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Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 22:111–122.

GERHARD SEEWANN

Typologische Grundzüge der Vertreibung der Deutschen
aus dem östlichen Europa

 

Die Vertreibung der Deutschen aus dem östlichen Europa war Teil gewaltiger Bevölkerungsverschiebungen des 20. Jahrhunderts. Für die zweite Hälfte der 1940er Jahre lässt sich in diesem Zusammenhang sagen: Auf jeden deutschen Vertriebenen und Flüchtling kommen zwei andere in den osteuropäischen Ländern, die zur selben Zeit ähnliche Prozesse erdulden mussten.1 Allen diesen Bevölkerungsverschiebungen gemeinsam ist, dass die davon Betroffenen überwiegend Angehörige ethnischer oder religiöser Minderheiten sind und zum Opfer der Bestrebungen nach ethnischer Homogenität in ihren Heimatländern werden. Mit ihrer Vertreibung werden sie ihrer bisherigen Existenzgrundlage beraubt. In der Sprache und in den einschlägigen Programmschriften der Täter bleiben solche Zusammenhänge im allgemeinen ausgeklammert, und wird der Leidensdruck der Betroffenen tabuisiert, was schon in der bevorzugten Verwendung steriler und objektivierter Begriffe wie „change or transfer of population”, „Abschub”, „Aussiedlung” „Umsiedlung” etc. zum Ausdruck kommt.

 

1. Prinzip „ethnische Entmischung”

Zur Vertreibung der Deutschen aus dem östlichen Europa hat ein ganzes Bündel von Motiven geführt. In einer synoptischen Darstellung der strukturellen Aspekte und Motive wie der damit verbundenen Verfahrensweisen ist als erstes das Prinzip der „ethnischen Entmischung”2 zu setzen, das als Denkschule internationaler Politik bereits von den politischen Eliten der späten 1930er Jahre in England, Frankreich, Deutschland und den von der deutschen Aggression betroffenen ostmitteleuropäischen Staaten positiv rezipiert und auf Minderheitenfragen angewendet wurde. Dem kategorischen Imperativ der „Entmischung” folgend eine Neuordnung der ethnischen Verhältnisse durch Umsiedlung zu erreichen und damit einen wesentlichen Konfliktherd in der europäischen Friedensordnung der Zukunft zu beseitigen, darauf haben sich alle berufen, die seit 1939 einen „population transfer” in irgendeiner Form propagierten: Den Anfang machte Adolf Hitler mit der Heimholung der „unhaltbaren Splitter des deutschen Volkstums” aus Osteuropa ins Reich, die er in seiner Reichstagsrede vom 6. Oktober 1939 programmatisch verkündete3 und von der SS Himmlers durchführen ließ.

 

2. Vorbildcharakter der NS-Deportationen

In den seit Kriegsausbruch entstandenen Entwürfen zur Vertreibung der Deutschen aus Polen und der Tschechoslowakei findet sich von Anfang an die Berufung auf die Umsiedlungsaktionen Hitlers, und dies unter ausdrücklicher Bezugnahme sowohl auf die Konzeption als auch auf die Methode, die – wie es in einer polnischen Denkschrift heißt – ja von Hitler erfolgreich vorexerziert wurde. So beruft sich ein Memorandum des polnischen Generalstabs vom 6.11.1940 in der Frage des Transfers der deutschen Bevölkerung aus Polen nach Deutschland ausdrücklich sowohl auf das nazistische als auch auf das sowjetische Vorbild solcher Deportationen. Und der tschechische Politiker Stránskÿ bezeichnete im Dezember 1940 in einer Auseinandersetzung mit Beneš die Vertreibung ablehnend als eine „nazistische Erfindung”.4

 

3. Ethnische Homogenität als Endziel nationalstaatlicher Politik versus ethnischer Pluralismus als Konfliktquelle der internationalen Politik

Die ethnische Definition des Nationalstaats forderte seine ethnische Homogenität, der die Existenz ethnischer Minderheiten im Wege stand. Deshalb ging es darum, diese als Konfliktherde herauszustellen und daraus die Legitimation abzuleiten, sie zu beseitigen und mit ihnen auch das Prinzip der Minderheitenschutzverträge der Pariser Friedensverträge nach dem Ersten Weltkrieg, das man für politisch gescheitert erklärte.5

 

4. Dämonisierung deutscher Minderheiten

Mit diesem Argumentationsstrang ist unmittelbar ein weiterer verknüpft: Die Dämonisierung der deutschen Minderheiten als Instrument der deutschen Aggression und Expansion, als „fünfte Kolonne”, als „Staat im Staat”, als „Quartiermacher Adolf Hitlers” im eigenen Land, das deshalb dem Dritten Reich zum Opfer fällt wie die CSR durch das Münchner Abkommen im Herbst 1938, Jugoslawien im Angriffskrieg vom April 1941 oder Ungarn durch die deutsche Besetzung vom 19. März 1944. Klarzustellen ist hier zweierlei: Es gab Kollaboration innerhalb der deutschen Minderheit, insbesondere auch dadurch, dass sich die SS in Gestalt der VOMI der deutschen Minderheitenorganisationen bemächtigte, dies zum Teil unter Zustimmung des betreffenden Staates, wie das Beispiel Ungarn zeigt; aber es gab auch andauernde Loyalität gegenüber den Heimatländern, beispielsweise zahlreiche Versuche, sich der ab 1941 durchgeführten SS-Rekrutierung zu entziehen, aber auch Zeichen des Widerstandes der im allgemeinen unpolitischen bäuerlichen Bevölkerung.6

