Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 16:9–10.
FERENC MÁDL
Dialog über Ungarn
Begrüßungsworten
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrter Herr. dr. Batliner,
Vizekanzler Busek,
verehrter Herr auszuzeichnender Professor,
meine Damen und Herren!
Das Ungartum – die Ungarn, wie auch Sie sie in Ihrem neuesten Buch so schön ansprechen – behauptet sich gemeinsam mit der Vielzahl der Aufgenommenen nun schon seit mehr als 1000 Jahren als Staat in dieser stürmischen Ecke des Karpatenbeckens, in der ständig wechselnden Brandung, mit Erfolgen und Niederlagen. Wir sind Zeugen sowohl nationaler Größe als auch der Unterdrückung bzw. Entzweiung. Nie aber verharrte dieses gläubige und mutige Volk in seinem Schöpfungsbestreben, es beteiligte sich voller Opferbereitschaft und fruchtbringender Tätigkeit am Leben der europäischen Völker. An dieser Stelle soll nur auf den Satz des uns allen wohl bekannten Humanisten Papst Pius II verwiesen werden, wonach das Land der türkischen Invasion gegenüber die Bastion des Westens war. Mir fiel auch noch eine andere, unlängst gelesene Schrift ein, der Dialog von Thomas Morus, im Tower vor seiner Hinrichtung verfasst. Dieser Dialog handelt von Ungarn. Es geht um zwei Ungarn und seine Botschaft ist, dass die Ungarn ihren Mann in jenem Gefecht standen, welches eine fremde Macht und Ideologie um Europa führte und in welchem sich die Ungarn so ehrenhaft behaupteten. Man müsste ihnen helfen, sie unterstützen, sie anerkennen. Die Ungarn haben außerdem vieles andere vollbracht. Wir können stolz darauf sein. Natürlich gestaltet und wahrt jeder Mensch ein Bild von sich und ist dann überzeugt davon, dass andere dasselbe glauben und dieses Bild von ihm sehen würden. Dasselbe gilt für uns in bezug auf die Nationen. Es ist gar nicht sicher, dass man als Außenstehender – persönlich oder als ganze Nation – uns als ebenso großzügig, opferbereit, aufopferungsvoll, gütig, ehrenhaft und erfolgreich erachtet, wie wir das glauben. Deshalb ist es jederzeit und oft erforderlich, allen Nationen einen Spiegel vorzuhalten – und ihnen das Spiegelbild der Welt. Ein Spiegelbild, in dem die Nation bisher nicht entdeckte Züge und Eigenheiten erkennt, in welchem die Welt sie wahrheitsgetreu erblickt, den Tatsachen und nicht dem Glauben entsprechend. In diesem Spiegel sollten Interessenten gut die Züge des anderen erkennen, welcher wiederum gut die interessierte Außenwelt zur Kenntnis nimmt. Und in dieser Diskrepanz des Blickwinkels gemäß Richtung oder Interesse können auch wir uns dann besser zurechtfinden oder Korrekturen vornehmen.
Von besonderer Bedeutung und eine Gabe ist in dieser Hinsicht für uns das Schaffen des in Budapest geborenen und seit einem halben Jahrhundert in Wien lebenden Professors Paul Lendvai, d.h. Lendvai Pál. Sein unlängst verfasstes Werk (wenn dies das letzte war, so ist es doch hoffentlich nicht seine letzte Arbeit) mit dem Titel „Die Ungarn – Ein Jahrtausend, Sieger in Niederlagen” habe ich bisher nur in deutscher Sprache in meinen Händen gehalten, denke aber, dass auch die ungarische Ausgabe dies wahrheitsgetreu wiedergibt, d.h. dass wir Ungarn trotz der Verluste und Niederlagen Sieger bleiben. Professor Lendvai legte Zeugnis ab von seinem großen Talent, indem er u.a. ein wahrer, einfühlsamer Kenner dieser Spiegelbilder wurde, der Vermittlung der Realität bezüglich der mitteleuropäischen Völker. Wie jedem bekannt ist – und wie wir auch an dieser Stelle hörten – ist er ein herausragender Experte, was Mitteleuropa angeht, Empfänger und Träger zahlloser Anerkennungen. Es ist sein wahrhaft großer Verdienst, dass er in seinen Werken die hier, in dieser Region lebenden Völker mit ihren Stärken und Schwächen aufzeigt und gegenüberstellt. Unser Landsmann – wenn ich das so sagen darf – widmet in seinem Denken und in seinen Werken besondere Aufmerksamkeit der Vermittlung der Welt der Tugenden, der Errungenschaften des Ungartums gemeinsam mit all den Fehlern. In seinen Werteinschätzungen, die viele von uns – zum Teil auch in ungarischer Sprache – gelesen haben, stellt er sich in plastischen Beschreibungen, unterhaltsamen Situationsanalysen auf die Seite wohlwollenden Verständnisses aber auch der unerbittlichen Gerechtigkeit. Nicht gegen sondern für uns bin ich aufrichtig – steht im Vorwort der ungarischen Ausgabe seine Meinung frei nach dem Slogan dichterischer Ausflucht.
Sehr geehrte Damen und Herren, werter Herr Professor Lendvai!
Ich beglückwünsche Sie von ganzem Herzen zu dieser Auszeichnung, die Sie sich redllich verdient haben und mit der Sie nach dem Regisseur, Oscarpreisträger István Szabó sowie dem Philosophen und Außenminister a. D. Andrei Pleşu mit dem Corvinus-Preis 2001 nun der hervorragenden Gesellschaft jener angehören. Ich bedanke mich herzlich sowohl persönlich als auch im Namen des ungarischen Volkes und als sein gewählter Staatspräsident für all das, was Sie für dieses Volk getan haben. Und ich wünsche Ihnen, dass Sie Ihr Schaffen mit Kraft und Gesundheit fortsetzen können. Gott beschütze Sie!
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!