Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 21: 149–164.
ANNA KOLLÁTH
Die sprachlichen Rechte der Minderheiten in Slowenien im Spiegel der Gesetze und Verordnungen
1. Der Begriff der nationalen Minderheit in Slowenien
Das Territorium des heutigen Sloweniens war von ethnischem Standpunkt aus nie einheitlich. Die Zahl, die Größe, die reale wirtschaftliche und politische Kraft der Minderheiten veränderte sich mit den politischen Grenzen zusammen in den unterschiedlichen historischen Zeiten.
Die in der im Jahre 1991 entstandenen selbständigen Republik Slowenien lebenden, nicht-slowenischen ethnischen Gemeinschaften gliedern sich in zwei Gruppen: in die sogenannten klassischen (territorialen) Minderheiten, sowie in die als Ergebnis der modernen Migrationsprozesse entstandenen sogenannten neuzeitlichen nationalen Gemeinschaften. Diese bilden vor allem die Angehörigen der Nationen des ehemaligen gemeinsamen jugoslawischen Staates. Unter einer klassischen nationalen Minderheit versteht man die Gemeinschaften der im Murgebiet siedelnden, uransässigen (autochthonen) Ungarn und der ebenfalls uransässigen Italiener an der Küste der Adria. Bei der Deponierung der Ratifizierungsurkunden des Rahmenabkommens über den Schutz der nationalen Minderheiten am 25. März 1998 brachte Slowenien eine besondere Deklaration ein. In dieser erklärte die Regierung der Republik Slowenien im Einklang mit der Verfassung und der innerstaatlichen Gesetzgebung, dass Ungarn und Italiener nationale Minderheiten sind. Das war deshalb wichtig, weil vom Rahmenabkommen die Bestimmung des Begriffs der nationalen Minderheit den Signatarstaaten überlassen wurde. Außerdem wurde deklariert, dass die Bestimmungen des Rahmenabkommens genauso auch für die Angehörigen der in der Republik Slowenien lebenden Gemeinschaft der Roma gelten werden. (Zur gleichen Zeit wird anerkannt, dass sich die Lage der Gemeinschaft der Roma wesentlich von den Lebensumständen und sonstigen Verhältnissen der anderen im Lande lebenden Minderheitengemeinschaften unterscheidet.)
Aufgrund der Angaben der Volkszählung des Jahres 1991 (die Ergebnisse der im April des Jahres 2002 abgehaltenen Volkszählung sind gegenwärtig noch nicht öffentlich zugänglich) leben in Slowenien, das eine Bevölkerung von beinahe zwei Millionen hat, 8 503 Ungarn, 3 063 Italiener und 2 293 Roma1. Die dort uransässigen Ungarn siedeln entlang der slowenisch-ungarischen Grenze, auf einem relativ kleinen, 195 km2 großen, früher zu den ungarischen Komitaten Vas und Zala gehörenden Gebiet, in einer zusammenhängenden Einheit in kleinen Siedlungen, in fünf Gemeinden (Verwaltungseinheiten) im Murgebiet (Hodos – Hodoš, Šalovci, Dobronak – Dobrovnik, Lendva – Lendava, Moravske Toplice) – mit Lendva (Lendava) als Zentrum. Für die italienische Nationalität ist zum größten Teil das Siedlungsgebiet von Streusiedlungen mit städtischem Charakter bezeichnend (in den Verwaltungseinheiten Koper – Capodistria, Izola – Isola und Piran – Pirano). Sowohl das von den Ungarn als auch das von den Italienern besiedelte Gebiet wurde zu einem von Nationalitäten gemischt besiedelten Gebiet erklärt. Dies bildet die eine juristische Grundlage der auch im Weltmaßstab beispielhaften, auf der positiven Diskriminierung basierenden Minderheitenpolitik Sloweniens.
Infolge der traditionellen Anwesenheit der Minderheiten kommt dem Minderheitenschutz im historischen, juristischen und kulturellen Leben Europas eine herausragende Bedeutung zu. Die Förderung des Minderheitenschutzes wird in den Dokumenten des Europarates, der UNO, der KSZE und anderer politischer Organisationen deutlich formuliert. Die Fachliteratur behauptet einstimmig, dass die Formulierung relativ allgemein ist, bei der Lösung der komplizierten Verhältnisse der verschiedenen Gesellschaften kann sie verschiedene „Hintertüren“ offen lassen. Deshalb reicht es nicht aus zu betonen, dass die Ebene des Schutzes der Minderheiten auch den Charakter und den Entwicklungsstand der Demokratie des betreffenden Landes widerspiegelt; die Toleranz für die Nationalitäten aber ist der Beweis für die demokratische Aufgeklärtheit der Bevölkerung (der Mehrheit).2
Bei der Vorstellung der sprachlichen Rechte der Minderheiten in Slowenien – in gegenwärtigem Fall bei dem der ungarischen nationalen Gemeinschaft–, verschiebt sich wegen der bereits erwähnten inneren juristischen Garantien der Akzent: nicht die Adaptierung der europäischen Dokumente ist interessant, ist doch das von Slowenien in seiner Gesetzgebung restlos durchgeführt worden, an manchen Stellen wird es sogar übertroffen (z. B. Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen, Rahmenabkommen über den Schutz der nationalen Minderheiten), sondern es ist die Darlegung jener Widersprüche, die zwischen der fehlerlosen Theorie (den angenommenen Prinzipien) und der Praxis (der tatsächlichen Realisierung) bestehen. Das Wesentliche der Frage ist, wie die ungarische nationale Gemeinschaft die vorbildhafte Rechtspraxis anwenden will und kann, und wie die slowenische Mehrheitsgesellschaft mit dieser leben kann und will. Denn in Kenntnis der günstigen juristischen Situation kann die zahlenmäßige Abnahme des Ungartums im Murgebiet, was die Zahl, das Nationalbewusstsein oder den Gebrauch der Muttersprache der Bevölkerung anbelangt, sogar für unverständlich gehalten werden.
Die „Lageberichte“ über die Lebensumstände der Ungarn im Murgebiet, die bis zum Ende der 80er Jahre entstanden sind, können mit dem heutigen Auge eher als Erfolgsgeschichten und nicht als objektive Ausführung der Fakten aufgefasst werden. Der Grund hierfür ist in der aktuellen politischen Situation (im klassischen Einparteiensystem) zu suchen3. Deshalb beschränke ich mich in dem kurzen historischen Überblick über die sprachlichen Rechte nur auf die Erörterung der wichtigsten Angaben.
