körmendy nach Wien fuhr, um hier in einer gewissen „Vienna Schola” zu studieren.6 Seit 1609 studierte er zusammen mit seinem Bruder Nikolaus im Olmützer Jesuitenkolleg. Die strengen Jesuitenkollegien dienten vor allem dazu, die adeligen Jünglinge auf die politische Laufbahn vorzubereiten. Nach zwei Jahren ging Paul Pálffy auf Studienreise nach Italien. Zuerst besuchte er die Universität in Perugia, dann reiste er nach Neapel, Rom und Siena. Schließlich studierte er einige Monate an der berühmten Universität von Padua römisches Recht. Die Italienreise hatte im Leben von Paul Pálffy nicht nur aus der Sicht seiner Vorbereitung auf den staatlichen Dienst eine große Bedeutung, sondern auch aus der Sicht seiner großen Begeisterung für Künste und Architektur – in Italien konnte er die wunderschönen Werke der Renaissance und des Frühbarocks aus nächster Nähe betrachten. Zweifellos hatte er schon damals beschlossen, die italienischen Einflüsse an seinen Residenzen gelten zu lassen.
Paul Pálffy gehörte zu den jungen Aristokraten, die aus den während ihrer Studienzeit erworbenen Kenntnissen ein ganzes Leben lang profitieren konnten.
Er hat relativ spät geheiratet – mit 38 Jahren. Der Grund für diese späte Heirat hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass Paul Pálffy erst einmal seine wirtschaftliche Lage und seine politische Karriere gestalten wollte, und dann eine Familie gründen. Am 26. Juli 1629 heiratete er Franziska Khuen de Belasi, die Tochter des Grafen Johann Eusebius Khuen de Lichtenberg und Belasi.7
Die Braut und der Bräutigam waren verwandt, weil die Tante von Paul Pálffy Magdalena den Baron Rudolf Khuen heiratete. Wir haben bisher keine ausführliche Korrespondenz zwischen dem Ehepaar Pálffy gefunden – das bedeutet aber keinesfalls, dass zwischen ihnen kein reger Briefwechsel existieren konnte. Der Ton der wenigen Briefe von Franziska Pálffy an ihren Ehemann ist kühl und sachlich und bezieht sich ausschließlich auf ihre finanziellen Forderungen gegenüber ihm. Merkwürdig ist auch die Tatsache, dass das erste Kind des Ehepaares erst nach langen 12 Jahren auf die Welt gekommen ist. Sie hatten drei Kinder – Johann Anton, Johann Karl und Magdalena Theresia.
Das Leben von Paul Pálffy verlief am häufigsten in der Reisekutsche. Im Zeitraum von 1625 bis zu seinem Tode im Jahre 1653 ist er ständig auf Reisen gewesen. Entweder um seinen politischen Aufgaben nachzukommen – das waren die Reisen nach Wien, Preßburg, Regensburg und zu den Grenzfestigungen, oder aus wirtschaftlichen Gründen – um sich um seine Gutsherrschaften zu kümmern –, das ist das Hin- und herreisen zwischen Bojnice (Waynitz, Bajmóc), Malacky (Malacka), Stupava (Stomfa), Marchegg, Devín (Theben, Dévény) und Plavecký hrad (Detrekő). Ein weiterer Grund zum Reisen waren Pálffys Besuche bei anderen Aristokraten, vor allem bei den Batthyányis, Esterházys, Zrínyis und Forgáchs. Wenn Pálffy Gelenksschmerzen plagten, suchte er die Thermalbäder von Bajmóc auf.
