Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 12:359–367.
ZOLTÁN FÓNAGY
Adelige Besitzverhältnisse in Ungarn zur Zeit Maria Theresias
Der Anteil des Adels im Vergleich zur Gesamtbevölkerung war im Ungarn zur Zeit des späten Feudalismus selbst im europäischen Vergleich ein sehr hoher und er wurde allein von jenem des spanischen und polnischen Adels übertroffen. Anlässlich der Volkszählung im Jahre 1787 registrierte man etwa 200.000 adelige Männer und Jungen, was 4,6 % der männlichen Bevölkerung entsprach.1 Neben seinem hohen Anteil hat das Monopol der politischen Macht, die determinierende Rolle in Bezug auf Wirtschaft sowie die im weitesten Sinne verstandene Kultur noch markanter die Bedeutung des Adels hervorgehoben.
Neben der Fiktion der Rechtsgleichheit war diese Masse von 400.000 Personen jedoch vielfach gegliedert. Darüber war sich die Geschichtswissenschaft auch bisher schon im Klaren. Als jedoch die Präsentation der Gliederung des Adels auf zahlenmäßigen Angaben beruhend hätte vorgestellt werden müssen, stützten sich selbst die jüngste Zusammenfassung auf Schätzungen und herausgegriffene Beispiele. Im historischen Bewusstsein hingegen haben höchstens farbig-geschichtliche Freskofragmente die abwechslungsreichen Lebensverhältnisse des Adelsstandes illustriert. Bekannt ist uns der in seinem Wiener Palast residierende, nach Kavaliersart verschwenderische, sich in Hofkreisen mit dem Pomp des Ostens hervortuende, des Ungarischen gar nicht mächtige Magnat; der sich in dichten Pfeifenrauch hüllende wohlhabende Tafelrichter in seiner Landhaus auf dem Lande, dieses Symbol der Unveränderlichkeit; der zur Insurrektion2 mit ungesattelten Pferden losziehende Krautjunker, der anlässlich der Wahlen seine Stimme – dieses Symbol der Adelsrechte – für ein paar Forint, einige Gläschen Schnaps verkaufte.
Obwohl unsere sozialhistorischen Kenntnisse bezüglich des Adels im letzten Jahrzehnt wesentlich bereichert wurden, da ja regionale Forschungen die gesellschaftliche Gliederung des Adels mehrerer Komitate aufdeckten, mangelt es noch immer an einer das ganze Land erfassenden Darstellung.
Lückenhaft sind auch unsere Kenntnisse hinsichtlich der Verteilung des Grundbesitzes, obwohl der Besitz an Grund und Boden im Ungarn von ständischem und Agrarcharakter sogar eine zweifache zentrale Bedeutung hatte. Für den Großteil der Bevölkerung stellte der Boden (auch Mitte des 19. Jahrhunderts noch für 80-90 Prozent) den Lebensunterhalt und für die Besitzer die Hauptquelle des gesellschaftlichen Prestiges dar. Sowohl das zeitgenössische Allgemeindenken als auch die Historiographie waren sich über die wirtschaftliche, gesellschaftliche bzw. politische Bedeutung der Verteilung des Grundbesitzes im Klaren. Hinsichtlich der Epoche des späten Feudalismus aber verfügen wir weder über derzeitige Statistiken noch historische Statistikrekonstruktionen betreffs Grundbesitz. Mit unserer, der vorliegenden Studie als Grundlage dienenden Dissertation versuchten wir, diesen Mangel teilweise zu beseitigen, und zwar im Rahmen der von den Quellen gebotenen Möglichkeiten bezüglich des Grundbesitzes urbarialen Charakters.3
Als geeignetste Grundlage der historischen statistischen Rekonstruktion erwiesen sich die im Laufe der von Maria Theresia angeordneten Urbarialregelung aufgestellten Tabellen. Dieses Quellenmaterial wurde nach einheitlichen Gesichtspunkten, landesweit gültigen Prinzipien verfertigt. Zwischen 1767 und 1774 hat man in 44 Komitaten Ungarns die Vermessung des urbarialen Territoriums vorgenommen. (Unberücksichtigt blieben die drei slawonischen Komitate, in denen die Regelung bereits 1755 erfolgte, bzw. Kroatien und die drei Komitate des Banats Temesch, wo sie erst 1780 vorgenommen wurde.) Der verhältnismäßig kurze Zeitraum der Ausführung gestattet es, das Ergebnis der Konskription als eine Momentaufnahme des engeren Landesgebietes anzusehen.4 Für eine Untersuchung ist dieser Zeitpunkt umso mehr geeignet, da die umfassende Änderungen – im Zusammenhang mit der Vertreibung der Türken und der Niederschlagung der habsburgfeindlichen Aufstände – bezüglich der Besitztümer Ende der 1760er Jahre schon ihren Ruhepunkt erreichte und sich im Grunde die bis 1848 gültige Besitzstruktur konsolidiert hatte.