2. Überblick über die sprachlichen Rechte
Die Geschichte der sprachlichen Rechte der Minderheiten beginnt nicht mit der Entstehung des selbständigen slowenischen Staates. Bereits Punkt 4 des am 29. November 1943, auf der zweiten Sitzung des AWNOJ (des Antifaschistischen Rates zur Befreiung der Völker Jugoslawiens) in Jajce angenommenen Beschlusses sagt aus, dass den nationalen Minderheiten in Jugoslawien alle nationalen Rechte gesichert werden. Die erste föderative Verfassung wurde im Jahre 1946 angenommen, in deren Artikel 13 wird festgelegt, dass die nationalen Minderheiten das Recht und den Schutz ihrer kulturellen Entwicklung und ihres freien Sprachgebrauchs genießen. Die Bestimmungen der slowenischen (Teilrepublik-)-Verfassung aus dem Jahre 1947 sind im Grunde genommen identisch mit der föderativen Verfassung. Die föderative Verfassung des Jahres 1963 befasst sich in den Artikeln 41 und 43 bereits umfassender mit der Situation der Nationalitäten. Zum ersten Mal verwendete sie den Begriff Nationalität statt des bisher gebrauchten Wortes Minderheit, außerdem werden die einzelnen Republiken angewiesen, in ihren Verfassungen und Gesetzen die Situation und die Rechte der dort lebenden Nationalitäten zu regeln. 1964 entsteht die slowenische „Variante“; von dieser werden zum ersten Mal die besonderen Rechte der ungarischen und der italienischen Nationalität, der beiden sogenannten ureingesessenen (autochthonen) Nationalitäten, erwähnt. Artikel 77 enthält die konstitutionellen Grundlagen der Zweisprachigkeit. Dieser sagt aus, dass „in den Gebieten, wo außer den Bürgern slowenischer Nationalität auch Bürger italienischer bzw. ungarischer Nationalität leben, die italienische und ungarische Sprache gleichberechtigt mit der slowenischen Sprache“4 ist, d. h. sowohl das Ungarische als auch das Italienische ist neben dem Slowenischen Amtssprache. Die detaillierte Ausarbeitung dieser konstitutionellen Verfügung wurde in den Gemeindestatuten vorgenommen (in Lendva, Muraszombat). In den Nationalitätenschulen wird der Unterricht in der Sprache der Nationalität von der Verfassung gesichert. Im Sinne dieses Beschlusses wurde dann das Gesetz über die zweisprachigen Schulen angenommen.
Die neuen Bestimmungen der im Jahre 1974 ausgearbeiteten slowenischen Verfassung unternehmen einen großen Schritt in der Regelung der juristischen Situation der beiden Nationalitäten. Zum ersten Mal werden die eigenständigen Rechte der Nationalitäten in ein besonderes Kapitel aufgenommen. Von Bedeutung sind die eine entsprechende Vertretung sichernden Beschlüsse sowohl hinsichtlich der Delegationen als auch hinsichtlich der Selbstverwaltungskörperschaften, außerdem sind auch die Beschlüsse in Bezug auf die Nationalitätenausschüsse der Gemeinden und der Republik wichtig. Wesentlich ist ebenfalls die Sicherstellung und Förderung der Unterhaltung der kulturellen Kontakte mit der Mutternation, sowie die Möglichkeit der Bildung von Selbstverwaltungsinteressengemeinschaften der Nationalitäten, die in erster Linie der Entwicklung der Nationalitätenkultur, des Unterrichts und der Ausbildung in der Muttersprache, der Presse der Nationalitäten, der Information und des Buchverlags in der Muttersprache dienen. Die detaillierte Darstellung ist auch hier die Aufgabe der Statuten der Gemeinden.
Die Engagiertheit zum Schutz der beiden im selbständigen slowenischen Staat lebenden „klassischen“ nationalen Gemeinschaften ist in allen Dokumenten zu finden, die sich mit der Selbständigkeit Sloweniens befassen. Artikel III der Verfassung besagt über die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Republik Slowenien, dass die Republik Slowenien allen den Schutz der Menschenrechte und der grundlegenden Freiheitsrechte auf dem Territorium der Republik sichert, unabhängig von der nationalen Zugehörigkeit, ohne jede Unterscheidung, im Einklang mit der Verfassung der Republik Slowenien und den gültigen internationalen Verträgen5. Die Verfassung der Republik Slowenien hält in Artikel 3 der Allgemeinen Bestimmungen fest, dass Slowenien „der Staat aller seiner Staatsbürger ist, er basiert auf dem dauerhaften und unantastbaren Selbstbestimmungsrecht des slowenischen Volkes“. Artikel 5 sichert der autochthonen ungarischen und italienischen nationalen Gemeinschaft den Rechtsschutz, und der bereits erwähnte Artikel 11 ist vom Gesichtspunkt unseres Themas aus am wichtigsten: er spricht aus, dass „in Slowenien die slowenische Sprache die offizielle Sprache ist. Auf dem Territorium jener Gemeinden, in denen die italienische oder ungarische nationale Gemeinschaft lebt, ist auch die italienische oder die ungarische Sprache die offizielle Sprache“. Im Sinne von Artikel 61 des Kapitels über die Menschenrechte und die grundlegenden Freiheitsrechte hat jeder das Recht, seine Zugehörigkeit zu seiner eigenen Nation oder zu seiner eigenen nationalen Gemeinschaft frei zu äußern, seine Kultur zu pflegen und anzuwenden, seine Sprache in Wort und Schrift zu gebrauchen. Artikel 62 führt letztere Feststellung detailliert aus. Er besagt: jeder verfügt über das Recht, bei der Ausübung seiner Rechte sowie bei der Erfüllung seiner Pflichten vor dem den staatlichen oder anderen öffentlichen Dienst leistenden Organ seine eigene Sprache zu gebrauchen, in Wort und Schrift, auf die im Gesetz festgelegte Weise. In Artikel 63 wird jedwede nationale, rassische, religiöse oder andere Rechtungleichheit, sowie die Schürung von nationalem, rassischem, religiösem oder anderem Hass oder von Intoleranz als verfassungsfeindlich bezeichnet. Die