Paul Pálffy war nicht nur ein erfolgreicher und zielstrebiger Politiker und ausgezeichneter Gutsherr, in seiner Freizeit widmete er sich gern zwei Angelegenheiten: der Pferdezucht und seinen zahlreichen Bauunternehmen. Auf seiner Gutsherrschaft in Marchegg hatte er mehrere Ställe, wo er wirklich prachtvolle Exemplare halten musste, da für die Pferde von Paul Pálffy sich auch die Aristokraten am Wiener Hof und auch Georg Rákóczy II., der Fürst von Siebenbürgen, interessierten.8
Außerdem war Paul Pálffy ein begeisterter Bauunternehmer. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts ist im westlichen Teil des Königreichs Ungarn ein regelrechter Bau-Boom entstanden. Die reichsten und bedeutendsten adeligen Familien, die auf diesem Gebiet wohnten – die Esterházys, die Nádasdys und die Batthányis – ließen sich neue Schlösser bauen oder renovierten alte mittelalterliche Burge. Es zählte also gar nicht – „Inter arma silent musae”. Die ungarischen Aristokraten zeigten ein genauso großes Interesse für das prachtvolle und bequeme Leben, wie ihre Genossen in Europa, nur mit dem Unterschied, dass auf Grund der verwirrten politischen und militärischen Lage wegen den Ständeaufständen, mehreren Türkeneinfällen oder Ereignissen des dreißigjährigen Krieges ihre Bautätigkeit kein solches Ausmaß, wie z. B. in Österreich oder in Böhmen, erreichen konnte.9
Im Auftrag der ungarischen Aristokraten arbeiteten entweder Wiener Hofarchitekten oder italienische Baumeister. Paul Pálffy engagierte u.a. Giovanni Battista Carlone – den Hofarchitekten von Ferdinand II., zu dessen bedeutendsten Werken der Esterházy Palais in Preßburg (heute Kapitulská ulica 6-8) oder auch die Jesuitenkirche in Tirnau gehört, Filiberto Lucchese – er betätigte sich u.a. an den Bauarbeiten der Batthyányi Sitze in Rechnitz, Schlaining und Bernstein.
Eine für ihre Entstehungszeit imposante und einzigartige Einrichtung war der Pálffysche Garten um den Pálffy Palais in Preßburg. Zu seinen größten Attraktionen gehörte der große Lindenbaum, dessen Krone mit einem Holzgerüst umgeben war. In der Zeit der Blüte pflegte der Besitzer mit seinen Gästen dort Nächte bis zum Morgengrauen zu verbringen – den Blütenduft und den Vogelgesang genießend. Zu den weiteren Sehenswürdigkeiten des Gartens gehörten mehrere Grotten, Pavillons, Lusthäuser, Brunnen und sogar ein Amphiteatrum.10
Obwohl Paul Pálffy ein sehr kostenaufwendiges und luxuriöses Leben führte, gibt es auch Indizien dafür, dass er manchmal eine Sehnsucht nach einfachem und zurückgezogenem Leben hatte. Er war zwölf Jahre alt, als er sich beim Besuch der Wiener Kapuzinergruft vor seinem Hoflehrer Johann Szekeres äußerte, dass er als ein Mönch leben möchte.11
Dieses Motiv kam dann auch 49 Jahre später hervor, als er in seinem Testament ein einfaches Begräbnis forderte. Nach seinem letzten Willen sollte er in die Truhe als Kapuzinermönch gelegt werden. Dieser Wunsch hat unter seinen Zeitgenossen auf Zurücklehnung und Unverständnis gestoßen. Unter den vielen Kommentaren ist vielleicht das interessanteste von Erzbischof Georg Lippay, dem größten politischen Gegner des Verstorbenen: „Ich wollte den letzten Willen des Palatins nicht erfüllen, weil er sich ein würdenvolleres Abschiedsfeier verdient hätte, aber ich werde so tun, wie er will, damit die Leute nicht sagen, dass ich den Willen des Palatins nicht respektiere genauso, wie es zu seinem Leben oft geschehen ist.”12
Paul Pálffy hatte alle Voraussetzungen dafür, nicht nur in Königreich Ungarn, sondern auch in Wien eine große Karriere zu machen: sein Vater Nikolaus ebnete ihm und seinen Geschwistern den Weg auf den Hof, Paul Pálffy hatte für die damalige Zeit eine erstklassige Bildung – er sprach sogar mehrere Sprachen,13 er heiratete eine reiche österreichische Aristokratin und verfügte über ein großes wirtschaftliches Potential.
Wir können aus räumlichen Gründen nicht auf alle Details und Aspekte der politischen Laufbahn von Paul Pálffy eingehen. Auf dieser Stelle möchten wir uns auf eine sehr interessante Problematik Licht werfen: wie konnte die ungarische Politik davon profitieren, dass Paul Pálffy Mitglied des Geheimen Rats wurde?
