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Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 7:95–102.

ATTILA KOVÁCS

Ungarn und die Europäische Union

Bericht über ein Kooperationsprojekt

 

„Europa stellt die Weichen für seine Zukunft” – schreibt Werner Weidenfeld in seinem Europa-Taschenbuch.1 Im Zuge dieser Weichenstellung nimmt die Osterweiterung der Europäischen Union zweifelsohne eine Schlüsselposition ein. Zu einer erfolgreichen Durchführung des erweiterten Integrationsprozesses sollten unzählige Informationen über die Beitrittskandidaten aufgetrieben und vernünftig analysiert werden. Ohne die Heranziehung osteuropäischer Experten ist das Ausklügeln plausibler Erweiterungsszenarien kaum vorstellbar.

Auch diese Erkenntnis muss bei der Programmplanung der Bertelsmann Wissenschaftsstiftung (Gütersloh) mitgespielt haben, auf deren Initiative im Januar 1996 ein Kooperationsprojekt mit der Federführung der Forschungsgruppe Europa (München) und unter aktiver Mitwirkung des Europa Instituts Budapest ins Leben gerufen wurde. Im Rahmen des Vorhabens sollten durch systematische Zusammenarbeit der Projektpartner Berichte und Analysen über die Vorbereitung der Visegrád-Staaten auf einen EU-Beitritt erstellt werden. An dem Projekt sind folgende Institutionen beteiligt:

– Forschungsgruppe Europa (beim Geschwister-Scholl-Institut an der
Ludwig-Maximilians-Universität, München)

– Center for Economic and Social Analyses (Preßburg)

– Europa Institut (Budapest)

– Institut für Weltwirtschaft (Budapest)

– Institute for International Relations (Prag)

– Zentrum für Forschung und europäische Bildung (Posen)

Das Europa Institut legt im Rahmen des Unterfangens Monatsberichte und Quartalexpertisen zu verschiedenen politischen Integrationsfragen vor. Im Zuge des seit über 2 Jahren laufenden Kooperationsprojektes wurden in den Monatsberichten u.a. Themen wie Sicherheitspolitik, sozialpolitische Probleme, Verhältnis der politischen Parteien zum europäischen Integrationsprozess, Angleichung der ungarischen Bildungs- und Wissenschaftspolitik usw. behandelt.

Auf einer Arbeitssitzung im September 1996 in München wurde von den Projektpartnern eine vierteljährliche Erstellung von ausführlicheren Analysen zu den folgenden Problembereichen vereinbart:

– Stand der Rechtsangleichung, Strategie zur Beschleunigung des Prozesses;

– Bankensystem, Kapitalmarkt, Finanzsektor;

– Gesundheits-, Renten- und Erziehungswesen, Beschäftigungspolitik,
Soziale Sicherheit;

– Agrarsektor: Subventionen und Protektion, Entwicklungskonzepte;

– Wettbewerbsfähigkeit, struktureller Wandel, Industriepolitik;

– politischer Wille zum Souveränitätsverzicht, nationale Beitrittsstrategie, Interessengruppen.

Zur Festlegung aktueller Schwerpunkte innerhalb des gemeinsamen Vorhabens fanden sich die Vertreter der beteiligten Institutionen im Juli 1997 in Posen zu einer weiteren Tagung zusammen. Die nunmehr zur Tradition gewordene Jahresbesprechung findet demnächst im Juni 1998 in Budapest statt, wo die Bestimmung mittelfristiger Aufgaben auf der Tagesordnung steht.

Der nachstehende (in leicht gekürzter Fassung präsentierte) Monatsbericht wurde im Rahmen des Kooperationsvorhabens im März 1996 erstellt. Zu berücksichtigen ist daher, dass die im Text angegebenen Daten und Fakten an manchen Stellen nicht mehr dem aktuellsten Stand entsprechen.

