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Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 22:235–248.

ANGELOS GIANNAKOPOULOS

Dimensionen des Begriffs einer europäischen Identität1

 

1. Einleitung

Der europäische Integrationsprozess hinsichtlich der Entstehung und Funktion einer supranationalen Steuerungsebene in der institutionellen Form der EG/EU wurde bis dato unter zwei Hauptaspekten thematisiert und untersucht: zum einen unter dem Aspekt der Übertragung von bisherig nationalstaatlichen Kompetenzen auf die supranationale Ebene und zum anderen unter dem Aspekt der auf ökonomische Denkweisen ausgerichteten, von einer hierarchisch operierenden Bürokratie implementierten und auf einer rechtlich-wirtschaftlichen Ebene voranschreitenden Vereinheitlichungspolitik (Kleinsteuber 1990). Spätestens seit der Verabschiedung der Maastrichter Verträge sind jedoch zunehmend Diskurse über die Bestimmung einer europäischen Identität zu vernehmen. Vor allem angesichts der bevorstehenden Erweiterung der EU gewinnen kultur-, mitunter identitätsbezogene Fragestellungen, also die Problematisierung von Kultur deutlich an Konjunktur. Es wird dabei insbesondere nach denjenigen normativen und verhaltensstrukturierenden Ordnungsvorstellungen gefragt, die als Bezugsrahmen zur Bestimmung einer gemeinsamen europäischen Identität von Bedeutung sein können.

Die Formel, die seitdem als mögliche Antwort auf solche Fragestellung kursiert, ist die der „Einheit in der Vielfalt”.2 Angesichts dieser Formel ist zunächst einmal festzuhalten, dass sie zum einen nach den normativen und institutionellen Bedingungen einer politisch voranschreitenden europäischen Integration fragt, zum anderen aber insgesamt davon ausgeht, dass Kultur die dezentrale, regionalistische und „chaotische” Gegenwelt zum sich vereinheitlichenden Binnenmarkt darstellt. Auf europäischer Ebene kann man eindeutig von einem „Polytheismus der Werte” ausgehen. Dieser besondere Charakter der europäischen Kultur wird gerade an der Vielfalt der Sprachen, der Ausdrucksformen, der künstlerischen Leistungen, aber auch der Wahrnehmungen, der Denkweisen und -muster manifest.

Aufgrund oberer Erkenntnisse erfolgt die Auseinandersetzung mit den Dimensionen einer europäischen Identität innerhalb dieses Beitrags aufgrund folgender Prämissen: Die erste Prämisse wird vom wissenssoziologischen Identitätsbegriff gestellt, wonach Identität nicht etwas substantielles, sondern etwas relationales und prozesshaftes darstellt. Identität stellt somit keine analytische, sondern eine zu erklärende Kategorie dar. Europäische Identitätsbildung wird zum zweiten an eine kritische Demokratietheorie in Beziehung gebracht und zwar bezüglich derjenigen normativ-politischen Voraussetzungen, die diesen Prozess fördern und Präformen einer europäischen Bürgergesellschaft entstehen lassen können. Schließlich werden anhand einer kritischen Demokratietheorie diejenigen Prinzipien herausgearbeitet, die zur Institutionalisierung einer europäischen Identitätsbildung wesentliches beitragen könnten.

 