Mit dem Name Pálffy ist das klischeehafte Wort „kaisertreu” oder „habsburgertreu” verbunden. Wir sind der Meinung, dass bei allen Mitgliedern der Familie Pálffy, die irgendeine politische Funktion vertretenen haben, muss man diese Frage individuell und sehr sorgfältig behandeln. Das war auch unsere Zugangsweise im Falle von Paul Pálffy. Er hat seine Karriere, ähnlich wie sein Vater Nikolaus, auch dank der Habsburger erreicht. Er hat von Anfang an versucht, sich am Wiener Hof durchzusetzen und hatte ausgesprochen gute Beziehungen zu den beiden Kaisern – sowohl zu Ferdinand II. als auch zu Ferdinand III.
Pálffy war aber nicht der einzige Politiker, der seine politische Karriere dank seiner Verdienste am Wiener Hof erreichte. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts waren die ungarischen Aristokraten vielfacherweise in Wien präsent. Der kaiserliche Hof war sowohl für die katholischen als auch für die protestantischen Aristokraten ein sehr wichtiger Platz zur Durchsetzung ihrer politischen und wirtschaftlichen Interessen. Es war gerade eine Prestigefrage, dass die aristokratischen Kinder aus Ungarn mindestens einige Monate, wenn nicht einige Jahre am Wiener Hof verbrachten. Später, wenn sie als Erwachsene politische Tätigkeit ausüben wollten, war wieder mal wichtig, „gute Kontakte” zu Wien zu haben. Dasselbe gilt auch für die Donationen – für die Gewinnung der größten und besten Gutsherrschaften war auch die Gnade des Kaisers wichtig.
Die ungarische Aristokratie versuchte aber nicht nur ihre persönlichen Interessen und Ambitionen in Wien durchzusetzen. Sie haben eine große Hoffnung in Wien gesetzt, dass mit Hilfe der Habsburger und einer internationalen Koalition es gelingt, das Land von den Osmanen zu befreien. Dieser Wunsch wurde zum politischen Programm vom Palatin Nikolaus Esterházy und auch Paul Pálffy.
Die damaligen ungarischen Politiker unterstützten die Habsburger-Herrschaft, weil sie glaubten, sie könnte die finanziellen und militärischen Mitteln für die Lösung der türkischen Frage darbieten. Mit den Worten von Paul Pálffy ausgedrückt: „Wenn sich Ihre Majestät und das Haus Österreich von Ungarn verabschieden würde, niemand würde mehr leiden, als wir, die immer treue Diener ihrer Majestät gewesen sind und das würde nicht nur unsere Besitztümer, sondern auch uns vernichten.”14
Andererseits, wenn die Habsburger Ungarn nicht in seinem Kampf gegen die Osmanen unterstützten und ihn als „Pufferstaat” verloren hätten, wäre der Weg der Osmanen nach Wien frei und die Existenz der ganzen Donaumonarchie wäre gefährdet.
Was bedeutete „ein treuer Diener” der Habsburger zu sein im Auffassung von Paul Pálffy? Kommen wir zum Jahr 1646, als er Mitglied des Geheimen Rats wurde.15 Die Bedeutung der Tatsache, dass Paul Pálffy geheimer Rat wurde, bestand vor allem darin, dass er einen unmittelbaren Zugang zu den Informationen über die wichtigsten innen- und außenpolitischen Geschehnisse der Donaumonarchie gewonnen hat.
1645 starb die bisherige führende politische Gestalt von Ungarn, Palatin Nikolaus Esterházy. Die ehemaligen Mitglieder seiner Partei – die sog. „esterházysták” / „Esterházysten”16 – versammelten sich um Paul Pálffy. Den Hauptkern der Pálffy-Partei bildeten Ladislaus Eszterházy, Nikolaus Zrínyi, Adam Forgách und Adam Batthyány.17 Noch dazu kommt, dass im Jahre 1649 Paul Pálffy zum Palatin gewählt wurde. Demzufolge war die wichtigste und führende Persönlichkeit von Ungarn direkt in Wien präsent.
