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Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 10:73–83.

CSABA HÜTTER

Die ungarische Landwirtschaft gestern und heute

Unsere Landwirtschaft vor der Wende

 

Die ungarische Landwirtschaft funktionierte seit mehreren Jahrhunderten in einer, von oben her konservierten oder erzwungenen Besitz- und Betriebsstruktur. Spuren der organischen Entwicklung sind kaum aufzufinden.

Als eine mittelalterliche Reliquie griff das System des feudalen Großbesitzes auf das zwanzigste Jahrhundert über, das auf dem – die Verbürgerlichung hemmenden – Verhältnis von Herr und Sklave beruht. Auf der Verleugnung dieses Systems aufbauend, und vom Willen ausgehend, historische Gerechtigkeit zu üben, verwirklichte sich – nach dem Zweiten Weltkrieg – die Grundaufteilung, welche eine Vielzahl von Zwerggrundstücken ohne jegliche Mittel und ohne Erfahrung des Bewirtschaftenden schuf. Am Anfang der fünfziger Jahre, und anschließend auch an deren Ende wurden – trotz des verlautbarten Prinzips der Freiwilligkeit – mit brutaler Willkür, teilweise sogar mit unmissverständlichem physischen und seelischen Zwang die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften geschaffen. Am Anfang der neunziger Jahre schnitt die Wende eine völlig neue Ordnung in die herausgearbeitete Wirklichkeit der landwirtschaftlichen Besitz- und Betriebsstruktur. Es ist kein Wunder – viel eher eine natürliche Konsequenz des Vorausgegangenen –, dass Ungarn, die einstige Vorratskammer der Österreichisch-Ungarischen Monarchie, Anfang der 1960er Jahre zu einem Weizen und Fleisch importierenden Land geworden ist. Zum erneuten Erreichen des landwirtschaftlichen Produktionsniveaus von 1938 war ein Vierteljahrhundert notwendig. (Eine vergeudete Zeit von einem Vierteljahrhundert in der Agrarentwicklung der Nation!)

Bis zur Mitte der 60-er Jahre sind wir Selbstversorger, bis zum Ende dann Exporteure geworden.

Ab der Mitte der 60-er Jahre öffnete die in immer stärkerem Maße agrarfreundlich werdende Politik – mit dem System in kohärenten Rahmen – ein weites Feld für die Entwicklung der Lebensmittel-, darin auch der Landwirtschaft.

– Fast anderthalb Millionen Familien schlossen sich der Haus- und Kleinwirtschaft in einer eigentümlichen Arbeitsaufteilung an; damit etwa 40 % der landwirtschaftlichen Warenemission deckend.

– Die den Agrarsektor versorgende Maschinen- und die chemische Industrie erlebte einen Aufschwung und schuf neue Arbeitsplätze,

– Die Lebensmittelindustrie begann ihre schnelle Entwicklung,

– Vertikale Integrationen bildeten sich heraus,

– Der Unterricht und die Ausbildung bekamen eine außerordentliche Rolle,

– Die Agrarforschung beschritt neue Bahnen,

– Der Import und die Anwendung von genetischen und technischen Neuheiten aus der führenden Schicht der Welt wurden in der Landwirtschaft – zwar in beschränktem Maße – möglich.

Als Ergebnis all dieser Erscheinungen ergab sich zwischen 1960 und 1988 eine, das Tempo des Weltdurchschnitts weit übertreffende Entwicklung.

Unsere Erträge vervielfachten sich, so stieg der Durchschnitt der Weizenernte um auf das 3,2fache, der des Maises auf das 2,5fache und der Durchschnitt der Sonnenblumenernte auf das 2fache an.

In der Milchproduktion stiegen die spezifischen Erträge auf das 2,2fache; unser Agrarexport erhöhte sich in den zwanzig Jahren zwischen 1968 und 1988 auf das 23fache.

In der Weizenproduktion pro Person (1,5 Tonnen/Jahr) waren wir in Europa führend, in der Fleischproduktion pro Person wurden wir nur von Dänemark übertrumpft. Die ungarische Agrarproduktion war in dieser Zeit die spektakuläre Erfolgsbranche des Landes, ja sogar des ganzen Ostblocks.