2. Dispute über die Dimensionen einer europäischen Identität

Wer die intellektuellen und politischen Dispute über eine europäische Identität vor dem Kopenhagener Erweiterungsgipfel 2002 aufmerksam verfolgt hat, dem kann nicht entgangen sein, dass danach Ausschau gehalten wurde, welches die Prinzipien, Konstanten, Kontinuitäten und Gleichförmigkeiten eines gemeinsamen europäischen kulturellen Erbes, einer europäischen kulturell-ideologischen Tradition sind. Die allgemeine Haltung geht in dieser Frage davon aus, dass Europa nicht etwa geographisch, sondern kulturell-historisch zu bestimmen ist (Le Goff 2000, Bergedorfer Gesprächskreis 1995). Die Konstanten einer gemeinsamen europäischen Identität werden dabei von der Antike, den griechisch-römischen Kulturmustern und der jüdisch-christlichen Tradition gestellt (Schulze 1999). Diese vielschichtigen, aufeinander bezogenen Entwicklungen, Prozesse und Strukturen lassen sich unter dem von Max Weber geprägten Begriff des „okzidentalen Rationalismus” zusammenfassen (Lipp 1994). Die Komponenten eines europäischen kulturellen Wertsystems im Sinne eines integrativen consensus omnium, müssen ohne Frage in den Grundprinzipien und Universalwerten der Antike und in der daraus abgeleiteten liberal-demokratischen, sowie humanistischen Gesellschaftsordnung verortet werden. Die Festsetzung von Wert und Würde des Menschen, von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit in Verbindung mit den demokratischen Grundprinzipien und den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit sind auf kulturell-politischer Ebene die Konstanten einer europäischen Identität. Nach Hobsbawm beispielsweise kann der eigentliche Gegenstand einer Geschichte Europas kein geographischer Raum und auch kein menschliches Kollektiv, sondern nur ein Prozess sein; ein Prozess, der das bisher beständigste spezifisch europäische Kulturerbe von der Antike bis heute hervorgebracht hat, und der als wichtigster Bestandteil einer europäischen Identität erfasst werden sollte: Das Erbe der Aufklärung. Diese Einsicht stellt innerhalb eines geeinten Europa keinen bloßen modus vivendi, sondern die Basis eines übergreifenden Konsenses dar (Hobsbawm 1996). Kulturelle Fragmentierungen, Spaltungen und Polaritäten innerhalb des europäischen Kontinents sind allgegenwärtig Innerhalb der europäischen Kultur hatten Schlüsselideen (Christentum, Humanismus, Vernunft, Wissenschaft) stets ihre Gegensätze. Im Rahmen seines Konzeptes über die Wechselwirkung zwischen vielen „Dialogiken”, die sich entweder miteinander verbunden haben oder eben im Widerstreit standen, entwickelt Morin folgende Paarungen: „Religion/Vernunft; Glaube/Zweifel; mythisches Denken/kritisches Denken; Empirismus/Rationalismus; Existenz/Idee; das Spezielle/das Universale; Problematisierung/Neubegründung; Philosophie/Naturwissenschaft; humanistische Bildung/naturwissenschaftliche Bildung; alt/neu; Tradition/Evolution; Reaktion/Revolution; Individuum/Kollektivität; Immanenz/ Transzedenz; Hamlet/Prometheus; Don Quichotte/Sancho Panza; etc.” (Morin 1985: 126).

Eisenstadt stellt fest, dass „die ständige Konstitution vielfältiger, häufig konkurrierender Gemeinschaften, von denen jede das Recht für sich in Anspruch nimmt, diesen weiten (europäischen) kulturellen Rahmen am besten zu repräsentieren, ein Markenzeichen europäischer historischer Erfahrung (ist)” (Eisenstadt 1999: 374). Zieht man beispielsweise die religiöse Kultur als zentrale institutionalisierte Ordnungsvorstellung heran, so wird deutlich, dass sowohl die über längere Zeiten dominanten Konfessionsmuster als auch die Divergenz der Struktur der religiösen Kultur historisch bedingte kulturelle Differenzen und Wertmuster bzw. verhaltens- und einstellungsspezifische Unterschiede hervorgerufen haben (Pickel 1996). So sind die daraus entstandenen dauerhaften Kulturlinien und soziokulturellen (Wert-)Muster variabel (Zuhlener, Denz 1993). Gerade die konfessionelle Heterogenität Europas schuf die Bedingungen für religionskulturelle Unterscheidungsdiskurse, die zu jeweils bestimmten kollektiven Repräsentationen und symbolischen Vorstellungen und letztlich zu einem Abgrenzungsverhalten führten (Kahlscheuer 1996, Schilling 1996).

Anstrebungen die kulturelle Identität Europas zu bestimmen, führen unentwegt zur Erkenntnis, dass „Europa sich einfachen Definitionsversuchen entzieht. Zu kompliziert und zu widersprüchlich sind die historischen Entwicklungslinien; zu vielschichtig sind die Ergebnisse, zu vielfältig die politischen und kulturellen Faktoren, als dass man dies alles auf einfache, plakative Formeln verkürzen könnte” (Weidenfeld 1985: 13). Ralf Dahrendorf konstatiert seinerseits, Europa sei eine Kopfgeburt (Dahrendorf 1990). Angesichts der offensichtlichen Schwierigkeit einer europäischen kulturellen Identität inhaltlich zu erfassen, führt kein Weg an einer methodologisch-terminologischen Trennungslinie zwischen den Begriffen „Europa” und „Europäische Union” vorbei. Europa mag wohl als Idee durch die Jahrhunderte europäischer Geschichte hinweg existiert haben, als Topos einer gemeinsamen kulturellen Identität aber existiert es sicherlich kaum.