Um die ungarischen Interessen am Hof durchzusetzen, brauchte Paul Pálffy und auch seine Partei Stützpunkte – diese Stützpunkte versammelten sich aus den Reihen der Aristokratie am Wiener Hof. Wir kennen noch nicht alle Persönlichkeiten, die mit Pálffy und seiner Partei zusammengewirkt haben, und hoffen, dass unsere zukünftigen Forschungen noch mehr Einzelheiten über diese Problematik aufdecken. Bisher sind folgende Personen vor uns bekannt: Walter Leslie, königlicher Ratsherr und Mitglied des Hofkriegrats,18 Franz Christoph Khevenhüller,19 Graf Johann Christoph Löbl, Mitglied des Hofkriegsrats und Schwiegervater von Nikolaus Zrínyi. Die Pálffy–Partei suchte aber nicht nur das Zusammenwirken mit Aristokraten – Daniel Rauch und Klement Radolt waren als Ratsherrn in der Hofkammer tätig.20
Ein ganz „spezifischer” Fall unter den Wiener Anhänger der Pálffy-Partei war Hans Christoph Pucheim. In der kaiserlichen Hauptstadt hielt man ihn für einen Menschen, der sich in den ungarischen Angelegenheiten besser auskennt, als jeder andere.21 Auf Grund der Korrespondenz von Paul Pálffy mit Adam Batthyány und Ladislaus Esterházy denken wir, dass Pucheim mindestens bis 1650 eine sehr gute Beziehung zu Pálffy hatte.22 Die Freundschaft nahm aber ein radikales Ende, als Pucheim im Dezember 1651 Pálffy vor dem Kaiser beschuldigte, dass er eine „Verschwörung” zusammen mit Sigismund Rákóczy, dem jüngeren Bruder des siebenbürgischen Fürsten vorbereitet.23
Nach dem bisherigen Stand unserer Forschungen halten wir es für mehr als unwahrscheinlich, dass Pálffy, der während seiner politischen Laufbahn ein Mann der Kompromisse war – ohne diese Einstellung konnte er z. B. nicht gleichzeitig der führende ungarische Politiker und einer der engster Mitarbeiter des Kaisers sein -, eine so radikale und extreme Lösung bevorzugt hätte, wie den Plan einer Verschwörung gegen Ferdinand III. Wir sind der Meinung, dass diese ganze politische Affäre eine politische Intrige der Partei des Graner Erzbischofs Georg Lippay – dem größten politischen Gegner von Paul Pálffy– war , mit dem Ziel, den Palatin vor dem König zu diskreditieren.
Was die ganze Angelegenheit aber noch merkwürdiger macht, ist die Tatsache, dass der Streit zwischen Pucheim und Pálffy auf die anderen Mitglieder der Partei des Palatins sich aller Wahrscheinlichkeit nach nicht ausgetragen hat. Batthyány, Esterházy und Forgách trafen sich weiterhin mit Pucheim und verbrachten sogar sehr lustige Stunden zusammen: „Herr Pucheim war bei mir hier in Forchtenstein, es war sehr lustig und wir tranken auf Ihre Gesundheit, Euer Gnaden...”24
Wie die Zusammenarbeit zwischen den „Wiener Stützpunkten” und der Pálffy-Partei aussah, darauf bietet ein sehr interessantes Beispiel die Korrespondenz zwischen Maximilian von Trauttmansdorff, dem Präsidenten des Geheimen Rats und Paul Pálffy. Trauttmansdorff war nicht nur einer der besten Freunde und der Schwager von Paul Pálffy. Aus dem Inhalt ihres Briefwechsels kommt deutlich hervor, dass Pálffy Trauttmannsdorf beinahe über alle wichtigen Fragen des ungarischen politischen Lebens informierte. Die Themen reichten von den Geschehnissen an Landtagen, in den Komitaten, Pálffy beschrieb seine Beziehungen zu den anderen ungarischen Politikern, die Probleme der Versorgung der Grenzfestigungen, die militärischen Konflikte mit den Osmanen und seine Kontakte zu Siebenbürgen. Obwohl Pálffy den Kaiser natürlich auch persönlich informiert konnte, er bat Trauttmansdorff vielmals, seinen Brief dem Herrscher zu zeigen. Dem Palatin ging es offensichtlich darum, die ungarische Frage in Wien allgegenwärtig zu machen.
Daraus resultiert, dass Paul Pálffy ein „besonderer” Fall im ungarischen politischen Leben war. Er war sowohl mit den ungarischen, als auch mit den Verhältnissen der Donaumonarchie engst vertraut. Im Endeffekt konnte aber sein größtes politisches Ziel – die Befreiung von Ungarn – unter der osmanischen Herrschaft nicht erreichen.
