Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 26:77–79.
HERBERT BATLINER
Im Dienste der geistig-kulturellen Einheit der europäischen Mitte
Laudatio auf Erhard Busek
Hohe Festversammlung,
Verehrter lieber Freund und Preisträger!
Eine Laudatio auf Erhard Busek zu halten, ist schwer und leicht zugleich:
Schwer, weil er schon so oft im Mittelpunkt bedeutender Ehrungen und Auszeichnungen gestanden ist – gewürdigt von den großen Geistern Europas. Schwer auch deshalb, weil also schon so vieles über ihn gesagt und geschrieben wurde – und doch noch so vieles zu sagen wäre, was freilich auch diesen festlichen Anlass sprengen würde. Und letztlich schwer auch deshalb, weil er selbst ein so großartiger Laudator ist, dass man ihm eigentlich wünschen möchte, endlich einmal Erhard Busek über Erhard Busek hören zu können.
Leicht aber ist es, über unseren heutigen Preisträger zu reden, weil er für mich wunderbarer, ja einmaliger Weise drei Talente zur Deckung bringt: Er ist zugleich ein außergewöhnlicher, einzigartiger Europäer, ein großer Freund Ungarns – und ein unverzichtbarer persönlicher Weggefährte.
Über ihn zu reden, macht Freude – aber ich bin mit dem Gefühl beladen, Erhard Busek nicht wirklich oder hinreichend gerecht zu werden.
Der „Corvinus-Preis”, an dessen Entstehung und dessen Bedeutung unser Preisträger über die Jahre hinweg so entscheidenden Anteil hatte, bedarf in diesem festlichen Kreis keiner weiteren Begründung. Er gelangt somit nach den früheren Preisträgern Szabó, Pleşu und Göncz erneut in richtige Hände. Alle Ziele, die wir uns mit dem „Europa Institut Budapest” gesetzt haben, und die mit diesem Preis gewürdigt werden sollen, hat Erhard Busek vorgedacht, vorgelegt, vorgelebt, aber auch geprägt. Seit der Gründungsurkunde 1990 hat er selbst dem Stiftungsrat angehört und ihn mit ungeheurem Einsatz und enormer Kreativität bereichert. Ihn als einen Motor unseres Instituts und der europäischen Idee zu bezeichnen, nimmt – so meine ich – keinem von uns, die wir in all den Jahren mit ihm zusammengearbeitet haben, auch nur einen Stein aus der Krone.
Apropos Krone: vielleicht sollte man in diesem Zusammenhang noch auf eine andere, natürlich gewachsene Affinität zwischen dem „Corvinus-Preis“ und unserem heutigen Preisträger verweisen: Matthias Corvinus – König von Ungarn und Herzog von Österreich – hat ja vor einem halben Jahrtausend ein Reich zusammengefügt, das in fast unglaublicher Übereinstimmung all jene Gebiete umschloss, die auch das Leben und Wirken Erhard Busek’s geprägt haben:
Ungarn natürlich, dann seine späte Residenzstadt Wien, samt Niederösterreich und der Steiermark, dann Böhmen, Schlesien, Mähren – und den Balkan bis nach Bulgarien.
„Corvinus“ bedeutet im Übrigen – Sie wissen es natürlich – kleiner Rabe. Auch das eine mögliche Annäherung an unseren Preisträger: ein schwarzer Vogel, also von hoher Intelligenz, Mut und Weitsicht. Schon die Arche Noah hat erst dann auf trockenes, unbekanntes Land aufgesetzt, als der Rabe nicht wiederkehrte. Der Rabe ist auch Symbol des Apoll, Gott der Ordnung, der Gerechtigkeit und des Friedens. Raben sind enorm soziale Geschöpfe: in der Bibel versorgen sie den Propheten Elias, in der Legende auch den Hl. Paulus von Theben mit Brot. Ein Rabe rettet den Hl. Benedict vor dem Gifttod. Und Raben symbolisieren in der Alchimie die ewige Suche nach dem „Stein der Weisheit“.