Das Einkommen der in der Landwirtschaft Arbeitenden näherte sich dem gesellschaftlichen Durchschnitt, das Einkommen pro Person zwischen 1960 und 1988 erhöhte sich – in der Weizenparität ausgedrückt – auf das Fünffache. In dieser Zeit erwarb sich der Bauernstand das erste Mal seit der Staatsgründung das Pensionsrecht.

Es ist eine unanzweifelbare Tatsache, dass das Dorf und mit ihm auch der Bauernstand an Prestige gewann.

Unsere nähere Vergangenheit vor der Wende ist trotz der vorhergehenden Tatsachen nicht würdig, dass wir für sie ein Requiem vortragen, aber doch müssen wir uns mit Anerkennung vor denen verneigen, die in der gegebenen Zeit mit ihrem Wissen, ihrer uneigennützigen fleißigen Arbeit dem Wohl ihrer Heimat dienend, die Hervorbringer der Ergebnisse gewesen sind.

In unseren Tagen, vor allem in Anbetracht des Lebensumstandsverfalls der auf dem Land, und vor allem von der Landwirtschaft lebenden Bevölkerung, hört man häufig nostalgische, die sich entfernende Vergangenheit verschönernd sehende und zeigende Aussagen. Ich möchte mich nicht in diese Frage verwickeln. Jeder soll für sich entscheiden, was er von der Form der durch Zwang und Befehl zustande gebrachten Genossenschaft von Quasi-Besitzern hält, in der die später als Arbeitnehmer Mitgliedschaft Erworbenen die gleichen Rechte besaßen, wie die Mitglieder, die mit ihrem – durch mehrere Generationen hindurch zusammengeknauserten – Vermögen beitraten, und das Gemeinsame durch Arbeit von mehreren Jahren vermehrten.

Es gehört zur Wirklichkeit der oft erwähnten genossenschaftlichen Demokratie, dass an den meisten Orten und in den meisten Fällen die „zuständige” Partei- und Ratsorgane über die Körperschaften der Genossenschaft angeblich zwar informelle, aber tatsächlich doch Entscheidungs- und entscheidungsbeeinflussende Rechte ausübten. Das System der Erwartungen funktionierte, weil dies – wie wir den Wirkungskreis und das Verfahrensrecht der weitverzweigten, über einen behördlichen Rechtskreis verfügenden Gebilde der exekutiven Gewalt kennen, sogar einem Befehl entsprach.

Trotz alledem zählten die Genossenschaften im Alltag dieses Systems, das am ehesten die Züge des aufgeklärten Absolutismus getragen hat, zu den erfrischenden Inseln der Demokratie.

Die Interessensvertretung war monolithisch, aber – aufgrund des persönlichen Einflusses und der politischen Kraft der an der Spitze Stehenden – ziemlich stark. Die Interessen durchsetzende Fähigkeit des Agrariums war aufgrund der Hilfeleistung der politischen Potentaten stark, die der Weiterentwicklung der Lebensmittelwirtschaft verpflichtet, und auch den bäuerlichen Schicksalen gegenüber aufgeschlossen waren.

Im Jahrzehnt der achtziger Jahre erreichten die Zeichen des Außer-Atem-Kommens des Systems, die sich immerzu vertiefenden politischen, wirtschaftlichen und moralischen Krisen auch die Landwirtschaft. Die Preise stagnierten, die Input-Kosten stiegen an und das Betriebseinkommen zwischen 1982 und 1988 halbierte sich im Realwert.

Die Zahl der verlustbringenden und stagnierenden Betriebe nahm zu, ein Drittel der Großbetriebe (landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften und Staatsgüter) erreichte die Phase des Vermögensaufbrauchs.

Auf das differenzierte Vorhandensein der moralischen Krise lässt die Tatsache schließen, dass einer von den beiden, oft gleich ausgestatteten benachbarten Betrieben, an der Grenze zum Konkurs, während der andere zur Spitzengruppe gehörig funktionierte.

Zur Handhabung der aufgestauten wirtschaftlichen Probleme erfolgten – mangels mobilisierbarer wirtschaftlicher Kraftquellen – größtenteils nur kraftlose Maßnahmen.