Bei der Erläuterung der Problematik „Europäische Union” stellt sich die grundsätzliche Frage, ist denn die Europäische Union überhaupt auf eine gemeinsame Identität angewiesen? Die Maximierung des gegenseitigen Nutzens innerhalb der verschiedenen institutionellen Formen, die die europäische Systemintegration in den letzten 50 Jahren erfahren hat – Montanunion, Europäische Gemeinschaft, Europäische Union – hat zugegebenermaßen auch ohne die Vorgaben einer europäischen kulturellen Identität funktioniert. Es mag zwar sein, dass der Vergemeinschaftungsgrad bzw. die Vereinheitlichung innerhalb dieser institutionellen Formen sehr unterschiedlich ausfällt, doch stellt die Europäische Union den bis dato günstigsten Bezugsrahmen für den Prozess einer Identitätsbildung dar. Selbst sie ist aber weit davon entfernt „einen umfassenden und finalen Bezugspunkt zur Herausbildung einer kollektiven europäischen Identität (zu bieten)” (Lepsius 1999: 208).

Die Europäische Union betrachtet sich selbst dennoch nicht als eine institutionelle Realität, die ihre Existenz ausschließlich ökonomischen, strategischen, usw. Erwägungen verdankt. Das „europäische Kulturabkommen” von 1954, die „Erklärung zur europäischen Identität” von 1973 – von den Rahmenbedingungen ganz zu schweigen, die auf die Bewahrung und gemeinsame Verwaltung des europäischen kulturellen „Erbes” hinauslaufen und darüber hinaus in relevanten Förderungsmaßnahmen ihren Niederschlag finden – wollen an den Tag legen, dass verwaltungsspezifische Regelungen, die beispielsweise den Butterpreis, die Fischfangquoten, den berühmt-berüchtigten Krümmungsradius der EG-Banane, die genaue Normung des „Euro-Apfels” oder die Ausgleichszahlungen im Rahmen von Kohäsionsfonds betreffen, nicht das primum movens europäischer Systemintegration darstellen (Rüttgers 1998, List 1999). Jean Monnet selbst soll gesagt haben: „Wenn ich es noch einmal zu tun hätte, so würde ich mit der Kultur anfangen” (aus Buchheim 2000:18).

Im Vertrag über die Europäische Union (1992) kommt die Absicht zur Geltung eine europäische Identität als außenpolitische Selbstbehauptung institutionell zu verankern. Die Frage nach einer europäischen Identität spielt sowohl in der Präambel des Vertrags als auch in den Artikeln 2 und 6 eine zentrale Rolle. Es liegt auf der Hand, dass sowohl dieses Dokument als auch die weiter oben genannten Dokumente, die Stellung zur europäischen Identität nehmen oder sie thematisieren, die Absicht verfolgen den Handlungshorizont der EG/EU als eigenständiges Ganzes sowohl innerhalb Europas als auch innerhalb der weltpolitischen Arena zu definieren.

Die Europäische Union möchte auch nach innen Identität vermitteln. Sie will von den Bürgern akzeptiert und legitimiert werden. Europäische Identität sollte als eine neue (kollektive) Dimension verstanden werden, um Nationalismus und Rassismus in Europa zu überwinden, ohne dabei in puren Ökonomismus und Institutionalismus zu verfallen (Pfetsch 2001). Das vorgegebene Ziel ist dabei deutlich: eine europäische politische Union. Angesichts dieser Zielsetzung wird die Frage nach der „Einheit in der Vielfalt” erst recht relevant. Denn dies bedeutet den Übergang vom Modell einer institutionellen, ökonomisch-rechtlichen zum Modell einer vernetzten und dezentralen Integration, die vor allem kulturell zu bestimmen ist.

Es ist gerade in dieser Hinsicht jedoch darauf hinzuweisen, dass der stark ausgeprägte technokratisch-bürokratische Charakter der EU die Bestimmung einer sozio-kulturellen Symbolik erschwert. Es fehlt namentlich derjenige gesellschaftliche Erfahrungs-, Handlungs- und Orientierungszusammenhang, d.h. diejenigen symbolisch ausgeformten kulturspezifischen Weltbilder, die in einem wissenssoziologischen Sinne die Subjekte dazu befähigen, sich gemeinsame Normen, Regeln, Rollen, zu bewältigende Aufgaben und Bewältigungsroutinen anzueignen (Schröer 1997). Trotz der stark mythologisierenden Darstellung Europas als wertegemeinschaftliche, gemeinschaftsidentitäre „politische Religion” und trotz einer gewissen Ritualisierung von Prozessen ist der Versuch zur künstlichen Erschaffung einer sowohl formalen als auch inhaltlichen europäischen Symbolik – europäische Fahne, Hymne, Europapass, EU-Führerschein, europäische Veranstaltungen, gemeinsame Währung, usw. – eher als oberflächlich und von einem substantiellen gemeinsamen Handlungs- und Orientierungszusammenhang weit entfernt zu beurteilen (Walkenhorst 1999).

