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Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 21: 261–263.

TIBOR POPOVITS

Die ruthenische Sprache in Ungarn

 

Das Problem der ruthenischen Sprache ist von den untersuchten Minderheiten in Ungarn das schwierigste und aktuellste. Warum führe ich das so aus? Weil die ruthenische Sprache bis heute in Ungarn nicht kodifiziert ist. Als Information möchte ich nur erwähnen, dass gegenwärtig auf der ganzen Welt rund 1,7 Millionen Rusinen (Ruthenen) leben. Die Mehrheit lebt in der Ukraine, in der Karpatenukraine, wo ungefähr 800 000 Rusinen leben. Natürlich ist dies eine geschätzte Zahl, weil bei den Volkszählungen in der Ukraine die Rusinen (Ruthenen) nicht als besondere Nationalität angenommen werden, sie wurden gewaltsam als Ukrainer bezeichnet. Rund 600 000 leben in den USA, vor allem in den Staaten Pennsylvania und New Jersey. Dies sind eigentlich die Nachkommen jener Rusinen, die am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der Hoffnung auf Arbeitsmöglichkeiten und ein besseres Leben in die USA ausgewandert waren. Vielleicht ihr bekanntester Vertreter ist Professor Róbert Paul aus Magocs, Lehrstuhlleiter an der Universität Toronto, ordentliches Mitglied der Kanadischen Königlichen Akademie der Wissenschaften. Ich würde so formulieren, dass Trianon in Bezug auf die Rusinen mindestens so negativ war wie für die Ungarn, hatte die überwiegende Mehrheit der Rusinen doch über 1000 Jahre in den Grenzen des historischen Ungarns gelebt. Und die Zerstückelung des historischen Ungarns hatte zur Folge, dass die Rusinen gegenwärtig in rund acht Ländern der mitteleuropäischen Region leben. Ich würde diese Ländern aufzählen: Tschechien, Slowakei, Ukraine, Rumänien, Ungarn, Serbien und Kroatien. Außerdem gibt es noch eine Gruppe der Rusinen, die in Südpolen leben, das sind die sogenannten Lemko-Rusinen. Sie hatten nicht im historischen Ungarn gesiedelt, doch haben sie ihre rusinische Identität ganz bis zur Gegenwart bewahrt. Diese besondere Situation, dass die Rusinen in so vielen Ländern leben, hat zur Folge, dass gegenwärtig auch von politischen Realitäten ausgehend keine Chance dafür gibt, dass es eine einheitliche rusinische Literatursprache für die ganze Region geben wird. Also in Bezug auf die mitteleuropäische Region. Deshalb wurde vor einigen Jahren der Beschluss gefasst, nach dem rätoromanischen Modell in der Schweiz vorzugehen, wo wie bekannt fünf rätoromanische Literatursprachen existieren. Praktisch gelten diese für ethnische rätoromanische Gruppen von geringer Zahl, die in abgeschiedenen Tälern leben, und infolgedessen im Laufe der Geschichte so isoliert voneinander waren, dass sie kaum miteinander verkehren konnten, und so galten sie als selbständige Mundarten. Vom Schweizer Parlament wurden die fünf rätoromanischen Literatursprachen in der Schweiz anerkannt. So fassten auch die Rusinen den Beschluss, dass ihre Sprache für jedes Land, in dem sie leben, gesondert kodifiziert wird. Zu der Vorgeschichte gehört, dass in der Wojwodina, also in Serbien, die dortige rusinische Intelligenz durch ihre Selbstorganisation den Beschluss fasste die Kodifizierung des Rusinischen in der Batschka vorzunehmen. Praktisch wird seit dem Jahr 1924 in der dortigen Presse und Literatur die dortige rusinische Sprache verwendet. Der nächste Schritt wurde 1995 in der Slowakei unternommen, als in Bratislava die Sprache der slowakischen Rusinen kodifiziert wurde. Die slowakischen Rusinen leben vor allem in der östlichen Slowakei, im Raum von Prešov. Dies ist jene Mundart. auf deren Grundlage die slowakische rusinische Literatursprache entstanden ist. Diese steht übrigens den Mundarten der Ostslowakei sehr nahe. Gegenwärtig laufen in mehreren Ländern die Vorbereitungen zur Kodifizierung der rusinischen Sprache. Es ist für uns eine große Freude, dass obwohl die ukrainische Regierung auf dem Gebiet der Karpatenukraine offiziell den Gebrauch der rusinischen Sprache nicht genehmigt, und die Rusinen nicht als eigenständiges slawisches Volk auffasst, im vergangenen Jahr in der Karpatenukraine fünfzehn Bücher in rusinischer Sprache erschienen. Es braucht wohl nicht gesagt zu werden, nicht mit staatlicher Unterstützung, sondern mit Hilfe von Sponsoren. Dies war eine große Überraschung für die ukrainischen Behörden, weil sie nicht damit gerechnet hatten, dass die rusinische Intelligenz in der Ukraine so aktiv ist, und die Publikation von rusinischen Büchern organisieren kann. Auch in der Karpatenukraine ist aufgrund der dortigen Mundarten eine rusinische Grammatik ausgearbeitet worden, die man sogar als Grundlage für die dort kodifizierte rusinische Sprache auffassen könnte. Wenn die Situation sich so entwickeln wird, dass die ukrainischen Behörden es nicht genehmigen, dass die Sprache in der Ukraine kodifiziert wird, dann und dafür gab es auf der Welt schon Beispiele, wird diese Sprache im Ausland, in einem Nachbarland kodifiziert werden. Auch in Ungarn sind schon seit Jahren die Vorbereitungen zur Kodifizierung der rusinischen Sprache im Gange. Weshalb es bis zur Gegenwart nicht gelungen ist, dieses Vorhaben zu realisieren, dazu möchte ich nur feststellen, dass es rund 15 verschiedene rusinische Mundarten gibt.