 

5. Vertreibung aller deutschen Minderheiten

Aus der Dämonisierung wurde das Axiom der Vertreibung aller deutscher Minderheiten aus dem östlichen Europa abgeleitet. Von Anfang an findet sich in Memoranden und Plänen, die die Nachkriegsordnung und -grenzen zum Thema haben, die Vorstellung, alle Deutschen sollten aus den Gebieten vertrieben werden, die nach dem Krieg zu Polen bzw. zur Tschechoslowakei gehören würden.7 Dieses Axiom ist unmittelbar mit dem Verfahren der wilden, anarchisch-chaotischen Vertreibung vor und unmittelbar nach Potsdam bis Ende 1945 verknüpft. Da sich die Politiker im Exil wie im Widerstand vor Ort schon Anfang der 1940er Jahre darüber im klaren waren, dass solche Maximalforderungen international schwer durchsetzbar sein würden, bzw. deren Umsetzung bald den Protest der öffentlichen Meinung in Großbritannien und den USA erregen würde, setzte man gleichfalls von Anfang auf die Macht des Faktischen durch sogenannte wilde, rechtlich ungedeckte Vertreibungen, die von Beneš als Akte einer unausweichlichen sozialen und nationalen Revolution von vornherein sanktioniert wurden.8

 

6. Rache und Vergeltung

Was sich am Anfang des Krieges noch selten findet, im Verlauf des Krieges und seinem Ende zu jedoch immer mehr betont wurde, sind Motive der Rache und Vergeltung nach dem Prinzip der Kollektivschuld. Zur Operationalisierung desselben wurde die Verwirkungstheorie bemüht, nach der aufgrund deutscher Kriegsschuld und Kriegsverbrechen alle Deutschen als frühere Bürger ihrer Heimatländer ihre Bürger- und Eigentumsrechte verwirkt hatten. Darüber noch hinausgehend wurde die Rechtsfigur der entschädigungslosen Enteignung des deutschen Eigentums und des daraus abgeleiteten Rechts auf Vertreibung 1945 vom polnischen Staat beispielsweise in den ehemaligen deutschen Ostgebieten angewendet.9

 

7. Umverteilungspotential deutschen Eigentums

Ein weiteres wichtiges Motiv der Vertreibung war das gewaltige Umverteilungspotential des deutschen Eigentums. Die Historikerin Emilig Hrabovec schreibt dazu im Hinblick auf die tschechische Gesellschaft:

„Das, was die Politiker euphemistisch als Verbindung der nationalen und der sozialen Revolution bezeichneten, präsentierte sich dem kleinen Mann auf der Straße als eine einmalige Chance, beim allgemeinen Ausverkauf des deutschen Besitztums auch für sich etwas zu erbeuten, seine materielle Lage zu verbessern und den sozialen Aufstieg zu schaffen.”10

Wo es eine Auswahlmöglichkeit unter den zu Vertreibenden gab wie beispielsweise in Ungarn, wurden primär und konsequent alle diejenigen vertrieben, die einen verteilenswerten Besitz aufzuweisen hatten, völlig unabhängig von ihrer tatsächlichen politischen Einstellung und Aktivität vor 1945, die unter den pauschalen Nazismusverdacht gestellt, als offizielle Begründung für ihre Vertreibung diente. Die ungarische Historikerin Ágnes Tóth hat in ihrem kürzlich auch in deutscher Übersetzung erschienenen Buch nachgewiesen, dass gerade dieses Umverteilungspotential sowohl der Binnenmigration und der nach 1945 vorgenommen Bodenreform als auch der Vertreibung in Ungarn nach Kriegsende die Richtung gewiesen hat.11

Wie wirkungsmächtig das Umverteilungspotential des deutschen Eigentums anzusetzen ist, verdeutlicht die Tatsache, dass alle Vertreibungsregime bereits in den ersten Tagen ihrer Handlungsfähigkeit, ihrer „Staatswerdung”, Dekrete und Gesetze zur Konfiskation und Enteignung deutschen Besitzes und Vermögens erlassen haben: So Jugoslawien am 21. November 1944, Ungarn am 27. Februar, Polen am 2. März, schließlich die Tschechoslowakei am 19. Mai und am 21. Juni 1945.

 

8. Verlust der politischen Rechte

Mit Konfiskation und Enteignung war meist der Verlust aller politischen Rechte und in der darauffolgenden Phase auch der Staatsbürgerschaft verknüpft. Die Vertreibung wird dann als unausweichliche rechtliche Konsequenz der Aberkennung der Staatsbürgerschaft ausgegeben. Dies geschah allerdings erst in der Phase der geregelten Vertreibung nach Potsdam, insbesondere ab Januar 1946.