Die Makrostruktur der Besitzverhältnisse
Unter den Schriften des Archivs des Stadthalterrates Dep. Urbariale im Landesarchiv sind urbariale Tabellen im Zusammenhang mit etwa 7600 Ortschaften in 44 Komitaten vorzufinden. Aus anderen Quellen5 geht hervor, dass sich die Anzahl bewohnter Siedlungen in diesem Gebiet auf ungefähr 9000 belief. In der Mehrzahl der fehlenden Gemeinden erfolgte keine urbariale Registrierung. Es mochte sich hierbei um die bevölkerte Pussta allodialen Charakters, kuriale Dörfer oder privilegisierte Marktflecken handeln. Der Anteil an verschwundenen Tabellen ist äußerst gering (höchstens 2–3 % je Komitat). Allein die Registrierungen der Komitate Máramaros und Sáros sind dermaßen mangelhaft, dass sie sich zu einer historischen statistischen Untersuchung nicht eignen. Einer nahezu aus der gleichen Zeit stammenden Registrierung zufolge hat man auf diesem Territorium 6,1 Millionen ungarischen Joch Urbarialbesitzes verzeichnet.6 Die vorhandenen Tabellen beinhalten etwa 82 % dieser, d.h. nahezu 5 Millionen Joch. Laut Aufstellung sind 88 % der 515.000 urbarialen Haushalte, also 456.000 erfasst worden.
Es ist hervorzuheben, dass die Untersuchung nur auf die Adligen mit Urbarialbesitz eingeht. Die unter Joseph II. vorgenommene Volkszählung erfasste auf dem untersuchten Gebiet 145 Tausend adelige Männer, d.h. wir können die Anzahl der Adligen auf 290.000 schätzen, was wiederum etwa 57 Tausend Familien entspricht. Diese Zahl mit den in den Registrierungen aufgeführten 5600 Besitzern vergleichend, können wir feststellen, dass ungefähr jeder zehnte Adelige über Urbarialbesitz verfügte. Unsere Untersuchung geht also ausschließlich auf Gliederung und Besitzverhältnisse dieses Zehntels ein. Selbst in diesem Falle aber können wir aufgrund des Quellenmaterials, das nicht allodiale Gebiete beinhaltet, keine dermaßen genaue Rekonstruktion wie mittels der Grundbücher der bürgerlichen Epoche erreichen. Anhand anderer Zahlenreihen jedoch haben wir uns davon überzeugt, dass die Aufteilung des Urbarialbesitzes ziemlich genau der Gliederung des gesamten Besitztums entspricht.
Die nahezu 5 Millionen Joch Urbarialboden waren auf 5.835 Besitzer verteilt. Hinsichtlich des in einem Ort im Besitz eines Eigentümers befindlichen Urbarialbesitzes waren die 7.600 Gemeinden in 21.000 Güter aufgeteilt. Ein Ort hatte also durchschnittlich 2,8 Besitzer, wobei das Besitztum eines durchschnittlichen Grundherren auf 3,6 Ortschaften verstreut war. Ein „Durchschnittsbesitzer” verfügte über 24 Bauerngüter, zu welchen 852 Joch Urbarialland gehörte, auf dem 78 Untertanfamilien lebten. Der statistische Durchschnitt jedoch kann tatsächlich nicht gerade als typisch bezeichnet werden, denn nur ein Fünftel bis Sechstel der Besitzer gehörte zu den auf diesen Bereich entfallenden mittleren Grundbesitzern.