Ist damit schon manches gesagt – über König Corvinus und unseren Preisträger? Sicherlich nicht genug, meine ich. Bewusst verzichte ich aber darauf, Ihnen, festlich Versammelte, das Leben Erhard Busek’s mit seinen hohen und höchsten Funktionen nachzuzeichnen: in Wien, in Österreich – ich möchte auch Liechtenstein nicht vergessen – und vor allem auch in unserem Europa.
In dieser Festversammlung von all seinen Initiativen, seinen Büchern, seinen ungezählten leidenschaftlichen Wortmeldungen zu berichten, wäre unmöglich.
Wichtig scheint mir in unserem heutigen Kontext vor allem das: Erhard Busek hat die geistig-kulturelle Einheit und Schicksalsgemeinschaft der europäischen Mitte längst gesucht und gefördert, als die politische, die ideologische Teilung dieses Kontinents noch festgefügt und unerschütterlich schien.
Jenes „Vergiss-uns-nicht“, das ihm tschechische Freunde schon 1968 bei einem Studentenkongress in Prag mitgegeben hatten, wurde ihm zu einem zentralen Auftrag – gleichgültig, wo ihn die österreichische Politik der vergangenen Jahrzehnte hingestellt hatte.
Früher, als nahezu jeder andere – von Ausnahmegestalten wie der kürzlich verstorbene Kardinal Franz König vielleicht abgesehen – hat Erhard Busek die Schicksalsgemeinschaft des mitteleuropäischen Raums für sich und einen kleinen Kreis von Gleichgesinnten erfahren – und zwar in doppelten Wortsinn:
Erfahren als ein persönlicher Erkenntnisprozess, aber auch auf „Er-fahren“ im ganz handfesten Sinn: Legendär sind seine zahllosen, selbst gesteuerten Reisen per PKW oder Bus über den nahezu unüberwindlich scheinenden Stacheldraht hinweg ins damals Unbekannte: Immer erwartet, erhofft, von den damals noch Machtlosen.
Ob in Sakristeien, auf Parkbänken oder in Hoteltoiletten – Erhard Busek knüpfte und stärkte zielbewusst seine Kontakte mit demokratischen Bewegungen, mit verfolgten Dissidenten und vergessenen Geistesgrößen, die sich damals ihren Lebensunterhalt oft genug als Heizer, Fensterputzer oder Wassermesser sichern mussten.
Busek – dieser Name wurde für eine ganze Generation von Regimegegnern, die später zu Architekten des demokratischen Umbaus wurden, zu einem Symbol der Hoffnung, der menschlichen Nähe, der politischen Stärkung und der konkreten Hilfe.
Mit ihm im Kontakt zu stehen – das bedeutete vielfach auch einen gewissen Schutz vor behördlicher Willkür. Denn für die Machthaber war es ein Zeichen, dass Menschen vom Westen ernst genommen wurden, die sie selbst entwürdigt hatten – und deren Verfolgung und Verschwinden also nicht unentdeckt bleiben würde.
Die von Erhard Busek damals geknüpften Netze – privat und institutionell – haben sich vor, aber auch nach dem Niederreißen der Mauern und Zäune als unersetzlich erwiesen.
Fast unglaublich, wie viele Strukturen und Institutionen des europäischen Miteinanders, vor allem in den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten, durch ihn und um ihn geschaffen wurden.
Und wie viel an konkreter Kooperation und Partnerschaft – in Kultur und Wissenschaft, aber auch in Politik und Wirtschaft – seiner Weitsicht und Unermüdlichkeit entstammen. Es sind diese Institutionen, die sich heute – jenseits der Zeit der „großen Gefühle“ – dem Rückfall in Unwissenheit und Desinteresse entgegen stemmen.
Das Europa Institut Budapest gehört mit in dieses Netzwerk geistiger und emotionaler Kanäle zwischen den Menschen und Völkern in der Mitte Europas.
Hohe Festversammlung, ich möchte Ihnen nicht verhehlen, dass mich die heutige Auszeichnung für Erhard Busek in besonderer Weise bewegt und berührt.