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Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 25:228–230.

GÁBOR GÖRGEY

Kultusminister (2002-2003)

 

In wie weit betrachteten, bzw. betrachten Sie die Bewahrung der Minderheiten als Aufgabe der staatlichen Kulturpolitik, und welche Mittel standen Ihnen zu diesem Zweck zur Verfügung?

Die Aufrechterhaltung der kleinen Nationen liegt sowohl im Interesse der Mehrheit wie im Interesse der Minderheit. Auf dieser Weise kann die Mehrheit die potentiellen Spannungen, die sich in Folge der Niederdrückung und der auf der Oberfläche unschuldig erscheinender Gleichmut gegenüber den Minderheiten aufsammeln, am ehesten reibungslos und Kosten sparend auflösen.

Es liegt auch deshalb im Interesse der Mehrheit – besonders im Karpatenbecken -, weil das von Sankt Stephan deklarierte, und noch heute als unglaublich modern geltende Prinzip über die Kraftlosigkeit der einsprachigen Nation, und die Stärke der mehrsprachigen Nation mit verschiedenen Traditionen bis heute nichts von seiner Gültigkeit verloren hat.

Auch deshalb, weil sich der Alltag und die Kultur der gesellschaftlichen Mehrheit durch diese Vielfältigkeit weit interessanter gestaltet.

Die Rolle der Kulturpolitik des Staates liegt hierbei darin, keine Kulturpolitik zu haben! Er soll mit Hilfe seines von verschiedenen Interessen unantastbaren Schutzschirmes, und seiner finanziellen Mitteln die Selbstverwaltung gewährleisten. Die Minderheit soll eine kulturelle Autonomie genießen und sich, umgeben von der Mehrheit, wohlfühlen.

Ein wichtiges Element ist hierbei, dass die Kultur der Minderheiten auf eine natürliche Weise präsent ist, und als Teil des kulturellen Spektrums des Landes erkannt und anerkannt wird. Ein kulturelles Ghetto, gleich wie frei und von Außen unbeeinflusst es auch erscheinen mag, bleibt ein Fremdkörper für die Mehrheit.

 

Welche Verfügungen haben Sie während Ihrer kulturpolitischen Tätigkeit zur Aufrechterhaltung der nationalen Minderheiten gefördert? Welche kulturpolitischen Aktionen wurden während Ihrer Amtszeit durchgeführt mit dem Ziel die Kultur der kleinen Nationen oder das Identitätsbewusstsein der nationalen Minderheiten innerhalb der Staatsgrenzen zu stärken?

Ich habe während meiner Amtszeit als Minister versucht, diese Prinzipien in die Praxis umzusetzen. Meine Amtszeit dauerte nicht lang genug, und so kann ich keine besonderen Erfolge verbuchen. Doch versuchte ich alles, was in meiner Kraft stand, dieser wegweisenden Richtung, dieser Tendenz Geltung zu verschaffen. Vor allem mit uneingeschränkter Toleranz gegenüber den kulturellen Bestrebungen der Minderheiten. (Wobei ich seit 1990 ratlos mit ansehe, dass die angemessene Repräsentation der Minderheiten im Parlament nicht gelöst ist.)

 

Gibt es Ihrer Meinung nach einen bedeutenden Unterschied zwischen der Anwendung von kulturpolitischen Strategien bei großen, bzw. kleinen Nationen?

Die Kulturpolitik der großen Nationen ist im Allgemeinen geduldiger und großzügiger, als die der kleinen Nationen. Dies ist aber eine Regel mit zahlreichen Ausnahmen. Und daraus ist klar ersichtlich, dass eigentlich keine allgemeine Regel aufgestellt werden kann.

 

Hat die politische Wende aus strategischer Sicht positiv auf die Aufrechterhaltung der kleinen Nationen eingewirkt?

Diese Frage richtet sich natürlich auf unsere Region, und so muss ich sagen, dass der Systemwechsel eher zum Chaos führte. Auf den internationalen Druck zur Anerkennung der Grenzen von Trianon, und den „brüderlichen” Zwangsfrieden innerhalb des sowjetischen Lagers folgend setzt nun bei den Nachfolgestaaten der Vorgang an, den wir mit dem Trauma von Trianon bereits erlebten und auf unserer Weise aufarbeiteten. Die Tschechoslowakei hat jetzt ihr Trianon erlebt, Jugoslawien geht es ebenso. Rumänien stöhnt unfähig unter seinem Übergewicht. Und wir – die neu errichteten Demokratien – kämpfen mit den Missständen der politischen Pubertät. Im Lichte von all dem, wie kann man ernsthaft und mit Weitsicht über die Strategien des kleinstaatlichen Daseins diskutieren?

 

In der Zeit der Integration der Verwaltungsgebiete kamen nach 1990 sehr oft Interessensgemeinschaften zwischen den ostmitteleuropäischen kleinen Nationen zustande. Worauf ist es Ihrer Meinung nach zurückzuführen, dass die kleinen Nationen der Regionen die zwischenstaatlichen Kontakte nicht verstärkt zur Bewahrung der kleinen Nationen nutzen, und daran anknüpfend nicht enger im Interesse der auf dem Gebiet der Nachbarstaaten lebenden Minderheiten zusammenarbeiten?

Die mitteleuropäischen Nationen haben fast ausschließlich gemeinsame Interessen! Nur haben sie nicht die Zeit dies zu erkennen, weil sie weiterhin mit ihren diluvialen nationalstaatlichen Komplexen beschäftigt sind. Diese Erkenntnis, und davon ausgehend das Ausbauen von vernünftigen, krampflosen zwischenstaatlichen Beziehungen, und die Anerkennung der Vielfalt des kleinstaatlichen Daseins werden allein von den anachronistisch-nationalistischen Überbleibseln des 19. Jahrhunderts gestört und getrübt. Die Teilnehmer der Wirtschaft sind hierüber bereits hinweg.

 

Was halten Sie über die oben angesprochenen Themenbereiche hinaus wichtig für die Förderung der kleinen Nationen?

Die Stärke des kleinstaatlichen Daseins liegt in der kulturellen Selbstverwaltung, und in der Möglichkeit sich ungestört, frei von jeglichem politischen Einfluss kennen zu lernen.