Denn erfasst man Kultur als Programm, dann sind Riten, Symbole usw. nicht an sich wichtig, sondern ihre Interpretation und Bewertung in kognitiv-normativ-emotionalen Bezugsystemen (Schmidt 1999). Diese Bezugssysteme sind, wie bereits weiter oben erwähnt, innerhalb der Europäischen Union mangelhaft ausgestattet. Die bloße institutionelle Einführung einer gewissen Symbolik auf der Basis einer „Information” nützt in dieser Hinsicht nicht viel: Denn es fehlen die Vorstellungen und Ideen. Identifikationen produzieren Einstellungen, bloße „Informationen” erzeugen keine Ideen.

 

3. Das relationale und prozesshafte Verständnis einer europäischen Identität

Kommt man nun zu einer Gesamteinschätzung bedeutender Wesenszüge der Argumentationsweisen über das Fundament einer europäischen Identität, so geht es um den Versuch, gesellschaftliche Kollektivierung auf einer nunmehr supranationalen Ebene anhand von gemeinsamen Merkmalen zu konstruieren, d.h. primordial homogene Räume zu schaffen (Münch 1999). Dabei wird oft vergessen, dass nicht Einstellungen Identitäten, sondern Identitäten Einstellungen hervorbringen (Lilli 1998).

Oppositionell zu dieser maximalistischen Haltung wird dagegen behauptet, dass „Europas kulturelle Identität nicht allein in der Vielfalt zu suchen sei, sondern und sogar mehr noch in der Konfrontation von aufrechterhaltenen Spannungen zwischen Gegensätzen” (Buchheim, 2000 S. 18-19). Daher sei nicht nach einer dialektischen Zauberformel zur primordialen Synthese einer europäischen kulturellen Identität zu suchen, sondern nach einem Zugang zur Problematik, den man unter dem Begriff der „Dialogik” zusammenfassen kann. Während nach einer dialektischen Begründbarkeit der Identität, Selbst- und Andersheit, als eine unauflösliche Einheit gedacht werden (Dethloff 1993), sind es einer dialogischen Verstehensweise zufolge gerade gegensätzliche, reflexive, transfunktionale und plurale Prinzipien, die Europa in gewissem Sinne „kulturgenetisch” ausmachen. Dialogik bedeutet somit weniger Begründung, Beweisführung und Konklusion, sondern vielmehr Austausch, Verkehr, Gegenseitigkeit und Entgegenkommen, ja letztendlich lebendige und schöpferische Unruhe (Morin 1991, Lipp 1994). Dialogisches Verhältnis zwischen den einzelnen Bestandteilen des europäischen Integrationsprozesses bedeutet somit, dass diese sich verändern, wandeln, sich stets in Bewegung befinden. Stellt die Modellvorgabe eines dialektischen Verhältnisses dieser Bestandteile ein teleologisches Konzept dar, so lässt dagegen das dialogische Modell den Ausgang dieses immerwährenden Interaktionsprozesses offen. So muss die aktuelle Frage der Realisierbarkeit der Formel „Einheit in der Vielfalt”, die unmittelbar mit der Ausformung eines Europas der Bürger zusammenhängt, in entscheidendem Maße erweitert werden: „Der europäische Genius liegt nicht nur in der Vielfalt und im Wandel, sondern im (Wechselverhältnis) dieser Vielfalt..., (im) befruchtende(n) Aufeinandertreffen von Unterschieden, Antagonismen, Konkurrenzen und Komplementaritäten” (Lipp 1994: 622). Infolgedessen wird die Ansicht vertreten, dass eine Homogenisierung der kulturellen Identität für die Europäische Union nicht erforderlich ist (Lepsius 1999). Es genügt eine Vermittlung der Wertbeziehungen einzelner nationaler Kulturen. Eine europäische praxisbezogene Kulturpolitik kann daher nur als „Übersetzungspolitik” verstanden werden.

Schwengel plädiert für eine offene Definition des Selbst als Macht- und Identitätsquelle. Er übernimmt den von Morin stammenden Begriff unitas multiplex als Bezeichnung für einen ureuropäischen Pluralismus und hebt in seinem Konzept der europäischen Identität als Machtbildung, als anthropologische Basis der Europäisierung die Ambivalenzerfahrung und zwar als differenzierte und vitale Macht- und Identitätsbildung hervor. Die Aneignung der kulturellen europäischen Ambivalenzerfahrung entsteht dabei „nicht im Kontext theoretischer Welten, sondern in Schulen und Lehrbildung, Universitäten und politischer Öffentlichkeit” (Schwengel 2000:78).