 

Formen der grenzüberschreitenden Kooperation in Mittel- und Osteuropa aus ungarischer Sicht

Nach dem Umbruch ergaben sich in Mittel- und Osteuropa – so auch für Ungarn – neue Möglichkeiten zur regionalen Kooperation. Mit dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes und des RGW entstand in der Region ein sicherheitspolitisches und wirtschaftliches Vakuum: Es entstanden neue Staaten, welche bald auch – nach der Herausbildung ihrer parlamentarischen Demokratien und der Verhältnisse der eigenen Marktwirtschaft – ihre außenpolitischen- und wirtschaftlichen Prioritäten deutlich zum Ausdruck brachten. Es stellte sich klar heraus, daß diese Länder selbst nach dem Scheitern des früheren, von der Sowjetunion gesteuerten Kooperationsmodus einer politisch-wirtschaftliche grenzüberschreitende Zusammenarbeit unter gar keinen Umständen entbehren können. Nunmehr galt es, das auf demokratischer Basis umgestaltete Kontaktsystem mit neuen Inhalten zu füllen. Im Vordergrund steht zwischen den einzelnen Staaten der Region die Erweiterung der Wirtschaftskontakte, die nach der Auflösung des RGW ihren Tiefpunkt erreichten. Die aktuellen Annäherungsversuche werden zwar häufig durch heftige Debatten begleitet, doch mögen bestimmte Faktoren zur Lösung verhelfen, wie etwa die geopolitische Zusammengehörigkeit, die daraus folgende gemeinsame Vergangenheit und ihr kulturelles Erbe, und nicht zuletzt die ähnlich klingenden Zielformulierungen im Rahmen des europäischen Integrationsprozesses. Wie schon angedeutet, unterscheidet sich das neue System der mitteleuropäischen regionalen Zusammenarbeit in einem wesentlichen Charakterzug vom Vorgängermodell: Diesem liegt nämlich kein einheitlicher politischer Block zugrunde.

Die regionale Zusammenarbeit wird dadurch beeinträchtigt, dass die Länder der Region auf den internationalen Märkten – aufgrund der Vorgängerwirtschaftsstrukturen – eher konkurrierend als ergänzend agieren. Einen negativen Einfluss können auf ein erfolgreiches Zusammenwirken auch die – vermeintlichen oder realen – Probleme und Interessen rein örtlichen Charakters, Misstrauen, Minderheitenkonflikte und die unterschiedlichen konzeptionellen Vorstellungen über eine mögliche Kooperation nehmen. Zur Beseitigung der stabilitätsschwächenden Risiken – wirtschaftliche und soziale Spannungen, Migration, Fremdenhass, Nationalismus, Umweltprobleme oder unentwickelte Infrastruktur – sollten die Staaten der Region gemeinsame Lösungsalternativen entwickeln und bei der praktischen Umsetzung im Einvernehmen agieren.

Für Ungarn erweist sich die Problematik des Regionalismus nach wie vor als lebenswichtig. Mit Recht stellt sich jedoch die Frage: Warum bedarf man einer engeren regionalen Zusammenarbeit, wenn alle Ex-Blockländer ohnehin einen EU-Beitritt anstreben? Die ungarische politische Führung ist der Auffassung, dass das regionale Zusammenwirken unter gar keinen Umständen mit einer möglichen EU-Mitgliedschaft alternieren sollte. Ungarn setzte sich in puncto EU langfristige, strategische Ziele, so werden diese im gewissen Sinne den regionalen Bestrebungen vorgezogen. Doch in Wirklichkeit wird der doppelte Anspruch auf eine Eingliederung ins gemeinschaftliche Europa einerseits und ein (multilateralen Regionalbeziehungen andererseits erhoben. Der Regionalismus könnte durch seine stabilisierende Komponente dem europäischen Integrationsprozess zugutekommen. Den regionalen Zusammenschlüssen sollte man allerdings keine überdimensionierte Bedeutung zuschreiben oder jene sozusagen als einen „EU-Ersatz” betrachten.

In Ostmitteleuropa handelt es sich aus ungarischer Sicht im Wesentlichen um drei – einander in mehreren Punkten überlappende – Kontaktebenen der regionalen Zusammenarbeit:

a) Die von Regierungen der Regionsländer ins Leben gerufene Mitteleuropäische Initiative (CEI, Central European Initiative), als eine umfassende Kooperationsform

b) Die Visegrád-Staaten und die CEFTA (Central European Free Trade Agreement), eine sich auf der Basis ähnlicher Entwicklungsgrade und Zielsetzungen zusammengeschlossene engere Gruppierung

c) Die Modalitäten der regierungsunabhängigen, subregionalen Zusammenarbeit (Arbeitsgemeinschaft Alpen–Adria /Alps–Adriatic Working Community/, Euroregion Karpaten /Carpathian Euroregion/)