 

9. Geschichtspolitische Argumente zur Legitimation von Enteignung

Zur Legitimation von Enteignung und Umverteilung werden auch geschichtspolitische Argumente bemüht: So hieß es in Ungarn in Anspielung auf die Einwanderung der „Schwaben” im 18. Jahrhundert:

„Nur mit einem Bündel sind die Schwaben ins Land gekommen, mit einem Bündel sollen sie wieder gehen.”12

In Tschechien wurde die Vertreibung der Sudetendeutschen als logischer Höhepunkt der nationalen Geschichte herausgestellt, an dem historische Gerechtigkeit geübt und die vom Feind angerichteten Schäden zum Teil wiedergutgemacht werden sollten.13

 

10. Gesellschaftliche Billigung

Die Vertreibung wurde in allen betroffenen Ländern von einem breiten Grundkonsens innerhalb der Gesellschaft getragen und damit gebilligt. Es gab nur wenige Stimmen und kleine Gruppen, die sich kritisch bis ablehnend geäußert haben. Herausgegriffen werden soll hier als ungarisches Beispiel nur Kardinal Mindszenty, der – selbst ungarndeutscher Abstammung – in einem Brief vom 12. Mai 1946 an die britische Regierung die Einstellung der Vertreibung mit folgenden drei Argumenten forderte: zum einen sei diese inhuman und ungerecht, weil auch patriotische Deutschen vertrieben würden; zum anderen würde Deutschland durch die Vertriebenen allzu schnell wieder gestärkt und schließlich würde durch diesen Vorgang die Macht der Slawen und Russen in Mitteleuropa gefährlich zunehmen.14

 

11. Durchsetzung der politischen Ziele der Parteien.

Ein gesamtgesellschaftlicher Grundkonsens in puncto Vertreibung stellte sich deshalb so rasch und reibungslos ein, weil sich mit der Vertreibung die politischen Ziele sowohl des bürgerlich-rechten Lagers als auch der Linken, insbesondere der Kommunisten realisieren ließen. Die Rechte feierte mit der Vertreibung den Vollzug des Nationalstaates; mit den Worten von Edvard Beneš in dessen Rundfunkansprache vom 17. Februar 1945:

„Die Endlösung der Frage unserer Deutschen und Magyaren muss vorbereitet werden, da die neue Republik ein tschechoslowakischer Nationalstaat sein wird”.

Die Linke stellte die durch die Vertreibung möglich gewordene Umverteilung in den Dienst ihrer politischen Klientel, auch um die Zahl ihrer Anhängerschaft zu vergrößern. Die Beseitigung des Klassenfeindes, nämlich des westlich orientierten deutschen Bürgertums und der wohlhabenden deutschen Bauern, verbunden mit der Förderung des deutschen Agrar- und Industrieproletariats, das ganz gezielt in Ungarn, zum kleineren Teil auch in Tschechien und in Polen von der Vertreibung verschont blieb, die Welle der Enteignungen, die über das deutsche Element hinausgehend alsbald nationale Züge annahm, das alles bildeten wichtige Stationen auf dem Weg zur kommunistischen Machtergreifung gegen Ende der 1940er Jahre.

 

12. Veränderte Haltung der Großmächte

Die Haltung der Großmächte und hierbei insbesondere die Anpassungsleistung Großbritanniens und der USA an die Kriegsziele der Sowjetunion (vollständigen Satz machen!) Denn bis zum Kriegseintritt der Sowjetunion hatten die tschechoslowakische und die polnische Exilregierung von Großbritannien keine offizielle Stellungnahme zu ihren Vertreibungsplänen erreichen können. Eine Wende trat hierin in dem Augenblick ein, als die britische Regierung wesentliche Details der sowjetischen Kriegsziele, insbesondere die dezidierte Befürwortung der Vertreibungspläne seitens Stalins in Erfahrung gebracht hatte. Der britische Außenminister Eden gab nach seinen im Dezember 1941 geführten Gesprächen mit Stalin seinem Ministerium den Auftrag, ein Gutachten zur zukünftigen Westgrenze Polens, der CSR und Jugoslawiens zu erstellen und dabei einen Bevölkerungstransfer einzukalkulieren).15 Das darauf erstellte Gutachten mit der Aussage, Deutschland könne 3 bis 6,8 Millionen Vertriebene aufnehmen, bildete die Grundlage für die am 6. Juli 1942 gefallene Entscheidung des Kriegskabinetts

„in geeigneten Fällen den Transfer deutscher Minderheiten aus Ostmittel und Südosteuropa nach Deutschland zu befürworten”.16

Nach Ansicht des Foreign Office konnten die Staaten dieser Region ihre Unabhängigkeit zwischen Deutschland und einer nach Westen vorgeschobenen Sowjetunion nur bewahren, wenn sie sich zumindest zu Konföderationen zusammenschließen, ihre strategische und wirtschaftliche Position auf deutsche Kosten stärken und nicht durch große deutsche Minderheiten in ihrem Innern geschwächt würden. So reagierte London auf die für die britische Politik überraschend deutlich gewordenen sowjetischen Kriegsziele, durch die Westverschiebung Polens und den Transfer der deutschen Minderheiten aus Osteuropa Polen die Abtretung seiner Ostgebiete zu erleichtern und es zusammen mit der Tschechoslowakei in eine dauerhafte antideutsche Front zu zwingen. Im Falle Polens ist die Besonderheit hervorzuheben, dass hier die Vertreibung primär als Folge von Gebietskompensationen durch die von der Sowjetunion diktierte Ost-West-Verschiebung des Landes in Gang gesetzt wurde. Sie war somit untrennbar mit der Regelung der zukünftigen Grenzen des Landes verbunden.