Sobald die post-nationale Identität ihre Legitimität nicht mehr von der nationalen Geschichte oder von einer vermeintlich vorgegebenen nationalen Identität bezieht, sondern von der Gesellschaft, fällt die Nation mit der „societé” zusammen. Sie muss Werte hervorbringen und nicht den Staat als bloßen Verteiler und Verwalter betrachten. Darin besteht die Funktion der politischen Öffentlichkeit im Sinne Habermas´: Eine republikanische Gesinnung hervorzubringen. Nur sie kann die Identifikation der Nation mit der Verfassung leisten und dem Verfassungspatriotismus eine sittliche Substanz geben. Eine solche Sittlichkeit zu erzeugen ist die Aufgabe der europäischen Identität. Diese Sittlichkeit hebt allerdings nicht alle Differenzen auf, sie entsteht vielmehr aus der Entzweiung, aus der Dynamik der Krise und der Kritik (Raulet 2000).

Es geht also hierbei und im Gegensatz zu maximalistischen Definitionsversuchen einer europäischen Identität nicht darum, wie sich kulturelle Identität durch Annäherung und Assimilation oder durch Abgrenzung entstehen ließe, sondern darum wie die Bewertung der Differenzen zwischen heterogenen Kulturen, denen wir unsere eigene Identität verdanken, in der Zukunft ausfallen wird. Diese Identität wird eine stets neu zu konstruierende Identität sein müssen (Schmidt 1999). Die entscheidende Frage der europäischen Zukunft wird somit sein, wie viel und welche Verschiedenheit durch die symbolische Markierung einer Identität innerhalb des Identischen zugelassen wird (Eder 1999). Insofern muss europäische Identität als interkulturelle praxisbezogene Dialogfähigkeit und Kompetenz erfasst werden. Zur Substanz dieses „offenen” Prozesses gehört nicht Selbstbehauptung und Kontrolle, sondern Respekt, Kooperation und Dialog. Da nicht deterministisch, lässt dieser Prozess freien Raum für geschichtliche Gestaltung und Kreativität. Nur unter dieser Voraussetzung sind innerhalb europäischer Systemintegration Institutionen zu schaffen, die die Ressource der Vielfalt erhalten, „egal ob bei Obstsorten, kulturellen Mustern oder auch politischen Herangehensweisen” (List 1999: 305).

Anhand dieser Erkenntnisse bestünde die Aufgabe einer sozialwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit kulturellen Aspekten des europäischen Integrationsprozesses insbesondere darin die statischen, monolithischen Modelle europäischer Identität zu thematisieren, sie als unzureichend, ja teilweise als irreführend zu kritisieren, weil sie Identität teleologisch auffassen, Kultur entdynamisieren und entdramatisieren, indem sie sie als ein autonom-autarkes mobile perpetuum betrachten, das ohne die Banalitäten und Zwängen des Alltags, den immerwährenden Input-Output-Prozess bestehen kann. Sie hat in Bezug auf kulturelle Aspekte des europäischen Integrationsprozesses nicht in Kategorien der Vereinheitlichung zu denken, da eine derart aufgefasste Vereinheitlichung Ausschließungstendenzen fördert, sondern in Kategorien der Plurivalenz, der Transfunktionalität und Rekurrenz. Kurz: Die Kulturanalyse muss letztendlich die Spannung in die Betrachtungsweise mit einbeziehen (Lipp 1994a). Sie hat aufzuzeigen, dass Identität sich nicht planen lässt, sondern sich – wenn überhaupt – aus dem wechselvollen und langwierigen Prozess eines routinisierten Konfliktalltags, aus dem Wechselspiel zwischen Konsens und Dissens erwächst, wobei sie diesen Prozess aufrecht erhält. (Giesen, 1999, Eder 1999). Sie hat aufzuzeigen, dass „civility” nicht ohne die integrierende Wirkung des Streites, „der vorläufigen Lösungen und der immer mitlaufenden Kritik” zu denken ist (Giesen 1999: 144).