a) Die CEI

Der Vorläufer der Mitteleuropäischen Initiative, die sog. Quadragonale wurde 1989 gegründet, von dem NATO-Mitglied Italien, dem Warschauer Pakt-Mitglied Ungarn, dem neutralen Österreich und dem unabhängigen Jugoslawien. Dabei war natürlich in erster Linie von wirtschaftlichen Kontakterweiterungen die Rede. Doch bald setzten in der Region solche historischen Ereignisse ein, die diese seltsame – doch beispielhafte – Kooperation neugestalteten: Seit der Auflösung der Bundesstaaten Jugoslawien und Tschechoslowakei, ferner nach dem Beitritt Polens zählt die Organisation 10 Mitglieder (Italien, Österreich, Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Tschechien, Slowakei, Polen und Ungarn).

Von ungarischer Seite wird die möglichst baldige Aufnahme der assoziierten Länder (Rumänien, Bulgarien, Albanien, die Ukraine und Weißrussland) befürwortet. Ungarn betrachtet die CEI als Forum der Erörterung grenzüberschreitender politischer Probleme und der Verwirklichung auf gegenseitigen Vorteilen beruhender Wirtschaftsprojekte. Man hat sich mit der Hauptzielsetzung der CEI identifiziert; einer Stellungnahme der Organisation nach kommt es darauf an, sich auf die Integration optimal vorzubereiten und die eigenen Aktivitäten „eurokonform” zu gestalten. Zu einer höheren Effizienz der Vereinigung wird auch eine vor kurzem eingerichtete Zentrale beigetragen haben: Seit dem 15. März 1996 betreibt die CEI ein eigenes Informations- und Dokumentationszentrum in Triest (CEI Information and Documentation Centre).

In den folgenden Bereichen wurden – unter besonderer Berücksichtigung der EU-Integrationspläne – bereits zahlreiche Projekte und Sonderprogramme initiiert: Infrastrukturentwicklung, Umweltschutz, Energetik, Informatik, Landwirtschaft und Rechtsangleichung. Auf ungarischen Vorschlag wurden weitere Vorhaben in Gang gesetzt, wie etwa ein umfassendes Entwicklungsprogramm der CEI-Region (CEI 2010), ein verkehrsstatistisches Projekt (CETIR, Central European Transport Information Reporting), Programme zur Förderung von kleinen und mittelständischen Unternehmen ferner ein Fachausbildungsprogramm. Immer häufiger finden sich Vertreter der zuständigen Fachministerien zu Koordinierungsgesprächen zusammen, es werden Expertenpools gebildet, unter Heranziehung von Sachverständigen aus der EU-Kommission, der OECD und großen europäischen Geldinstituten. Zur Vorbereitung und Betreuung von Einzelprojekten nahm das EBRD–CEI-Projektsekretariat seine Arbeit – aufgrund einer bis heute gültigen Vereinbarung zwischen CEI und EBRD – bereits 1992 in London auf.

Auch die „humane Dimension” der CEI (Minderheitenrechtschutz, Jugendpolitik, kulturelle Beziehungen) sollte besser ausgebaut werden. 1994 wurde auf die Initiative von Italien und Ungarn das CEI-Dokument für Minderheitenschutz erarbeitet, das auch mit den Normen des Europarates im Einklang steht. Auch Themen wie Bekämpfung von Fremdenhass oder die Lösung der Roma-Frage sind regelmäßig auf der Tagesordnung zu halten. In die zuständigen Arbeitsgruppen sollten dem ungarischen Standpunkt nach auch die Experten der assoziierten Länder (so auch Rumäniens) eingeladen werden. Die sich unter ungarischem Vorsitz betätigende Arbeitsgruppe Migration unterhält stetige Kontakte zu den entsprechenden internationalen Organisationen. Von CEI werden über internationale Regierungsprojekte hinaus auch grenzüberschreitende Kontaktierungsvorhaben von kommunalen Selbstverwaltungen und Zivilorganisationen gefördert.

Ungarn nimmt aktiv an der Arbeit der parlamentarischen Dimension der CEI teil, wo sich für den Meinungsaustausch der Gesetzgeber nach wie vor gute Gelegenheiten ergeben.