Zwischen 1988 und 1990 wurden alle wichtigen gesetzlichen Regelungen für den Ausbau der Marktwirtschaft und für die Herausbildung der wirtschaftlichen Gesellschaften, sowie der in ausländischem und in gemischtem Besitz stehenden Unternehmen geschaffen. Mit dem Gesetz über die Gesellschaften und Genossenschaften wurden die Voraussetzungen für die Herausbildung von Integrationen geschaffen, die auf geschäftlicher Basis organisiert sind, und die die Rohstoffproduktion, die Aufarbeitung und den Vertrieb mit einschließen. (Leider fehlten in der Landwirtschaft die materiellen, später auch die weiteren Voraussetzungen für die Füllung dieses Gesetzes mit wirtschaftlichem Inhalt.)

Die Mitglieder der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften wurden zu wirklichen Besitzern der Genossenschaften und die einstigen Bodenbesitzer erhielten ihren Bodenbesitz, den sie mit in die Genossenschaft gebracht hatten, zurück. Das heißt, dass bis 1990 die notwendigen rechtlichen Voraussetzungen für den Ausbau der bürgerlichen Demokratie und zum Funktionieren der Marktwirtschaft geschaffen wurden.

 

Hitziger Wechsel des Systems und tragischer Verfall am Anfang der 90er Jahre

Die Landwirtschaft stand zu dieser Zeit an der Schwelle einer wesentlichen, um nicht zu sagen dramatischen Veränderung, deren Abbremsen oder eventuelles Aufhalten eine Torheit gewesen wäre.

Ganz im Gegenteil! Der Ausweg aus der Situation, welche von der allgemeinen Krise des Staatssozialismus hervorgerufen worden war, hätte mit den durchdachtesten Maßnahmen, mit gelassenem, pragmatischen Verhalten gefunden werden können.

Natürlich waren – auch damals, so wie in zahlreichen anderen Fällen – die an der Spitze der Macht Stehenden, die aktuellen Entscheidungstreffenden von der einzig und allein seligen Beschaffenheit ihres eigenen unkontrollierten Willens überzeugt. Ziel war, die radikale, von oben her gesteuerte Auflösung des Großbetriebssystems und die Schaffung der sogenannten Bauernbetriebe westlicher Art. Die Großbetriebe, besonders die Genossenschaften gerieten in ein heftiges politisches Kreuzfeuer. Sie wurden mittels rechtlicher und wirtschaftlicher Zwangs- und Einschränkungsmaßnahmen fast ins Illegale gestoßen, an die Peripherie befördert. Die exekutive Gewalt nutzte ihre mediennahe Situation und rührte einzelne Gruppen der Gesellschaft – die Ergebnisse der ungarischen Landwirtschaft leugnend – mit populistischen und demagogen Mitteln gegen das System der Großbetriebe auf. Die Exekutive versah die Agrarintellektualität mit entehrenden Worten; das Fachwissen verkümmerte in ihrer Propaganda zu einem nutzlosen bolschewistischen Trick. Mit der Bodenentschädigung verwirklichte sie die ungerechteste Bodenreform des Ungarn des zwanzigsten Jahrhunderts, in deren Folge sich siebzig Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche im Besitz der sich nicht mit Landwirtschaft Beschäftigenden befinden.

Eine Harmonie von zusammenkomponierten Produktionskräften (Arbeitskraft, Pflanzenanbau, Viehhaltung, Maschinenbetrieb, Lager- und Aushilfsbetriebe) wurde umgeworfen, die mit nationaler Aufopferung, schwerwiegendem Aufwand und Arbeit von mehreren Jahrzehnten geschaffen worden war. Damit wurde das Produktionspotential der ganzen Landwirtschaft für eine lange Zeit zurückgeworfen. Auf der einen Seite des Gegensatzes standen hoffnungslose Existenzen, zu Zehntausenden verlorengegangene Arbeitsplätze, ungenutzte geistige und materielle Kapazitäten, auf der anderen die schwierige Situation neuer Bodenbesitzer, die mit dem Mangel an all diesen Sachen zu kämpfen hatten.