 

4. Kritische Demokratietheorie und europäische Identitätsbildung

Die weiter oben skizzierten maximalistischen und primordialen Haltungen können demnach einem vorpolitischen Verständnis von Gemeinschaft im Sinne einer Schicksalsgemeinschaft zugeordnet werden, worin die gemeinsame Herkunft, Sprache und Geschichte eine wichtig Rolle spielen. Relationale, dialogische Haltungen dagegen implizieren ein politisches Verständnis von Gemeinschaft, worin kollektive Identität nur in Verbindung zum demokratischen Prozess gedacht werden kann. Im letzteren Fall hat also nicht das Volk, sondern die Republik den Vorrang (Habermas 2001).3 Die Erfahrung des demokratischen Nationalstaates hat gezeigt, dass der Kreisprozess zwischen Nationalbewusstsein und demokratischer Staatsbürgerschaft zu neuen Formen staatsbürgerlicher Solidarität geführt hat. Sie hat uns allerdings auch gelehrt, welche die empirischen Voraussetzungen es sind, die zu solchen Formen führen können. Auf den Prozess einer europäischen Identitätsbildung übertragen, wären diese Voraussetzungen: 1. Eine europäische Bürgergesellschaft, 2. eine europaweite politische Öffentlichkeit und 3. die Schaffung einer gemeinsamen politischen Kultur. Auf die Erfüllung dieser Voraussetzungen wird die Verabschiedung einer europäischen Verfassung hin zu einer möglichen föderalen Form einer künftigen politischen Union sicherlich katalysathorisch wirken. Die EU würde in diesem Fall den aus dem Nationalstaat bekannten Kreisprozess, der den demokratischen Staat und die Nation hervorgebracht hat, reflexiv auf sich selbst anwenden. Das hätte Auswirkungen sowohl was die Machtverschiebungen innerhalb des institutionellen Rahmens der EU angeht (Kommission, Rat, Parlament) als auch was die Formation einer europaweiten politischen Öffentlichkeit und Bürgergesellschaft anbelangt.

Dieser letztere Punkt wird allerdings besonders kontrovers diskutiert, wobei die Meinungen weit auseinander gehen. Er soll an dieser Stelle kurz skizziert und auf die Perspektive einer europäischen Verfassung als Rahmen zur Institutionalisierung einer europäischen Identität bezogen werden.4

Die Thematik der politischen Union ist unmittelbar mit der Frage der demokratischen Legitimation exekutiver Gewalt innerhalb der EU und darüber hinaus mit der Feststellung eines bedeutenden Demokratiedefizits ihrer Strukturen verbunden (List 1999). Am Beispiel des Nationalstaates wissen wir, dass demokratische Legitimation aus der Wechselwirkung zwischen institutionalisierten Beratungs- und Entscheidungsprozessen und informeller Meinungsbildung in der öffentlichen Kommunikation hervorgeht. Im Fall der EU wird somit der Übergang von den internationalen Verträgen, die sie konstituieren, zur nächsten Etappe einer gesetzgebenden europäischen Verfassung als äußerst problematisch eingestuft, da ein europäisches Volk, also eine Nation von Staatsbürgern, nicht vorhanden ist, das dies konstituieren könnte. Von den drei Aspekten demokratischer Legitimation (Output-, Input- und der sozialen Legitimation), ist es also die Dimension der sozialen Legitimation, die hier demnach von unmittelbarem Interesse wäre.

Soziale Legitimation gemäß der nationalstaatlichen Vorgabe ist an drei Aspekten festzumachen: an zivilgesellschaftlichen Strukturen, am Grad der gesellschaftlichen Homogenität und des kollektiven Bewusstseins. Anders als beim Nationalstaat kann nicht verkannt werden, dass aufgrund der Sprachenvielfalt, vor allem aber der Divergenz der Sinnbezugssysteme, die Herausbildung einer europäischen transnationalen Öffentlichkeit stark leidet und zu einem partizipativen Defizit bei den Unionsbürgern führt. Die Divergenz der nationalen historischen Erfahrungen, Sichtweisen, Institutionen usw. führt zwangsläufig zu mehr Heterogenität auf europäischer Ebene als dies innerhalb nationaler Gesellschaften der Fall ist.