Sonderrechte der autochthonen ungarischen und italienischen nationalen Gemeinschaften sind in Artikel 64 enthalten. Diese Gemeinschaften werden zum freien Gebrauch ihrer nationalen Symbole befugt, dazu, dass sie zur Bewahrung ihrer nationalen Identität Organisationen gründen, dass sie ihre wirtschaftliche, kulturelle sowie wissenschaftliche und Forschungstätigkeit entwickeln. Im Einklang mit den Gesetzen haben die Mitglieder dieser Gemeinschaft das Recht auf den Unterricht in ihrer eigenen Sprache, zur Herausbildung und Entwicklung dieses Unterrichts. Vom Gesetz werden jene Gebiete bestimmt, auf denen der zweisprachige Unterricht obligatorisch ist. Die Verfassung sichert ihnen das Recht zur Pflege der Beziehungen zu ihrer Mutternation. Vom Staat wird die Realisierung dieser Rechte sowohl finanziell als auch moralisch gefördert. In den gemischt besiedelten Gebieten bilden die Gemeinschaften nationale Selbstverwaltungsgemeinschaften, die legitime Partner zwischen dem Staat und den nationalen Gemeinschaften sind. Ihre Aufgaben werden in einem besonderen Gesetz, im Gesetz über die Selbstverwaltung der nationalen Gemeinschaften geregelt. Beide Gemeinschaften verfügen über Vertretungen in den örtlichen Selbstverwaltungen und im Parlament. Der Vertreter im Parlament hat bei der Behandlung der die Sonderrechte der Nationalitäten betreffenden Fragen ein Vetorecht. In einem Gesetz wird die Lage und die Art und Weise der Durchführung der Rechte dieser beiden nationalen Gemeinschaften in jenen Gebieten geregelt, wo sie leben; die Pflichten der lokalen Selbstverwaltungsgemeinschaften bei der Durchsetzung dieser Rechte, sowie jene Rechte, die die Angehörigen dieser nationalen Gemeinschaften außerhalb dieser Gebiete durchsetzen können, werden ausgeführt. (z. B. im Falle der Ungarn ist ein derartiges Gebiet Muraszombat [Murska Sobota]. Das in der jugoslawischen Ära ausgebaute Zentrum des Murgebietes gehört heute nicht mehr zu den ethnisch gemischt besiedelten Gebieten, um die Mitte der 90er Jahre haben nämlich die obersten Organe der ungarischen Gemeinschaft auch formal auf die ungefähr 200 Personen umfassende Gemeinschaft in Muraszombat verzichtet. Dieser Schritt kann von Seiten des Ungartums als ein Eigentor betrachtet werden6.) Sehr wichtig ist, dass den Angehörigen beider nationalen Gemeinschaften diese Rechte unabhängig von der Anzahl der Angehörigen der Gemeinschaften gesichert werden.
3. Prinzipien und Praxis der Realisierung der Minderheitenrechte
Die Realisierung/Anwendung der Minderheitenrechte ist keine einfache Sache. In zahlreichen Ländern ist dies nur auf der Ebene der politisch verpflichtenden Deklarationen vorhanden. In Slowenien werden die beiden, für den Schutz der Minderheiten sorgenden Dokumente des Europarates für einen großen Fortschritt gehalten. Die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen wurde von Slowenien 1997 unterzeichnet, das Rahmenabkommen über den Schutz der nationalen Minderheiten wurde im Jahre 1995 unterzeichnet und im Jahre 1998 ratifiziert. Auf diesen sowie auf den mit Ungarn und Italien abgeschlossenen bilateralen Abkommen beruhen die völkerrechtlichen Verpflichtungen Sloweniens auf dem Gebiet des Schutzes der Minderheiten7. Bei dem Vergleich der erwähnten internationalen Dokumente und des slowenischen Rechtssystems stimmen die Experten sowohl der Minderheitennation als auch der Mehrheitsnation darin überein, dass Slowenien den übernommenen Verpflichtungen nachkommt, auf den nachstehend aufgezählten Gebieten sogar über den europäischen Normen liegt:
– was das Vetorecht der Parlamentsabgeordneten der nationalen Gemeinschaften anbelangt,
– was das doppelte Wahlrecht der Angehörigen der nationalen Gemeinschaften anbelangt,
– was den besonderen finanziellen Fonds des Staates anbelangt, der ausschließlich für die Bewahrung und Entwicklung der wirtschaftlichen Grundlagen der nationalen Gemeinschaften verwendet werden kann,
– was den Wegfall der zahlenmäßigen Klausur anbelangt.
In der Gesetzgebung könnte man nur schwer Mängel finden. Zwar bieten die slowenischen Experten den auch in den Organisationen der nationalen Gemeinschaften formulierten Meinungen Raum, z. B. in Bezug auf die nicht umfassende Realisierung der Anordnungen über die Zweisprachigkeit (der bereits erwähnte Widerspruch zwischen der Theorie und der Praxis). Dies wird jedoch eher den Mängeln der juristischen Kultur beigemessen als den Inkonsequenzen des Systems8.
Aus den bisher umrissenen Fakten geht hervor, dass die Verfassung der Republik Slowenien über zwei grundlegende Prinzipien verfügt:
– die Vermeidung der Diskriminierung,
– die Sicherstellung der formalen Gleichberechtigung bei der Durchsetzung der allgemeinen Menschenrechte.
Nur unter diesen Grundbedingungen können die Sonderrechte der nationalen Gemeinschaften realisiert werden. Die Sonderrechte bedeuten nämlich die Gesamtheit von solchen Maßnahmen, die die Vermeidung der Assimilierungsprozesse unterstützen. Deshalb dürfen diese nicht als eine Art „Privileg“ der nationalen Gemeinschaften behandelt werden, sondern eher als ein Instrument, das die Gleichheit der Ausgangsposition zwischen der Mehrheitsnation und den Angehörigen der Minderheit im freien Wettbewerb ermöglicht, und dies kann dann zur tatsächlichen Gleichberechtigung führen9.
Entsprechend der einen möglichen Gruppierung der Sonderrechte der nationalen Gemeinschaften werden in Slowenien die sogenannten
– grundlegenden Sonderrechte,
– die Kompensationsrechte,
– die Entscheidungsrechte der Angehörigen der nationalen Gemeinschaften unterschieden.