Wir wurden zu Leidenden eines Verfalls, der alle Erwartungen übertraf: die Produktionsgrundlagen bauten ab, der Viehbestand nahm innerhalb einiger Jahre um vierzig-fünfzig Prozent ab, die Produktionsniveaus fielen auf die Stufe von vor zwanzig-fünfundzwanzig Jahren zurück, die Nutzung der Mineraldüngung nahm auf das ein Fünftel ab, der Maschinenbestand verfiel, die nicht instandgehaltenen Gebäude drohten zusammenzubrechen, die besitzlos scheinenden Grundstücke nahmen um ein Vielfaches zu und das Unkraut vermehrte sich in erschreckendem Maße. Die während mehrerer Jahrzehnte lang mit gründlicher Melioration geschaffenen wasserabführenden und wasserrückersetzenden Systeme gingen innerhalb eines Jahrzehnts – infolge des Verbleibens der grundlegenden Instandhaltung – kaputt, und es entstehen nun bereits nach nur mittelmäßigem Niederschlag verheerende Binnenwasserschäden.

Ich behaupte nicht, dass die dramatischen Züge der Veränderung hätten komplett vermieden werden können, dass wir den Preis des notwendigen Systemwechsels nicht bezahlen müssen, aber die tragischen Verwüstungen, die durch die Politik hervorgerufenen Affekte, ihre Schäden und Verluste hätten mit einem durchdachten Verhalten eingespart werden können.

Das Agrarium war hier bei uns in diesem Jahrhundert oft die liebste Spielwiese der Politiker, die stets nur helfen wollten, aber sehr oft das Leben der in und von der Landwirtschaft Lebenden verbitterten. Unsere bis heute sehr verfallene Agrarproduktion nach der Wende und zusammen mit ihr die Verarmung der Provinz sind überzeugende Beweise dafür, dass die subjektiven Versuche, die die Gesetze der organischen Entwicklung einfach über den Haufen werfen, nicht nur unnütz sind, sondern für eine Zeit von mehreren Generationen Schäden verursachen.

Die wirkliche Beurteilung der Geschehnisse in der ungarischen Wirtschaft Anfang der neunziger Jahre gaben die Staatsbürger bei den Wahlen von 1994 mit ihren Stimmen. (Wir wollten zwar neue Gesichter, aber nicht solche.)

 

Schreiten wir überlegt voran, ohne Revolutionen

Die Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts verging in der ungarischen Landwirtschaft mit Stagnieren, mit Verfall und anschließend mit dem erneuten Aufschluss nach dem Verfall. Ein vergeudetes, halbes Jahrhundert! Es ist die Zeit gekommen, dass wir mit nüchterner Mäßigkeit, mit einer Entwicklung, die von unten her aufbaut und von oben her nur in nötigstem Maße beeinflusst wird, unseren Rückstand, den die vergeudeten Jahre verursacht haben, aufholen.

Es ist Zeit, dass der Staat keine wirtschaftlichen Formeln anregt und konserviert, die sich aus nostalgischen oder utopischen Idealen ernähren. In der Welt der Produktion darf kein Unterschied, keine negative und positive Diskriminierung mehr aufgrund von öffentlichen Geldern zwischen den Sektoren und Größentypen gemacht werden. Jeder wirtschaftende Organisation und jede Größe muss unter dieselbe Beurteilung fallen, und es muss die natürliche Selektion dieser verwirklicht werden. Auch die landwirtschaftliche Produktion muss mit den in der Konkurrenzsphäre üblichen Mitteln, und das Schicksal der Menschen mit den Möglichkeiten des modernen Staates behandelt werden. Die Aufrechterhaltung der wettbewerbsunfähigen Formationen aus den staatlichen Extrasubventionen ist ein schwerer Fehler, genauso, wie der gefühllose Umgang mit den menschlichen Schicksalen der an die Peripherie gedrängten Menschen.

Es muss eine rechtliche und volkswirtschaftliche Umgebung herausgearbeitet werden, in der die Produzenten selbst die ihren Gegebenheiten am ehesten entsprechende Betriebsstruktur und das am ehesten entsprechende System des Produktionsunternehmens wählen können. Entgegen dem Regierungsprogramm – in dem als der einzig seligmachende Weg die Herausbildung von Familienbetrieben festgelegt worden ist, die von oben her dirigiert werden – müssen den verschiedenen Formen des Besitzes und der Organisation gleiche Chancen eingeräumt werden.