Innerhalb dieser Diskussion reklamiert jedoch Bach in seiner Betrachtung des Legitimationsproblems der EG/EU die starke normative Bindung an nationalstaatliche Vorlagen, wenn es darum geht Demokratiedefizit innerhalb des institutionellen Rahmens der EG/EU zu beurteilen (Bach 1999). Er geht vielmehr von systemeigenen Wertbegründungen, Funktionszusammenhängen und institutionell-politischen Prozessbildungen der europäischen Integration aus. Er unterscheidet streng zwischen Legitimationsproblem und Demokratiedefizit. „Die Frage nach der Legitimität eines politischen Systems ist nicht identisch mit derjenigen nach seiner demokratischen Verfasstheit” (Bach 1999: 83). Die Basis seiner Argumentation sind zunächst Merkmale technokratischer Regime: Bedeutungszunahme der staatlichen Exekutive, Autonomisierung der administrativen Planungs- und Lenkungsinstanzen, zunehmende Bürokratisierung, Verwissenschaftlichung der Politik, Entpolitisierung der Rationalitätskriterien des Problemlösungsverhaltens der Entscheidungsträger. Sie führen unentwegt zu einem Legitimationsproblem und zwar als Prozess der Entdemokratisierung und Entpolitisierung „der parlamentarischen Demokratien infolge des Verlustes von Partizipations- und Kontrollinstanzen der Staatsbürger, sowie als Konsequenz der Substitution öffentlich-diskursiver Willensbildung durch Experten- und Beamtenentscheidungen (Bach 1999: 81). In diesem Sinne betrachtet er die EU als ein technokratisches Regime sui generis. Er geht jedoch von keiner Legitimationskrise in der EU aus. Im Gegenteil: Es herrscht Konsens über die Leitwerte der europäischen Einigung – Frieden und Sicherheit durch transnationale Kooperation, Wirtschaftswachstum durch Binnenmarktverwirklichung, Grenzabbau und Freizügigkeit. Als wichtigster Aspekt politischer Legitimation soll des Weiteren der Sachverhalt einer erweiterten, ständig wachsenden Handlungsfähigkeit der EU festgehalten werden. (Bach 1999: 85).

In Bezug wiederum auf die bisherige Beurteilung des sogenannten Demokratiedefizits, das sich auf die demokratische Legitimation der Entscheidungsprozesse innerhalb der EU bezieht, ist nach Bach ihre Prägung zu reklamieren, weil sie eben aus traditionellen politischen Legitimationsvorstellungen herrührt, die die politischen Kulturen und die Institutionenordnung der westeuropäischen Nationalstaaten prägen. Die Staatswerdung Europas wird somit mit nationalen Leitbildern konfrontiert. Außerdem verstellt das Schlagwort über das Demokratiedefizit den Blick auf die historische Einzigartigkeit des Regimes der EU. Es handelt sich, nach Bach, um eine politische Institutionenordnung sui generis (Bach 1999: 85-87). Erkennt Bach somit im europäischen Vertragswerk als Hauptinstrument und Integrationsmotor der europäischen Rechtsangleichung eine prinzipielle Prozess- und Zielorientiertheit, aus der folglich ein teleologisches Integrationsprinzip abzuleiten wäre (Bach 1999: 108), so bleibt bei ihm nichtsdestoweniger die katalysatorische Wirkung eines verfassungsgebenden Prozesses in Bezug auf die demokratische Legitimation von europäischer Integration unberücksichtigt. Gerade in Bezug auf die Herausbildung einer europäischen Bürgergesellschaft und politischen Öffentlichkeit und angesichts der bereits weitgehenden „Ver-Verbandlichung” (List 1999: 290) der EU-Politikprozesse und der Europäisierung der Verbandstätigkeit, wird ein verfassungsgebender Prozess und die dazu gehörige intergesellschaftliche Kommunikation zwangsläufig eine Verlagerung der national begrenzten soziopolitischen Aktivitäten nach Brüssel und Strassburg bewirken, woraus eine Bündelung transnationaler korporativer Interessen und partikularer Wertorientierungen entstehen könnte (Habermas 2001). Dies hätte Auswirkungen auf das Entstehen einer europäischen politischen Öffentlichkeit und Bürgergesellschaft, da die nationalen Kommunikationsräume sich füreinander öffnen würden. Aktuelle Debatten der letzten Jahre (BSE-Krise, Korruptionsvorwürfe gegen die Kommission, die Thematik Türkei) haben diese Option bereits in die Praxis umgesetzt. Die Formation einer europäischen Öffentlichkeit und Bürgergesellschaft bedarf jedoch wiederum einer gemeinsam geteilten politischen Kultur. Was sind aber die relevanten und richtungweisenden Elemente dieser Kultur und was genau bedeuten sie in dieser Gesamtkonstellation im Hinblick auf den europäischen Identitätsbildungsprozess?