Zu den grundlegenden Sonderrechten kann das Recht der Existenz, der Anerkennung, der Zugehörigkeit zur Gruppe und des besonderen Schutzes gezählt werden. Die bisher aufgezählten Faktoren beweisen, dass in Slowenien der ungarischen und der italienischen nationalen Gemeinschaft sämtliche Sonderrechte gesichert werden. Das Recht des besonderen Schutzes ist detailliert im Rahmen der sogenannten Kompensationsrechte ausgearbeitet worden. Primär hängt es mit dem Begriff des gemischt von Nationalitäten besiedelten Gebietes zusammen, dessen Größe in den Statuten der betroffenen Gemeinden genau festgelegt ist (dessen detaillierte Ausführung kann vorliegende Arbeit nicht übernehmen). Dieser Begriff erinnert an den Charakter eines „Reservats“ des Minderheitenschutzes, was häufig unvereinbar mit dem modernen Mobilitätsbedürfnis des sowohl der Minderheit, als auch der Mehrheit angehörenden Individuums ist. Es müssten dieses Modell überschreitende, vielsprachige staatliche Gemeinschaften herausgestaltet werden, das ist aber einstweilen nur eine Utopie. Es gibt eine Möglichkeit zur Entwicklung des Modells, und zwar durch die restlose Realisierung von mindestens zwei Leitprinzipien der Minderheitenpolitik. Einerseits durch die Popularisierung der Erkenntnis, dass die Kultur und das geistige Erbe der gemischt von Nationalitäten besiedelten Gebiete gemeinsamer Besitzstand aller Einwohner ist, abgesehen von ihrer Nationalitätenzugehörigkeit und ihrem in den einzelnen historischen Epochen erworbenen sozialen Status. Andererseits durch die Bestimmung jener Rechte, die die Angehörigen der Nationalitätengemeinschaften außerhalb der gemischt von Nationalitäten besiedelten Gebiete genießen (z. B. die Aufnahme in Wählerverzeichnisse getrennt nach Nationalitäten, d. h. die Sicherstellung des doppelten Wahlrechts, bzw. die Sicherstellung des Erlernens der Muttersprache). Diese Rechte können die Angehörigen der ungarischen nationalen Gemeinschaft in Muraszombat (Murska Sobota) in Anspruch nehmen10.
Der Gebrauch der Muttersprache ist das Grundrecht der Angehörigen der Minderheit. Die primären Kennzeichen des Rechtes des freien Sprachgebrauchs sind die sogenannten Verfügungen der sichtbaren Zweisprachigkeit, die zweisprachigen Aufschriften (zweisprachige Ortstafeln und Straßenschilder, die Aufschriften und Ankündigungen, die Mitteilungen, Warnungen usw.) Artikel 4 des Verwaltungsgesetzes11 stellt fest, dass die Geschäftsführung der Verwaltung in slowenischer Sprache und in der Nationalitätensprache abgewickelt wird, auch die Urkunden sind zweisprachig, falls die im von Nationalitäten gemischt besiedelten Gebiet lebende Partei die ungarische oder die italienische Sprache gebraucht. Dem Artikel 4 des Gesetzes über die Beamten der Staatsorgane zufolge12 brauchen die direkt mit den Parteien in Kontakt geratenden Angestellten die aktive Kenntnis der slowenischen Sprache, in zweisprachigen Gebieten aber auch die Kenntnis der Sprache der nationalen Gemeinschaft. Letztere Kenntnisse werden vom Staat auch finanziell (durch die Zweisprachigkeitszulage) anerkannt.
Über jede einzelne Art der zweisprachigen Dokumente verfügt ein besonderes Gesetz. Die zweisprachigen Dokumente sind für sämtliche Einwohner der gemischt besiedelten Gebiete obligatorisch, unabhängig von ihrer Zugehörigkeit nach der Nationalität. Über den Personalausweis und den Reisepass hinaus (diese sind nämlich dreisprachig: slowenisch, englisch bzw. ungarisch oder italienisch) sind noch die Führerscheine, die Kraftfahrzeugpapiere, die Sozialversicherungskarte und das Soldbuch zweisprachig. Eine ziemlich starke Debatte wurde vom Vorschlag der Vertreter der lokalen Mehrheitsnation ausgelöst über die freie Wahl zwischen dem zwei- oder einsprachigen Formular zum Antrag des Personalausweises. Von der Gesetzgebung wurde dies nicht angenommen, es wurde gesagt: das Prinzip der positiven Diskriminierung ermöglicht das Recht der freien Wahl nicht. Die Wahl würde eine besondere Form der ständigen Zählung der Mitglieder der nationalen Gemeinschaft ermöglichen, und dies würde einen Assimilationsdruck für die Minderheit bedeuten.
Die zweisprachige Sachbearbeitung ist auch in der Rechtsprechung obligatorisch. Aufgrund des Gesetzes über die Gerichtsbarkeit13 muss von den Gerichten die Gleichberechtigung der ungarischen und der italienischen Sprache gesichert werden. Die Sprache des Gerichtsverfahrens kann einsprachig sein, wenn an diesem nur eine Person teilnimmt, oder wenn beide Parteien die gleiche Sprache gebrauchen (wenn sie also nur ungarisch oder nur italienisch sprechen). Gebrauchen die vor dem Gericht erschienenen Bürger unterschiedliche Sprachen, ist das Verfahren in diesen Sprachen so zu führen, dass in der Verhandlung mit dem Bürger immer dessen eigene Sprache verwendet wird. Die Gerichtsbeschlüsse sind immer zweisprachig, unabhängig von der Sprache des Verfahrens. Die Kosten der zweisprachigen Sachbearbeitung belasten den Haushalt des Gerichts und nicht die Bürger. Das zweisprachige Verfahren kann nur von einem Richter geführt werden, bzw. können am Verfahren nur solche Angestellte teilnehmen, die über eine besondere Sprachprüfung in ungarischer oder italienischer Sprache verfügen. Dafür erhalten sie – den bezüglichen Gesetzen entsprechend – eine besondere Sprachzulage.
Die Ordnung der zweisprachigen Geschäftsabwicklung der Gemeindeämter ist in den Statuten der Gemeinden zu finden. Die damit verbundenen Mehrkosten belasten den Staatshaushalt.