In den Jahren 1649-1653 hat der Wiener Hof mehrere Maßnahmen in Kraft gesetzt, die für Ungarn sehr ungünstig waren. Dazu gehörte die Einführung von Monopolen auf die Vieh- und Weinhandlung und die Verlängerung des Friedens mit den Osmanen auf weitere 20 Jahre im Jahre 1651. Für Paul Pálffy und seine Partei war das ein eindeutiges Zeichen, dass Wien keinen großen Befreiungskampf plant.
Einen Wendepunkt in den Bemühungen der Pálffy-Partei, den großen, entscheidenden Kampf gegen die Osmanen zu organisieren, bedeutete die Schlacht am Vezekény,25 die das Ende einer Serie von kleineren und auch größeren Kämpfen zwischen den ungarischen und den türkischen Truppen der Grenzfestigungen auf beiden Seiten in den Jahren 1649-1652 bedeutete. In der Schlacht haben vier Mitglieder der Familie Esterházy – darunter auch einer der führenden Persönlichkeiten der Pálffy-Partei, Ladislaus – ihr Leben verloren.
Für die ungarischen Politiker musste wenigstens in diesem Augenblick klar sein, dass vereinzelte, isolierte militärische Aktionen gegen die Osmanen nirgendwohin führen – und auf keinem Fall zu der endgültigen Befreiung von Ungarn.
Unter dem Eindruck all dieser Geschehnisse konnte auch Pálffy vor seinem Freund Ádám Batthány seine Enttäuschung über die Politik von Wien nicht verbergen: „Mein lieber Herr Graf, es wäre gut, uns für die Übeltaten der Türken zu rachen, aber woher wie die größte Unterstützung erwarten konnten, da glauben sie uns nicht. Wenn irgendjemand von den Türken nach Wien kommt und etwas sagt, glaubt man ihm mehr, als uns, wenn wir im Namen des ganzen Landes etwas sagen. Gott weiß, wenn ich diese unglücklichen Zustände sehe, was wir tun sollten.”26
Wohin konnte diese Enttäuschung führen? Kann man irgendeine Beziehung zwischen dieser Enttäuschung und diesem Zitat aus dem Brief von Georg Rákóczi an Paul Pálffy aus dem Jahre 1653 finden? „Ich habe die vielen Briefen von Ihnen nach Konstantinopel empfangen und wir schicken sie gleich weiter. Ich nehme an, dass gemäß der Versicherung ihrer Gnaden diese Briefe nichts Unerlaubtes enthalten.”27
Wie es schon erwähnt wurde, Pálffy stand seit dem Jahre 1649 im Kontakt mit den Rákóczys. Welche „unerlaubte” Angelegenheiten musste er durch Gyulafehérvár mit den Osmanen erledigen? Warum hielt er Kontakte zu Istanbul nicht auf dem legalen diplomatischen Weg, also durch Wien? Das sind alle Fragen, die Pálffys „habsburgtreue” Politik aus einer ganz anderen Perspektive stellen und auch seine Tätigkeit am Wiener Hof. Wir hoffen, dass weitere Forschungen eine Antwort auf diese Frage geben.
Anmerkungen
1
Allgemeines Verwaltungsarchiv, Familienarchiv Trauttmansdorff, K 133, Ee Hungarica 1616-1650, Nr.8. Paul Pálffy an Maximilian Trauttmansdorff, 22.1.1650. (Weiter: AVA, FA Trauttmansdorff).
2
Über die Familie Pálffy sind bis heute die einzigen, zusammenfassenden Werke die zwei Veröffentlichungen von Archivquellen aus dem Familienarchiv Pálffy von JEDLICSKA, Pál: Adatok Pálffy Miklósnak, a győri hősnek életrajzához és korához (Eger, 1897) und JEDLICSKA, Pál: Eredeti részletek gróf Pálffy család okmánytárhoz 1401-1653, a gróf Pálffyak életrajzi adatai (Budapest 1910). Der erste Band beinhaltet die wichtigsten biographischen Daten von Nikolaus Pálffy, im zweiten Band befinden sich kurze Zusammenfassungen über die Lebenswege der bedeutendsten Pálffys vom 16. bis zum 19. Jahrhundert.