Mit Beneš teilte die britische Regierung zwar die Meinung, dass das Vorkriegssystem der Minderheitenschutzverträge versagt habe, ging aber mit ihren eigenen und ganz selbständigen Überlegungen weit über die anfänglich eher gemäßigten und auf eine Teillösung orientierten Vorstellungen von Beneš hinaus, der – wie Detlef Brandes vor kurzem dargelegt hat – „erstaunlich lange”, nämlich noch bis 1944 an seiner Kompromisslösung: Teilabtretung, Teilvertreibung, Assimilation der Restminderheit, festgehalten hat.17 Die harte britische Linie ist auch an der Schlussfolgerung des britischen Interministeriellen Ausschusses für den Transfer deutscher Bevölkerung vom Mai 1944 erkennbar, dass die vollständige Aussiedlung aller Deutschen einer Teilvertreibung vorzuziehen sei.18 Außenminister Eden bezeichnet es daher im Juli 1944 als das erklärte Ziel der britischen Regierungspolitik, „dass alle Deutschen zurück nach Deutschland gehen sollten19.” Der besagte Ausschuss warnte auch vor einer Garantie von Minderheitenrechten, da eine solche den Transfer nur erschweren würde. Wer dennoch bleiben wolle, werde mit seiner völligen ‘Entgermanisierung’ zu rechnen haben. Im Unterschied zu Beneš legte aber London großen Wert darauf, dass der Transfer nicht sofort und spontan, sondern auf organisierte Weise innerhalb eines festen, auf mehrere Jahre anberaumten Zeitplanes abgewickelt werden müsse, denn

„schnelle und ungeordnete Transfers würden ein unkalkulierbares Maß menschlichen Leidens verursachen, wie dies Hitlers Vertreibungen gezeigt haben.”20

Die USA haben sich diesem britischen Standpunkt, wie er auch im Vertreibungsbeschluss der Potsdamer Konferenz seinen Ausdruck fand, angeschlossen, nämlich den „transfer of populations in orderly und human manner” durchzuführen. Die entscheidende Diskussion auf der 8. Plenarsitzung der Potsdamer Konferenz am 31. Juli 1945 machte den eigentlich nur formalen Dissens zwischen Ost und West noch einmal deutlich. Gegenüber dieser von den Westmächten mit Nachdruck gewünschten Vertragsformel demonstrierte Stalin sein tiefgehendes Unverständnis mit dem Argument, dass der Prozess bereits im Gange sei und jede Regelung zu spät komme.21 Die Westmächte benötigten diese Vertragsformel jedoch aus zwei Gründen: Einmal um die wilde Phase der Vertreibung in die geregelte zu überführen, zum zweiten um den ungeheuerlichen Vorgang vor der eigenen Öffentlichkeit zu kaschieren.

 

13. Zum Ablauf der Vertreibung

Zu unterscheiden sind lokale Aktion und zentrale Stimulierung22 in der bis Potsdam anhaltenden sogenannten. „wilden”, anarchisch-chaotischen Phase der Vertreibung. Sie war gekennzeichnet durch Terrormaßnahmen und Gewalttaten bis hin zu Massakern und Todesmärschen. Danach, manchmal auch zeitlich parallel, setzte die Internierung in Lagern und Zwangsarbeit ein, abgelöst schließlich von der zentral gelenkten Vertreibung in Form des geregelten Abtransports durch Eisenbahnzüge jeweils mit 1200 bis 1700 Menschen und 30 bis 50 kg Gepäck pro Einzelperson. In Polen und in der Tschechoslowakei sind alle drei Phasen deutlich auszumachen, in Ungarn nur Phase 2 und 3, in Jugoslawien mit wenigen Ausnahmen nur Phase 1 und 2.

Die Initiative zur Vertreibung der Deutschen aus Ungarn ging einerseits von der politischen Führung des Landes, anderseits von der tschechoslowakischen Regierung aus. Mit Ausnahme der Sozialdemokraten traten alle im Provisorischen Parlament vertretenen ungarischen Parteien für eine teilweise oder vollständige Vertreibung der Ungarndeutschen ein.23 Von Anfang an stand Ungarn jedoch auch unter dem Druck seitens der Tschechoslowakei, die möglichst viele der in der Slowakei beheimateten Magyaren nach Ungarn abschieben wollte und – um für diese Platz zu schaffen – sich bei den Siegermächten für die Vertreibung aller Ungarndeutschen einsetzte.24 Aus diesen Gründen ersuchte die ungarische Regierung bereits im Mai 1945 die Siegermächte um deren Zustimmung zur Vertreibung von 200.000 bis 250.000 „faschistischen” Ungarndeutschen.25 Eine solche wurde schließlich mit dem Potsdamer Abkommen erteilt. Nachweisbar ist eine direkt nach Potsdam einsetzende enge Zusammenarbeit der tschechischen mit der ungarischen Kommunistischen Partei mit dem erklärten Ziel, die Vertreibung so vieler Ungarndeutschen und so schnell wie möglich durchzusetzen.26 Die vom damaligen kommunistischen Innenminister Imre Nagy verantwortete Regierungsverordnung Nr. 12330/1945 vom 29. Dezember 1945 über die „Aussiedlung” der Ungarndeutschen sah vor, aufgrund des Prinzips der Kollektivschuld mit 500.000 Personen eigentlich alle Deutschen zu vertreiben, das heißt alle diejenigen, die sich bei der Volkszählung von 1941 sowohl zur deutschen Nationalität als auch zur deutschen Muttersprache bekannt hatten.27 Der damalige Repräsentant der Kleinlandwirtepartei und Minister für Wiederaufbau, József Antall (Vater des gleichnamigen Ministerpräsidenten 1990-1994), hat die zur Jahreswende 1945/46 vorherrschende Meinung der politischen Entscheidungsträger dahingehend zusammengefasst:

„Vom nationalitätenpolitischen Standpunkt ist es unzweifelhaft im Interesse Ungarns, dass die Deutschen in umso größerer Zahl das Land verlassen. Niemals wird eine solche Gelegenheit wiederkehren, sich von den Deutschen zu befreien”28

Eine „wilde Vertreibung” hat es in Ungarn nicht gegeben. Allerdings setzte bereits mit den ersten Verordnungen ab Ende Februar 1945 die Entrechtung, Enteignung und massenhafte Internierung der Donauschwaben in Sammellagern und ihre Umsiedlung innerhalb des Landes ein. Ziel dieser Maßnahmen war es, ungarndeutsche Bauernhöfe mit ihrem Grund und Boden einerseits an ungarische Flüchtlinge vor allem aus der Tschechoslowakei, andererseits an landhungrige Zwergbauern aus Ostungarn zu verteilen.29 Die geregelte Massenaussiedlung in die amerikanische Besatzungszone begann am 19. Januar 1946, wurde wegen wachsenden innen- und außenpolitischen Drucks Anfang Juni unterbrochen, am 8. November wieder aufgenommen und nach wenigen Transporten im Dezember von den amerikanischen Behörden überhaupt eingestellt. Insgesamt kamen ca. 150.000 Ungarndeutsche in die amerikanische Zone nach Süddeutschland. Im Zeitraum vom 19. August 1947 bis zum 15. Juni 1948 wurden noch einmal 40.000 bis 50.000 Personen in die sowjetische Besatzungszone abgeschoben. An die 200.000 Ungarndeutsche blieben zurück.

In Jugoslawien war bis zum Herbst 1944 ein großer Teil der Jugoslawiendeutschen bereits evakuiert oder geflüchtet. In einem Memorandum des Research Department des Foreign Office vom 8. März 1944, das ein Szenario aller möglichen „Minority Transfers in South Eastern Europe” entwirft und von dem Historiker Arnold Joseph Toynbee unterzeichnet ist, wird die Massakrierung von mindestens 35.000 Deutschen als wahrscheinlich antizipiert.30 Ein förmlicher Vertreibungsbeschluss ist – soweit bisher bekannt – niemals gefasst worden. Erst im Januar und erneut im Mai 1946 hat die jugoslawische Regierung die Forderung erhoben, unter Berufung auf das Potsdamer Abkommen die Zustimmung zu einem „Transfer der gesamten deutschen Minderheit” nach Deutschland zu erlangen,31 was die Regierung der USA strikt ablehnte. Zu einer direkten Vertreibung kam es deshalb nur partiell, nämlich der Deutschen aus Slowenien und aus Teilen Slawoniens, die Übrigen wurden in Arbeits- und Todeslagern interniert; die Überlebenden bis 1949 aus den Lagern entlassen und über die Grenze nach Ungarn und Österreich abgeschoben.32 An der Jahreswende 1944/45 wurden – wie übrigens auch in Ungarn – zahlreiche Deutsche zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion deportiert.

In Rumänien wurde gegen Ende des Jahres 1944 mit der Deportation vieler Deutschen in die Arbeitslager der Sowjetunion begonnen, was britische Diplomaten als den Beginn ihrer allgemeinen Vertreibung interpretierten.33 Zu einer solchen kam es allerdings nicht, obwohl nach 1989 gemachte Aktenbefunde belegen, dass aufgrund detaillierter Personenlisten offenbar eine größere Vertreibungsaktion geplant war.34 Warum diese unterblieben ist, konnte bis heute nicht befriedigend geklärt werden.

 

14. kurze Überschrift/Inhalt

In allen Vertreibungsländern blieben kleinere oder größere Gruppen deutscher Bevölkerung zurück, deren Leben sich erst in den 50er Jahren allmählich normalisierte. Um der Vertreibung zu entgehen, waren beispielsweise in Ungarn zahlreiche Deutsche in die Städte geflüchtet, um dort als Industriearbeiter „unterzutauchen". Von dem Trauma der Vertreibung, die zahlreiche Familien zerrissen hat, haben sich auch die „Daheimgebliebenen” kaum befreien können. Ungarn leistete nach der Wende von 1989 an die Vertriebenen eine symbolische Wiedergutmachtung und entschuldigte sich 1996 bei den Opfern im Namen seiner Regierung.35