Es wird eine wettbewerbsfähige Landwirtschaft entstehen, wenn der Prozess des Aufbaus von unten her – unter besseren Einkommensvoraussetzungen, als die heutigen – auch weiterhin ungestört weiterlaufen kann. Wir müssen uns damit abfinden, dass die Wettbewerbsfähigkeit bei einem profitorientierten Kapitalunternehmen etwas anderes bedeutet, als in der Welt des Kleinbetriebs, der als Zweitbetrieb in Teilzeit funktioniert.

In Zukunft sind wir allesamt – abgesehen davon, zu welcher Branche der Nationalwirtschaft wir engere Kontakte haben – an einer Agrarproduktion interessiert, die:

– das vermehrt,

– auf Dauer den Herausforderungen der neueren Zeiten entspricht,

– in der sich auch die Beteiligten der Agrarproduktion wohlfühlen.

Es ist eine zweifellose Tatsache, dass in der Landwirtschaft der ganzen Welt eine Konzentration vor sich geht, aber die großen, die mittleren, die Teilzeitwirtschaften und die Kleinfarmen überall präsent sind.

Die Konzentration ist ein unaufhaltsamer Prozess, dessen Abbremsung oder Anspornung nicht begründet ist.

Heute sind jedoch in Westeuropa aufgrund des täuschenden Anscheins der Durchschnittszahlen die verhältnismäßig kleinen Farmbetriebe charakteristisch (der Durchschnitt der EU beträgt 16,4 Hektar). Das Bild verändert sich aber, wenn wir von den Durchschnittszahlen absehend, das Ganze auf Stücke aufteilend, die Beteiligung der größeren, zum Beispiel der über 100–200 Hektar großen Farmen an der landwirtschaftlich genutzten Fläche, oder vielmehr an der Ganzheit der landwirtschaftlichen Produktion untersuchen. In der von ihrer Aufgestückeltheit bekannten österreichischen Landwirtschaft zum Beispiel bearbeiten 1,2 % der Wirtschaftenden 42,2 % der Bodenfläche, oder es funktionieren auf 40 % der Fläche Farmen von über 200 Hektar Größe.

Auch in Ungarn ist das Bild bunt gemischt. Die landwirtschaftliche Bevölkerung wird von etwa 7000 Partnerunternehmen, 60–70 Tausend Familienfarmen und 1.100.000 Kleinproduzenten in Haupt- oder Nebenerwerb gebildet.

Für die Ganzheit der Landwirtschaft, so auch für den Großteil der Partnerunternehmen und Familienfarmen in der Wettbewerbssphäre ist die Knappheit an Kapital charakteristisch. Heute kämpft jeder Beteiligte an der Agrarproduktion mit Einkommensmangel, und wenn man diesen sieht, verstärkt sich in vielen das Bedürfnis zur künstlichen Steigerung der Konzentration. Die Vertreter dieser Bestrebungen lernen nicht aus der Vergangenheit und lassen außer Acht, dass:

– für denjenigen, dessen einzige Einkommensquelle ein paar Hunderttausend Forint aus der Landwirtschaft sind, und die einzige Alternative dazu die nicht allzu gerne auf sich genommene Arbeitslosigkeit ist, für den ist die landwirtschaftliche Produktion auch in diesem Maße ein wettbewerbsfähiger Beruf.

– für denjenigen, der sein Nettoeinkommen von jährlichen 4–500.000 Forint mit Familienzusammenhalt und mit viel Handarbeit aus der Landwirtschaft ausgleicht, für den ist die Landwirtschaft auch eine wichtige Einkommensquelle.

– für denjenigen, den die leidenschaftliche Liebe zur Beschäftigung mit dem Boden, mit den Tieren leitet, und der Freude daran findet, was er in seiner Freizeit tun kann, für den ist die das Hegen und Pflegen der Tiere, die Produktion der Pflanzen auch dann ein ebenfalls wertvoller Zeitvertreib, wenn diese geliebte Beschäftigung kaum mit einem Einkommen einhergeht. (Laut G.B. Shaw „ist Arbeit das, was man machen muss, und was der Mensch liebt, ist Vergnügen”.)