Die Zusammenarbeit der Vorsitzenden der Handels- und Wirtschaftskammern wird von einem in Triest eingerichteten Zentralbüro koordiniert (CEI Chambers of Commerce Secretariat).

Für die Hilfsaktionen zum Wiederaufbau in Kroatien und Bosnien-Herzegowina wurde mit der Teilnahme Ungarns eine ständige CEI-Arbeitsgruppe gebildet.

b) Die Visegrád-Staaten und das CEFTA

Auf dem 1991er Gipfeltreffen in Visegrád (Ungarn) einigten sich die Regierungen Polens, Ungarns und der Tschechoslowakei auf eine neugesinnte regionale Zusammenarbeit. Als Ziel der Teilnehmer wurde formuliert, einander bei der demokratischen Umgestaltung, der Einführung der Marktwirtschaft, der Vorbereitung auf die europäische Integration gegenseitige Hilfe zu leisten. Die seit der Gründung der beiden Nachfolgestaaten der ehemaligen Tschechoslowakei und dem Beitritt Sloweniens fünf Mitglieder zählende „Visegrád-Gruppe” hat trotz einiger interner Meinungsverschiedenheiten und Schwierigkeiten beachtliche Ergebnisse zu verzeichnen, wie etwa auf dem Bereich der außen- und sicherheitspolitischen Koordination und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Letztere wird auch durch die 1992 in Krakau angenommene Gründungsurkunde des CEFTA gekennzeichnet.

Für Ungarn stellt das Mitteleuropäische Handelsabkommen (CEFTA) ein entsprechendes Forum zur Handelsliberalisierung und zum freien Kapitalverkehr dar, wobei jedoch seiner Einschätzung nach die Voraussetzungen für die freie Bewegung der Arbeitskräfte vorerst nicht gesichert sind. Ungarn befreite zugunsten seiner Partner ca. 80 % der Industrieerzeugnisse von der Zollpflicht – vereinbarungsgemäß – ab dem 1. Januar 1996. Auf Gegenseitigkeitsbasis ist es ferner bereit, die Zollsätze einzelner Produkte stufenweise zu vermindern und – laut Vereinbarung – bis zum Jahre 2001 völlig abzubauen. Man hat darüber hinaus im Rahmen eines Abkommens über die Liberalisierung der Agrarmärkte seit dem 1. Januar 1996 die adäquaten Zölle um 50 % verringert.

Ungarn ist zufrieden mit den Ergebnissen innerhalb des CEFTA, sein Warenhandelsvolumen mit CEFTA-Partnern zeigt höhere Zuwachsraten als jenes in sonstigen Relationen. In diesem Zusammenhang konnten seine Handelspassiva den Abkommensländern gegenüber verringert werden (1994: 330 Mio. $). Der Anteil der Partnerstaaten an seinen Gesamtaußenhandelsaktivitäten erreichte im Vorjahr ein Niveau von 6 %, und seine Ausfuhr in CEFTA-Länder erhöhte sich im ersten Halbjahr von 1995 um 33 %.

Die ungarische Regierung befürwortet die Erweiterung des CEFTA und setzt sich für die Schaffung der dazu erforderlichen rechtlichen Voraussetzungen – z.B. durch bestimmte Änderungen des Abkommens – ein. 1994 wurde auf dem Posener Gipfel über die Aufnahme Sloweniens entschieden, und es wurde nach der Erfüllung der vereinbarten Kriterien am 1. Januar 1996 als Vollmitglied anerkannt. Als mögliche Anwärter auf eine CEFTA-Mitgliedschaft sind zurzeit die baltischen Staaten, Bulgarien und Rumänien im Gespräch.

Auf die Initiative Ungarns trafen die Finanzminister der CEFTA-Mitgliedstaaten am 13.–14. Januar 1996 in Budapest zusammen, wo Gespräche über die Beziehungen zu OECD und verschiedenen internationalen Geldinstituten stattfanden, und auch die aktuellen Fragen der EU-Eingliederung erörtert wurden.

Es wird, wie erwähnt, von ungarischen Regierungskreisen immer wieder betont, dass für Ungarn seine CEFTA-Mitgliedschaft keineswegs als Alternative zur EU-Integration anzusehen sei und jegliche Form der Institutionalisierung seiner Handels- und Wirtschaftsbeziehungen strikt abgelehnt werde.