Zunächst sind wir im Laufe unserer Untersuchung auf den adligen Privatbesitz und die zu den Rechtspersonen zählenden Besitzer voneinander getrennt eingegangen. 5.579 Grundherren konnten nahezu drei Viertel des Güterstandes, d.h. 3,6 Millionen Joch bzw. 339.000 Untertanfamilien ihr Eigen nennen. Die verbleibenden 1,4 Millionen Joch und 116 Tausend Urbarialfamilien waren unter königliche Schatzkammer, katholische Kirche und königliche Freistädte aufgeteilt.
Rechtspersonen als Besitzer
Hinsichtlich der Urbarialgrundstücke war die königliche Schatzkammer der größte Eigentümer des Landes, denn sie konnte 9 % des gesamten urbarialen Bodens ihr eigen nennen und auf ihrem Besitztum lebten 7 % der Urbarialfamilien. Der Schwerpunkt an Gütern der Schatzkammer entfiel auf die von den Türken zurückeroberten Komitate im Süden des Landes. Praktisch 100 % des in der Registrierung nicht aufgeführten Banates sowie 70–75 % des Urbarialbodens der Komitate Bács-Bodrog, Arad und Csanád befanden sich im Besitz der Schatzkammer. Im einstigen Königreich Ungarn konzentrierten sich die urbarialen Kammerbesitztümer auf Gegenden mit Erz- und Salzbergwerken. In Transdanubien und den westlichen Komitaten Oberungarns hingegen finden wir keine staatlichen Besitztümer vor. Die Aufteilung der urbarialen Besitztümer ist in der Tabelle ersichtlich.
Besitzer |
Besitz |
Bauern |
Joch |
Fronbauern |
Häusler |
Kärtner ohne Haus |
Rechtspersonen |
||||||
Königliche Schatzkammer |
423 |
9 169 |
438 731 |
20 480 |
10 084 |
1 839 |
|
% |
6,54 |
8,82 |
6,98 |
7,65 |
5,93 |
Königliche Freistädte (20) |
77 |
1 260,75 |
45 112 |
3 065 |
1 055 |
477 |
|
% |
0,90 |
0,91 |
1,04 |
0,80 |
1,54 |
Katholische Kirche (253) |
1 366 |
25 389,75 |
889 345 |
47 750 |
25 798 |
5 547 |
|
% |
18,10 |
17,88 |
16,27 |
19,58 |
17,89 |
Insgesamt |
1 866 |
35 819,625 |
1 373 188 |
71 295 |
36 937 |
7 863 |
|
% |
25,54 |
27,61 |
24,29 |
28,04 |
25,36 |
Adeliger Privatbesitz |
||||||
Mehr als 10.000 Joch (62) |
3 073 |
57 962,375 |
2 018 085 |
120 187 |
49 583 |
14 373 |
|
% |
41,33 |
40,58 |
40,94 |
37,64 |
46,36 |
5.000–10.000 Joch (293) |
756 |
9 360 |
325 538 |
19 081 |
8 300 |
2 141 |
|
% |
6,67 |
6,55 |
6,75 |
6,30 |
6,91 |
1.000–5.000 Joch |
3 177 |
17 528,875 |
599 627 |
37 798 |
13 769 |
2 709 |
|
% |
12,50 |
12,05 |
12,88 |
10,45 |
8,74 |
500–1.000 Joch (325) |
2 061 |
6 826,5 |
231 570 |
14 460 |
5 564 |
1 074 |
|
% |
4,87 |
4,66 |
4,93 |
4,22 |
3,46 |
100–500 Joch |
4 598 |
8 745,5 |
296 052 |
19 843 |
8 909 |
1 434 |
|
% |
6,23 |
5,95 |
6,76 |
6,76 |
4,62 |
weniger als 100 Joch (2 464) |
4 138 |
2 599,875 |
88 015 |
7 305 |
4 375 |
694 |
|
% |
1,85 |
1,77 |
2,49 |
3,32 |
2,09 |
nur mit Häusler |
1 166 |
0 |
500 |
0 |
2 496 |
268 |
|
% |
– |
– |
– |
1,89 |
1,03 |
Insgesamt |
18 969 |
103 023 |
3 559 387 |
219 394 |
92 996 |
22 693 |
|
% |
73,45 |
71,57 |
74,74 |
70,59 |
73,19 |
Mit unbekannter Aufteilung |
158 |
1135,125 |
33 809 |
2 203 |
1 559 |
318 |
|
% |
0,810 |
0,68 |
0,75 |
1,18 |
1,03 |
ALLES IN ALLEM |
21 008 |
140 258,375 |
4 973 623 |
293 543 |
131 746 |
31 006 |
|
|
|
|
|
|
|
Einige königliche Freistädte verfügten ebenfalls über Besitz urbarialen Charakters bzw. Untertanen. Insgesamt aber zählte das kaum, denn die 45.000 Joch der 20 Städte machten kaum 1 % des Urbarialbestandes aus. Andere Städte wiederum (Szeged, Kassa, Sopron, Körmöcbánya) verfügten über Güter, die vom Umfang her mit jenen des adligen Großgrundbesitzes zu konkurrieren vermochten.