Es wäre wünschenswert, wenn all diejenigen, die von der zuletzt erwähnten mikrowirtschaftlichen Sphäre abwertend sprechend, ein starkes Verlangen verspüren, die Besitzverhältnisse so schnell wie möglich zu regeln, die Konzentration zu beschleunigen, beachten würden, dass viel mehr Mensch über die Produktionsstruktur und die Strukturänderung in der Landwirtschaft wurde und wird auch heute noch viel diskutiert. Einige präjudizieren den in eine glückliche Zukunft führenden einzigen Weg mit hochtrabenden Attributen wie „Gartenland Ungarn”, während sie auf die zwei Haupterzeugnisse der ungarischen Landwirtschaft, das Fleisch und das Getreide, herabsehen. Andere schwören auf die üblichen Produkte von Großbetrieben. Es ist zweifellos ein Fakt, dass die Ackerfläche hauptsächlich durch den Anbau von Nutzpflanzen und Getreide nutzbar gemacht werden kann. Die Fleischerzeugung baut auf der Getreideproduktion, ist also eng damit verbunden. Durch ihre Voraussetzungen ist die ungarische Landwirtschaft prädestiniert, diese beiden Hauptprodukte in konkurrenzfähiger Qualität und Menge herzustellen. Getreide und Fleisch sind die Zutaten für viele Hundert oder sogar viele Tausend Lebensmittel, was auch auf dem weltweiten Agrarmarkt eine herausragende Rolle spielt. Der Obst-, Gemüse-, und Weinanbau auf wenigen hunderttausend Hektar, kleine Pflanzenkulturen sowie kleine Tierzüchtungen, die sogenannten Sekundärprodukte, sind jedoch im Hinblick auf die Beschäftigung der Agrarbevölkerung eminent wichtig. Einige zehntausend Hektar arbeitsintensive Kulturen gewährleisten Zehntausenden den Lebensunterhalt in Gegenden, wo die Beschäftigungsmöglichkeiten sonst rar sind. Wir können uns sicher sein, dass die führende Rolle des Getreides und der Nutzpflanzen in der Bebauung landwirtschaftlicher Nutzflächen in Ungarn langfristig erhalten bleibt. Auch die damit verknüpfte Fleischerzeugung regeneriert sich hoffentlich und erreicht wieder ihr altes Ausmaß, währenddessen die Bedeutung von arbeitsintensiven Pflanzen- und Tierprodukten für die Beschäftigung der Agrarbevölkerung stetig wächst.

 