Das Recht des Gebrauchs der Sprache der nationalen Gemeinschaften bei kirchlichen Zeremonien gehört nicht in den Bereich der Pflichten des Staates, dennoch müssen hierüber einige Sätze gesagt werden. Dies verweist auf den demokratischen Charakter der kirchlichen Institutionen. Die Ungarn sind überwiegend Katholiken, Reformierte gibt es schon weniger, im nördlichen Teil des Murgebietes leben auch einige Lutheraner. Es werden Messen auch in ungarischer Sprache gehalten, doch hat keine der Konfessionen Seelsorger mit ungarischer Muttersprache. Daraus ist zu ersehen, dass im kirchlichen Leben die Situation in Bezug auf die Möglichkeit des Gebrauchs der ungarischen Sprache ziemlich widersprüchlich ist.
Die Mehrheit der Italiener ist katholisch, doch gibt es keinen einzigen italienischen Priester oder Theologiestudent. Einmal in der Woche finden heilige Messen in italienischer Sprache in Koper, Izola und Piran statt. Das Bistum von Koper verlangt als Bedingung für die Arbeit der Geistlichen die aktiven Kenntnisse der italienischen Sprache, das wird in der Praxis auch konsequent eingehalten14.
Das Unterrichtssystem in der Muttersprache ist neben der Familie das zweite wichtige Gebiet der Sozialisierung der Nationalitäten. Über seine Rolle und seine Wichtigkeit kann man nicht oft genug sprechen. Das Unterrichtssystem hat eine dreifache Aufgabe:
– es hat den Mitgliedern der nationalen Gemeinschaften ein ausreichendes Allgemeinwissen und spezifische Kenntnisse zu vermitteln, damit diese auf allen Gebieten des Lebens erfolgreich sein können,
– es muss die Möglichkeit zur Bewahrung und Aneignung der sprachlichen und kulturellen Werte der nationalen Gemeinschaften sichern; auf dieser Grundlage entscheidet das Individuum frei und freiwillig über die Zugehörigkeit zu dieser nationalen Gemeinschaft, oder aber es „wählt sich“ eine andere,
– in den von den Nationalitäten gemischt besiedelten Gebieten vermittelt es die Wertordnung der Geduld, der Toleranz, der Akzeptierung des Andersseins und macht sie bekannt.
Letztere Pflicht ist nicht nur die Aufgabe der Minderheitenschulen, sondern auch der Schulen mit der Unterrichtssprache der Mehrheit, ist doch ohne eine derartige positive Diskriminierung das Zusammenleben nur eine Phrase, hinter der es nicht schwer fällt, das Prinzip der Entwicklung der Segregation zu entdecken.
Die zweisprachigen Schulen im Murgebiet und die einsprachigen Schulen des Gebiets an der Küste15 wurden von zwei grundlegend abweichenden Situationen herausgebildet. Der Unterricht der Angehörigen der nationalen Gemeinschaften ist organischer Bestandteil des einheitlichen slowenischen staatlichen Unterrichtssystems. Für ihre Unterhaltung, Entwicklung und Finanzierung trägt der Staat mit der aktiven Unterstützung der entsprechenden Organe der nationalen Gemeinschaften Sorge. Gegenwärtig gibt es im Murgebiet 10 zweisprachige Kindergärten (2 Jahre vor dem Schuleintritt ist der Besuch des Kindergartens obligatorisch, die Kosten trägt das Unterrichtsministerium16), 4 zweisprachige Grundschulen und eine zweisprachige Mittelschule. Es gibt keine Hochschuleinrichtung mit ungarischer Unterrichtssprache (die geringe Zahl der Angehörigen der ungarischen Gemeinschaft macht dies nicht möglich), doch wird das Fach Ungarische Sprache und Literatur als Lehrerfach am Lehrstuhl für ungarische Sprache und Literatur der Pädagogischen Fakultät der Universität Maribor unterrichtet. Am Lehrstuhl ist auch ein ungarisches Sprachlektorat tätig, der Lektor wird vom Budapester Balassi-Institut entsandt. Die Aufgabe des Lektorats besteht im Unterricht der ungarischen Sprache und der Hungarologie der vom zweisprachigen Gebiet stammenden Studenten, die nicht Ungarisch studieren. Auch an der Philosophischen Fakultät der Universität Ljubljana besteht ein Lektorat für ungarische Sprache.
Der Unterricht der Angehörigen der nationalen Gemeinschaften wird auf allen Gebieten von Gesetzen geregelt17. Der zweisprachige Unterricht ist in Slowenien im Herbst 1959 in den Grundschulen der Gemeinde Lendva (Lendava) mit experimentellem Charakter angelaufen, weil die bis dahin einsprachigen ungarischen Klassenzüge vollkommen geschrumpft waren. Da es im von Nationalitäten gemischt besiedelten Murgebiet nur zweisprachige Schulen gibt, müssen diese alle schulpflichtigen Kinder besuchen, unabhängig von ihrer nationalen Zugehörigkeit. Die Unterrichtssprachen sind das Slowenische und das Ungarische, also erlernen beide Gemeinschaften die eigene Sprache und die Sprache der unmittelbaren Umgebung, auch die verschiedenen Fachkenntnisse eignen sie sich im Sinne der gültigen Vorschriften in beiden Sprachen an. Da schon vor dem Systemwandel klar geworden war, dass der zweisprachige Unterricht auf keiner Ebene die damit verbundenen Hoffnungen realisiert, ist vom Schuljahr 1990/91 an in der Unterrichtspraxis des Murgebietes eine wesentliche Veränderung eingetreten: in den zweisprachigen Grundschulen und in der einen derartigen Mittelschule sind an die Stelle der bis dahin gemischten Klassen homogene ungarische (muttersprachliche) und slowenische (umgebungssprachliche, Ungarisch als Fremdsprache) Gruppen gebildet worden, wo Ungarisch unterrichtet wird.
Für die Angehörigen der italienischen nationalen Gemeinschaft war ein einsprachiges Unterrichtssystem entwickelt worden. Der Unterricht in den Kindergärten, in den Grund- und Mittelschulen wird in italienischer Sprache abgehalten, doch ist das Lernen des Slowenischen obligatorisch. Italienisch ist die Sprache der Abwicklung der schulischen Angelegenheiten, auch mit den Eltern erfolgt die Kommunikation italienisch. In den Schulen mit italienischer Unterrichtssprache sind die Lehrer Italienisch-Muttersprachler. Die Unterrichtsmittel werden in Slowenien hergestellt, nur einige werden aus Italien eingeführt. In Slowenien gibt es keine Hochschuleinrichtung mit italienischer Unterrichtssprache, die italienische Sprache und Literatur kann an der Philosophischen Fakultät der Universität Ljubljana sowie am Lehrstuhl für italienische Sprache und Literatur der Pädagogischen Fakultät der Universität Ljubljana (der Sitz befindet sich in Koper) studiert werden.