Eine weitere wichtige Quelle der Pálffy-Forschung ist das Familienarchiv Pálffy, der im 20. Jahrhundert auf drei Teile geteilt wurde. Nach 1918 brachte die Familie die Mehrheit der Schriften der Gutsherrschaften Dévény und Marchegg ins Schloss Marchegg – sie befinden sich heute im Niederösterreichischen Landesarchiv in St. Pölten. Nach dem 2. Weltkrieg wurde ein weiterer Teil des Familienarchivs aus dem Gebiet der damaligen Tschechoslowakei nach Österreich gebracht – der befindet sich heute als Depositum im Haus-Hof und Staatsarhiv unter dem Namen Familienarchiv Pálffy (weiter: HHStA, FA Pálffy). Da in diesem Teil sich die Mehrheit der Korrespondenz von Paul Pálffy und seiner Familienmitglieder befindet, haben wir im Rahmen unserer Doktorandenarbeit meistens mit diesem Material gearbeitet. Das „Zentrum” der Pálffy-Forschung ist aber in Preßburg, im Slowakischen Nationalarchiv (Slovenský národný archív, weiter: SNA).
Briefe und andere Quellen zu Pálffys befinden sich aber auch in anderen Familienarchiven, z.B. in den Familienarchiven Batthyány, Esterházy, Forgách usw. (Magyar Országos Levéltár, weiter: MOL.)
3
Von 1584 war er der Grenzoberhauptmann von Komorn (bis 1589), seit 1589 trug er das Amt vom Bergstädtischen Grenzoberhauptmann und Cisdanubischen Kreisoberst und seit 1594 war er gleichzeitig auch Verwalter der Grenzoberhauptmannschaft zu Komorn. Seit 1595 verwaltete er auch die Festigung Gran, nachdem sie in christliche Hände gekommen ist. PÁLFFY, Géza: Der Wiener Hof und die ungarischen Stände im 16. Jahrhundert. In: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, 2001/109, S. 377.
4
Er diente seit seiner Kindheit als Page am Wiener Hofe, dann absolvierte er zusammen mit dem Prinzen Rudolf (dem späteren Kaiser Rudolf II) eine Kavalierstour durch Europa. PÁLFFY, G.: Der Wiener Hof (wie Anm. 3), S. 376 und JEDLICSKA, P.: Adatok (wie Anm. 2), S. 5.
5
1. MARK (1585-1586), 2. STEFAN (1587-1646) – verh. mit Susanna Pucheim, 3. JOHANN (1588-1646) – zweimal verh. mit Anna von Mansfeld und dann mit Judit Amadé, 4. KATHARINA (1590 - ?) – verh.: mit Sigismund Forgách, 5. PAUL (1592-1653) verh. mit Franziska Khuen de Belasi , 6. NIKOLAUS (1593-1621), 7. SOPHIE (? - 1662)- verh. mit Maximilian von Trauttmansdorff, 8. MAGDALENA (? - 1629) - dreimal verh. mit: Peter Balassa, Martin Móritz und Georg Perényi.
6
Die Archivquellen zu der Studienzeit der Pálffy-Söhne in Wien befinden sich in: SNA, ÚPA, A VIII., L. 1, F. 1, Nr. 1.
7
Die Khuens sind eine alte österreichische adelige Familie, sie stammen aus Tirol, aus der Überetsch. Der erste identifizierte Khuen war Egon von Tramin, sein Name wurde ertsmals in den Quellen 1311 erwähnt. Das Prädikat „de Belasi” gewannen die Khuens nach der Burg Belasi in Norditalien. GESSNER, Gerhard (Hrsg).: Österreichisches Familienarchiv. Ein genealogisches Sammelwerk, Band 2. Neustadt an der Aisch, 1963, S. 49.
8
In seinem Testament verschenkte er Pferde an den Kaiser Ferdinand III., den Erzherzog Leopold, den Fürsten von Siebenbürgen Georg Rákóczy II., seinen Neffen Nikolaus Pálffy, Adam Forgách, Adam Batthány, Nikolaus Zrínyi, Ernest Merode, Stefan Thökölyi, Georg Oroszy, Adam Cziráky und Lukas Vatay. HHStA, FA Pálffy, A. I., L. IX., F. V, Nr. 25.