Fakten und Dilemmata bis zum EU-Beitritt

Die Gehälter in der Landwirtschaft sind bei uns niedrig, auch die Subventionen sind gering (in USD ausgedrückt haben sie sich im Vergleich zur Endphase des entkräfteten Staatssozialismus, in denen die Reserven bereits aufgebraucht waren, halbiert). Im Kreis der Beteiligten und Entscheidungsträger besteht ein Konsens darüber, dass in den 90er Jahren der Landwirtschaft auf unterschiedliche Weise Forint-Milliarden entzogen wurden. Als Kompensation dafür hört man indes lediglich widersprüchliche rhetorische Versprechungen. Um der Einkommensschwäche in der Landwirtschaft beizukommen, schwören die Beteiligten – sowohl diejenigen, die eine Verbesserung der Lage fordern, als auch die, die es versprechen – fast ausschließlich auf die Erhöhung der Subventionen. Die Staatsmacht tut die unveränderte Lage damit ab, dass entgegen ihrer Absicht der Haushalt für höhere Subventionen „jetzt” nicht ausgereicht hat. Man verliert nur wenig Worte über die Preise, und die Bestrebungen zur Verringerung der Lasten finden sich in fast keinem der Pläne wieder, die eine Verbesserung der Situation in der Landwirtschaft zum Ziel haben. Die Einkommen entstehen jedoch aus der Wechselwirkung von Preis, Subventionen und Abgaben, wobei die Kreditbedingungen natürlich ebenfalls wichtig sind. Ein Teil der heute zur Verfügung stehenden geringen Subventionen müsste dafür verwendet werden, dass die Preise von wichtigen Agrarprodukten auf einem höheren Niveau festgesetzt werden. Dabei darf man natürlich die Preisakzeptanz des Binnenmarktes nicht aus den Augen verlieren. Spielt die Bedeutung des in den Preisen enthaltenen Gewinns in der Einkommensstruktur nur eine relativ geringe Rolle, so ruft das bei den Landwirten mit Grund Beklemmungen hervor, denn in diesem Fall ist es offensichtlich, dass die Landwirtschaft in erhöhtem Maße von der Staatsmacht und von politischen Entscheidungen abhängt. Die politischen Entscheidungen in diesen Gebieten Europas beruhen allerdings oft auf Eventualitäten und sind meistens unberechenbar, weshalb sie dem Entstehen eines für die Agrarentwicklung notwendigen langfristigen Erzeugerdenkens nicht gerade zuträglich sind. Schon deswegen wäre es wünschenswert, dass bis zum EU-Beitritt die Vergünstigungen bei den Preisen und Abgaben den Erzeugern eine bessere Position sichern, denn die ausgeprägtere politische Kultur in der EU wird die Landwirte unterweisen durchdacht zu wirtschaften. Es wäre nichts Außergewöhnliches, wenn es in der Landwirtschaft ähnliche Verdienstmöglichkeiten gäbe wie in anderen Produktionszweigen, und die Preise, Abgaben, Subventionen, sowie das Kreditgeschäft so in Einklang miteinander stünden, dass es diesem Ziel zugutekommt. Die 1999er Fakten und die Voranschläge für das Jahr 2000 machen uns Produzenten klar, dass sich der lächerlich niedrige Äquivalenzindex von Produkten und Subventionen bis zum Unionsbeitritt überhaupt nicht ändern wird. Angesichts der nicht im geringsten Maße agrarfreundlichen Haushaltsposten, sowie der häufig unprofessionellen, undurchdachten und sich gegenseitig aufhebenden Verfügungen, die das ungarische Agrarwesen treffen, wird unsere Landwirtschaft in den kommenden Jahren zweifellos weiterhin stagnieren. Sie kann sich zudem nicht regenerieren, die Einkommensmisere bleibt weiter bestehen und auch der alte Wettbewerbsnachteil wird nicht verschwinden. Entgegen unseren nationalen Interessen stehen wir mit einer dürftigen Ausgangsbasis auf der Schwelle zur Europäischen Union und es hängt von dem Wohlwollen der Mitgliedsstaaten wie auch von unseren diplomatischen Bemühungen ab, welche Ausgangsbasen akzeptiert werden. Sollen wir den Beitritt befürworten, ist er für die ungarischen Landwirte und durch die Landwirtschaft auch für die Volkswirtschaft von Vorteil? Nur wenige Fragen können mit einem so klaren Ja beantwortet werden, wie die diese. Davon kann uns das vor kurzem verabschiedete Programm AGENDA 2000 überzeugen, welches die Agrarfragen der EU kultiviert regelt. Es ist ein Kompromiss zwischen den progressiven Reformbestrebungen und der Sensibilität des Problems der Farmerschicksale. Würde die Agrarpolitik der EU in der ungarischen Landwirtschaft ab sofort zu wirken beginnen, hätte das eine derartig rapide Entwicklung und schnelles Aufschließen, sowie solche Einkommensverhältnisse zur Folge, die die Ergebnisse der stärksten Jahre unserer Landwirtschaft bei weitem übertreffen würden. Derzeit liegt der Preisnachteil von ungarischen Agrarprodukten im Vergleich zu den Preisen in der EU bei den meisten bestimmenden Produkten bei bis zu 30–60 %. Es ist eine bedauernswerte Tendenz, dass in den letzten zwei Jahren die Preise anstatt sich anzunähern, sich noch weiter voneinander entfernt haben – für 2000 wird das Gleiche prognostiziert. Es ist zu befürchten, dass nicht nur der begründete Anschluss nur ein Wusch bleiben wird, sondern selbst die Stagnation in Gefahr gerät. Anscheinend werden unserem Haushalt nur die Gesetze der EU die nötigen Mittel für die Problemlösungen in der Landwirtschaft abnötigen können. Die zwei wichtigsten Fragen des Beitritts sind:

– Wird die ungarische Landwirtschaft an den Kompensierungsfonds beteiligt?

– Wird es Produktionsbeschränkungen geben, wenn ja, in welchem Ausmaß und in welchen Zweigen?