Was das Recht auf Informationen der nationalen Minderheiten anbelangt, verfügt über dieses in erster Linie das Gesetz über die öffentlichen Mitteilungen bzw. das Mediengesetz18. Die Gemeinschaften haben die Möglichkeit, in ihrer Muttersprache Informationen über sich selbst und über ihre Umgebung zu erhalten, damit die Nationalitätenproblematik in den Medien auch in der Mehrheitssprache vorhanden ist, und damit auch Nachrichten aus dem Mutterland gebracht werden. Zur Durchführung der beschriebenen Situation reichen die gesetzlichen Verordnungen natürlich nicht aus: dieser Rahmen muss – wie in jedem Fall – mit den Fachkenntnissen, dem Talent, der positiven und gesunden Denkweise und der auf der Selbstkritik beruhenden kritischen Betrachtungsweise der „Durchführer“ erfüllt werden. Das Wochenblatt der Ungarn an der Mur, Népújság, erscheint seit 1956 ohne Unterbrechung. Die elektronischen Medien stehen der ungarischsprachigen Bevölkerung täglich mit einer Rundfunksendezeit von 11 – 12 Stunden, sowie viermal wöchentlich mit 30 Minuten Fernsehsendezeit zur Verfügung Auf dem zweisprachigen Gebiet besteht auch die Möglichkeit zum Empfang der Sendungen des Ungarischen Fernsehens sowie zum Kauf von Büchern, Zeitschriften und Zeitungen aus Ungarn. Diesem Zweck dient seit dem Jahre 1998 eine Buchhandlung in Lendva (Lendava).
Der Rundfunksender der italienischen nationalen Gemeinschaft sendet pro Tag 14 Stunden, im Fernsehen sind von der Sendezeit von 11 Stunden täglich 10 Stunden italienisch und 1 Stunde slowenisch. Der italienischsprachige Rundfunk- und Fernsehsender ist – wie auch die ungarischsprachigen Programme – im Rahmen der nationalen Gesellschaft RTV tätig. Die italienische Gemeinschaft hat eine Tageszeitung und ein Wochenblatt, eine belletristische Zeitschrift und außerdem lokale Publikationen.
Das kulturelle Erbe der beiden nationalen Gemeinschaften der Republik Slowenien und die gegenwärtige kulturelle schöpferische Tätigkeit wurde vom slowenischen Staat in das gemeinsame Erbe des slowenischen Staates einbezogen und wird genauso geschützt wie die Nationalkultur der Mehrheit19. Von der ungarischen nationalen Selbstverwaltungsgemeinschaft des Murgebietes wurde zum Schutz und zur Förderung der ungarischen Wissenschaftlichkeit und Kultur das Kulturinstitut der Ungarischen Nationalität gegründet, das die Aktivitäten der 22 Kulturverbände der ungarischen Nationalität umfasst. Es unterstützt verschiedene Programme für die Erhaltung der Muttersprache und für die nationale Identitätsbildung sowie das ungarischsprachige Verlagswesen. Im Rahmen des Institutes werden wissenschaftliche Forschungen in Themen der Heimat- und Volkskunde, der Literaturgeschichte und der Soziographie betrieben. Eine wichtige Voraussetzung für die Gründung war die Sicherstellung des finanziellen Hintergrundes, von dem ein bedeutender Teil auf den slowenischen Staat entfällt. An der Küste sind 6 italienische Kulturverbände tätig, sie haben aber kein übergeordnetes Organ wie die ungarischen.
Vielleicht ergibt sich aus dem bisher Gesagten auch, dass für das Ungartum im Murgebiet in den 90er Jahren und um die Jahrtausendwende eine Widersprüchlichkeit bezeichnend ist.
Das Wesentliche an der Widersprüchlichkeit ist, dass die Theorie des Schutzes der Minderheitenrechte der zahlenmäßig abgenommenen ungarischen Gemeinschaft nicht im Einklang mit der praktischen Realisierung der Rechte steht. Deren Verbesserung kann ausschließlich durch den vorbildlichen Dialog zwischen der Mehrheit und der Minderheit realisiert werden20. Hinter den paradiesischen Zuständen, die vom äußeren Betrachter registriert werden können – die sich vor allem im viel höheren Lebensstandard als in Ungarn offenbaren – liegen schwerwiegende Probleme: das Selbstbewusstseinsgefühl der Ungarn verliert langsam an Kraft, das gesellschaftliche Ansehen der ungarischen Sprache und Kultur liegt unter dem der slowenischen, die Zweisprachigkeit in der Schule und außerhalb der Schule ist asymmetrisch, der immer größer werdende Verlust an Positionen der ungarischen Werte und des ungarischen Charakters gefährdet den Fortbestand der nationalen Gemeinschaft immer mehr. Das größte Problem bedeutet vielleicht die niedrige Zahl. Die zurückgegangene Vitalität der Gemeinschaft mit kaum 8000 Personen ist außerstande, aus eigener Kraft die zum Fortbestand erforderlichen personellen und finanziellen (d. h. qualitativen Lebens-) Bedingungen zu sichern. Den anderen Katalysator der bereits früher eingetretenen Veränderung der Werteordnung (der Übergang zum Slowenischen) sind die Mischehen. Der Fall ist Nonsens, ist doch diese Art von „Institution“ die ganz normale, notwendige Begleiterscheinung des Zusammenlebens. Die Tatsache aber, dass sich mindestens 80% der von hier hervorgehenden Generation als Slowenen bekennen, ist für das Ungartum nicht günstig. An der Situation könnte vielleicht die wirkliche, im Bewusstsein der Menschen entstandene Gleichberechtigung der beiden Kulturen, der beiden Sprachen etwas verbessern, wenn dazu das Ungartum ausreichend physische und geistige Kraft hätte.