9
Über die Bautätigkeit der ungarischen Aristokraten ausführlicher: FIDLER, Petr: Architektur des Seicento. Baumeister, Architekten und Bauten des Wiener Hofkreises. Innsbruck 1990, GALAVICS, Géza (Hrsg.): Magyarországi reneszánsz és barokk. Budapest 1975 oder KOPPÁNY, Tibor: Batthyány I. Ádám építkezései 1629-59. In: Történelmi Szemle 1984/27, S. 539-555.
10
Die Archivquellen über die Kosten, Ausmaß der Bauarbeiten, die Namen der Künstler und Handwerker, die an der Arbeit teilgenommen haben, die Aufzählung des verwendeten Baumaterials usw. befinden sich in SNA, ÚPA, A. VIII., L. V., F. II, Karton Nr. 208.
Eine ausführliche Beschreibung des Pálffyschen Gartenpalais und des Gartens bietet auch FIDLER, Petr.: Baumeister (wie Anm. 10), S. 90-99.
11
HHSTA, FA Pálffy, A. I., L. IV., F. I. Johann Szekeres an Maria Fugger, Wien, 29.10.1603.
12
JEDLICSKA, P.: Eredeti (wie Anm. 2), S. 475. Meldung des Provisors Johann Sigray an Franziska Khuen de Belasi, 10. Dezember 1653.
13
Seine Korrespondenz ist überwiegend Ungarisch, Deutsch und Latein, aber wir nehmen an, dass er auch Französisch und Italienisch sprechen konnte - am Wiener Hofe stand er mit vielen Ausländern im Kontakt.
14
S. LAUTER, É.: Pálffy Pál levelei (1644-1653) Pálffy Pál levelei Batthyány Ádámhoz és Borbálához (Budapest 1989), S. 41. Paul Pálffy an Adam Batthány, Malacka, 25.7.1644.
15
Über dieses Ereignis informiert uns der Brief von Ladislaus Esterházy an Adam Batthyány: „Nach den neuesten Berichten kann ich Euer Gnaden mitteilen, dass Herr Paul Pálffy nicht zwischen den Kandidaten auf das Amt des Palatins aufgetreten ist, er soll nämlich geheimer Rat werden.” MOL, Batthyány család levéltára, Batthány Missiles, P 1314, Nr. 12099, Preßburg, 18.9.1646.
16
Zur Lebenszeit von Nikolaus Esterházy waren Paul Pálffy und Nikolaus Esterházy politische Gegner. (Über den Streit zwischen Pálffy, der damals Präsident der Ungarischen Kammer war, und dem Palatin: HAJNAL, István: Az 1642. évi meghiúsult országgyűlés időszaka. Esterházy Miklós nádor iratai. Budapest 1930). Trotzdem behielt Pálffy Kontakte zu fast allen Mitgliedern der Esterházy-Partei. Als der Palatin starb, Pálffy wurde einer der Vormunde seines ältesten Sohnes Ladislaus. Wegen des Erbes von Nikolaus Esterházy kam es zu einem Streit zwischen Franz Nádasdy und Ladislaus Esterházy, und Pálffy half der Familie seines ehemaligen politischen Gegners - auch mit Hilfe seiner guten Kontakte in Wien - zu gewinnen.
Über die politische Partei von Nikolaus Esterházy ausführlicher: PÉTER, Katalin: A magyar főúri fordulata a XVII. század derekán (Rákóczy Zsigmond és Pálffy Pál) (Budapest 1972) oder PÉTER, Katalin: Esterházy Miklós, Budapest 1985.
17
Über die Pálffy-Partei ausführlicher: S.LAUTER, Éva: Pálffy Pál levelei (wie Anm. 14).
18
Leslie erwähnte Ladislaus Esterházy sehr oft in seinen Briefen an Adam Batthyány. Der Mitglied des Hofkriegsrats informierte regelmäßig den jungen Esterházy über die Geschehnisse in Wien. MOL, Batthyány család levéltára, Batthyány Missiles, P 1314. Korrespondenz von Ladislaus Esterházy und Adam Batthyány. Nr. 12085-12296.