Die kirchlichen Besitzer bildeten die größte Gruppe der über Besitztümer verfügenden Rechtspersonen (was im Wesentlichen die römisch-katholische Kirche bedeutete). In ihrem Besitz befanden sich gemäß der Registrierung 18 % des Urbarialbodens und auf Kirchengütern lebten 17 % der urbarialen Bevölkerung.
Über den größten Besitz (d.h. über ein Achtel des gesamten kirchlichen Grundbesitzes) verfügte das Erzbistum Esztergom und damit war das Oberhaupt der ungarischen katholischen Kirche nach Schatzkammer, Herzog Esterházy und Graf Antal Károlyi der viertgrößte Grundeigentümer des Landes. Unter den Mönchsorden waren die Jesuiten die Wohlhabendsten: die Besitze ihrer 20 Ordenshäuser wetteiferten mit denen des Erzbistums Esztergom. Als gut versorgt galten auch noch die Orden der Klarissen, der Benediktiner, Prämonstratenser, Zisterzienser und Pauliner.
Der Anteil kirchlicher Besitztümer am Güterstand war in Transdanubien, im Gebiet zwischen Donau und Theiß sowie im Nordwesten Ungarns am höchsten. Im Komitat Esztergom verfügte die Kirche über drei Viertel des Urbarialgebietes und in Győr über mehr als die Hälfte. Etwa ein Drittel machten die Besitztümer der Bischöfe, Hochstifte und Klöster in den Komitaten Baranya, Veszprém, Bars, Hont, Bihar, Borsod, Heves, Pest, Komárom, Nyitra und Csanád aus.
Der Privatbesitz des Adels
Die adligen Grundbesitzer wurden der Größe ihrer Besitztümer gemäß in folgende Kategorien eingeteilt:
Der Großgrundbesitz
Die 110 über mehr als 5.000 Joch urbariales Land verfügenden Besitzer (d.h. 2 % der Eigentümer) konnten insgesamt etwa 2,35 Millionen Joch, mit 47 % nahezu die Hälfte des Gesamtbestandes und innerhalb dessen zwei Drittel des adligen Privatbesitzes ihr eigen nennen. Die Gesamtfläche der in ihrem Besitz befindlichen Ortschaften machte 55.000 Quadratkilometer aus.
Aber auch innerhalb dieser Kategorie noch kann die Konzentration des Grundbesitzes zugunsten der größeren Latifundien nachgewiesen werden. Die 62, über mehr als 10.000 Joch Urbarialbesitz verfügenden Privatgrundherren besaßen mehr als 2 Millionen Joch, d.h. 56 % der Fläche an adligem Grundbesitz. Die in ihrem Besitz befindlichen Dörfer und Marktflecken grenzten nahezu 50.000 Quadratkilometer ein und machten 30 % des Gebietes der erfassten Komitate aus. Als urbariale Untertanen dienten ihnen 274.000 Familien, was 1,5–2 Millionen Untertanen bedeutete.
Die Mehrzahl der Großgrundbesitzer rekrutierte sich aus den Familien von hohem Stand, mit dem die Herrscherfamilie vertretenden Kaiser Franz von Lothringen und Erzherzogin Maria Christina an der Spitze. (Die Habsburgfamilie stieg nach der Vertreibung der Türken – auch mittels Ausnutzung der Machtposition – zur Familie mit dem drittgrößten Grundbesitz auf.)