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Die SS-Deportationen demonstrierten wie das Ziel der ethnischen Entmischung in die Praxis umgesetzt werden konnte. Ethnische Homogenität als Axiom einer zukünftigen Nachkriegsordnung verlangte danach, sich der Minderheitenbevölkerung durch Transfer oder Tausch zu entledigen, und zwar primär der deutschen Bevölkerung, die als „Quartiermacher Hitlers” kollektiv für deutsche Kriegsschuld und Kriegsverbrechen verantwortlich gemacht wurde. Mit deren Vertreibung und der Umverteilung des Eigentums der Vertriebenen ließ sich sowohl die nationale als auch die soziale Revolution in Szene setzen. Den größten politischen Profit zogen hieraus die kommunistischen Parteien, für die die Nationalisierung von Eigentum und die Beseitigung des Rechtsstaates wichtige Stationen auf dem Weg zu ihrer Machtergreifung bildeten. Die Anpassung der beiden westlichen Großmächte an die Kriegsziele der Sowjetunion zog ihre Zustimmung zum Prinzip der Vertreibung nach sich und sie waren weder willens noch fähig, die damit losgetretene Lawine riesiger Bevölkerungsverschiebungen aufzuhalten, obwohl sie sich der damit verbundenen Risiken und Opfer – wie das die intensiven, im Foreign Office geführten Diskussionen zeigen – durchaus bewusst waren.

 

Anmerkungen

1

Robert Streibel, Robert: Vorwort. In: Ders.: Flucht und Vertreibung. Zwischen Aufrechnung und Verdrängung. Wien 1994, S. 10. Die Gesamtzahl der deutschen Vertriebenen wird auf 14 bis 15 Millionen geschätzt. Siehe dazu Ueberschär, Gerd R.: Die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus dem Osten und die alliierten Grundsätze von der „Besseren Welt”. In: A.a.O., S. 21-40. Noch immer heranzuziehen ist auch Kulischer, Eugene M.: Europe an the Move. War and Population Changes, 1917-47. New York 1948. Einen epochenübergreifenden Überblick bietet Bade, Klaus J.: Europa in Bewegung. Migration vom späten 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. München 2000, hier insbesondere Kapitel III: Die Epoche der Weltkriege: Flucht, Vertreibung, Zwangsarbeit, S. 232-300.

2

Ein Begriff, den nach Lemberg, Hans: Mehr als eine Völkerwanderung. In: Franzen, K. Erik: Die Vertriebenen. Hitlers letzte Opfer. Berlin, München 2001, S. 15, als erster der britische Außenminister George N. Curzon 1923 verwendet hat. Näheres dazu bei Lemberg, Hans: „Ethnische Säuberung”. Ein Mittel zur Lösung von Nationalitätenproblemen? In: Aus Politik und Zeitgeschichte,l(1992) 46, S. 29.

3

Der großdeutsche Freiheitskampf. Reden Adolf Hitlers vom 1. September 1939 bis 10. März 1940. München 1942, S. 82f.

4

Die Belegstellen bei Brandes, Detlef: Der Weg zur Vertreibung 1938-1945. Pläne und Entscheidungen zum „Transfer” der Deutschen aus der Tschechoslowakei und aus Polen. München 2001, S. 48, 51-53 und 96. Im Memorandum der polnischen Exilregierung vom 1. Dezember 1942 wird beispielsweise damit argumentiert: „Hitlers Umsiedlung fremder Völker, aber auch deutscher Minderheiten, führt zu dem Schluss, dass die Methode des Bevölkerungstransfers schon von Deutschland als auf Deutsche anwendbar sanktioniert worden ist.” – Zitiert nach Brandes, Detlef: Großbritannien und seine osteuropäischen Alliierten 1939.1943. Die Regierungen Polens, der Tschechoslowakei und Jugoslawiens im Londoner Exil vom Kriegsausbruch bis zur Konferenz von Teheran. München 1988, S. 406.

5

So Edvard Beneš: The new order in Europe. In: The Nineteenth Century and After. Sept. 1941. Der britische Diplomat Frank Kenyon Roberts, 1942-1945 Leiter des Central Department des Foreign Office, fasste die Verurteilung der Minderheitenverträge im Hinblick auf die Vertreibungspläne 1944 wie folgt zusammen: „The Minority Treaties as such were neither a positive advantage nor a positive handicap. They work when conditions were favourable and did not work when they were not."- Public Record Office London-Kew Garden, FO 371/39012-C 1002.

6

In der Nacht vom 2. auf den 3. Juni 1943 wurde auf dem Hauptplatz der ungarndeutschen Bergarbeitersiedlung Pécsbányatelep ein Grab aufgebaut und mit der Inschrift versehen: „Itt nyukszik Hitler Adolf” – Hier liegt Adolf Hitler, geschrieben in einem Ungarisch, das durch seine Orthographie die ungarndeutsche Hand verrät. Die Aktion wird dokumentiert von Szita, László: A baranyai pécsi munkásmozgalom története [Geschichte der Arbeiterbewegung von Baranya und Fünfkirchen]. Bd. 2., Pécs 1985, S. 368-370. Auch die in Apatin vom dortigen Pfarrer Adam Berenn herausgegebene Zeitschrift „Die Donau” ist hier zu nennen. Vgl. dazu die Publikation: Adam Berenn. Weitblick eines Donauschwaben. Dokumentation eines Abwehrkampfes 1935-1944 gegen nationalsozialistische Einflüsse unter den Donauschwaben in Jugoslawien und Ungarn im Wochenblatt für das katholische Deutschtum Jugoslawiens und Ungarns „Die Donau”, erschienen in Apatin. Verantw.: M. Merkl. Dieterskirch 1968.

7

Siehe dazu Brandes (Arm. 4 ).