Für uns wäre es natürlich wünschenswert, wenn wir von den Produktionsbeschränkungen für eine Übergangszeit von mindestens 5–8 Jahren befreit würden und auch an den Kompensierungsfonds teilhaben könnten. Ich denke, letzteres könnte ein schwer durchzusetzendes Anliegen der ungarischen Delegation sein, da zwar die Mehrheit unserer Agrarprodukte im Preis deutlich unter dem EU-Schnitt liegt, doch werden diese Preise aufgrund des Beitritts steigen und damit auch die Einkommen der Landwirte. Unser einziges und unbestreitbares Argument für eine Beteiligung an den Kompensierungsfonds könnte darin liegen, dass wir in den letzten zehn Jahren enorme Kapitalverluste hinnehmen mussten und der Ausgleich dieser Verluste die Bedingung für einen schnellen Anschluss ist. Für noch wichtiger als die Hilfe aus den EU-Fonds halte ich, dass die ungarische Landwirtschaft von den Produktionsbeschränkungen vorübergehend befreit wird. Dafür könnte man eine Menge von unwiderlegbaren Argumenten aufzählen, wie zum Beispiel:

– Die Erträge in der Landwirtschaft sind im Vergleich zum Niveau und Quantität vor dem Systemwechsel um 30–40 % zurückgegangen.

– Das nach der politischen Wende geplante Wachstum der Landwirtschaft um 0,5–1 % ist ausgeblieben.

– Der heutige Stand der Produktion hat sich unter anomalen Umständen entwickelt, diesen Stand zu übertreffen und das Ertragsniveau von vor 20–25 Jahren zu überflügeln ist unser gutes Recht und Interesse.

Ist die vollständige vorübergehende Befreiung von der Produktionsbeschränkung nicht durchsetzbar, so muss man auf eine solche errechnete Basis bestehen, die sich aus den Leistungen der Landwirtschaft in den letzten fünf Jahren vor dem Systemwechsel und aus dem ausgebliebenen Wachstum der vergangenen zehn Jahre zusammensetzt. Wie die EU unser Gesuch zur Befreiung von den Beschränkungen auch handhaben wird, auf den zur Bewirtschaftung weniger geeigneten Gebieten muss mit dem Aufforsten von Nutzwäldern nach EU-Richtlinien begonnen werden, damit die Landwirte und die dort lebende Landbevölkerung sinnvolle und nützliche Arbeit verrichten können, selbst wenn das Land zur für Weidewirtschaft und Ackerbau ungeeignet ist. Die günstigen landwirtschaftlichen Voraussetzungen (Qualität der Ackerflächen, das Klima, die außergewöhnliche Pro-Kopf-Größe fruchtbaren Bodens etc.) prädestinieren Ungarn für eine Arbeitsteilung, wonach in dem Land im Vergleich zu anderen EU-Staaten der Schwerpunkt eher auf das Agrarwesen gelegt würde. In Hinblick auf ihre Gegebenheiten könnte sich die ungarische Landwirtschaft auch in der späteren EU-Agrarpolitik behaupten, die sich in Richtung liberaler Agrarmarkt hinbewegt. Schließlich ist es allgemein bekannt, dass die Landwirtschaft der einzige Bereich der ungarischen Wirtschaft ist, welcher – mit neuen Modernisierungschancen und durch aufarbeiten des technischen Rückstandes von mehreren Jahrzehnten – im EU-internen Wettbewerb schnell zum erfolgreichen Mitstreiter avancieren könnte. Durch unsere Erträge und Produktionsergebnisse könnten wir – entsprechende Einkommensbedingungen vorausgesetzt – schon in fünf Jahren dort stehen, wo wir in den 80ern schon einmal standen und sogar in die Spitzengruppe der EU-Staaten vordringen. Dazu reicht es jedoch nicht, die einstiegen Ergebnisse erneut zu erreichen, sondern wir müssen sie deutlich übertreffen. Es wäre schädlich für das Land, wenn man ihm diese Chance nehmen würde.

Die Unterstützung des EU-Beitritts ist erstrangiges Interesse eines jeden ungarischen Staatsbürgers, dem das Wohl seines Landes am Herzen liegt. Der Beitritt verdient unser aller Unterstützung, letztendlich werden wir alle von der Gemeinschaftszugehörigkeit profitieren.