Die Hierarchie aristokratischer Grundbesitzer in Ungarn wurde vom Fürsten Miklós Esterházy bzw. Herzog Károly Batthyány angeführt. Gefolgt waren sie von 44 Großgrundbesitzern mit dem Titel eines Grafen und von 5 Baronen. Der Anteil an Besitzern fremder Herkunft war gering, denn die Mitglieder der Herrscherfamilie nicht mitgerechnet, gibt es unter den 51 bedeutendsten aristokratischen Grundbesitzern nur 6 Indigenaten an der Zahl (Baron Harruckern, die Grafen Althann, Aspremont, Dietrichstein, Schönborn und Styrum-Limburg).7
Unter den 62 größten Besitzern befinden sich 7 Familien vom niederen Adel (Almásy, Beleznay, Csernovics, Festetich, Majthényi, Rudnyánszky und Sauska-Bésán), die jedoch in den darauffolgenden Jahrzehnten (mit Ausnahme der Familie Sauska und Bésán) alle hochrangige Titel erwarben.8
Derjenige mit den größten Besitztümern im Lande war Fürst Miklós Esterházy, dessen 300.000 Joch Urbarialgut auch unter den Reichsten herausragten – er allein verfügte über 8,4 % des adligen Güterstandes und übertraf damit nahezu um das Dreifache den mit seinen Besitztümern an zweiter Stelle stehenden Grafen Antal Károlyi! 36.000 Urbarialfamilien, mindestens 300.000 Untergebene auf seinen etwa 6500 Quadratkilometer einnehmenden Domänen in 420 Gemeinden und Marktflecken waren von ihm abhängig. Der Stamm seiner Besitztümer befand sich im Komitat Sopron, doch sein Dominialbesitz erstreckte sich auf insgesamt 18 Komitate. Sein riesiges Vermögen zählte sowohl im Reich, ja sogar im europäischen Maßstab zu den angesehensten.
Den Esterházy-Domänen folgten drei, sich im 18. Jahrhundert herausbildende Güterkomplexe, nämlich jene des Grafen Antal Károlyi jenseits der Theiß wie auch im Falle von Baron Ferenc Harruckern, während sich die des Grafen Antal Grassalkovich im zentralen Landesteil befanden. Für sie alle ist charakteristisch, dass Sie ihren Besitz zum Großteil in den von den Türken zurück eroberten Gebieten hatten.
In der Liste der bedeutendsten Angehörigen des Besitzadels aber sind dann die Besitzer mit Gütern in Transdanubien in der Mehrzahl. Die Grafen Batthyány und Esterházy, Zichy, Széchenyi, Festetich, Erdődy, Szapáry, Nádasdy, Niczky, Viczay, Althann und Styrum-Limburg besassen mehr als die Hälfte des Gebietes der Komitate Transdanubiens. Die andere Region, für welche ebenfalls ein Übergewicht an Latifundien charakteristisch war, ist der Nordwesten Ungarns. Der Großteil des Bodens der Komitate Pozsony, Nyitra, Trencsén und Zólyom lag laut Registrierung in den Händen der Familien Pálffy, Erdődy, Illésházy, Esterházy, Apponyi sowie Habsburg.
In der mittleren und östlichen Region Oberungarns gibt es wesentlich weniger Latifundien, doch hatte praktisch jedes Komitat seine eigene Oligarchie aufzuweisen. Die Grafen Csáky in Szepes, Koháry in Gömör und Hont, Schönborn in Bereg, Forgách und Balassa in Nógrád, Aspremont sowie Szirmay, Andrássy, Keglevich, Barkóczy in den Komitaten Zemplén, Sáros, Torna und Abaúj waren die bedeutendsten Vertreter des Besitzadels.
Im Allgemeinbewusstsein gehen die Begriffe Großgrundbesitzer und Aristokrat ineinander über, obwohl sich beide Kategorien in Wirklichkeit nur zum Teil decken. Wie aus Zuvorigem hervorgeht, waren die bedeutendsten Grundbesitzer tatsächlich Aristokraten, doch treffen wir vor allem am Ende der Rangliste der Großgrundbesitzer, d.h. bei 5.000–10.000 Joch, auf Dutzende Familien vom niederen Adel. Andererseits stimmt es auch nicht, dass sämtliche Grafen oder Barone Großgrundbesitzer wären: unter den in unserer Statistik aufgeführten nahezu 300 Besitzer von hohem Stand verfügten etwa drei Fünftel über mindestens 1.000 Joch Urbarialbesitz, während die übrigen höchstens das Niveau gutsituierter Mittelständischer erreichten.