19
Hofmeister von Königin Maria Anna und Mitglied des Geheimen Rats. Sein Name kommt oft hervor in den Itinerarien von Adam Batthyány aus den 40-er und 50-er Jahren. Er wurde sogar auf die Hochzeit von Barbara Batthyány eingeladen. KOLTAI, András: Egy magyar főrend pályafutása a császári udvarban. Batthyány Ádám (Bécs 1630-1659). In: KORALL 9, 2002/ szeptember , S. 72.
20
Besonders die Zusammenarbeit mit Klement Radolt schätzte Paul Pálffy sehr hoch: „Durch herrn Radolt hab Euer Gna(den) Ich etliche Sachen antbotten, bitt Euer Gna(den), vollen Ihm in allen glauben gäben, und demselben gnadig beholfen sein lassen, alss meinen alten friendt und mit Collegen, der mit mir die Vngar(ischen) und Canisischen Gränizen visitirt und zalt hat, von dem Ich auch mit der varheit sreiben khann, dass ser venig auf der Hofcamer sind, die in disen und auch anderen, des Khönigreichs Ungarn Sachen so erfahren sind, auch so vohlhaft iedesmahl handeln, als Er...”. AVA, FA Trauttmansdorff, Paul Pálffy an Maximlian Trauttmansdorff, Pressburg, 6.1.1650.
21
KOLTAI, A: Egy magyar főrend (wie Anm. 19), S. 72.
22
„Euer Gnaden weiss doch, dass Pucheim uns in allem unterstützt...” MOL, Esterházy család levéltára, Esterházy László iratai (1626-1652), P 124, Nr. 960. Paul Pálffy an Ladislaus Esterházy, Wien, 17.10.1650.
23
Einen realen Hintergrund hatte diese Beschuldigung in zwei Tatsachen. Nach dem Ende des dreißigjährigen Krieges beschloss der Wiener Hof, etwa 10 Tausend Söldner, die im Krieg gekämpft haben, in die ungarischen Festigungen und Städte zu überführen. Mit der Ausführung dieser Aufgabe wurde Pálffy beauftragt. Es war aber eine sehr komplizierte Sache, weil der Plan auf großen Widerwillen nicht nur der Bevölkerung, sondern auch des Fürsten von Siebenbürgen traf. Außerdem haben die Söldner immer wieder Konflikte ausgelöst, weil sie oftmals geplündert haben und undiszipliniert waren. Deshalb kam es immer wieder zu Spannungen in den Reihen der Bevölkerung von Ungarn, besonders in den östlichen Teilen des Landes. Pálffy suchte eine Lösung darin, dass er neue Wohnungen für die Söldner in Neuhäusl (Érsekújvár, Nové Zámky) und an anderen Orten bauen ließ. Das hat aber zu der Konsolidierung der Lage letztendlich wenig zugertragen.
Zweitens, seit 1649 pflegte Pálffy und die Mitglieder seiner Partei regelmäßig Kontakte zu den Rákóczys. Obwohl der Palatin den Hof über diese Tatsache informierte, hatte man in Wien weiterhin wenig Vertrauen in die „guten” Absichten des siebenbürgischen Fürsten.
Pucheim und seine Komplizen haben letztendlich die gespannte Atmosphäre um die fremden Söldner und Pálffy Kontakte zu den Rákóczys zu ihrer „Verschwörungstheorie” ausgenutzt.
Über diese politische Affäre ausführlicher: PÉTER, Katalin: A magyar főúri (wie Anm.16).
24
MOL, Batthyány család levéltára, Batthyány Missiles, P 1314, Nr. 12276. Ladislaus Esterházy an Adam Batthyány, Forchtenstein, 16.6.1652.
25
Das Vorspiel für diese Schlacht bedeuteten die häufigen Türkeneinfälle in den Tal des Flusses Garam. Da dadurch die Bergstädte unmittelbar gefährdet wurden, vereinigte Adam Forgách Truppen aus mehreren Festigungen und überfiel die Türken.
26
LAUTER, É.: Pálffy Pál nádor levelei (wie Anm.14), S. 134. Paul Pálffy an Adam Batthyány, Stomfa, 19.5.1651.
27
HHSTA, FA Pálffy, A. I., L.V.,F. X., Nr. 14. Georg Rákóczy II. an Paul Pálffy, Gyulafehérvár, 3.3.1652.
Die Autorin war Stipendiatin des Europa Institutes Budapest November bis Dezember 2002.