Der zweisprachige Unterricht war lange Zeit hindurch ein Tabuthema, heute kann man bereits offener über seine Mängel sprechen: darüber, dass er nur formal den Anforderungen entspricht, denn die Unterstufe der Grundschule ausgenommen findet der Unterricht fast überall nur in slowenischer Sprache statt. Der Unterricht der Fachlehrgegenstände in ungarischer Sprache beschränkt sich immer mehr auf die Aneignung der minimalen Fachterminologie. Ausschließlich die ungarischen Kinder sind zweisprachig (wie auch der Multikulturalismus nur für die Ungarn bezeichnend ist); für die aus slowenischen Familien stammenden Kinder bedeutet auch gegenwärtig die zweisprachige Schule nicht mehr als die einsprachige, um den ungarischen Sprachunterricht und um einige ungarische geschichtliche, geographische Informationen erweiterte slowenische Lehranstalt. Dennoch können wir wegen der bereits erwähnten bewusstseinsmäßigen und sonstigen Faktoren in der Frage einer Meinung sein, dass es zum zweisprachigen Unterricht im Murgebiet eine Alternative gibt. (Zur Gründung von Privatschulen der Minderheit bietet das neue Unterrichtsgesetz keine Möglichkeit.) Auch das ist klar, dass bei der Reformierung des viel umstrittenen und viel beschimpften Modells im Murgebiet den Löwenanteil die Gesellschaft der ungarischen Pädagogen übernehmen muss, und nicht nur auf der Ebene der Erörterung. Dafür gibt es aber noch kein Beispiel 21.
Es gibt darüber hinaus fast keine andere Problematik im Leben der modernen Gesellschaften, mit denen man sich in unseren Tagen intensiver befassen würde, als die Frage der nationalen Minderheiten. Die Natur der Angelegenheit rührt von daher, dass jedwede Gleichberechtigung der Minderheiten ein grundlegendes Menschenrecht ist. Die allgemein anerkannten Prinzipien der internationalen Deklarationen bedeuten die Grundlage der Lösung der (juristischen) Situation der Minderheiten. Die Realisierung ist jedoch nach Ländern, nach Minderheiten ziemlich unterschiedlich. Wiederum muss nur an den Grad der Demokratie der gegebenen Gesellschaft appelliert werden: bei der einheitlichen Lösung des Problems, (wenn es eine solche überhaupt gibt,) reicht die Beschränkung auf den Schutz der nationalen Gemeinschaften nicht aus. „Die Minderheit ist kein Objekt, das geschützt und bewahrt werden muss. Sie ist eine lebende Organisation..., die ein entsprechendes Umfeld und entsprechende Bedingungen braucht, damit sie frei, in Gegenseitigkeit, im gegenseitigen Verständnis leben kann wie auch andere Gemeinschaften der Gesellschaft. Für die Herausgestaltung einer derartigen Gegenseitigkeit ist in erster Linie die Mehrheit verantwortlich, denn sie verfügt über die dominierende Kraft. Die Minderheit kann sich nicht in die Gesellschaft einschalten, wenn sie von der Mehrheit ausgestoßen wird. Es sind gesellschaftliche Normen erforderlich, die auf einem gesellschaftlichen Wertesystem beruhen, und die von allen Betroffenen akzeptiert werden. Es sind Institutionen erforderlich, wo diese Normen bereichert, akzeptiert, kontrolliert und modifiziert werden. Es werden Mittel gebraucht zur Realisierung der angenommenen gegenseitigen Verpflichtungen und Rechte. Doch sind auch Sanktionen erforderlich gegen jene, die gegen die angenommenen Verpflichtungen und Rechte verstoßen, außerdem werden auch Mittel gebraucht, die zur Durchführung der Sanktionen dienen. Außerdem ist auch der gemeinsame politische Wille aller betroffenen Parteien erforderlich, damit im Geiste der Toleranz, der gegenseitigen Achtung und des gegenseitigen Verstehens der Dialog herausgebildet wird, und für diesen eingetreten wird, wenn sich Schwierigkeiten und Missverständnisse herausbilden“22. Die Minderheitenproblematik hat heute schon ihre Stelle erreicht: sie ist in erster Linie eine kulturelle, soziale, wirtschaftliche Frage und keine politische, wie sie es in der Epoche nach dem Zweiten Weltkrieg war23. Sie umfasst Fragen, die man weder mit im Vorhinein angefertigten „Rezepten“, noch mit in einem anderen Umfeld ausgearbeiteten Modellen lösen kann.
Anmerkungen
1
Komac, Miran: 1999, p. 18, 26, 67.
2
Klopčič, Vera: 1994, p. 105.
3
Göncz, László: 2000, p. 98.
4
Hajós, Ferenc: 1978, p. 8.
5
Die Verfassung der Republik Slowenien. Amtsblatt, 33/91.
6
Göncz, László op. cit. p. 108–109.
7
Mit Italien: der Vertrag von Ozimo. In: Amtsblatt der Republik Slowenien, 1992, 40. p. 127–128.
Mit Ungarn : das Abkommen über die Sicherstellung der Sonderrechte der in der Republik Ungarn lebenden slowenischen Minderheit und der in der Republik Slowenien lebenden ungarischen nationalen Gemeinschaft. In: Amtsblatt der Slowenischen Republik, 6/93.
8
Komac, Miran op. cit. p. 14.
9
Vgl. Charta, Teil II. Artikel 7, 2.
10
Komac, Miran op. cit. p. 38–39.
11
Amtsblatt der Republik Slowenien, 67/94.
12
Amtsblatt der Republik Slowenien, 15/90.
13
Amtsblatt der Republik Slowenien, 19/94, 45/95, 38/99 und 26/2000.
14
Komac, Miran op. cit. p. 45.
15
Gesetz über die Realisierung der Sonderrechte der Angehörigen der italienischen und der ungarischen nationalen Gemeinschaft auf dem Gebiet des Unterrichts und der Erziehung. Amtsblatt der Republik Slowenien, 12/82.
16
Varga, Sándor: 1996, p. 122.
17
Z. B. Gesetz über die Grundschulen. Amtsblatt der Republik Slowenien, 11/96, 33/97.,
Gesetz über den Kindergarten. Amtsblatt der Republik Slowenien, 12/96, 44/2000.,
Gesetz über die Berufsausbildung. Amtsblatt der Republik Slowenien, 12/96, 44/2000.,
Gesetz über die Gymnasien. Amtsblatt der Republik Slowenien, 12/96.,
Hochschulgesetz. Amtsblatt der Republik Slowenien, 67/93, konstitutionelle Beschlüsse: 39/95, 18/98, 35/98, 99/99.,
Sonderrechte der ungarischen und der italienischen nationalen Gemeinschaft in der Erziehung und im Unterricht. Amtsblatt der Republik Slowenien, 35/2001.