8

So Beneš am 7. und 8. Januar 1942 im Gespräch mit Wenzel Jaksch: Man müsse sich auf das Ende des Krieges vorbereiten. Seine Gesprächspartner wüssten ja, welch „radikaler Nationalismus” unter den Tschechen herrsche, „dass unsere Leute zu Hause denken, dass sie alle Deutschen Ioswürden, dass es ein Massaker geben werde und dass sie die übrigen vertreiben werden.” Er wolle die Elemente Abtretung von Gebieten, Vertreibung der Schuldigen und Transfer kombinieren, „für die Deutschen im Geiste einer sozialen Revolution, d.h. sich von den Schuldigen befreien, wenn möglich von allen aus der Klasse der Bourgeoisie und der Intelligenz.... Bei ihnen wird es sich um eine soziale, bei uns um eine nationale Revolution handeln.” – Zitiert nach Brandes, Detlev: Der Weg zur Vertreibung 1938-1945. München 2001, S. 129.

9

Koslowski, Peter: Unerlaubte Gegenaggression. Die Vertreibung der Deutschen aus Ostmitteleuropa als naturrechtliches und pragmatisches Problem. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.9.2000, S. 10-11.

10

Hrabovec, Emilia: Die Vertreibung der Deutschen und die tschechische Gesellschaft. In: Streibel, Robert (Hg.): Flucht und Vertreibung zwischen Aufrechnung und Verdrängung. Wien 1994, S. 134-157; Zitat S. 135.

11

So der zusammenfassende Bericht eines Beamten des Landwirtschaftsministeriums im Frühjahr 1946 über die Zustände in Transdanubien, als die Vertreibungsaktionen einen Höhepunkt erreicht hatten: „In den Komitaten Moson-Győr, Tolna und Somogy hält die Ansiedlung mit der Aussiedlung nicht Schritt. Die Aussiedlung selbst geht nicht der Gerechtigkeit entsprechend vor sich. Die Kommission oder Partei, die die Aussiedlungsaktionen durchführt, arbeitet vielerorts einseitig. Als Ergebnis bleiben Personen zurück, die wegen ihres früheren Verhaltens hätten ausgesiedelt werden müssen. Andererseits wurden zahlreiche Personen ausgesiedelt, die sich an der Widerstandsbewegung beteiligt haben oder wegen ihres jüngsten Einsatzes für das Ungarntum hätten bleiben müssen. Die letzteren wurden nur deshalb in die Aussiedlerliste aufgenommen, weil sie vermögend waren. Im Kreis Völgység zum Beispiel haben die Gemeinden, die die Aussiedlung durchführten, von den Behörden die Namensverzeichnisse jener deutschen Bauern angefordert, deren Grundbesitz 20 Katastraljoch überstieg und daraufhin erstellten sie Nachtragslisten. Manche schwäbischen Landwirte wurden veranlasst, auf ihren Grundbesitz zu verzichten und als Gegenleistung dafür hat man ihnen das Bleiben garantiert.” – Tóth, Ágnes: Migrationen in Ungarn 1945-1948. Vertreibung der Ungarndeutschen, Binnenwanderungen und slowakisch-ungarischer Bevölkerungsaustausch. München 2001, S. 170f. (Ungarisches Original: Telepítések Magyarországon 1945-1948 között. Kecskemét 1993.)

12

Ein Ausspruch von Imre Kovács, dem führenden Politiker der Nationalen Bauernpartei.

13

Hrabovec (Anm. 10), S. 137.

14

FO 371/55305-C6426.

15

Brandes, Detlef. Großbritannien und seine osteuropäischen Alliierten 1939-1943. München 1988, S. 246f.

16

War Cabinet Conclusions vom 6.7.1942. CAB 65/27. Hier zitiert nach Brandes (Anm. 8) S.149.

17

Brandes, Detlef: Eine verspätete tschechische Alternative zum ‘Münchener Diktat’. Eduard Beneš und die sudetendeutsche Frage 1938-1945. In: Viertel Jahreshefte für Zeitgeschichte, 42 (1994) Heftnummer ??, S. 221-241.

18

FO 371/39092-C6391. Report vom 12.5.1944.

19

F0371/39092-C9721.

20

FO 371/39092-C6110.

21

F0371146811-C4538.

22

So Lemberg (Anm. 2), S. 22.

23

Tóth (Anm. 11), S. 45. Die Konferenz der in der Regierung vertretenen Koalitionsparteien vom 14. Mai 1945 machte dies hinlänglich deutlich.

24

So berichtet der britische Diplomat Sir Alvary D. F. Gascoigne am 4. Juni 1945 aus Budapest: „Die Angelegenheit [der Vertreibung] ist nicht so sehr deshalb so dringend, weil Ungarn seine frühere fünfte Kolonne los werden möchte, sondern weil der Zustrom ungarischer Deportierter aus der Tschechoslowakei und Rumänien ansteigt und für diese Haus und Hof benötigt werden. Mit anderen Worten, es wird gewünscht, die Schwaben, wo möglich, durch ungarische Deportierte zu ersetzen, doch will man hier darüber nicht öffentlich diskutieren.” – FO 371/46810-C3176.

25

Eine Untersuchung der ungarischen Regierungsaktivitäten in puncto Vertreibung aufgrund britischer Archivquellen bietet Seewann, Gerhard: Der Vertreibungsprozess in und nach dem Zweiten Weltkrieg aufgrund britischer Quellen. In: Ders.: (Hg.): Migrationen und ihre Auswirkungen. Das Beispiel Ungarn 1918-1995. München 1997, S. 5589, hier insbes. S. 61 ff.