An der Grenze von mittlerem und Großgrundbesitz
Zeitgenössischen Begriffen nach lagen jene 293 Adligen mit Grundbesitz an der Grenze von mittlerem und Großgrundbesitz, die über 1.000 bis 5.000 Joch urbarialen Boden verfügten. (In ihrem Falle sprechen viele Argumente für die Kategorie „Großgrundbesitz”, da einige ihrer Güter in vollem Umfange oft mehr als 10.000 Katasterjoch ausmachten.) In dieser Gruppierung treffen wir gleichermaßen auf Mitglieder der Großgrundbesitz-Aristokratie mit geringerem Vermögen sowie die sogenannte bene possessionatus Elite des Adels (wohlsituierte mittlere Grundbesitzer).
Diese 293 Besitzer verfügten über ein Achtel der Urbarialgüter, d.h. 17 % der Adelsbesitztümer. Vollkommen mangelte es an diesem Typ des Besitztums in den südlichen Komitaten der einstigen türkischen Eroberungsgebiete, und auch in einem bedeutenden Teil Transdanubiens (in den Komitaten Moson, Komárom, Esztergom, Baranya und Zala) haben kirchliche und weltliche Großgrundbesitze den vermögenderen Adel verdrängt. Die größte Bedeutung kam ihnen in einigen Gegenden des Oberlandes zu, vor allem in den östlichen Komitaten (Zemplén, Ung, Túróc, Kishont). Zu ihnen zählen u.a. einige „arme Verwandte” wahrhaftiger Oligarchien (die Grafen Esterházy, Batthyány, Erdődy, Festetich, Balassa, Forgách und Zichy) wie auch zahlreiche Magnatenfamilien mit geringerem Vermögen (die Barone Perényi und Vécsey, die Grafen Berényi, Cziráky, Haller, Serényi, Teleki und Sztáray bzw. die sich mit beiden Titeln schmückenden Familien Pongrácz, Révay und Sennyey).
Zwei Drittel dieser Schicht bildeten die zum niederen Adel gehörenden. Ein Teil jener Adelsfamilien wurde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts infolge der im reger werdenden öffentlichen Leben gespielten Rolle landesweit bekannt /Baross, Beöthy, Beniczky, Bossányi, Dőry, Felsőbüki Nagy, Görgey, Kállay, Kubinyi, Majthényi, Máriássy, Okolicsányi, Podmaniczky, Ráday, Somssich, Szentiványi, Szentmiklóssy, Szerencsy und Vay/. Wenigen von ihnen gelang es, im Laufe der Zeit in den Hochadel aufzusteigen. Zu den Ausnahmen zählen hinsichtlich obiger Namensliste die späteren Barone Podmaniczky und Vay sowie die gräfliche Familie Ráday.9 Die bene possesionatus Schicht war eher nach unten offen. Mit Familien der Großgrundbesitzer stand man nur in Ausnahmefällen in Verbindung, doch treffen wir auf die Mehrzahl der Mitglieder zahlreicher Geschlechter bei den mittleren Grundbesitzern.
Der mittlere Grundbesitz
Ein Zehntel des gesamten Urbarialbodens, d.h. 15 % der Adelsgüter bildeten die Besitztümer mit 100 bis 1.000 Joch. Gleichzeitig aber machten die jene besitzenden 1.637 Adligen 30 % aller Privatbesitzer aus.
Vier Fünftel von ihnen verfügten über einen Besitz von 100 bis 500 Joch. (Der 300.000 Joch erfassende Urbarialbesitz von 1.312 Personen entsprach exakt dem urbarialen Vermögen eines Fürsten Esterházy!)