18
Amtsblatt der Republik Slowenien, 18/94, 35/2001.
19
Das Gesetz über das allgemeine kulturelle Leben. Amtsblatt der Republik Slowenien, 75/94.
Das Gesetz über den Schutz des kulturellen Erbes. Amtsblatt der Republik Slowenien, 7/99.
Das Gesetz über die Laienkunsttätigkeit der Republik Slowenien. Amtsblatt der Republik Slowenien, 1/96.
20
Göncz, László: op. cit. p. 111.
21
Göncz, László: op. cit. p. 104.
22
Vratuša, Anton: op. cit. p. 95–96.
23
Petrič, Ernest: 1977.
Literatur
A Regionális vagy Kisebbségi nyelvek Európai Chartája. Európai szerződések [Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen. Europaverträge]. 148.
A Szlovén Köztársaság Alkotmánya [Die Verfassung der Republik Slowenien]. Amtsblatt der Republik Slowenien, 33/91.
Bence, Lajos (1994) : Írott szóval a megmaradásért [Mit dem geschriebenen Wort für das Fortbestehen]. Győr: Hazánk Könyvkiadó Kft.
Bokor, József (2001) : A magyar nyelv és használata a szlovéniai Muravidéken az ezredforduló küszöbén [Die ungarische Sprache und ihr Gebrauch im Murgebiet an der Schwelle der Jahrtausendwende]. In: Magyar Nyelv [Ungarische Sprache]. Jg. XCVII, p. 34-53.
Csernicskó, István (2002) : Jogok és jogtalanságok [Rechte und Rechtlosigkeiten]. In: A. Jászó, Anna und Bódi Zoltán (red.): Szociolingvisztikai szöveggyűjtemény [Soziolinguistische Anthologie]. Budapest: Buchverlag Tinta, p. 274-279.
Goldman, Leonóra (1999) : A közép-európai kisebbségek nyelvi védelme és nyelvoktatása [Der sprachliche Schutz und der Sprachunterricht der mitteleuropäischen Minderheiten]. In: Kahánné Goldman, Leonóra und Poór, Zoltán (red.): Európai dimenziók a hazai nyelvoktatásban [Europäische Dimensionen im Sprachunterricht in Ungarn]. Veszprém: Verlag Tallér , p. 11-23.
Göncz, László (2000) : A muravidéki magyarság helyzete a rendszerváltás után [Die Situation des Ungarntums im Murgebiet nach dem Systemwandel]. In: Narodne manjšine 4. Živeti z mejo. Ljubljana, p. 98-111.
Göncz, László (2001) : A muravidéki magyarság 1918-1941 [Das Ungartum im Murgebiet 1918-1941]. Lendva.
Hajós, Ferenc (1978) : A nemzetiségek jogi helyzete a Szlovén Szocialista Köztársaságban [Die juristische Situation der Nationalitäten in der Slowenischen Sozialistischen Republik]. In: Varga, Sándor (red.): Nemzetiségi politika, nemzetiségi jog [Nationalitätenpolitik, Nationalitätenrecht]. Lendva, p. 7-13.
Jesih, Boris (1994) : Možnosti političnega zastopanja manjšin. In: Vencelj, Peter– Klemenčič, Vladimir–Novak Lukanovič, Sonja (hrsg.): Manjšine v prostoru Alpe-Jadran. Ljubljana, p. 162-165.
Keretegyezmény a nemzeti kisebbségek védelméről [Rahmenabkommen über den Schutz der nationalen Minderheiten. Europaverträge]. Serie/157.
Klopčič, Vera (1993) : Pravo varstvo narodnih manjšin. In: Razprave in gradivo. 28, Ljubljana, p. 92-103.
Klopčič, Vera (1994) : Pravice manjšin v evropskih dokumentih. In: Vencelj, Peter–Klemenčič, Vladimir–Novak Lukanovič, Sonja (hrsg.): Manjšine v prostoru Alpe-Jadran. Ljubljana, p. 105-110.
Klopčič, Vera (1998) : Svet Europe in narodne manjšine. In: Razprave in gradivo. 33. Ljubljana, p. 202-206.
Komac, Miran (1999) : Vastvo narodnih skupnosti v Republiki Sloveniji. Institut za narodnostna vprašanja, Ljubljana.
Nečak Lük, Albina (1993) : Medetični odnosi v slovenskem etničnem prostoru. In: Razprava in gradivo. 28, Ljubljana.
Nečak Lük, Albina – Jesih, Boris (hrsg.) (2000) : Medetični odnosi v slovenskem etičnem prostoru. Institut za narodostna vprašanja, Ljubljana.
Petric, Ernest (1977) : Mednarodnopravno varstvo narodnih manjšin. Obzorja Maribor.
Statut Občine Lendava [Statut der Gemeine Lendava]. Uradni list Republike Slovenije [Amtsblatt der Republik Slowenien], 26/99.
Szarka, László (1999): A közép-európai kisebbségek tipológiai besorolhatósága [Die typologische Einordenbarkeit der mitteleuropäischen Minderheiten]. In: Kisebbségkutatás [Minderheitenforschung], Jg. 8, Heft 2, p. 168-175.
Szilágyi, Imre (1998) : Az önálló és demokratikus Szlovénia létrejötte [Die Entstehung des selbständigen und demokratischen Sloweniens]. László-Teleki-Stiftung, Budapest.
Varga, Sándor (1996) : A szlovéniai magyarok helyzete [Die Situation der Ungarn in Slowenien]. In: Vugrinec, Jože – Takács, Miklós (red.): Együttműködés a határ mentén – Sodelovanje ob meji [Zusammenarbeit entlang der Grenze]. Szombathely, p. 119-123.
Vratuša, Anton (1996) : A nemzeti kisebbségek, mint a nernzetek közötti együttműködés tényezői [Die nationalen Minderheiten als Faktoren der Kooperation zwischen den Nationen]. In: Vugrinec, Jože – Takács, Miklós (red.): Együttműködés a határ mentén–Sodelovanje ob meji [Zusammenarbeit entlang der Grenze]. Szombathely, p. 95–101.
Zbirka veljavnih zakonskih predpisov, ki vsebuje določila o rabi jezika. (2002) : Urad za slovenski jezik, Ljubljana.