Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 14:117–119.
KÁROLY MANHERZ
Bemerkungen zur Position der deutschen Sprache im Hochschulbereich*
Da das zentrale Thema unserer Tagung Sprachenpolitik war, ist es meines Erachtens angebracht und notwendig, diesbezüglich einige Schlussfolgerungen bzw. Empfehlungen zu konzipieren, die der UDV in Vertretung der Deutschlehrer, Germanisten und Hochschuldozenten in Ungarn an das Ministerium weiterleiten wird.
1. Die Stundenzahl des Fremdsprachenunterrichts sollte in der Allgemeinbildung und auch im Hochschulbereich erhöht werden. Die zuständigen Staatssekretäre drücken zwar – laut Bericht der Kollegen – in Rundbriefen ihr Einverständnis aus, sie können jedoch die erforderlichen Finanzen nicht zur Verfügung stellen.
Gestatten Sie mir dazu einen kurzen Exkurs: 1995 musste man einen Schock im Hochschulbereich erleben, der durch einen relativ starken Personalabbau infolge der Sparmaßnahmen ausgelöst worden war. Das hatte zur Folge, dass die Universitäten und Hochschulen nicht die Lehrkräfte in den Fachbereichen dezimiert haben, sondern eben die in den Sprachbereichen tätigen. Hier wurden relativ viele entlassen bzw. Fremdsprachenzentren und Institute erfuhren eine Umstrukturierung. Eine Konsequenz daraus ist die heute z. T. mangelhafte fremdsprachliche Ausbildung an Hochschulen und Universitäten. Somit besteht eine Diskrepanz zwischen den Anforderungen an die Absolventen – nämlich dass man in Ungarn kein Diplom bekommen kann, wenn man nicht mindestens über zwei Sprachprüfungen (eine Mittelstufen- und eine Grundstufenprüfung) verfügt – und den tatsächlichen Bedingungen, da die fremdsprachliche Ausbildung an den Universitäten nicht oder nur in ungenügendem Maße gesichert werden kann.
Zur Situation im Mittel- bzw. Grundschulbereich: Das Ministerium sollte zur Kenntnis nehmen, dass – wenn in dem geplanten reformierten Abitur ein B1 und ein B2 Niveau erreicht werden soll – das mit der jetzigen Stundenzahl nicht gesichert werden kann. Die Kollegen sehen auch hier eine riesengroße Kluft zwischen der vorgesehenen Neuregelung und der heutigen Realität.
2. Wir müssen in unserem Fach DaF etwas fachspezifischer werden. Die neuen Abiturregelungen, die bald in Kraft treten, bestimmen auch die Zahl der Abiturfächer und nicht nur dies, sondern auch die Wählbarkeit der Fächer. Nach dem jetzigen System ist es noch so, dass man neben Geschichte, Mathematik und Ungarisch zwei Fremdsprachen als Abiturfach wählen darf, wobei die Fremdsprachen meistens Englisch und Deutsch, seltener Französisch oder Italienisch sind. In der neuen Regelung wird kein fünftes Wahlfach vorgesehen, auch keine Fremdsprache. Nach der Meinung der Kollegen wird dies wahrscheinlich eine Tendenz herbeiführen, bei der die meisten Schüler neben den drei Pflichtfächern Englisch wählen werden und dadurch Deutsch verdrängt wird.
Wir als Fachverband müssen die Gesetzgeber auf die Tatsache aufmerksam machen, dass Deutsch als Abiturfach, bis jetzt als zweite, sehr oft gewählte Fremdsprache – nach der Einführung der Neuregelung – gefährdet sein könnte.
3. Dem Sprachenportfolio liegt ein Konzept zugrunde, das einen relativ einheitlichen, kontinuierlichen Sprachunterricht vorsieht. Was bedeutet das? Einen kontinuierlichen Sprachunterricht von der ersten oder zweiten Klasse an bis zur fünften Klasse, wobei auch ein Wechsel der gelernten Fremdsprache möglich ist und wenn das Kind in die fünfte Klasse oder ins Gymnasium kommt, so sollte es das Fremdsprachenlernen auf Grund der bereits in der Unterstufe erworbenen Sprachkenntnisse fortsetzen.
Ich glaube, man kann mit Recht behaupten, dass zehn oder elf Jahre nach dem Systemwechsel in Ungarn die Bedingungen überhaupt noch nicht vorhanden sind, besonders im Bereich Deutsch, einheitliche Lehrwerke einführen zu können, die den Anforderungen der Rahmenlehrpläne, denen der allgemeinen Bildung sowie des Fremdsprachenunterrichts gewachsen wären.
Nur in Klammern bemerkt: Vor acht oder zehn Jahren gab es Weltbankprojekte für den Fremdsprachenunterricht. (Die neuen Projekte sehen keine Unterstützungen für den Fremdsprachenunterricht vor.) Ungefähr sechs Jahre lang lief ein eigenständiges Programm – nicht nur im Bereich der Lehrerausbildung sondern auch im Mittelschulbereich – das heute nicht mehr existiert.
Unsere Empfehlung an das Ministerium: Es sollte für die Anschaffung einheitlicher Lehrwerke aus zentralen Quellen oder Stiftungsgeldern sorgen.
Wieder nur nebenbei bemerkt: Freilich gibt es in Ungarn Stiftungen, so z. B. die Stiftung Pro Renovanda Cultura Hungariae und innerhalb dieser die Klebelsberg-Stiftung, deren Ziel es ist, den Fremdsprachenunterricht ausschließlich im Hochschulbereich jedes Jahr finanziell zu unterstützen. Das sind jedoch Einzelmaßnahmen, in deren Rahmen man kein komplettes Lehrwerk für Deutsch als Fremdsprache erstellen kann. Das Ministerium wollen wir auch auf diese Tatsache aufmerksam machen.
4. Unsere vierte Empfehlung betrifft die Lehrerausbildung. Das Sprachenportfolio hat schwerwiegende Konsequenzen für die Lehrerausbildung und zwar sowohl für die Deutschlehrerausbildung wie sicherlich auch für die Englischlehrerausbildung. Hier sollten Maßnahmen getroffen werden, durch die wenigstens der praktische Teil der Ausbildung so neu konzipiert werden sollte, wie das vor zehn Jahren bei der Einführung der dreijährigen Lehrerausbildung bereits der Fall war, wodurch eine realitätsangemessene Unterrichtspraxis ermöglicht worden war.
* Schlussworte des Präsidenten des Ungarischen Deutschlehrerverbandes