An mittlerem Grundbesitz mangelte es in Südungarn (Bács-Bodrog, Békés, Csanád, Csongrád, Arad, Baranya) und einen geringen Anteil machte er in den Komitaten Transdanubiens mit Großgrundbesitz aus. Von größter Bedeutung waren die mittleren Grundbesitzer im mittleren und östlichen Teil des Oberlandes bzw. im Norden jenseits der Theiß. Primär haben sicherlich die demographischen Prozesse im friedlichen 18. Jahrhundert eine Veränderung bei den Besitzverhältnissen des Kleinadels determiniert, was die Aufteilung und Zersplitterung der Güter bedeutete. Zur Zeit der Urbarialregelung war dieser Prozess hinsichtlich der über einen beträchtlichen Besitzadel verfügenden Komitate im mittleren Oberland weiter voran geschritten, als in den Komitaten im Osten.
Die Klein- und Kleinstgrundbesitzer
Die umfangreichste Gruppe über Urbarialbesitz verfügender Adeliger bildeten die Kleingrundbesitzer mit weniger als 100 Joch, zu welchen 2.464 Personen zählten, d.h. 44 % der Adligen mit Grundbesitz. Weitere 1.075 „Grundherren” (19 %) besaßen nicht einmal einen Bauernhof, übten nur die Herrschaft über Häusler aus. Insgesamt gehörten damit nahezu zwei Drittel der in der Registrierung erfassten Adeligen diesen beiden untersten Vermögenskategorien an. Der noch über Bauernhöfe verfügende Kleinadel war in kaum spürbarem Maße an urbarialem Boden beteiligt, man konnte kaum 2 % dessen sein eigen nennen (das waren 2,5 % des Adelsbesitzes).
Der Kleingrundbesitz stellte nirgendwo einen großen Anteil dar, doch können regionale Differenzen nachgewiesen werden. Einen Anteil von mehr als 10 % verzeichnen zwei Komitate: in Ugocsa machte der Fundus 17 %, in Bereg 12 % aus. Dieser „kleinadeligen Region” im Nordosten kann noch Ung und Szatmár zugeordnet werden. Der Landesdurchschnitt wurde in Szabolcs, Abaúj und Torna um das Drei- bis Vierfache übertroffen. Im mittleren Oberland – in Gömör, Kishont und Liptó – war die Konzentration eine noch höhere, ihr Anteil belief sich auf nahezu 10 %.
Noch ärmlichere Lebensverhältnisse als in dieser Kategorie der Kleingrundbesitzer vermuten wir bei jenen 1.075 Adligen, die nur Häusler hatten, und zwar insgesamt 2.500. Auffallend hoch war deren Anteil im Komitat Zala, doch waren sie in großer Anzahl außerdem in den Komitaten Szatmár, Trencsén und Nyitra anzutreffen.
Anmerkungen
1
Az első magyarországi népszámlálás (1784–1787) [Die erste Volkszählung in Ungarn 1784– 1787] Redigiert von Dezső Danyi und Zoltán Dávid, Budapest, 1960. S. 50–51.
2
Zuletzt musste der Adel 1809 gegen Napoleon ins Feld ziehen.
3
Vorliegende Studie fasst die wichtigsten Ergebnisse der 1999 verteidigten Dissertation „Die adligen Besitzverhältnisse zur Zeit der urbarialen Regelung” zusammen.
4
Ein Teil dieses Quellenmaterials (Transdanubien) wurde bereits von Ibolya Felhő und ihren Mitarbeitern aufgearbeitet und publiziert, man hat aber das Unterfangen abgebrochen: Az úrbéres birtokviszonyok Magyarországon Mária Terézia korában. A Dunántúl [Die urbarialen Besitzverhältnisse in Ungarn zur Zeit Maria Theresias] Budapest, 1970.
5
Lexicon locorum regni Hungariae populosorum anno 1773 officiose confectum. Budapest, 1920. bzw. die Daten einer Volkszählung unter Joseph II., s. Fußnote 1.
6
Ungarisches Staatsarchiv, Ungarisches Kanzleiarchiv, Acta Generalia 3688/1786.
7
Béla Pálmány: Die gesellschaftliche Gliederung des ungarischen Adels (1686–1815) Im Anhang der Studie sind für den im Titel angegebenen Zeitraum sämtliche Einbürgerung zusammengetragen aufgeführt
8
Pálmány, im a. Werk, bezüglich Hebung in den Hochadel s. Anhang Nr. 1
9
Pálmány, a. Werk, Anhang Nr. 1