Eine fruchtbare Zusammenarbeit verspricht die Vereinbarung zwischen zwei Visegrád-Ländern und einem frischgebackenen EU-Mitglied: Im Juni 1995 unterzeichneten die Regierungschefs der Slowakei, Ungarns und Österreichs eine gemeinsame Erklärung über regionale Kooperation, die in ihren Schwerpunkten (Wirtschaft, Außen- und Sicherheitspolitik, innere Sicherheit) der EU-Praxis naheliegt. Im Rahmen des Abkommens sollten u.a. Wirtschaftsprojekte unter Hinzuziehung von Vertretern der Kommunen und Zivilorganisationen ausgeführt werden. Besondere Priorität genießt die umfassende regionale Entwicklung des Dreiecks Wien–Bratislava–Győr. Es wurden bereits Expertengruppen gebildet: Als erste von denen tagte die Arbeitsgruppe für Außen- und Sicherheitspolitik in Budapest. Bei dem Gründungstreffen des Expertenpools für innere Sicherheit wurden die Themen der trilateralen Zusammenarbeit wie folgt skizziert: Kontrolle und Sicherheit der Staatsgrenzen, Bekämpfung der organisierten Kriminalität, Zivilschutz und Katastrophenabwehr. Bald setzt sich auch das für die Wirtschaftsfragen zuständige Team zusammen.

c) Regierungsunabhängige, subregionale Initiativen

Die Verfassung Ungarns und das Selbstverwaltungsgesetz schufen den Kommunen einen weiten Spielraum im Hinblick auf die subregionale Kooperation. 1994 wurde vom ungarischen Parlament die Europaratskonvention von Madrid über die grenzüberschreitende Kooperation ratifiziert (European Outline Convention on Transfrontier Cooperation between Territorial Communities or Authorities). Die neuen Kontakte (Fachprojekte der kurz- und mittelfristigen Zusammenarbeit, Partnerschaften von Gemeinden) kommen der Lösung von Minderheitenproblemen, der Spiritualisierung von Staatsgrenzen, der Belebung des örtlichen wirtschaftlichen Kreislaufs – kurzum: dem Integrationsprozeß2 – zugute. Dabei hat man jedoch gleichzeitig einigen, den reibungslosen Kontaktausbau hemmenden Problemen ins Auge zu sehen: Bei manchen Partnern wird nicht einmal die Minimalvoraussetzung der Interessenabstimmung zwischen Regierungs- und örtlichen Instanzen erfüllt; bestimmte alteingefleischte politische Reflexe sind vielerorts schwer aus der Welt zu schaffen; auch der unterschiedliche wirtschaftliche Entwicklungsgrad – so notwendigerweise auch das verschiedenartige Verständnis komparativer Vorteile – und Projektfinanzierungsengpässe3 sind als typische Schwachpunkte zu betrachten.

In Form von örtlichen Initiativen – 14 der ungarischen Komitate liegen in Grenzgebieten – beteiligt sich Ungarn an der Euroregion Karpaten4 und der Arbeitsgemeinschaft Alpen–Adria. Im Rahmen des letzteren Vorhabens entstanden eine Reihe von Städte- und Komitatspartnerschaften zwischen (zumeist west-) ungarischen und meistens deutschen, österreichischen, italienischen und französischen Gemeinden (nicht zu vergessen wäre jedoch, dass selbst vor dem politischen Umbruch zahlreiche partnerschaftliche Kontakte mit westeuropäischen Kommunen geknüpft wurden, was unter anderem auch den verwandtschaftlichen Beziehungen der Ungarndeutschen zu verdanken war).

Als Folge der Balkankrise wurden die Beziehungen zur Vojvodina (Jugoslawien) auch auf Selbstverwaltungsebene abgebrochen. Zurzeit bemüht man sich um die Wiederbelebung einer einst fruchtbaren subregionalen Zusammenarbeit. Zwischen rumänischen und serbischen Selbstverwaltungen wurden mit Verhandlungen über die Möglichkeiten einer regionalen Kooperation des Donau–Mieresch–Theiß-Gebietes angefangen. An dem Projekt nähmen voraussichtlich die Vertreter der Komitate Békés, Bács-Kiskun, Csongrád und Szolnok (Ungarn); Arad und Temes (Rumänien) und des Autonomen Gebietes Vojvodina teil. Am 28. Februar 1996 fand in Szeged über das D-M-T-Vorhaben eine internationale Tagung statt, wo auch der Entwurf der Gründungsurkunde angenommen wurde.