Es ist in dieser Hinsicht nicht unwichtig darauf hinzuweisen, dass die genuin europäische historische Erfahrung die Erfahrung der Ambivalenz ist. Diese schmerzliche historische Erfahrung aus Konflikten, Spannungen, Konkurrenzen, Feindschaften, Rivalitäten, Brüchen und Diskontinuitäten im europäischen Kontinent in ihrer sowohl innergesellschaftlichen als auch zeitlichen Dimension hat letztendlich all diejenigen abstrakten, rechtlichen Formen der staatsbürgerlichen Solidarität, die Einrichtung eines ideologischen und politischen Wettbewerbs der Parteien und die intellektuelle Aneignung von zum Teil gegensätzlicher Traditionen: Judentum, Christentum, Antike usw., ja den Januskopf der Moderne hervorgebracht. Die europäische Identität ist aber nicht ausschließlich in den Produkten dieser Errungenschaften zu sehen, sondern vor allem im schmerzlichen Lernprozess der Produktion dieser selbst. Diese historische Erfahrung ebnet den Weg zu einer europäischen postnationalen Demokratie, innerhalb deren, wie auch immer im Detail gearteten, föderalen Strukturen (Görner 1996, Walkenhorst 1997, Hrbek 2003), sowohl die Anerkennung national-kultureller Differenzen jenseits einer bloßen Assimilation oder Koexistenz als auch die Erschaffung von immer abstrakteren institutionellen Formen der „Solidarität unter Fremden” (Habermas 2001) zu gewährleisten sind.

Eine Europäische Union, die in ihren Strukturen der conditio humana gerecht wird, kann demnach nicht ohne oder gar gegen ihre Bürger verwirklicht werden. Eine demokratische Gemeinschaft dieser Bürger wiederum kann nicht auf der Basis einer „fiktiven” historischen Identität aufgebaut werden, sondern nur auf den gemeinsamen „Zukunftsvisionen” von Menschen unterschiedlicher Kulturen, denen es bewusst ist, dass sie den historischen Verlauf gemeinsam gestalten.

 

Literaturliste

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Eichener, Volker, 2000: Das Entscheidungssystem der Europäischen Union. Institutionelle Analyse und demokratietheoretische Bewertung. Opladen: Westdeutscher Verlag

Eisenstadt, Shmuel N., 1999: Kollektive Identitätskonstruktion in Europa, den Vereinigten Staaten, Lateinamerika und Japan. Eine vergleichende Betrachtung, S. 370-400. In: Reinhold Viehoff/Rien T. Segers (Hrsg.) Kultur, Identität, Europa. Frankfurt/Main: Suhrkamp

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Anmerkungen

1

Die Ausführungen innerhalb dieses Beitrags entsprechen den bisherigen Erkenntnissen innerhalb des von der „Volkswagenstiftung” unterstützten internationalen Forschungsprojekts: „Europäische Integration und kulturelle Denk- und Wahrnehmungsmuster. Kulturelle Aspekte des EU-Erweiterungsprozesses anhand der Beziehungen EU-Türkei”, das der Autor an der Universität Konstanz durchführt.

2

Zieht man den Begriff „Einheit in der Vielfalt” zunächst einmal heran, so ist es nicht unwichtig auf seinen begrifflichen Ursprung hinzuweisen, der angesichts seines Einsatzes mit Bezug auf identitätsbezogene Prozesse von Bedeutung ist. Er impliziert die „ökologische” Interdependenz von Teilen eines gewachsenen, integralen Ganzen, so wie dies in der entsprechenden zunächst einmal aus naturwissenschaftlichen Diskursen entwickelten Auseinandersetzung der 80er Jahre manifestiert wurde (Boockhin 1985; Bateson 1983). Als zentraler Aspekt dieser weder linearen noch zyklischen Betrachtungsweise soll hier die Erkenntnis hervorgehoben werden, dass „ökologische Ganzheit das genaue Gegenteil unveränderlicher Homogenität, nämlich eine dynamische Einheit in der Vielfalt (ist). In der Natur stellen sich Gleichgewicht und Harmonie in einer sich fortwährend veränderten Differenzierung, in einer sich dauernd ausbreitenden Vielfalt her. Ökologische Stabilität ist nicht die Funktion von Einfachheit und Homogenität, sondern von Komplexität und Vielfalt. Die Fähigkeit eines Ökosystems, seine Integrität zu wahren, hängt nicht von der Einförmigkeit seiner Umgebung ab, sondern von ihrer Vielfältigkeit” (Boockhin 1985: 37).

3

Die Ausführungen innerhalb dieses Abschnitts beziehen sich auf diesen Text. Siehe auch Habermas 1994 S. 643 ff.

4

Es wird hierin die auf den Habermasschen diskurstheoretischen Öffentlichkeitsbegriff gestützte These von Eder/Kentner übernommen, wonach eine Öffentlichkeit erst dann besteht, wenn zur gleichen Zeit die gleichen Themen unter gleichen Relevanzgesichtspunkten kommuniziert werden. Auf der Basis dieser Prämisse wäre eine sich formierende europäische Öffentlichkeit durchaus zu beobachten (Eder und Kantner 2001). Eine skeptischere Haltung gegenüber einer sich bereits formierenden europäischen Öffentlichkeit vertritt Gerhards, siehe Gerhards 2001.