26

Dazu, wenn auch mehr zwischen den Zeilen zu lesen, das Buch von Kövágó, László: A magyar kommunisták és a nemzetiségi kérdés 1918-1948 [Die ungarischen Kommunisten und die Nationalitätenfrage]. Budapest 1985, S. 288ff.

27

Die in der Historiographie zum Teil bis heute referierte „Potsdam-Legende”, wonach der Alliierte Kontrollrat bzw. die Potsdamer Konferenz diese Zahl vorgegeben habe, – was die ungarische Regierung von ihrer Verantwortung entlasten würde -, wird beispielsweise nicht nur von den englischen, vom Autor eingesehenen Archivquellen des Foreign Office im Public Record Office London widerlegt (siehe Anm. 25), sondern auch von den kürzlich edierten Protokollen der Alliierten Kontrollkommission für Ungam: Vida, István; Bendegúz Gergő (eds.): Cseh Documents of the meetings of the Allied Control Commission for Hungary 1945-1947. Budapest 2000, S. 123.

28

Ministerratsprotokoll vom 22. Dezember 1945. Hier zitiert nach Tóth (Arm. 8), S. 62; in der ungarischen Ausgabe S. 44.

29

Detailliert dazu die Studie von Tóth, (Arm. 8).

30

FO 371/43659-R5229. Eine Edition des Textes findet sich bei Seewann (Anm, 25), S. 77-89. Der Jugoslawien betreffende Abschnitt auf S. 79.

31

FO 371/55391-C1504. So berichtet der britische Botschafter R. Stevenson am 22.1.1946 aus Belgrad, dass die jugoslawische Regierung 110.000 Jugoslawiendeutsche nach Deutschland transferieren wolle. Am 22.3.1946 nennt Stevenson die genaue Zahl von 109.994 für den Transfer vorgesehen Personen – 32.278 männliche, 55.209 weibliche und 22.507 Kinder -, von denen 90% auf dem Territorium Serbiens leben. By occupation they are 80 percent agricultural labourers, 13 percent workmen, 5 percent intellectuals and 2 percent unclassified.” – FO 371/55398-C3904. In weiteren Berichten aus Belgrad vom Frühjahr und Sommer 1946 wird auf die katastrophale Lage der jugoslawiendeutschen Frauen und Kinder in den jugoslawischen Internierungslagern hingewiesen, die mit Konzentrationslagern wie Dachau verglichen werden. Mit dem Hinweis auf die Überbeanspruchung der britischen Besatzungszone durch Flüchtlinge wird die Möglichkeit des Transfers auf die amerikanische Besatzungszone eingeschränkt und die Entscheidung damit deren Behörden überlassen. – FO 371/55392C2129.

32

Vgl. dazu Vogel, Detlef: Vertreibung, Verfolgung und Ausrottung in Jugoslawien während des Zweiten Weltkriegs und danach. In: Streibel, Robert (Hg.): Flucht und Vertreibung zwischen Aufrechnung und Verdrängung. Wien 1994, S. 77-91.

33

FO 371/48593-R2256. Hier berichtet der britische Diplomat Marjoribanks am 21.1.1945 aus Bukarest von der Deportation 120.000 Rumäniendeutscher und über die Reaktion des führenden Politikers Iuliu Maniu (1873-1955): „I have heard Mr. Maniu speaks in violent terms against the Transylvanian Germans and it was his Intention to raise the question of their deportation to Germany at the Peace Conference. Now, the problem has been solved, in part, for him."

34

Baier, Hannelore: 1947 sollte die Umsiedlung von über 96.000 Personen aus dem Banat und aus Siebenbürgen stattfinden. In: Banatica, 9 (1992) 3, S. 5-8. Laut Baier konnte die Vertreibung aufgrund einer Intervention des Bischofs Dr. Friedrich Müller-Langenthal (18841969) verhindert werden. Zur Deportation in die Sowjetunion: Weber, Georg; Renate Weber; Armin Nassehi; Ursula Maurer: Die Deportation der Siebenbürger Sachsen in die UdSSR 1945-1949. In: Forschungen zur Volks- und Landeskunde, 34 (1991), S. 26-37. Zur Deportation in die Bărăgan-Steppe Anfang der 1950er Jahre: Geier, Christian: Bărăgan – der rumänische Gulag. Zum Leben in der kommunistischen Deportation. In: Banatica, 11 (1994) 3, 5.5-27.

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Neuer Pesten Lloyd, 6. März 1996, Rede des für Minderheitenfragen zuständigen Staatssekretärs Csaba Tabajdi: „ ... Mit der Aussiedlung ließ sich die damalige ungarische Politik ein schweres Versäumnis zu Schulden kommen und beging einen großen Fehler. Ich bitte alle aus Ungarn verschleppten, aus ihrer Heimat vertriebenen, unschuldigen Ungarndeutschen um Vergebung... Das Prinzip der Kollektivstrafe verurteilend rufe ich nach 50 Jahren alle zur Selbstprüfung auf, denn nur die Selbstbesinnung, die ehrliche Erforschung des Gewissens, berechtigen zur gegenseitigen Versöhnung und zur Verzeihung von Seiten der Vertriebenen.”