Die immer wichtigere Rolle der Zivilorganisationen bei der subregionalen Kooperation bezeugt das ungarisch-slowakische Projekt über den Wiederaufbau der Donaubrücke „Mária-Valéria” zwischen Esztergom und Šturovo (ung.: Párkány), an dem sich auch die regierungsunabhängige ungarische Stiftung für Regionale Zusammenarbeit (Foundation for Regional Cooperation) beteiligt. Es wurde aus den Vertretern von örtlichen Gemeinden ein slowakisch–ungarisches Beratungsgremium einberufen, dessen Tätigkeit laufend vom Europarat begutachtet wird. Die Unterzeichnung des Europäischen Stabilitätspaktes (Pact on Stability in Europe) bot auch dem obengenannten Unterfangen neue Finanzierungschancen: Dank dieses Abkommens bekamen die Slowakei und Ungarn zum Brückenbau eine PHARE-Förderung bewilligt, und darüber hinaus wurden auch einem slowakisch–ukrainisch–ungarischen subregionalen Kooperationsvorhaben und anderen kleineren Programmen Mittel zur Verfügung gestellt.

Auf dem OSZE-Wirtschaftsforum in Prag wurden auf ungarischen Vorschlag auch die aktuellen Fragen der regierungsunabhängigen internationalen Kooperation auf die Tagesordnung genommen: Die Organisation sprach sich da erstmals für die Förderung und Weiterentwicklung diesbezüglicher Kontakte aus.

 

Schlussbemerkungen

Die ungarische Außenpolitik rechnet, wie auch aus der vorangehenden Bestandaufnahme hervorgeht, über grenzübergreifende regionale Zusammenarbeit auf Regierungsebene hinaus auch mit der unverkennbaren integrationsfördernden Rolle der internationalen Kooperationsvorhaben der Selbstverwaltungen. Diese könnten von dem jeweiligen Kabinett durch Schaffung der für die Zusammenarbeit elementaren Bedingungen, Vermittlung von Informationen, Fachberatung und nicht zuletzt durch Erschließung neuer Finanzierungsquellen gefördert werden. Dabei sollten insbesondere die mangelnden oder relativ geringeren Erfahrungen und eingeschränkten Möglichkeiten der ostungarischen Regionen (im Verhältnis zu den weiter entwickelten Westkomitaten) auf dem Gebiet der internationalen Kooperation berücksichtigt werden.

Die mit den Nachbarn abgeschlossenen bilateralen Wirtschafts-, Handels-, Finanz- und Grundlagenverträge können dem Regionalismus gute Dienste leisten. Sowohl im slowakisch–ungarischen Grundlagenvertrag als auch im Rahmen der Verhandlungen mit Rumänien kommt der Subsidiarität als Leitprinzip der zwischenstaatlichen Kooperation in den gemeinsamen Grenzregionen wichtige Bedeutung zu.

 

Anmerkungen

1

Europa von A–Z. Taschenbuch der europäischen Integration. Hrsg. von W. Weidenfeld und W. Wessels. 5. Aufl. Bonn 1995. S. 9

2

Im Hinblick auf die interregionale Komponente kam es zur Kontaktaufnahme und Kooperation auch mit anderen Regionen (wie z.B. der Regio Basiliensis, der Euroregion Maas-Rhein oder nicht zuletzt der Versammlung der Euroregionen).

3

Ein positives Element stellt angesichts der Schwierigkeiten bei der Erschließung neuer Finanzierungsquellen dar, dass durch die EU-Mitgliedschaft Österreichs bei entsprechenden Projekten Mittel der PHARE/CBC (Cross-Border Cooperation) beansprucht werden können. Das sich in seiner Vorbereitungsphase befindende PHARE-PHARE-Programm der EU wird sicherlich bessere Finanzierungschancen für Vorhaben zwischen EU-assoziierten Ländern bieten.

4

Die Euroregion Karpaten wurde 1993 nach den Plänen des Europarates mit ungarischer Teilnahme gebildet. In Uschgorod (Ukraine) wurde ein Informationsbüro eingerichtet.